Volltext Seite (XML)
Wöchentlich erscheinen brn Nummern. PrönumeraNonS- preiS 22^ Sgr. sj THIr.) merteliähriich, Z Thlr. für da« ganze Jahr, ohne Er- Höhung, in allen Theilen her Preußischen Monarchie. Magazin für die Man rränumerirt auf diese- Beiblatt der 'Mg. Pr. Staat«. Zeitung in Berlin in der kxpcditicn (ZriedrichS-Ctraße Nr. 72); in der Provinz so wie im AuSlandc bei den Wohllöbl. Pest-Aemtern. Literatur des Auslandes. 7. Berlin, Mittwoch den 1k. Januar 1839. Frankreich. Graf Beugnot in den Revolutions-Gefängnissen. 1793 — 94. Au« den Memoiren des Grafen. .... In dieser traurigen Stimmung fand mich Lamourelle, der constitutiomieile Bischof von Lyon, der mit mir ein Zimmer erhielt. Lamourelle war ein guter Redner und zur Zeil des Aus bruchs der Revolution einer der ausgezeichnetsten Priester des Oratoriums. Wie fast alle Mitglieder dieser gelehrten Congre- gaiion, haue auch er sich von den neuen Ideen verführen lassen und war so Bischof von Lyon geworden. Während der Belage rung bewies er den Eifer und Muth, der den Französischen Priestern im Augenblick der Gefahr nie fehlt. Millen unter Kugeln und Kartätschen brachte er seinen Pfarrkindcrn geistlichen Trost. Unser guter Abbö Rosier, der -Verfasser des Dirtioimairv ä'sxrioulcure, fo wie sein Großvikar, waren in der Belagerung geiödlel worden; der Bischof ward nur verwundet, machte sich aber darauf gefaßt, daß des Henkers Eisen nachholen würde, was Dubois de Grancö's Söldner versäumt hallen. Vor dem Revo lutions-Tribunal gestand er ein, wessen man ihn angcklagt, in dem er sein Glaubcnebekcnmniß ablegie und das Zeichen des Kreuzes machte, worauf er sein Unheil crwancie. Den Lid, den er auf die neue Verfassung des Klerus geschworen, wider rief er, und diese Widerrufung habe ich ihm versprochen, zu veröffentlichen. Ale mich Lamourelle so beirübl sah, glaubte er, ich hätte morgen vor dem Tribunal zu erscheinen, und begann eine ernste Ermahnung, die sich darauf bezog. Zch zcigie ihm seinen Irr thum und erklärte ihm die Gründe meiner Niedergeschlagenheit. Er tadelte mich scharf lind behauptete, ich müsse in der Ankunft meiner Frau einen mächtigen Trostgründ finden, was auch dann weilcc erfolge. Auf meine Einwendungen aniwoneie er bloß: „Suchen Sie einmal von Herzen Christ zu scyn, und diese un ruhigen Phaniasieen werden Ihnen nichis anhaben." I» der Nacht, die diesem Tage folgte, wurden wir Beide grausam geprüft; durch die Entfernung der Girondisten waren fünf Plätze in unserem Zimmer leer geworden, die jetzt von Lamourelle, einem ehemaligen Prior von Molcsme, Namens Saumönil, dem Por trait-Maler Boos, einem Pariser Schneider und dem gewesenen Finanz-Minister Clavieres eingenommen wurden. Dieses Zimmer zeichnete sich vor den übrigen aus durch die Ordnung und Ruhe, die darin herrschten, und daher nannte man cs auch das Zimmer der sieben Weisen. Clavieres Hane malerialisiische Ansichten, der Bischof und der Prior waren sehr fromm, der Schneider war Protestant und der Maler gar nicht«. , Dies Alles vertrug sich köstlich neben einander, und als Clar vieres sich einmal einige Spöttereien erlauben wollte, sagten die Priester gemeinschaftlich ihr Brevier her, und ich gewöhnte ihm dies bald ab. An dem Tage meiner ersten Zusammenkunft mit meiner Frau empfängt Clavieres seine Anklage-Akte und die Nachricht, daß er am anderen Morgen sein Unheil hören werde. Er liest die Akte und zertritt sie dann unwillig mit den Füßen- „"sen Siesag,« er zu mir, „wenn Sie den Muth haben, und sagen Sie, was ein braver Mann zu «Hun hat." Ich lese in der Thal ein langes Register, in welchem von Cla vieres alle mögliche Beschuldigungen aufgezähll sind, nur nicht die wahren. Ich gab «hm den Rach, seinen Advokaten zu rufen. „Wozu die«?" antwortete er, „ich will lieber meinen Schwieger sohn Montessin holen lassen und mit diesem das Schicksal meiner Tochter besprechen." — „Da» Elsie", meinte ich, „schließt da« Andere nicht aus." Er läßt sie Beide rufen; ich lade ihn ein, mit Lamourctte und mir zusammen en tro>8 zu speisen, weil es ihm hier besser gefallen würde, als an der lärmenden Tafel, wo er gewöhnlich aß und die von acht Personen besetzt war. Er giebt mir eine abschlägliche Antwort, erscheint an seinem Miiiagsiisch wie gewöhnlich, ißt nicht mehr noch weniger und behält seinen Gleichmut!); nur ein großes Messer spielt er geschickt auf die Seils und bringt es in unser Zimmer mit- Nach Tisch besucht ihn sein Schwiegersohn und sein Advokat, und er spricht mit uns von seinem Prozeß nicht mehr. Nur von dem Advokaten, Na mens