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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumeration»- Preis 22; Sgr. (j Tblr.) rierteljäbriich, 3 Tblr. sür LaS ganze Jahr, ohne Er höhung, in allen Theilen der Preuilischen Monarchie. Magazin für die Man orLnumerirt auf diese- Literatur-Llati in Berlin in der ExptLiüon Ler Lllg. Pk. Staate-Zeiluug (ZriedrichSAr. Nr. 72); in der Provinz so wie im Auslände del de» ' Wohllibl. Post - Aemlern. Literatur des Auslandes. 7. Berlin, Mittwoch den l!». Januar Frankreich. Der Jüngling und der Mann. Eine Replik auf den Aussatz des MagazinS: „Die Jugend und das praktische Leben."') Das Magazin für die Literatur des Auslandes eröffnet, nach einer Einleitung, die Reihe seiner Aufsätze für das Jahr 1840 mit einer vvn Herrn St. Marc Girardin in der Sorbonne zu Paris gehaltenen Borlesuna unv zieht dieser die oben angeführte Uebcr- fchrift. Wie geistreich nun auch die Worte Girardin's sind, wie viel Treffendes für den Beistand und Treffliches für die Gesinnung sic immer enthalten: der Schluß seiner Rede läßt sich mit ihrem An fänge nicht recht in Uebercinftimmung bringen, und man fühlt dies um s» lebhafter, je mehr man gerade durch ihre Vorzüge angezvgen und vertraut und übereinstimmend mit vielen ihrer Gedanken ge worden ist. Es ist nicht Absicht dieser Zeilen, die Gründe des angedeutetcn inneren Widerspruchs zu entwickeln, zu zeigen, daß er mit dem zwischen dem Anfang, ober vielmehr der Mitte und dem Schluß von Herrn Girardin's Rede, wenn auch noch so sein nüancirtcn, dennoch obwaltenden Unterschiede identisch sey. Es soll zum Berständniß des Nachfolgenden hier nur die Ansicht ausgesprochen werden, daß Herr Girardin sehr klug, aber vielleicht weniger offen seine geistreichen Worte den nach Atter unv Ansicht gemischten Zuhörern akkomodirt, zu Anfang im Interesse der Jugend diese mit dem späteren Leden m die für sie so reizende Opposition gebracht Hal unv, wohl um diesen Gegensatz zu verwischen und auch das reifere Alter durch seinen Vortrag zufrieden zu stellen, am Ende nichts Anderes thun konnte, als sich eine kleine Inkonsequenz gestatten, indem er, sich aus die Geschichte eines jeden Menschenlebens berufend, der Jugend den nvthwcndigen Konflikt mit dem praktischen Leben wie eine dunkle Wolke am fernen Horizont zeichnet, die dem Wettcrkunoigcn den Sturm andcutet, und chr, zur Partei der Bejahrten übergehend, wohlmeinend räth, sich vorsichtig unv bei Zeiten unter den schütz des Alters, in die Umgränzung einer beengenden, aber schirmenvcn Häuslichkeit und Berufspflicht zu retten, nachdem er kurz zuvor mit voller Uebercinftimmung den Drang vcs hoffnungbcwegten jungen Herzens anerkannt und schön vertheivigt har. Auch das ist gewiß reckt gut gemeint; aber ob cS die Jugend ändern, geschweige glück licher machen wirbt Könnte Herr Glrardin mir seinem Geist und guten Willen nur auch seinen Schlußworten die Kraft einhauchen — nicht, die Jünglinge recht früh zu Greisen zu machen; das wäre eher möglich unv geschieht, wenn auch aus andere Weise, wohl eben nicht selten — sonveru die völlige Harmonie des Lebens hcrzustellcn und somit den vielleicht nur scheinbaren Streit und Gegensatz zwischen Jugendhoffnung und praktischer Erfüllung derselben von