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3M ich bitte Sie, zu erwägen, wie Sie die erfüllen wollen, die Sie gegen den König zu beobachten haben. Ich will diese Betrachtungen nicht weiter verfolgen; ich überlasse das Ihrer Redlichkeit. Wenn Sie mich dieser Ungewißheit entreißen wollen, so werde ich den König bitten, Ihre Forderungen zu erfüllen." Darauf antwortete Franklin mit seiner gewöhnlichen Kaltblütigkeit durch Betheurungen seiner Dankbarkeit und Bewunderung für ven König, indeß gesteht er doch ein, daß Man durch Abschließung eines Separat-Friedens mit den Engländern gegen die Schicklichkeit verstoßen habe. Für eine so inhaltsschwere Thatsache war der Ausdruck sehr mild. Der Secretair der auswärtigen Angelegenheiten für den Amerikanischen Kongreß, Rodert Livingston, dachte ganz wie der Graf von Vergennes und schrieb auch so an Franklin. In seiner Antwort verräth dieser seine geheimsten Gedanken und zeigt, wie wenig Gewicht er aus Frankreich legte. „Sie mißbilligen das Benehmen der Kommiffarien, weil dieselben den JriedenS-Traklat mit England unterzeichnet haben, ohne ihn dem Hofe von Versailles mitzutheilen. Ich wüßte nicht, daß die Franzosen große Ursache hätten, sich zu beklagen. Es ist nichts zu ihrem Nachtheil ausbedungen worden. Ich glaube nicht, daß sie sich offiziell beklagt haben; wenn dies der Fall wäre, würden Sie mir die Beschwerde übergeben haben, damit ich darauf antwor ten könnte. Schon lange habe ich Herrn von Vergennes über diesen Punkt vollkommen zufriedengestellt. Wir haben das Beste gethan, was wir unter den gegenwärtigen Umständen thun konnten; wenn wir uns getauscht haben, so kann uns der Kongreß tadeln, nachdem er uns gehört. Indem er fünf Personen für diese Angelegenheit ernannte, scheint er einiges Vertrauen zu unserem Urtheile gehabt »u Haden, da eine Person hinreichend gewesen sepn würde, um unter Leitung des Französischen Ministers mit England zu unterhandeln." Diese Antwort, welche den Hauptpunkt im Dunkeln läßt, ist ein Meisterstück diplomatischer Taschenspielerei. Der Amerikanische Talley- rand wälzt die Schuld aus feine Verbündeten. Das Schönste bei dieser Komödie ist aber die Stellung Herrn von Vergennes', der wegen seiner Schlauheit so berühmt war, und der nicht eingestehen will, daß er betrogen worden. Das Alter und die Kindheit Franklin'S sind reich an Anmnth und Liebenswürdigkeit. Man findet hier eine ideale Schönheit, die seinem reiferen Alter fehlt. Er nimmt in diesem zur List seine Zuflucht, und obgleich er dabei mit so vieler Feinheit und Ruhe zu Werke geht, wie der größte Virtuose, so fühlt man doch, daß es heroischere Eigenschaften, eine weniger schweigsame Geschicklichkeit und eine offenere Diplomatie giebt. Aber in der Kindheit ist er muthvoll, im Alt« vertraulich. Als Kind kämpft er mit der Armuth und einer gedrückten Lage, als Greis empfängt er die Huldigungen eines freien Volks. „Ich fand", sagt Manaffe Cutler, ein Freund Franklins, „den alten Doktor in seinem Garten unter dem Schatten eines gro ßen Maulbeerbaums, umgeben von seinen Freunden und einigen Damen. Er war 8l Jahre alt; seine Haare waren weiß und fielen zu beiden Seiten auf die Schultern hernieder; er hatte eine sanfte Stimm-, eine offene und angenehme Gesichtsbildung und trat noch fest auf. Er stand auf, als er mich bemerkte, reichte mir die Hand und lud mich zum Sitzen ein. Wir unterhielten uns dann, und die Unterhaltung dauerte bis zum Anbruche der Nacht. Dann brachte man den Theetisch, und der Thee wurde von Madame Bache, der Tochter des Doktors, welche bei ihrem Vater wohnte, servtrt. Bei ihr waren drei ihrer Kinder, welche ihren Großvater außer ordentlich zu lieben schienen und auf seine Kniee stiegen. Der Dok tor zeigte mir eine