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315 als das Kreuz der Ehrenlegion, indessen schlagt der Depulirtc die so inständig begehrte Familien-Einladung nicht geradezu ab; er verspricht, die »ölhigen Schrille zu lhuii, um diese Begünstigung zu erlangen. Jetzt benachrichtigt man ibn, das; das Frühstück aufgesetzt ist; er geht u> den Speise-Saal, und vier Bittsteller folgen ihm; zwei setzen stch sogar ohne Weiteres mit ihm zu Tische. Lie Frühstücks-Stunde ist die, wo der Depulirtc die an ihn eingegangencn Briefe liest. Ec findet mehrere auf seiner Serviette; sie tragen den Stempel seines De partements. Er öffnet sie aufs Gcralbcwohl; der erste ist von dem Bibliothekar des HauplortS und enthalt Folgendes: „Mein Herr, die Bibliothek unserer Siadl befindet stch in einem beklagcnswerlhcn Zustande. Wir batten einen Voltaire und einen Rousseau, welche die Misstonaire defekt gemacht haben, indem ste die angeblich ketzerischen Bände verbrannicn. Wir Halle» eine Sammlung des ülonitcur, welche unser Präfekt furchtbar verstümmel! bat, indem er die Nummern auSriß, die seine Adressen und Glückwünsche an den Kaiser, au Ludwig XVIII., an den Herzog von Wellington, an Karl X. re. «nlhiellen. Wir hatten einige wissenschaftliche Werle, die an einige Gelehrte verliehen wurden, an unachtsame Leute, die ste verloren gehen liehen. Wir halten eine ziemlich gute Anzahl Romane, welche die Köchin des letzten Bibliothekars zu allen Saucen benutzt hat. Unter diesen traurigen Umstanden wenden wir uns an Sie, um einige von den Werken zu erhalten, ans welche das Ministerium beständig unter zeichnet und die cs, wie man sagt, mit grosser Freigebigkeit verlheib." Zwei andere allmälig geöffnete Briefe fetzten den Depulirlen in große Verlegenheit, der erste laulel: „Man steht im Begriff, in der De- pulirteu-Kammcr ein Gesetz über das Salz zu erörtern. Der durch die Kommission eiugcreichle Entwurf ist den Interessen unseres Departe ments sehr voitheilhasl, wir hoffen, daß ste ihn durch eine krustige Rede unterstützen." Der Zweite: „Man steht im Begriff, in der Dc- pulirttn-Kammer ein Gesetz über das Salz zu erörtern. Ler durch die Kommission eingercichle Enlwurf ist den Interessen unseres Departe ments sehr nachlheiliz; wir hoffen, daß Sie ihn durch eine kräftige Rede bekämpfen werden." Ein Brief liegr noch uneröffnet. — „Vielleicht reiht mich dieser aus der Verlegenheit", sagte der Dcpulirlc, aber cs steht nichts von Salz i» dieser' letzten Epistel. Hier folgt sie: „Woran denken Sie denn, Vcrchrlcsterf Ich erwarte eine Kiste mit Modc-Waaren, die Sie mir am fünfzehnten schicken wollten; wir baden bereits den achtzehnten, und noch bat sich nichts blicken lassen. Ich habe keine solche Gleichgültigkeit und Langsamkeit bewiesen, als es darauf ankam, Ihre Wahl zu unterstützen und Stimmen zu sammeln. Und dabei ist es noch Ihre eigene Sache, denn wenn ich einigen Ein fluß in unserer Stadt habe, so verdanke ich ibn meiner Eleganz. Ich sage Ihnen weiter nichts, als daß Madame I., die, wie Sie wissen, den Kandidaten der Opposition unterstützt, nuch bei der letzten Soiree des General-Einnehmers verdunkelt Hal. Ihr Kreis von Bewunderet» bat sich aus Unkosten des mcinigen vergrößert. Sie hatte eine Taille, Lie ihr ein entschiedenes Ucbergewichl gab, eine höchst vorcheilbafte Laille, sage ich Ihnen, welche Ihnen wohl bei den nächsten Wahlen einige Stimmen entziehen könnte. Sie ist sehr kokelt, und die Männer lassen stch so leicht durch den Schein verführen. Das letzte Canazou- Kleid, welches Sie mir geschickt haben, bauscht nicht genug. Madame I. hat Armbänder mit Camcen. Trägt man denn jetzt Camecn? Ich habe dergleichen, die ich fassen lassen tönnic. Der General giebl Mon tag über acht Tage einen Ball, und wenn ich »ich! bis z» diesem Tage meine Kiste habe, so bin ich ein unglückliches Weib. Schreiben Sie wir, wie hoch man die leichten Ucbcrklcider trägt und welches die be liebteste Form der Aermel ist. Ich denke mir, daß die KigotS ganz au« der Mode sind, aber welches ist nun die richtige