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denen man einander neue Werfe vorlas oder über Poesie und Be redsamkeit konversirte. Der berühmte Malherbe sah fast jeden Abend eine gelehrte Gesellschaft bei sich, obschon seine Stube sehr dürftig möblirt war und nur sieben oder acht Nohrstühle enthielt. Oft traf cs sich, daß noch Besucher kamen, als alle Stühle schon besetzt waren; alsdann öffnete Malherbe Vie Thür nicht und rief den An- klopfendcn von Innen zu: „Warten Sie ein wenig, es sind keine Sitze vakant." Diese Vereine verdienen besonders darum unsere Aufmerksamkeit, weil die Französische Akademie einem derselben ihr Dasepn verdankt. Pelissot erzählt, daß ums Jahr N>2» mehrere in verschie denen Revieren von Paris wohnhafte Privatleute den Beschluß faßten, an einem Tage der Woche bei Einem von ihnen zuiammen- zutreffen. Sic waren Leute von gelehrter Bildung und ungewöhn lichem Verdienste; und in ihren Assembleen kam alles Erdenkliche, insonderheit aber die schöne Literatur, zur Sprache. Hatte Einer von ihnen Etwas geschrieben, so las er cs vor, und die Nebligen sagten ihm dann sreimüthig ihre Meinung. Diese kleine Gelehrtcn- Republik, die mehrere Jahre geheim blieb, wurde durch die JndiS- cretion eines neu aufgenommenen Mitglieds Plötzlich bekannt: ein Herr Zaret entdeckte sic den Herren Desmarets und BoiSrobert; diese äußerten den Wunsch, mit cinzutreten; man stellte sie vor, und sie wurden von der geistreichen Art, womit man literarische Produkte in dieser Versammlung würdigte, wie auch von der echten Humanität und dem seinen Benehmen ihrer Mitglieder wahrhaft bezaubert. BoiSrobert, dessen Geschäft darin bestand, daß er dem Kardinal Richelieu alle pikante Stadt-Neuigkeiten hinterdrachte, verfehlte nicht, ihn auch von diesem literarischen Vereine zu unterhalten. Richelieu forderte die Gesellschaft durch Boisrobcrt auf, eine Körperschaft zu bilden und unter dem Schutz der Behörde sich regelmäßig zu versammeln. Die Anerbietungen des allmächtigen Kardinals schienen den meisten Herren vorthcilhast; doch beklagten sie ihre alte Unabhängigkeit und Obskurität; ja, zwei unter ihnen, die Herren Malcville und Serisap, von denen Ersterer bei dem Herzog de la Rochefoucauld und Letzterer bei dem Marschall von Baffompierre in Diensten stand, wollten den Verein mit dem Aufgebot ihrer ganzen Beredsamkeit dazu bewegen, daß er den Schutz des Kardinals ablehnte; aber Chapelain, ein neues Mitglied, bestimmte die Herren zur entgegengesetzten Meinung. Endlich wurde beschlossen: „Herr von BoiSrobert solle die Güte haben, dem Herrn Kardinal für die Ehre, die er ihnen erwiesen, untcrthänigstcn Dank abzustattcn und ihm die Versicherung zu geben, daß sie, obschon ein so kühnrr Gedanke niemals bei ihnen sich geregt, und obschon das Vorhaben Seiner Eminenz sie außerordentlich über rascht hätte, doch sämmtlich entschlossen scpen, seinem Willen nachzu- kommcn." Der Kardinal ließ ihnen antworten, sie möchten ihren Verein ganz nach eigenem Ermessen erweitern und unter sich dar über berathen, welche Form und welche Gesetze für ihn am schicklich sten scpn dürften. Die Verhandlungen gingen zu Anfang dcs Jahres itiZli vor sich. Die Gesellschaft wählte noch einige Mitglieder und vertraute ihre Leitung dreien Beamten: einem Direktor, einem Kanzler und einem Sccretair. Die beiden Ersten sollten nur zeitlich ihre Acmtcr verwalten; der Sccretair aber auf Lebenszeit. Ferücr wurde be schlossen, daß die Gesellschaft dcn Namen „Französische Akademie" annedmen sollte, obschon mehrere sie lieber „Akademie der schönen Geister", „Akademie der Beredsamkeit" u. s. w. betitelt Hütten. Diesen vorläufigen Arbeiten folgten eine Rede des Herrn Farct und ein Bries des Herrn Serisap: die Rede sollte den Statuten der Aka demie als Vorbericht dienen; der Brief aber war an den Kardinal Richelieu addressirt und enthielt die Bitte, daß Se. Eminenz ge ruhen möchten, dcn Titel eines Beschützens der Akademie anzr.