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Wöchentlich "scheinen drei Nummern. Pechmmcrntions- Preis 22j Sgr. THIr.) vierteljährlich, z Thir. sür daS ganze Jahr, ahne Er höhung, in allen Theilen Ler Preußischen Monarchie. Magazin für die Man prinumerirl auf dieses Beiblait der Allg. Pr. Staat«- Zeitung in Berlin in der Expedition (Mohren - Straße Nr. Z4); in der Provinz s« wie im LuSlande bei de» Wohllbbl. Post-Aemteru. Literatur des Ausland es. 148. Berlin, Montag den 11. Dezember 1837. lMWMSlMMWMWMKWWESMMWWEWWWWlWMWWWlLESSMlvlEMMlMWÄMWWW« Frankreich. Bücher-Ankündigungen und Literaten in Paris"). Ungeachtet der volllönendcn und vielgebrauchten Werte: Fortschritt und Verbesserung, Hal sich doch seil Jahrhunderten der Kreis der prak tischen Ideen eben nicht sehr bedeutend umgestaltel, und gleichwohl ist man heutzutage mehr als je von dem steten Ziele alles Strebens ent fernt, nämlich vom Glück. Denn wann hatte mau jemals so viele Deutsche nach Amerika auswandern, eines der drei Reiche Großbritanirns bei den beiden anderen um Brod betteln, Spanien und Portugal sein Unglück so schwer beklagen und endlich Frankreich mit so vielen Steuern belastet gesehen? Es ist in diesem allgemeinen Schiffbruch schwer zu entdecken, wo denn eigentlich das Glück sep, und ich will mich daher nur aus Frank reich beschränken. In diesem Lande hat die Wuth, reich zu werden, einen nie geahnten hohen Grad erreicht, und wie mir scheint, ist dies Phänomen auch ganz leicht zu erklären; Henn wenn man auf einer Eisenbahn in der Stunde füns Meilen zurücklcgi, so will man natürlich auch Geld mit gleicher Schnelligkeit verdienen. Da sich nun der Mensch nicht von Kohlen und Eisen übertreffen lassen darf, so Hai er ein Mittel entdeckt, das man in mehrfachen Beziehungen mit dem Dampf ver gleichen kann. Dieses Mittel war den Griechen 'und Römern, ja selbst den Ehinesen unbekannt, obwohl Jedermann weih, daß Letztere Alles ohne Ausnahme schon längst entdeckt haben, selbst das, was Andere erst noch entdecken werden. Dieses Mittel sind die Annoncen. Im literarischen Sinne versteht man unter Annonce eine Anzahl Zeilen, durch die der Krämer seine Schweselfaden, der Schriftsteller seine Werke bcstmöglichft anznprcisen sucht; im Gvographischen Sinne versteht man darunter ein viereckiges Sluck bedrucktes Papier von der Große eines gewöhnlichen Bogens bis zur Höhe eines Hauses; ja cs sind bereits zwei Stock hohe, mit Thür und Fenstern versehene Annoncen zum Vorschein gekommen. Ans dieser Verschiedenheit der letzteren kann man entnehmen, daß sie einer Ent wickelung sähig sind, die nur an den Enden der Erde ihre Glänze findet. Ich habe, mich jedoch in meiner Definition geirrt, wenn ich mich i» allgemein ausdrückte und sagte, daß Annoncen nur Eigenlob enthiel ten. Allerdings hat Jedermann von sich und den Seinigen die beste Meinung von der Well, allein nicht Jeder versteht cS, sich nach Ver dienst zu lobe», woran lbeils vernachlässigte Erziehung, theil« die Be sorgniß Schuld ist, man möchte sich zu bescheiden ausdrücke»; in beide» Fällen wendet man sich daher an gewisse Personen, die dann statt des Beauftragenden roch werden müssen. Diese sogenannten AnnonciatcurS haben nun ein ganz neues Gewerbe geschaffen, das den ersten Rang vor allen übrigen einnimmt, da ohne dasselbe kein einziges