Milte in Bc- trachl der schlichten Aermel? Schreiben Sie mir, welche Blumen die geschmackvollsten sür den Kopsputz sind, und besonder«, welche die Frauen von meiner Haarfarbe tragen. Ich sende Ihnen eine Locke von meinem Haare für den Fall, daß Sic stch nicht genau der Schal- tirnng erinnerten. Sic werden sechzig Franken aus der Rechnung der Wäscherin abzicbcn, die ganz unvcrfchämt ist. Ich werde Ihnen die nächst! Woche durch Herrn B., der Donnerstag nach Paris abrcist, «inen Handschuh und einen Schuh übersenden. Schicken Sic mir dann zwöls Paar Handschube genau nach dem Maße, und zwar sechs Paar weiße und sechs Paar bunlc, vier Paar Schuhe und zwei Paar Schnürstiefeln. Ich rechne ans Ihre Pünktlichkeit, machcn Sie Ihre Nachlässigkeit wieder gut und besorgen Sie meine Auftrage mit dem Eifer und der Thätigkcit eines guten Depulirlen." Nachdem er diesen liebenswürdigen Bries gelesen, weicht der Depu- tirte anderen Beschwerden aus, indem er sich au« seiner Wohnung ret tet, um in die Sitzung der Kammer zu gehen. Aber die Bittsteller er warten ibn auf dem Wege, sic suchen m b finden ibn unter den Bäu me» der Tuilericcn und auf dem Platze dr la Eo»cordc. Im Palai« Bourbon gerälb er endlich zwischen zwei McinnngS-Diffcrcnzcn, die ibn um feine Stimme quälen. Die Doctrinairs fassen ihn recht«, dec tiocs- jmoli link«, und Jeder zerrt ibn »ach seiner Seite. Die Sitzung ist er öffnet, und neue Lrübsale beginnen; zurrst cine Rede von Herrn N., dann ,j„e Rede von Herrn D. Unser Depuiirler ist so glücklich, einzu- schlasc». Eine Anrede von Herrn M. schreckt ibn plötzlich aus dem Schlaf aus; er ist zum Mittagessen i» der Stadl ringelnden. Eine Rede von F. verlängert die Sitzung ins Unbegranzte. Endlich ist er so weil lrei, »m zu Tische geben zu können, aber beim Mittags-Tisch muß er seine Rolle al« Dcpulirlcr wieder ausnebmcn und sorlsktzen. Er gebt in die Over und zeigt sich cine» Augenblick in der Loge de« Mi nisters. Augenblicklich stellen sich fünf oder sechs Leute au« seiner Provinz wie Schitdwachcn vor dic Tbllr, und sobald er aus der Loge herauslrill. quälen sie ihn, sie Sr. Ercellenz vorzustelle». Für den Devutirten giebl es keine» Zustuchlsort, keinen hei'^-n oder unhciligrii Ort, der ibn gegen die Bittsteller und Wähler scmcr Provinz sicher» tönutc. Auch wenn er erst um Mitternacht nach Hause zurückkchrt, wird er noch irgend einen dreisten Bittsteller finden, der ihn in seinem Salon erwartet; um Mitternacht Hal er eben so viel Briefe zu lese», als am Mittag, Briefe voll Empfehlungen und Litten, welche ihm neue Besuche für den folgenden Tag anzeigc». Während der Nacht träumt ec von Wahlern, Ball-Entladungen, Bibliotheken, Canczou«, Salz-Gesetzen, Kreuzen der Ehrenlegion, Hänge-Brücken; die Stimme der Bittsteller summt in scitic» Obre», die Eisenbahn gebt über seine Stirn, sein ganzes Departement setzt sich auf feine Brust, um ihn als Alp zu drücke». Und we»n er endlich au« diesem angst vollen Traum erwacht, so geschieht cs nur — um de» vorige» Lag wieder anzufangen. (Kev. t'r.) E n g l a n d. Shakespeare in China. Aach dem btecv - Routl-E -AlagL-ünc. Wir würden dem Kollegium der Mandarinen große« Unrecht thun, wenn wir behaupten wollten, die Wunder Shakespeare'« wären ihm noch nicht bekannt. Nein, Canto» bat schon seinen Kommeulalor geliescrt, und in wenigen Jahre» vielleicht beugen sich die Bewohner des ganzen „Himm lische» Reichs" vor der Majestät de« großen Lichtere. England, das aus so vielfache Weise seine Vergötterung sür den großen Landsmann gezeigt Hal, da« z. B. nach mehr als 200 Jahren anfängt, daran zu denken, dem gebebten Sohn dereinst cin anständige« Denkmal zu setzen, dieses England, sage» wir, muß jeder Verbreitung des Shakcsocarclhums mit Freuden enlgcgcnkommen, in welchem Winkel ter Well sie sich auch zeigt, besonders aber wenn cs im Chincstschen Reich der Fall ist. Kein Zeitpunkt war glücklicher für dic Abscndtmg zahlreicher Missionairc ces Shakcspcarelhums, als der jetzige, zu keiner Zett konnten wir so viele Schauspieler entdcbrcn, al« jetzt. In