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Bildung strebenden Herren und der erste Schrill zu ibrer Aufklärung ist der Gebrauch weißer Schnupftücher, die gewöhnlich nichl besäum! sind, so daß die Fäden wie Bärle van den Seilen hinunlcrbängcn. Emir-Nizäm, al« ein großer Slutzer, ichwcnklc sein Schnupftuch be ständig in der Lust umher. China. Justiz und Polizei im Chincsischen Reiche. (Schluß.) Auf dem platten Lande und im Gebirge machl mau leine so grcßc Umstände. Da gicdl es leine Schergen im Hinlechall; man finde! einen Todlen und beqräbl ibn während der Nachlzeil. Line Frau erbang! sich; man lriffl eine» Vergleich mi! dem Manne, und Alles wird freund schaftlich bcigelcgr. Aber in den Slädlcn und ihren Umgebungen ist bei einer solchen Kalastrcpbe der Plackereien kein Ende. Es häng! «ich! von den Bewohnern des DorseS ab, das die Sache verschwiegen werde; ist der Mann arm, so freu! er sich, wenn der Vorfall bekannl wird, ist er reich, so melde! er ibn den Verwandle» der Hingeschiedenen. Dann heiß! eS: wie Hal so ««was sicki ereignen könne» k Wie! sic ist sa nicbl krank gewesen, u. s. w. Die Furchl vor einigen bösen Zungen wirk! so viel, daß man lieber sei» Geld verlier«, als den Slrick abschuei- dcl. Ich bade die Bewohner ciues kleine» Dorfes nach einem ähnli chen Vorfall mil Sack und Pack auSwandern und in bcnachbarlcn Dörfern ein Asvl suche» sehen. Es ist aber nichl immer nolbwcndig, daß eine Frau sich ausknüpfc, uni ein ganzes Dors i» Alarm zu brin gen; wenn ei» armes Weib eines naliirlichcn Todes stirb!, und es gefälll ihrem Manne, den Leichnam auszuknüpsen, so sind die.Konse quenzen von gleicher Ari. Ich kenne nur Ein hierher gehörendes Bei spiel. Ein Mann hasste seinen Nachbar, weil dieser sehr reich war — cs standen ihm nur zwei Rachcmillcl zu Gcbole; cr mußlc cnlwcdcr sich selbst erhängen oder seine Frau, die eben das Festliche gescgncl balle. Er cnlschied sich für daS Letztere. Der Reiche unlersuchlc dcn Thalbestaud nichl — es wäre vergebens gewesen. — Er bol dem Mannc der Verstorbenen 400 Piaster; dieser verlangst llivO Piaster. Ietzl schwirr der Reiche, cr solle gar nichlS bekommcn, und wirklich ge lang eS ihm, seinen neidischen Gegner nichl bloß nnenkgelllich vom Leibe zu kriegen, sondern sogar ihn cinkcrkcrn zu lassen. Uns Euro päern wird cs schwer begrcislich, daß man in China sich selbst cnlleibcn könne, um seinem Nachbar Schaden zu lhun; und doch bedienen sich die Chinesen gar nichl seilen dieses Mittels. Auch gräbl ma» häufig Leichname wieder aus und leg! sie vor die Thür eines Feindes; wer aber einen Leichnam vor seiner Thur liegen Hal, der verlier! wenigstens die Hälfte seines Vermögens. Man muß sich also hülen, einen Bettler mil barschem Tone forlzuweisen; er kann Einem den Possen spielen, sich auszuknupsen, ja, er brauch! nur einige Lnclschungcn vorzuzcigen, die er sich selber bcigcbrachl, und sein Beleidiger komm! in große Ver- kegcnheil. DaS Herz des Reiche» muß aber in China wirklich sehr bar! sey», den» mancher Arme geht, um nur Milleid zu erregen, mit dem Aase einer Katze im Arm, von Haus zu Haus und kaut dabei sehr langsam an dieser ekelhaften Speise. Auf freiem Felde sah ich öfter Bettler, die eine giftige Schlange in einem Körbchen trugen und armen Frauen oder .Kindern drohten, das Thier aus sie zu werfen, wen» man ihnen kein Almosen gebe. Das folgende Beispiel wird dcn Charakter des Reichen und des Armen noch anschaulicher machen. Als ich aus der Insel Koannp verweilte, bat eine mit Aussatz behaftete Frau cincn Mann aus ihrem Dorsc um Unterstützung. Dieser weigerte sich, trotz ibrer wiederholten Billen, wurde aber auch für seinen Geiz bestraft. Die ohnehin schon ausgcbungerlc und halb ersrorne Frau riß in ihrer Wuth einen Theil der bornarligcn Haut ab, welche dcn größte» Theil ihres Körpers bedeckte; das Blut floß und sic starb bald nachbcr vor ber Thür des Reichen. Er batte ibr einen oder zwei