andere« Ge werbe wabrbasl einträglich wäre. Zuvörderst nimmt also der Annon- ciatcur die zu verkaufende Waare in Augenschein, bestehe sic nup in einem Kramladen, einer Advokatur, einem Gedicht, 100 Flaschen Bor deauxwein, einer Kirche, einem Roman, kurz au« irgend Etwa«. Hier auf tarirl er Ye im Vertrauen und bemerkt, wie viele Annoncen sie kosten und wie viel sie einbringen würde. Wir werden, sagt er z. B-, in sechs großen Journalen, in einem kleinen literarischen und in zwanzig Provinzialblältern davon auf gehörige Weise sprechen; und selten irrt er sich in seinen Berechnungen. Nur muß man c« freilich nicht wie feuer Buchhändler machen, der 20M Francs aus Ankündigungen sür einen gar nicht vorhandenen Roman ausgab, und al« man nun nach dem angekündigtcu Buche fragte, ließ er durch seine Eommis antworten, daß die Auflage vergriffen scv, wodurch er bewirkte, daß man im Publikum so lange von ihm sprach, bis er etwas Nene« erscheinen ließ. Unglücklicherweise aber zeigt derselbe Buchhändler jetzt Werke an, die nur allzu sehr eristireu, die cr aber nicht abzusctzen vermag. Vielleicht fr doch macht er nicht genug Annonce». Als Beispiel von der wunderbaren Macht der letzteren möge fol gende in Paris allbekannte Geschichte dienen. Unter den noch lebende» Schriftstellern giebt cs einen, der zwar sehr bekannt, zu dieser Bekannl- heit aber aus ganz ungewöhnliche Weise gelangt ist. Er dutzt sich mit den Ministern, die ihn sür einen Literaten halten, und die Literale», die da glaube», er scv wcnigstenr so viel als ein Minister, behandelt er höchst geringschätzig. Dieses Ansehen bat er aber solgcndermaßen er worben. Er besuchte eines Tages einen wohlbekannten Buchhändler und sagte zu ihm mit geheimnißvoller Miene: „Hören Sie, Herr .. . . Aus der Erzählung „Washington Levert und SocrateS Leblanc", von Leon Gozlan. wie wäre es, wenn Sie den Verlag eines Werkes übernähmen, das ich aber »och nicht geschrieben habe?" — „Was ist da« für ein Werk?" fragte gleichgültig der Buchhändler. — „Ein sehr schönes Werk." — „Das ist möglich." — „Ein unübertreffliches Werk." — „Daran zweifle ich nicht; was sür einen Titel führt cs denn aber?" — „Einen Titel, der 2« Auflagen absetzen würde." — „Und zwar?" — „Geschichte der Restauration; was meinen Sie dazu?" — „Ich meine, daß das Buch, wenn cs gut geschrieben ist und sonst nur neue Aufschlüsse enthält, heutzutage guten Abgang finden müßte. Bringen Sie es mir einmal her." — „Ich werte es Ihnen bringen; unterdessen kündigen Sie nur immer an, daß die Geschichte der Restauration im Lause dieses Monats erscheinen werde." Der Buchhändler verfehlte nicht, in allen Journalen die Geschichte der Restauration mit Posaunenschall anzukündigen und ihr zu ihrem be vorstehenden Auftreten eine erwartungsvolle Ausnahme zu bereiten. Kaum erfuhr man in gewissen hohe» Zirkeln, daß ein Werk über die Restauration dem Erscheinen nahe wäre, als man auch schon in starke Bewegung gcrieih, Entdeckungen befürchtete und von gewissen Aktenstücken sprach, die man sür verborgen hielt, deren Veröffentlichung man aber besorgte. Man näherte sich daher dem Autor, gewann ihn durch Schmeicheleien "und Versprechungen und gab ihm zuletzt eine Stelle von 6 bis 8000 Francs. Gleichwohl zeigt nach Verlauf eines Jahres der Buchhändler wiederum die Geschichte der