der Tafcl menschlicher Erfahrungen abzuwischcn, obne dadurch das Eine oder das Andere oder Beides zugleich zu vernichten. Es mag aber diese Gegenstcllung wohl ihr Gutes haben und darum das Beste sevn, sie gewähren zu lassen. Doch die wenigen Zecken, welchen hier die OeffentUchkeit gestattet wird, hatten einen anderen Zweck, als den der Opposition gegen einen berühmten Mann. Ihr Berfaffer ist nicht nur ein fleißiger, sondern auch sehr regelmäßiger Leser dieses Blattes, und aus dieser letzteren Eigenschaft folgte nun ganz natürlich, daß er bei Lesung der ersten Nummer des neuen Jahrganges mit dem Anfänge auch wirk lich den Anfang machte, daß heißt: den ersten Artikel, oas Vorwort an das Publikum, vorausnahm und ihm den zweiten, eben den oben deregten Aussatz, folgen ließ. Die Saiten, welche in ihm durch die Worte der Redaction des Magazins angeschlagen und in ihrer Schwingung eine namentlich Deutsche Stimmung trugen, wie sic sich als solche dem Auslande unv hauptsächlich Frankreich gegenüber charakterisirt, tönten noch, als die Lektüre sich schon Bahn ins Ge biet des zwecken Artikels gebrochen und die Gedanken auf ein anderes Feld, einen anderen Gegenstand: das öffentliche Leben in Frankreich, gelenkt hatte. Diese Gedanken und jene Stimmung nun gcriethc» > Nachstehende, in vaterländischer Bestehn», eben so wohlgemeinte als treffende Pemertungen, die jedoch medr noch aodeueen als auesiihre» und »»mittelbar nach Lem», unserer diesjährige» erste» Nummer niedee^ciwneden Imd, haben wir vo» eine,» aujmertsame» u»d wohlwollenden Leser unseres Blattes aus Schlesien erhalten- Wir glaube» die Mitiheimng Lieser Stc»lik sowohl ihrem Verfasser ms dem Publikum schuldig zu sevn. in gegenseitige Berührung; sie erhielten Nahrung aus dem Wider spruchsgeist, ven Girardin's Rede erweckt, und so gaben sie den Stoff zu den nachfolgenden Zeilen. Deutschland und Frankreich, Französisches und Deutsches Leben sind in letzter Zeit so vielfach in Berührung gekommen, daß selbige, da sie eine vorzngsweisc geistige war, nothwendig ihren Nachhall in der Literatur finden mußte und auch mehr als zu viel gefunden hat. Biel ist bei uns streitsüchtigen Deutschen debattirt worden, was für eine Stellung Frankreich gegenüber wir einzunehmen haben? Wenn Einige jcvc Gemeinschaft mit jenem Lande als unserer Nationalität nachtheilig untersagen mochten, so waren Andere und wohl vornehmlich die Jüngeren nicht wenig geneigt, sich ganz an die übcrrheinischen Eigen- thümlichkeitcn und Sitten aufzugcdcn, dabei in der Hoffnung lebend, oaß sie au ver jekt so allgemein in Frage stehenden Welt-Literatur auf diese Weise würdig mitarbciteten unv sich den Lorbeerkranz verdienen müß ten sür ihr bilvungförderndeS Beginnen; ost aber nicht gewahrend, wie dieser Lorbeer- zum Tovtenkran; wurde auf dem Grabe ihres Glückes, ihrer Ruhe und gewöhnlich auch ihrer inneren Selbstständigkeit. Wer Recht oder Unrecht hat in diesem Streite, und wie viel des Maßes von beiden Jedem zukomme: eS bleibe unentschieden. Unterfangen wir uns dafür, zunächst nur kurz hie Frage zu beantworten: wie verhält sich im Allgemeinen ein Franzose zum Deutschen in Bezug auf öffentliches, politisches Leben? Die Antwort ist, wie Wie aber, wenn wir die Frage umkehren, verhält