Naturmerkwürdigkeit, welche er eben erhalten hatte und welche seine Theilnahnte in Anspruch zu nehmen schien. Es war eine zweiköpfige Schlange, die man am Schuylkill-Fluß gefunden hatte. Diese zweiköpfige Schlange erregte die ironische Laune des Doktors, welcher zu mir sagte: „Ich stelle mir die traurige Lage dieser Person vor, wenn ihr rechter Kopf rechts und ihr linker sollte links geben wollen; wenn beide Köpfe gleich hartnäckig sind, so ist der Bürgerkrieg nicht zu vermeiden. Dies ist heute Morgen dem Kongresse begegnet, als " Hier unterbrach man ihn, um ihm bemerklich zu machen, daß die Angelegenheiten des Kongresses geheim bleiben müßten. Als es dunkel wurde, begaben wir uns in feine Bibliothek, die ihm als Arbeits-Kabinet dient. Dies ist ein großes Zimmer, voll von Büchern, die nicht bloß an den Wänden ausgestellt sind, sondern auch in der Mitte des Zimmers. Man sicht hier mehrere interessante Maschinen, von denen der Doktor selbst einige erfunden hat, z. B- eine künstliche Hand, die vermöge eines großen Stabes und einer künstlich angebrachten Sprungfeder die Bücher von den höchsten Brettern herunterholt und wieder hinstellt. Wir sprachen während dieses langen Besuches hauptsächlich nur von philosophischen Hegenständen, vorzüglich von der Naturgeschichte, die der Doktor leidenschaftlich liebt. Ich mußte seine auSgebrcitctcn Kenntnisse, sein glänzendes Gedächtniß, Lie Klarheit und Lebendigkeit seines Geistes bewundern." Er starb einen sanften Tod, indem er die Verse des alten halb puritanischen Dichters Watts über die göttliche Allmacht wiederholte. Seine letzten Worte waren charakteristisch. Er sagte: „Machet mein Bett, damit ich anständig sterbe." Welchen Rang nimmt Franklin unter den Staatsmännern ein, die von Zeit zu Zeit der Welt einen neuen Anstoß geben ? Er verkündet die Herrschaft der arbeitenden Klaffen, den Sturz der heroischen und kriegerischen Klasse; er ist der letzte Ausdruck der protestantischen Erhebung und die raffinirteste Gestalt des weltlichen CalvinismuS. Wenn man Franklin fragte, welche Eigenschaft einem StaalSmanne am nützlichsten sep, so antwortete er: Der Schein und der Ruf der Redlichkeit. Eine Stelle aus seinem Tagebuche vom 27. Juli »784 enthält seine Theorie über diesen Punkt: „Die Haupteigenschast eines Staatsmannes muß der Schein sepn. Lord Shelburne, einer der größten Staatsmänner dieser Zeit, steht im Rufe, daß er nicht auf richtig sep, was seinen Einfluß gänzlich lähmt. Dennoch hat er mir nie einen Beweis dieses Fehlers gegeben. Wenn ein Staatsmann seine Pläne durchsetzen will, so muß man seinem Worte und seiner Fähigkeit trauen. Steht diese Meinung einmal fest, so schwinden alle Hindernisse und Schwierigkeiten. Selbst wenn man ziemlich schlecht spräche, würde man doch durch den falschen Schein der Red lichkeit über den glänzendsten Redner den Sieg davontragen. Ich bin so überzeugt von der Wichtigkeit des äußeren Ansehens und der Herrschaft des äußeren Scheines in den öffentlichen Angelegenheiten, daß, meiner Meinung nach, John Wilkis Georg III. hätte entthronen können, wenn dieser nicht im Rufe eines guten Familienvaters ge standen und Jener nicht für einen Schurken gegolten hätte." Da Franklin'S natürliche Anlage zu einem Gleichgewicht aller menschlichen Fähigkeiten hinneigte, so glaubte er, alle Menschen glichen ihm, und cs wäre genug, ihnen die Tugend zu lehren. Aber diese Kunst der Tugend ist leider ein Jrrthum. Indem Franklin die gött liche Idee aus dem moralischen Gesetzbuch strich, beging er cmcn großen Fehler. Da er der Abkömmling eines durch und durch from men Geschlechts war, so sah er nicht ein, daß die Tugenden des Tem peramentes und der Gewohnheit, die er besaß, nur ein Resultat des Puritanismus waren. Seine