London gehört das Glück Shakespeare'« und guter Schauspieler, die sh» verstehen und dar- stcllcn, der Geschichte an. Wie glücklich meint'« also der Zufall mit un«, daß wir gerade jetzt starke Ladungen von solchen Bühnenkünstlern beiderlei Geschlechts unseren lbcuren Brüdern, den Chinesen, zufendcn können. Bei de» Engländer» ist Shakespeare so nnfashionable gewor den, wie cin Druide; dir« zeigt sich deutlich in den rührende» Anstren gungen der Direktoren, den veraltcic» Dichter noch vor dem undankba ren Publikum zu erbalteii. Rührend ist cs anzuschcn, wie dic gmcn Leute mit edler Hartnäckigkeit in ihrer großen Absicht die Schlauheit jciic« Irländer« nachahmen, welcher ein falschcs Geldstück dadurch an de» Manu zu bringen suchte, daß er cs zwischen zwei gute legte; um Shakespeare an den Mann zu bringen, spiele» sic Theile aus seinen Stücken zwischen einer Oper und 'einem Ballet. Wahrscheinlich ist Chtna nur »och der Ort, wo das Publikum süns lange Akte an einem Abend aushält, da Geduld ja eine hervorstechende Tugend des Chinesi schen Charakter« ist. Wenn cs uns gelungen ist, durch obige Nachricht von. Zustande des Geschmack« in London die Uederflussigkeit Shakespeare'« und seiner Darsteller zu zeigen, so wird c« jetzt Zeit scvn, mis zu erklären, warum wir vom Staals-Secretair der auswärtigen Angelegenheiten verlangen, daß er gerade nach dem „Himmlischen Reiche" seine Schauspieler-Flotte senden soll. ES giebt übcrvorlrcfftiche Menschenfreunde, die mil einem ein zige» Satz ihr ganze« politische« Leben hindurch auskommeu können, sobald man Maßregeln zur Verbesserung de« Zustande« eine« Volke« odcr einer besonderen Klaffe vorschlägt. „Da« Volk ist noch nicht reis sür diese Verbesserung", sagen sie und werft» sich in dic Brust. Will man dic Griechen vom Joche der Türken befreien, so sind sie noch nicht rcif; will man die Sklaven in Amerika, dic Katholiken in Irland, dic Juden in England vom Joche ter Nicht - Lürken frei machen, so seblkAllen dic gehörige Reise. Diese fühlenden Seele» werden nun gewiß auch sagen, dic Chinesen scpen noch nicht reif sür den Shakespeare; sür diese besonder« müsse» wir da« MalurilälS-Zcugniß per Chinese» bcibrmgcn, da« der Zufall uns in dic Hände gespielt hat. Es mag einige Monalc der scv», al« wir Zeuge einer Auclion von morgcnländischen Seltenheiten waren. Unser Freund Pcregrine, dec eben von der Spitze der großen Pvramide mit drei selbst gcsangcnen Giraffe» angckomme» war, bot aus ei» Gemälde. Da da« Gemälde eine Scene au« Shakespeare daistcllte, so fand er, wie sich von selbst versiebt, i» England keinen überbietenden Gegner, und so wurde er sür ein Geringe« tcr Eigenlbümer eines Stückes, das al« eine treffliche Probe Chinesischer Kunst und Nachabmungsfähigkcit geben kann. Kurz, cs war nichts Anderes, al« eine Kopie des Bopdellschen Gemäl des, Falstaff im Wäschkorb in den „lustigen Weibern von Windsor" darstellend, eine ganz treue, durch glänzenden Farbenschmuck ausgezeich nete Kopie von der Hand eine« Künstler« zu Canto». Wei» das Ge mälde selbst ist »ich! cinmal für uns von solchem Wcrtbc, wie dic Be schreibung, die sich auf der Rückseite desselben angebeslet fand. Da diese Bcichrcibung aus Papier geschrieben war, von dein ein halbe« Buch »och nicht so dick wie der Flügel eines Schmetterling« ist, so ist cs kein Wunder, daß dcr Schatz selbst dem Auge eine« Aucbona- lor« cntschlüpsl ist. Die Beschreibung bat wahrscheinlich i» cine»! Journale zu Canto» gestanden, und man darf annehmrn, daß die darin ausgewcochtnen Meinungen vo» allen Chinesen gehegt werden. Sic ist von dem Mandarinen Ebing an den Maler Ting, der für ihn da« Englische Original kopircii sollte, und lautet so: Ching an Ting. „Ich schicke Dir von dem Schiffe der Barbaren (Fremdlinge) ein Gemälde. Macht für Deinen Frcund cin solche« »ach, da« dcmselbcn ganz gleich ist in Gestalt, Größe und Farbe. Doch wa« brauche ich hierbei Worte zu verschwenden mir Ting, dessen Pinsel wahr ist, wie dic Zunge des Konfuzius? Ich will geradeswege« Alle« erzähle», was