sich der Deutsche dagegen zum Franzosen in Bezug ans das innere Leben, waS man so gewöhnlich mit vcm Ausdruck „GemüchSweli" bezeichnet und worin zugleich „Familie unv Persönlichkeit" ibre Bedeutung finden? Hier giebt cS eben keine andere Gleichung als die obige, wie U>: l. Der Franzose lebt im Oeffentlichen und hat fast keine Eristenz als diese; er nimmt Theil, so viel er kann, am StaatSlebcn; er ist politisch, und die Einrichtungen seines Landes begünstigen ihn in seiner Nei gung. Der Deutsche dagegen beschäftigt sich fast ausschließcnd mit sich selbst unv seinen Angelegenheiten uns beachtet die feincS Nach bars nur, insofern sie ihm eben benachbart — nahe sind; sein Leben ist ein mehr inneres, ein Familienleben, und sein reicheres Gcmüth befähigt ihn dazu. Der Franzose hat mehr Nationalität, der Deutsche mehr Individualität; die Individualität des Ersteren ist basirt auf seine Nationalität; die Nationalität des Deutschen dagegen ruht auf seiner Individualität. Dies ist der Sinn und die Bedeutung der obigen Verhältnisse von lck: I — eine Bemerkung, die schon ost gemacht, doch auch eben so oft wieder vergessen worden. Hier soll sic zur Einlcitung ins Folgende und zur Wieveranknüpsung an die Reve des Herrn Girardin dienen. Herr Girardin empfiehlt am Schluß seiner Vorlesung der Jugend seines Vaterlandes, sich schon im Misten Jahre fern zu halten von jcver Hoffnung, die im 2Ssten mit Entmutbigung und Neberdruß cnde. Bei ver Eigenthümlicbkeil des Französischen Charakters, Ge burten des Kopfes baldmöglichst ein wirkliches Dascyn zu geben, und bei der Unterstützung, welche dies Beginnen in der Verfassung des Landes und der Entzündbarkeit all seiner Bewohner findet, ohne darum gerade ein glücklicheres Ende zu haben als anderwärts, ist «S für einen öffentlichen Lehrer wohl eine leicht begreifliche Pflicht, Jünglinge, die aus seinen Worten sich einen Leitfaden für ihren Le bensweg spinnen sollen, vor Hochmuth und Ehrgeiz zu warnen, weil cc weiss, wie gefährlich diese Eigenschaften eben bei dem Stande deS öffentlichen Lebens in Frankreich und wie gern sic auf der anderen Seite von der dortigen Jugend selbst gehegt find, die aus Ueberfüllc schäumender Kraft Hoffnungen hegt, welche nothwendig getäuscht werden müssen, weil sie — wie es nun einmal in Frankreich der Fall ist — vie Tendenz haben, ihre Gültigkeit am praktischen Leden zu prüfen. Wo die Eristenz selbst so viel äußere Beschäftigung bietet wie dort, die Talentvollsten gerade am meisten sich berufen glauben, am Bau des Staatskörpers mitzuschaffen, da kann die zarte Blüthe eines Jugcndtrauins sür den, dcr sie pflegt und zur reifen genieß baren Frucht gestalten will, nur gefährlich werden, oder sicher doch wird fic nie gedeihen. Muß nun aber, weil sie nicht praktisch ist unv nicht berechneten Nutzen gewährt, darum die schöne Blüthe eines göttlichen Keimes erstickt unv gcgcu den vorübergehenden Gewinn der Sinnlichkeit ein freilich unsichtbares Gut stillen inncrlichcn Glückes geopfert werden ? ES wrdcrt Selbstüberwindung und Entsagung, um im Besitz von Gefühlen zu bleiben, die mit dem Aeußcren nichts zu thun haben, Gefühle, welche man nur als Eigenthum dcr jugendlichen Jahre und von der Höhe einer späteren, erlernten Weisheit herab als etwas