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WS.benllich erschein!» dr» Nummern. PräuumeraiionS- Preis 22^ Sgr. sz Lhlr,) virrlcijüdrlick, 3 THIr, für daS ganz- Jahr, ohne Er höhung, in allen Theilca der Preußischen Monarchie. M a g a z i n für die Man pränumerirt auf dicke» Beiblatt der Allg. Pr. Seaats- Aeitung in Berlin in der Expedition (Mohren-Straße Rr. 34); in der Provinz so wie im Auslände bei den WohllSbl. Poss-Aemtern. Literatur des Auslandes. 114. Berlin, Freitag den 22. September 1837 Frankreich. Ein sircngcS Wort über George Sand. Nach der Genfer IkidUollzeque verneNe.') .... Die große Schwierigkeit ist die, ehrbare und zarte Ausdrücke zu finden für einen Gegenstand, der cs so wenig ist. Da ist zuerst eine Art Weib, oder vielmehr Rälhsel, Namens Lelia, ein Rälhsel, von dem man am Ente nicht mehr weiß, als am Anfänge; diese flößt dem Kinde Slenio, dem zweiten Rälhsel, eine heftige Leidenschaft ein umd verschmäh! es, sie zu crwiedcrn, nicht etwa aus Reinheit, sondern weil sie beinahe schon die Fähigkeit, unrein zu sehn, abgestumpft. Das Kind, vor Verdruß darüber, stürzt sich in die ausgelassensten Orgien, richtet sich geistig und körperlich zu Grunde und endigt zuletzt damit, in einen See zu springen unter graulichen Lästerungen. Der Priester Magnus, ein drittes Rälhscl, fängt ebenfalls Feuer für Lelia, kämpft lange mit sich selbst, wird wahnsinnig 'und erwürgt sic; woraus die ganze Sippschaft in den Himmel fährt, den Himmel George Saud s!.... Den moralischen Culminanonspunkt der Geschichte rcpräscntirl ter weise Trenmor, ein viertes Rälhsel, ein ehemaligcr Geck, ELuser, Spieler, Schurke und Galcerenzüchtling, Gründe genug, weshalb ihn die Wer» faffcrin zum Helden und Heiligen erhebt. Und nun bitte ich, was soll der Zweck von all dem sehn? — Die Moral anlangend, kann ich nur eine einzige darin sehen, nämlich die: Widerstehe doch ja Keiner seinen Leidenschaften, noch denen der Anderen; das ist eine übclangebrachie Un empfindlichkeit, mit dec man schlecht fährt. Aber, wohl zu merken, die Verfasserin hat an diesen Schluß nicht mehr gedacht, als an jeden anderen. Ihr war cs bloß darum zu thun, die Magie ihres SthlS an so neuen, noch nie dagewcscne» und unmöglichen Situationen zu versuchen; zu zeigen, wie sie "bloß durch jenen sinnbethörcndcn Zauber die Leute zum Lesen verlocken und Interesse erregen könne, wobei natür lich alle andere Elemente des Erfolgs ganz gleichgültig bleiben. Da ist also weder ein System, »och ein Plan, weder Prinzipien, die man zerstören, »och solche, die man verbreiten will, weder Moralität, noch Immoralität zu suchen; auf solche Gemcinvlätze war es gar nicht ad. gesehen. Zu- Ganze ist durchweg nichts als eine Lüge: mag sie beten oder lästern, mag sie preisen oder spotten, mag sic Ja oder Neu, sagen, sie lugt; doch nein, sie lügt auch nicht einmal, denn diese Lüge, diese beständige Neg-uon wäre doch schon Etwas, würde schon auf einen Plan und Zweck hindeuicn; ihr aber ist es einerlei, was sie sagt, ob Ja oder Nein, ob Lüge oder Wahrheit; dafür giebl sic kcine» Schuß Pulver; wenn sie nur was sagt. Hier und da kommt eine Aeußerung vor, die Euch i» Harnisch bringt; aber ich bm' Euch um Alles in der Welt, wer wird sich daran stoßen? — Dreht nur einmal die Seile um; fehl Ihr denn nicht, daß der Gedanke nur das Kleid zu dcn Worten »ergeben soll, und weiter nichts? — Ja, die Phrase, die Phrase, das ist das Eenirnm, uni das sich hier Alles dreht, das ist die Tendenz all dieser Geistcsprodukie, das Fcldgcschrei bei all den Pro und Eonira s, der Nahrunijsstoff für all die beredten Talente des Tages. Unsere Nachbarn, die Franzosen, können es nun einmal nicht lassen. Die Phrase ist und bleibt ihre Liebe und ihr Stolz, ibr Pütz und ihr Steckenpferd, ibr tägliches Vrod und ihr Glaube, der Ködcr, mit dem man sie lockt, und der Wurm, der an ihnen nagt. Ja, dies gehl so weil, daß bei ihnen ein glückliches Wort genügt, Einen zum großen Mann zu machen. Was in dec,,Lelia" besonders empört, ist ein widriges Gemisch des Merheiligsicn und des Allerschändlichstc», das man sich denken kann; die ehrwürdigsten Worte in der Menschen-Sprache, Helligkeit, Religion, Größe, Lugend, Himmel, Engel, Hoffnung, Zukunft, müssen sich alle eine Verdrehung ihres natürliche» Sinnes gefalle» lassen, als halte cs sich pjx Verfasserin zur Aufgabe gestellt, sic so lange zu ver zerren, bis sie süx immer untauglich werden, das auszudrückc», was sic bisher anszedrückl Haden. Den Namen Gottes findet man in diesem Hnchc, sage in der „Lelia", bis zu drei Malen aus einer Seite. Millen -) iso viel auch bereits über die mcrtwnrdiqe Iran geschrieben worden, daS Thema in dort, noch lange nicht erschöpft. Cs wird so bald und so leichr ein End-llrlhen über N- nicht ftssgeßcllt werden. Wir haben kürzlich die epattirtc Lobrede^ulcs Ianin's aus dieselbe niitqctheilt und glauben daher, mit Fug Uiid Reche da» rolgendc, wenn auch etwas rigoriüische, doch außer- palb deS Bereiches aller Partei. Leidenschaften gefällte Nrtheil »achschickcu zu dürfen Wir können icdoch nicht unbemerkt lassen, daß der Genfer feine Kritik an den alteren Roman Lelia — freilich eines der Hauptwerke George Sand'S — auknüvft, wahrend die Verfasserin in ihren neueren Romanen augenscheinlich anderen und benereo Tendenzen zu folgen strebt. unlcr den unzüchligen Schilderungen, wie sie nur die Hand eines WcibeS binwerse» kann, versteht sich, nur eines jener Weiber, die über die Schranke hinauSgcsprungcn, eines jener moralischen Zwitter, die ein verächtliches Mftlum-Kompostlum von Mann und Weib bilden, mitten unter diesem Schmutz also brechen Lelia und Konsorten plötzlich ad, um — Goll zu preisen, schamlose Bitten oder Vorwürfe an ihn zu richten, oder um dcn Vvrschmack zu genießen von der „himmlischcn Seligkeit, von der Entzückung der Engel zu den Füßen des Allmäch tigen!" Man muß es mit eigenen Augen gelesen haben, um cS zu glauben, und auch dann fallt es Einem noch schwer. Da kann man recht sehen, daß Gott und das Evangelium, der Erlöser und das Kru zifix, vor dem sie sich so zerknirscht hinwirst in dem einsamen Kloster, ihr höchstens ein erhabener Stoff sind, der sich bequem für einen Theater- Effekt brauchen läßt, ein reicher Schacht, aus dem man sich mit Figuren, Vergleichungen und Exclamationcn versehen kann, cin Spielwerk zum Putz, ein Piedestal, um dcn Sthl recht hoch zu schrauben, „eine wun derbar zarte und poetische Mythologie" endlich, „cin mysteriöses Sym bol", „ein Bild" oder „Typus", mit einem Wort Nichts. Tausendmal lieber ist mir noch der ehrliche Atheismus jener Hol- bach'S und Helvetius', welche die Verirrungen des Geistes noch durch gewisse Tugenden des Herzens Lügen straften und es nimmermehr ge wagt hätten, mit dem Name» des Gottes zu spielen, den sie verleug neten. Hier ist der Atheismus auS dem Kopf in das Herz hcral!