Lafeulrie, sagte er mir, baß dies ein Spaßvogel ober ein Dummkopf scy, weil er ihm einzuredcn versuchte, daß er schon Angeklagte, die in größerer Gefahr, als er, geschwebt hatten, wieder gerettet habe. „Hierauf", fuhr er fort,'„antwortete ich: Bürger-Venheidiger, Sie haben mir nicht genau den Puls be fühlt. Uebrigcns befrage ich Sie nicht über meinen Prozeß selbst, sondern ich will nur wissen, ob ich eine Aufschubs-Frist verlangen darf zur Herbeischaffung einer Menge Papiere, durch welche ich zwanzig Anklagepunkte widerlegen kann. Ist dieser Aufschub unmöglich, dann bleibt mir nichis weiter übrig, als Ihnen zu danken." Als die Abendstunde kam, wurde Clavieres mit uns zusam men cingeschloffen. Der Gegenstand unseres Gesprächs war, wie gewöhnlich, das Elend unserer Lage, und Lamourene mischte ge schickt Betrachtungen ein über die Kürze des Lebens, die durch die Wuth unserer Verfolger nur um Weniges vermehrt werde. Dann legte sich Jeder nieder und schlief ein; denn auch hier schläft man. Die ersten Nächte, die man in einem Gefängniß zubringt, sind schlaflos, wenn man nicht eine große Stärke de» Charakters besitzt; bald aber macht die Natur ihre gewohnten Rechte geltend, und was mich bemiss«, so habe ich die Bemer kung gemach«, daß von dem Tage an, wy ich ins Gefängniß kam, lauier Scenen aus dem Zustand der Freiheit meine Träume ausfülltcn, während ich wahrscheinlich nach meiner Befreiung, wenn diese mir anders zu Theil wird, von nichis als Kerker und Gefängniß «räumen werde. Eine Stunde, nachdem wir uns ge legt hätten, wache ich auf, indem Lamourelle ruft: „Clavieres! Sie Unglücklicher, was haben Sie geihan?" Und ich Höne nun deutlich zwei Töne von gleich schrecklicher Art, das Röcheln eines sterbenden Menschen und das Geräusch des Blutes, bas vom Belt auf den Boden fließt. Ich stürze aus meinem Bett, und die übrigen Vier thun dasselbe. Wir hatten kein'Mittel, uns Licht zu schaffen; nur eine Laterne an einem der Eingänge de« UiUsi-i äe äu-itice, dem Fensterkreuz unseres Zimmers gegenüber, warf einige schwache Strahlen auf diese Schreckcnsscene, aber nicht genug, um sie zu beleuchten. Die beiden Priester werfen sich nieder und fordern uns auf, dasselbe zu ihun, um Gotte« Gnade für den unglücklichen Sterbenden zu erflehen. Nach einer halben Stunde war das Röcheln zu Ende, und man hörte nur noch das Blu« fließen. Wir warfen uns wieder auf unser Lager, und da unsere Füße das Blu«, womit' der Boden bedeckt war, berührt hatten, so beschmutzten wir die Betten, so daß das un glückliche Zimmer, als es am anderen Morgen geöffnet wurde, einem Schlachthaus glich. Al« wieder eine Art Ruhe eingeirelen war, dachten wir an mehrere Umstände, die uns Clavieres' Ent schluß im Voraus andeulen konnten. Er Halle mehr als einmal erklär!, er werde seine Würde als Mensch durch das Erscheinen vor dem schändlichen Tribunal nicht herabsetzen. Er Halle ferner den Maler Boos gefragt, welche Stellung Personen, die sich er dolchten, in Kunstwerken bekämen, und sich die Stelle gemerkt, wo man an der linken Seile hincinstoßen muß, um das Herzohr zu erreichen. Endlich zeigicn seine Reden am Tage vorher, daß er dem Tribunal ausweichen wolle, und dazu mußle er noch in derselben Nach« sterben. Die Todesarl, die er gewählt, setzt einen unglaublichen Much voraus; man begreift kaum, daß er, auf einem Gunbe» liegend und mit der linken Hand den Dolch stützend, mit der Rechten ihn zu wiederholten Malen hineinstoßcn konnte, ohne ein Geschrei von sich zu geben, ohne die geringste Bewegung zu machen, die uns aufgeweckt hätte-' Und doch war er nach der Aussage der Kunstverständigen nur auf diese Weise im Stande, sich den Tod zu geben. So starb Clavieres, der erste Finanz-Minister, den die Republik gehabt Hai. Er gehörte zu dem berüchtigten Triumvirat Roland, Clavieres und Servan, die, von Ludwig XVl. zu seinem Schug berufen, den Jakobinern in die Hände arbeiteten und die Scenen herbei- führien, die, tagtäglich an Schrecklichkeit zunehmend, mit der Hinrichtung des Königs endeten. Roland hatte sich auf der Slraß« nach Rouen vierzehn Tage vor Clavieres erdolcht. Ser van hatte sich eine Zuflucht in der Armee geschafft, aber auch hier erreichte ihn das Geschick. Clavieres war ein Genfer und zwar einer von den Ausgezeichneten, d. h. er war ein Mann von Geist, ein geschickter Rechner und ein guter Schriftsteller. Er Hane Panchau's Unterricht genossen und galt für einen seiner besten Schüler. Clavivre« war schon in der Verwaltung ange- stellt, als Necker Minister wurde. Er war ein Gegner seines