Piaster abge schlagen und mußte jetzt I2st Piaster bezahlen. Die verstorbene AüS- sätzigc erhielt einen prächtigen Sarg und ein schönes Grabmal oben drein. Außerdem war ein Vergleich mit dem Bruder ter Hingeschie denen voniiölhe». Der Reiche kam »och gut davo», weil keine Schcr- gen und kein Mandarm auf der Insel waren. Auch die Schergen zerkratzen sich öfter das Gesicht oder bringen sich Quetschungen bei, wenn sic Jemanden zu Leibe wolle» und aus andere Weise ihm nicht bcikommen können. Mil diesen Zeichen äußerer Gewalt erscheinen sic dann vor dem Mandarin, der nichl daran zwei felt, daß sic in der Verwaltung ihres Allstes mißhandelt worden sind. Wenn ein Scherge Sienern emlreibt, so muß er immer noch ein Trink geld dazu bekommen. Ist die Slcucr oder Auslage bezahlt, so kann man aus einen zweiten Besuch des Schergen rechnen; denn er muß noch einmal das Papier untersuchcn, das man als Quittung erhallen bal. Wer dieses Papier verlöre, der liefe Gefahr, ein zweiles Mal be zahlen zu müssen, obschon das Duplikat bei dcm Mandarin liegt Ein reicher Chinese in mciucr Nachbarschaft empfing einen solchen Besuch." Man balle das Papier, und Alles war i» gulcr Form, da aber die Scherge» eine» weile» Weg gcmackil hatte»,' so wollten sie etwas für ihre Müht. Der Reiche, der gerade bei übler Laune sevn mochte, wollte sich zu nichts verstehen, und so blieb den Spitzbuben von Scher- gcn nur ihr letzter Kunstgriff übrig. Aber dieses Mal wurden sic selbst die Opfer ibrer Schlechtigkeit, denn der Reiche ließ sic durch srinc Leute ergreife» nnd i» «!»e Scheune einsperren. Dermuthlich empfingen hier die Schergen mehr, als sic verlangt hatten, und fühlte» sich sehr glück lich, als man sie wieder lausen ließ; aber kcr reiche Mann, der «ine» so lübuen Schritt getha» halle, verlor keine Zeit: cr versteckte sich und craanctc so die Wiederkehr skiucs Sobn.cs.'dcn cr in möglichsttr Eile nach ber Hauplstadt an den zweilen Vice-König abgeschickl balle. Die Sache kostcle ihn zwar -littst Piaster, allein weder die Mandarinen des Orl« noch ihre Schergen konnten Rache an ihm nehmen. Dann und wann entzweien sich ganze Dörfer und liefern" einander blutige Scharmützel; webe dann der Partei, die dcn Küczcccn zieht! Ihre Korn- und Saatfelder werden verwüstet, ihre Bäume umgehaucn. So lange der Krieg datiert, können dic Bewohner des einen Dorfes bei dem anderen kaum vcrübergehcn, ohne ihre Freiheit mil Geld er kaufen zu müssen. Der Mandarin kommt erst, wenn der Hader ausge lobt Hai; cr verlangt ein: Geldbuße, dic der Größc tcs Dorfes angc- mrffen ist. Diese Summe dient aber nichl etwa zur Enlschädigung der Benachlheiligien; der Mandarin macht stch darüber wenig Sorge. Auch ist cs einerlei, ob Jemand, der zahlen soll, an der Rauferei Tbcil genommen bat oder nickt — genug, daß cr aus dcmselbcn Dorfe ist. Wer ruhig in seinem Belle gelogen hat, während die Gräuel dec Vcr. wüstung vor stch gingen, muß eben so viel zahlen, wie derzeitige, wel cher an der Spitze de« plündernden Hausens stand. Ein anderer Mißbrauch in China besteht darin, daß derjenige, welcher sein Ligcnthum verkauft, immer noch ein gewisses Recht auf dasselbe behäll. So ist es herkömmlich, daß die Familie tcs Verkäufers, wenn cr stirbt, ohne Vcrmögcn zu binterlaffcn, von dcm Käufer die Kosten der Beerdigung verlang!. Wenn derjenige, der ein kleines Grundstück gekauft Hal, sich genölbigl sicbl, cS wieder zu verkaufen, so meldet sich alsbald der erste Verkäufer und zwackt ihm noch einige Piaster ab. Will man seinen Wohnort verändern und in einer ande ren Gegend sich nicdcrlaffen, so muß man dcm Dvrse, wo man binsübro- zu wohnen gedenk!, eine Auslage rnirichlcn. Man kann wcdcr das Dach seines Hauses erhöben, noch dcn Platz der HauSlbür verändern oder ein neues Fenster ausbrcchcn lassen, ohne aus große Hindernisse zu stoßen. Ein gelauster Chinese halte zur Bestallung seines Bruders und seiner Schwägerin ein Stückchen Land