- gestiegcn, und zwar so lies hinein, daß er alle Gefühle darin verderbt, alle Begriffe verkehrt, alle Skrupel und Grundsätze vernichtet hat, daß er mit Goll landest und ihn als eine bloße Opern-Maschine braucht zur Dccoralion deS Stücks. Schauderhafte Lästerung, die Einern das Haar zu Berge flehen macht, wenn man an den Zustand einer Nation denkt, die diese Sachen liest und sich davon binrcrßen läßt! ES gehl ans tausend Stellen hervor, die ich nicht zitircn kann, daß Madame Sand »iclft an Golt glaubt; aber bei dem Allen macht cs ihr Vergnügen, gut katholisch zu sev»; man höre: „Wie schön war sie, jene Kirche", sagt Slenio, „turchduslel vor, feuchten Wohlqcrüchen, crzilicrird i» heiligen Harmonier»! Wie die Flamme der silbernen Lampe blaß und mail bcrdunstcic in die Opal-Wolken des angczündclcn Benzoe-Harzes, während aus den Räucherpfannen von vergoldetem Silber hoch hinauf an das Gewölbe sich die leichten Spiralen eines wohlriechcndcn Dampfes emporwandc»! Wie die Goldplattirung am Tabernakel strahlend in einander funkelte unter dem Widerschein der Wachskerzen! Und als nun der Priester, dieser große schöne Priester aus Irland, mit den schwarzen Haaren und d-m majestätischen Wuchs, mit dem strengen Blick und der wohlklingende» Siede, langsam die Stufen deS Altars herabstieg, seinen langen fammelnc» Mantel auf dem Teppich nach sich schleppend, als er seine dumpfe, gleich dcn Winde» in seinem Vaterland- durchdringende Stimme erhob, als er, die schim mernde Monstranz hoch hinhaltend, jenes in seinem Munde so mächtige Wort aussprach: nclm-omu»! da, Lelia, fühlte ich mich von rinem heiligen Schrecken ergriffen, und den Marmor mit dcn Kmecn berüh rend, schlug ich die Brust und senkte die Augen nieder." Nicht wahr, ^tas ist ein recht frommer Jüngling? Doch halt, unser guter alter Freund räch uns, das Ende abzuwartcn. „Aber der Gedanke au Sie", fährt Slenio fort, „ist in meiner Seele mit allen großen Gedanken so innig verbunden, daß ich mich fast unwillkürlich zu Ihnen zuruckwandle, um vielleicht, Golt verzeih' es mir, einen Tbeik. dieser demülhigcn Anbetung an Sie zu richten. Sie allein haben dem Herrn Ihr Gebet verweigert: sollten Sic eine Macht über ihm scyn s Einen Augenblick glaubt' ich es, und ich hätte beinahe weine Huldigung ihm entzogen, nm sie Ihne» darzubringcn." Dq haben wir sie recht auf frischer Tbat ertappt, jene Religion des jungen Frankreichs, von der man uns so viel Lärm macht. Dec Marmor, das Gold, das Silber, die Chorhemden, die Meßgewänder, der Weihrauch, die Orgeln, die hohen Bogen am Gewölbe, die Stimme der Redner und die Frauen im Kirchenschiff, das ist cs cigcnliich, w'S sie anbelcn; dann hat die Sache ein Ende: sic drehen sich nm, senig mit Gott und in der tiefsten Erbauung. Ich gratulirc Ihnen, meine Herren Neophyten unserer Zeit! Man sagt, daß Madame Sand au einer Stelle dcn Protestantismus tadelt und die Genfer lächerlich macht; ja, das begreife ich wohl, und ich kann dcn Genfern nur Glück dazu wünschen. (Schluß folgt.) Bibliographie. Onorospnnstsnoo st« Raziolona avoc I« Ilinistce st« la marine, liezmia IXU4 jneusten 4voll I8IÜ. — 2 Bde. Ih Fr. (so Inuclnurou. — Von Paul de Kock. 2 Bde. 18 Fr.