Restauration an. Mil »cum Bcsürch- lunge» trete» auch größere Belohnungen ein, und die Entschädigung«. Enmme oder, wenn man will, der Gehalt steigt ans 12,MO Fr. jähr lich; die« ist aber noch nicht Alles. Das Gerücht von jenem unsicht baren Werke hatte sich in den Salou« verbreitet, und so oft der ge nannte Schriftsteller sich daselbst zeigte, sagte man sich einander leise ins Ohr: das ist der Verfasser der Geschichte der Restauration. In der Provinz inlcrcssirte man sich gleichfalls sür das Werk und dessen Autor, und beide erlangten daselbst einen auSgebreiteten Ruf. Man hätte nun wohl vermutben dürfen, daß das so ungeduldig erwartete Werk endlich einmal ans Licht treten würde. Wirklich zeigte auch nach Verlauf von sechs Jahren der Buchhändler da« nahe Erscheinen desselben mit dem Bemerken an, daß darin vielfache Jrrthümer enthüllt, vielfache Fehler bloßgestellt würde». Alsbald fährt gewissen Leuten wieder der Schreck in die Glieder; man ernennt dcn Schrift, flellcr üb» Hal« und Kops zum Ritter der Ehrenlegion und weist ihm 40,000 Franc« jährlicher Einkünfte auf verschiedene Stäals-Kaffen an. Zwölf Jahre sind es nun her, daß cr diese 40,000 Francs bezieht, sich Equipage hält und im linchoo <ln Ganuale zu Mittag speist; und was berechtigt ihn dazu? die famöse Geschichte der Restauration, die er weder geschrieben hat, noch schreiben wird, und die er überhaupt zu schreiben unfähig wäre. Nun leugne Jemand noch die furchtbare Macht der Annoncen! Noch bi» ich aber nicht zu Ende. Während dieser berühmte Schrift, stellte mit seiner Geschichte der Restauration nie fertig wurde, schrieb ein Anderer ein Werk über denselben Gegenstand und zwar, wie ich be haupten darf, mit Talent und Unparteilichkeit; jedoch hat noch Niemand etwas von diesem Werk erfahren. Vermöge der Annoncen also ist der, welcher die Geschichte der Restauration nicht geschrieben bat, einer der reichsten und bekanntesten Männer i» Frankreich, und der Verfasser der wirklich vorhandenen Geschichte der Restauration sieht noch die erste Auflage seines Werke« unverkauft. Da ich jetzt gerade von literarischen Angelegenheiten rede, so will ich auch noch der Literaten erwähnen. Unter diesen giebt c« nämlich Minister, Rentiers, Journalisten, Literalen, die »ach ei»em Platz in der Kcaflömie stanxaiso streben, Literaten, die mit Literatinnen verheiralhet, und endlich Literaten, die cigentliche Literaten sind. Der sonderbarste von allen ist der Literat, der die Leute wie ein Minister empfängt, ohne einer zu sev», ein Haus führt, als lebte er von Renten, ohne doch deren zu besitzen, und sich benimmt, al« wäre er Gar;on, dabei aber zu Hause die Leiden eines Ehemannes zu erdul den Hal. Diesen hebe ich mir jedoch bis zu Ende auf und fange mit den Ersteren an. Der Minister-Literat beschützt gewöhnlich die Maler, Pserdezüchtcr, verleiht den Landwirthen von Oütn ü'or Pensionen, schickt den Lyoner Seidenwaaren-Fabrikanttn Medaillen, läßt aber nie einen Literaten vor sich. Einer der letzten Minister, gleichfalls Literat, Hörle eine« Lage« mit an, wie man in der Kaiscrzeit die Lilcratur, deren Erzeugnisse wegen des Kriege« unverkausl blieben, zu beschützen stichle, und als er vernahm, daß Napoleon zwei oder drei Auslagen der Werke Dclillc's oder irgend eine« anderen SchriflstellerS auf ein Schiff ladet: und iu