- nehmcn. Der Kardinal ließ sich die Rede und den Brief zweimal vorle- scn; auf den letzteren antwortete er, daß er die Ebre, die man ihm zu crwcisen beabsichtigte, mit Dank annähme; die Rede aber schickte er mit kritischen Randbemerkungen, welche Form und Stil betrasen, wieder zurück. Bei dieser Gelegenheit gab die junge Akademie schon ein Zeichen selbständiger Sinnesart: in der Sitzung vom 27. No vember Ulli» erklärte sie hinsichtlich zweier Bemerkungen des Kardi nals „Seine Eminenz möchte die Gnade haben, zu sagen, ob sie diese Stellen durchaus verändert wissen wollte; denn ihre Glossen seycn etwas unbestimmt, und die getadelten Ausdrücke schienen der ganzen Körperschaft cdel und Französisch genug." Wirklich scheint der Kardinal nachgegcben zu haben; denn die angefochtenen Stellen blieben ungeändert. Die Akademie mußte nun auch an die Gegenstände ihrer Be schäftigungen denken; Chapelain stellte vor, nach seiner Meinung sollte man hauptsächlich an der Reinheit der Französischen Sprache arbeiten und dahin streben, daß die Muttersprache ein würdigcS Organ der höchsten Beredsamkeit werde. Ein gutes Wörterbuch, eine Sprachlehre, eine Rhetorik und eine Poetik scpen vor Allem nothwenvig. D'c Akademie billigte diesen Vorschlag, und Chapelain erhielt die Weisung, den Plan zu entwerfen. In Ansehung des Freibriefes der neuen Körperschaft konnte man schon vorhcrwlssen, daß der König seine Einwilligung dazu geben würde; auch fiel eS dem Groß.Siegelbewahrer nicht ein, die Sache zu verspäten. Aber das Parlament legte Schwierigkeiten in den Weg; es wagte zwar keinen offenen und mstivirtcn Widerstand, ging aber sehr langsam und böswillig zu Werke. Das verdroß dcn Kardinal: er schrieb in seinem und des Königs Namen an den ersten Präsidenten; er erklärte, daß er, falls man die Sache in die Länge zöge, dcn Freibrief dem großen Nath vorlegen und von ihm verifi- ziren lassen würde. So mußte das Parlament endlich sich refignircn, »nd lm Juli Ivr7, nach zweijährigem Verzüge, wurde der Freibrief, welcher die literarische Gesellschaft zum Range einer Französischen Akademie erhob, endlich registrirt. Die der neuen Akademie von Richelieu erwiesenen Gunstbczeu- gungen machten in den verschiedenen Zirkeln der Hauptstadt ein großes Aufsehen. Man staunte anfänglich, und alle Nicht-Mitglieder, wie auch alle diejenigen, die keine Hoffnung hatten, Mitglieder zu werben, beschwerten sich laut über das geringe literarische Verdienst einiger Akademiker. Tallemant sagt in dieser Beziehung in einem Histörchen, das er BoiSrobert gewidmet, der Letztere habe viele blinde Passagiere, die man seine Kinder der Barmherzigkeit nannte, bei der Akademie angestcllt. Es ist interessant, zu lesen, wie Balzac, der nachmals eine so kräftige Stütze der Akademie war, die Nachricht von ihrer Gründung ausnahm. „Sie zeigen mir an" — so schreibt er — „daß Sie in der Akademie der Schöngeister einen Platz er halten haben; ich meinerseits möchte Ihnen die Frage stellen, wer diese Schöngeister ausgenommen hat, von denen Sie ausgenommen find." Nachdem cr Chapelain einige übertriebene Komplimente ge macht, fragt er, was der Titel „Direktor der Akademie" bedeute, und wer die Herren scpen, deren Namen die Herausgeber vor lauter Respekt durch Punkte «»gedeutet hätten. Er schließt seinen Brief mit dcn Worten: „Alle Ihre Gründe werden mich schwerlich über zeugen odcr dazu bestimmen, daß ich die werdende Sonne anbete. Man schildert sic unS als einen Unglücks-Kometen, der uns noch Schrecklicheres droht, als die heilige Inquisition selber. Man berich tet mir, sie sey eine Geister-Tyrannei, der wir Büchcrmachcr blinde Unterwürfigkeit beweisen sollcn; ist dem so, dann werde ich gewiß ein