Theorie des Nützlichen ist cs, welche alle edlen, heldenmüthigen und muthvollen Regungen in unserer Zeit geschwächt hat. Der ruhige und leidenschaftslose Mensch findet das Glück in einem ruhigen und geregelten Leben, wie Franklin es anempfiehlt; ein ungestümer Geist sucht in der Wollust, im Ehrgeize, im Genuß das Nützliche. Als Staatsmann war sein größtes Werk und sein Kraftstück, daß er die Französische Monarchie für die re publikanische Revolution interesfirie. Die Französische Monarchie versetzte sich selbst den Tobcsstreich, verleitet von dieser schmeichelnden und geschickten Hand. Franklin hat in Frankreich viel zu thun gehabt, sehr wenig in Amerika. Hinsichtlich der Größc läßt dieser Taüfzeuge der zukünftigen Gesellschaft viel zu wünschen übrig; die höheren Eingebungen der Selbstverleugnung fehlen ihm zu sehr. Er kann seinen Ursprung nicht ganz verleugnen; er verstellt sich, er rechnet, er fälscht und versteht, seinen Profit zu machen. Der Glanz und die Thorheit der Tugend zeichnen ihn nicht aus. Aber wie viel scharf sinnige Erfahrungen über die Welt und die Gesellschaft hat er ge macht. Wie mannigfache und herrliche Talente besitzt er! Welchen liebenswürdigen Styl! Sein ganzer Lebenslauf beweist, daß er einer der lichtvollsten und feinsten Geister war. PH. Chaslcs. Mannigfaltiges. — Vielsprachige Bibel. Die Englischen Buchdrucker und Verleger Kadeer and 8o»3 beschäftigen sich mit der Publikation der vollständigsten Polyglott-Bibel, die bis jetzt eristirt, und die unter dem Titel „Niblia kol^^lutta herausgcgeben von dem l)i. der Theologie Herrn Frederick Jliff, erscheinen wird. Richt bloß die wichtigsten Sprachen der Erve, in denen die heilige Schrift bisher vorhanden ist, werden in dieser Ausgabe repräscntirt seyn, sondern auch ein Apparat von grammatischen und kritischen An merkungen aller Zeiten und Zungen soll damit verbunden werden. Vier berühmte ältere Polyglotten, die Spanische (unter dem Pa tronate des Kardinals ssimencS, 1314 —17, in sechs Bänden Fol.), die Antwerpener (aus Kosten Phllipp'S II. von Spanien, lobst— 72, in acht Bänden Fol.), die Pariser (von Le Jaye, 1043, in zehn Bänden Fol.) und die Londoner (von Brian Walton, I03Z — 37, in sechs Bänden Fol.), wird man zwar bei der neuen Aus gabe ebenfalls benutzen; diese wird jedoch den älteren Polyglotten an Ncichthum des Inhalts und der Ausstattung eben so überlegen seyn, als cs die neuere Zeit überhaupt der älteren in Allem ist, was die Verbreitung und die Kenntniß der Sprachen der Erde betrifft. — Romantisch-komische Rhein-Sagen. Ein Engländer, Capitain Charles Knor, hat die schon so unzähligemal von seinen LandSleuten wicdererzähltcn und bearbeiteten Deutschen Rhein-Sagen aufs neue zugestutzt und in drei Bänden herausgegeben. °) Um jedoch die Sache anders zu machen, als seine Vorgänger, ist Herr Capitain Charles Knor auf den unglückseligen Einfall gekommen, dem romantischen Element der von thm bearbeiteten Sagen einen humoristischen ober vielmehr burlesken Beischmack zu geben und so gerade den eigenthümlichcn Reiz, den die meisten Legenden dieser Art durch ihre Naivetät und Poesie darbieten, vollständig zu paraly- siren. Aus jedem Ritter hat er einen Don Quijote, aus jedem Knappen einen Sancho Pansa und natürlich auch aus jedem Edel- fräulcin eine Dulcinea gemacht. Solche Parodie einer bekannten Novelle, oder zweier, kann man sich allenfalls gefallen lassen, — aber drei Bände auf einmal davon zu verdauen, dazu scheint der Magen eines reisenden John Bull erforderlich zu seyn. ') 1>LtUtiou« of KIsoK k'or^t, t!»o Xeckar, tt»e , tl»e l'üuou«, tltnue »«6 t!»e Kartelle. I^ou6i»u, 1841. Herausgegcben von der Expedition dcr Allg. Preuß. Slaars-Zeiiung. Redigier von I. Lehmann. Gedruckt bei A. W. Hayn.