Rebell." Ein paar Tage später, nachdem Chapelain an Balzac geschrieben, daß alle diese Gerüchte unbegründet sepcn, und daß er (Balzac) in kurzem selbst Akademiker werden würde, ändert der Letztere urplötzlich seine Sprache: „Ich sehe jetzt ein" — so schreibt cr — „daß diese neue Societät Frankreich Ehre machen und Ita liens Neid erregen wird; und bin ich ein guter Horoskopist, so wird sic bald das Orakel des civilisirten Europa werden." Dennoch verdrießt cs ihn, daß man gewisse Personen unter die Mitglieder ausgenommen hat. „Sie mögen bei der Akademie ange stellt werden" — sagt cr — „aber als Büttel oder Laienbruder, wie die Huissiers zum Parlamente gehören-- In jedem Falle bitte ich Sie, gleich bei der ersten Sitzung die Akademiker in zwei Klaffcn zu theilen und die Patrizier von den Plebejern zu sondern." Der perzog von Orleans, Ludwig's Xlll. Bruder, dem Riche lieu immer ein Dorn im Auge war, wollte vermuthlich nur zur Verhöhnung dcr Aouüömio eine eigene Akademie in seiner Behausung stiften. Mehrere der Mitglieder konnten kaum lesen. Ein Herr Laboulaye-Brubart erhielt 15,000 Livres, um das Lokal zweckmäßig einrichten zu lassen und Papier, Dinte, Bücher u. s. w. zu beschaffen. ES ergab sich aber bald, daß er keinen seiner Auf träge erfüllt hatte. Der Herzog ließ ihn rufen. „Ich will Ew. Hoheit die Wahrheit berichten", sagte er; „seitdem ich die Ehre habe, dero Schatzmeister zu sepn, bin ich ein Dieb geworden, wie die Anderen, und Alles ist in meinen Beutel gewandert." Die ganze Versammlung brauste auf: man warf ihm sogar einige Bücher an den Kopf; er aber machte sich ohne weitere Defensiv» oder Protesta tio» aus dem Staube, und die kaum geborene Akademie zerfiel wieder in Staub. Man stellte auch zwei ernsthaftere Versuche an, um mit Richclicu'S Akademie zu rivalifircn; aber keiner von beiden gelang. Die Vicomteffe von Auchy, ein schöner Geist jener Periode, hieß jedes Individuum, das sich mit Poesie beschäftigte, in ihrem Zirkel willkommen. Darf man Tallemant in feinen Histörchen Glauben schenken, so war sie die Geliebte Malherbc's gewesen, der sie unter dem Namcn Kalliste besang. Ans einem Briefe Malherbc's ergiebt sich, wie Tallemant bemerkt, daß dieser Herr ein ziemlich plumper Liebhaber war; er gesteht nämlich der Frau von Rambouillet, daß sei» Verdacht, die Vicomteffe liebe einen Anderen, ihn einmal so weit getrieben habe, daß er ihre beiden Hände mit einer Hand festhielt und ihr mit der anderen so lange Ohrfeigen gab, bis sie laut um Hülfe schrie. In ihren alten Tagen kam diese Dame noch auf dcn Gedanken, ihre Soiree's in akademische Sitzungen zu verwandeln. Anfangs versprach das Unternehmen guten Fortgang. Als aber ein gewisser Saint-Ange eine Anzahl Knaben, denen er, wie er sagte, Philosophie und Theologie bcigebracht hatte, in dieser Akademie Vorträge halten ließ und einige dcr jungcn Gelbschnäbel ungereimte und fast ketzerische Thesen verthcidigtcn, da gab dcr gerade anwesende Erzbischof von Paris der Vicomteffe dcn freundlichen Rath, diese» Disputationen ein Ende zu machen. Frau von Auchy zeigte keine Lust dazu, bis Herr von Retz (der Polizeiminister?) ins Mittel trat. Dcr Versuch des Avbö'S d'Aubignac war kühner, gelang aber nicht besser. Dieser Herr schuf im Jahre ll>62 eine Akademie, deren Mitglieder, worunter viele ausgezeichnete Personen, zweimal wöchent lich zusammcnkamcn. Im Jahre >6«» wollte er diese Societät zn einer Königlichen Akademie erheben und machte zu diesem Zweck eine Eingabe an dcn König; allein er wurde nicht gehört, und die von ihm gestiftete Societät ging mit ihrem Stifter zu Grabe. (kevue üe pari«.) Nord - Amerika. Redner und Staatsmänner des neueren Nord-Amerika, u John Quincy Adams. Er war dcr Sohn des Redners dieses Namens beim Kongreß der Amerikanischen Revolution und wurde zum Advokatcnstande cr»