hinter seinem Hause angc- kaust. Sobald der Verläufer bemerkte, daß man dcn Boden ausgrub, prolestirle cr dagegen, indem cr sagte, cr habe sein Feld nicht verkauft, damit man cS in eine» Bcgräbniß-Platz verwandele. Er steigerte den Preis nachträglich, und erst als er dak Geld Halle, konnle man daran geben, den Boden zu bearbeiten. Zum Unglück aber lud man ibn nicht ein, an der Arbeit Theil zu nehmen; cr Halle mehr Recht darauf, als ein Anderer, und mußte deshalb gerade so viel Lobn bekommen, al« hätte cr den Werkleulen beim Graben thälige Hülse geleistet. Endlich glaubte man, die Särge ruhig heischen zu tonnen — da cnlstand eine neue Verlegenheit. Die Psorle der beiden Gräber lag tcr Pforlc eines bkidnische» Grabe« in der Nachbarschaft gerate gegenüber; und da« war ein schlimme« Omen. Der beidmschc Besitzer drohte, dic Sache vor den Mandarin zu bringen; cr ließ es nicht an Gründe» fehlen, aber sein vornehmster Grund war der, daß die gegenseitige Stellung der beiden Gräber-Psorlen «»"-tsvlnü erzeugte, was mit anderen Wor ten beißen sollte, Wind und Regen würden ihm schädlich werden, und er müsse in kurzem an der Schwindsucht sterben. Als er dies gesagt hatte, fttzie er sich auf dic beiden Särge. Nach vielem Hin- und Her- redcn, nahm er siebe» Piaster Entschädigung an und fürchtete hinsühro wcdcr dcn Wind, »och dc» Rcgcn mehr. Alle Händel und Geschäfte werde» durch Geld geschlichtet. Plagt Dich dieser ober zener Schurke mit einer ungcrcchlen Forderung, und Du prügelst ibn dafür, so tbust Du ihm gerade einen Gefalle,', weil er dann noch mehr bekommen kann, als er verlangt hat. Willst Du zum Mandarin gebe», so kostet c« Dich zehn Piaster, während Dein Gegner vielleicht nur süiis Piaster verlangt. Zeder Unsug dieser Art läuft frei lich dem Chinesische» Gesetzt schnurstracks entgegen; cr wurzelt aber in dcr uncrsättlicke» Habgier der Mandarinen. Der Kaiser, ci» wahre« Götzenbild, siebt nicht« mit eigenen Augen und weiß nichl, was unter dcm Volke vorgcbl; außerdem findet sich Keiner, dcr einen Mandarin bei dcm Vice-König verklagen möchte: ein solcher Schritt wäre gar zu gesährlich. Die Liebe zum Vaicrland und zum Woble des Gcmeinwc- scn« hat nur geringe Macht über seile Menschen. Dcr Egoismus dcr Einzelnen gereicht Allen zusammen zum Nacktheit. Hinboa lsi viel leicht derjenige Ort, wo ein Mandarin da« beste Spiel hat. In der Hauptstadt der Provinz kann der Arme in einer Straßenecke sterben; man sammelt bei den benackbarien Hausbesitzern einige Sapek«, um eine Bähre zu kaufen, man schleppt den Leichnam fort, und die Sache ist abgethan. Zu Hinboa Ist nur der Tempel de« Consucius dic Zu flucht der Armen. Die Arme» flüchten sich, besonder« zur Winterzeit, in da« heilige Gebäude, oder kauern, vor Kältc mit den Zäbnen klap pernd, in den Vorhallen. Stirb! Einer von ihnen, so verschafft ibm die öffentliche Mildlbäligkcil einen Sarg, und man schleppt ihn eilig fort. In andere» Distrikten veranlaßt die Habsucht der Mandarinen manchen Auslaus; alsdann gicbt der Mandarin nach, um so mehr, da er, wenn ein Markl durch seine Schuld drei Tage dinier einander ge schlossen worden, leichl ^u dem rolben Bandt gelangen kann, da« man andcrwärl« so lebhaft wunschl und in China so sehr fürcklcl. Zu Hin boa ist man allerdings sriedsertiger; doch habe ick selbst hier einen Volks-Aufruhr erlebt, den dcr Mandarin nur damit beschwichtigen konnte, daß er die Läden, die, wegen eine« aus der Straße gefundenen Leichnam«, aus seinen Beseht geschlossen worden waren, wieder öffnen ließ. An Zeilen großer Tbeuerung muß man sehr bringende Geschäfte haben, um eine Reise zu wagen. Wenigsten« darf man nichl viel Geib mitncbmcn; denn Hunderte von Menschen laucr» an dcr Heerstraße und plündern dic Reisenden. Sie begnügen sich übrigen« mit dcr Hälfte dessen, was man bei sich trägt, und sage» zu ihrer Entschuldi gung, daß sic kcinc Räuber von Prosezsion scvcn, sondern daß der Hunger sic zwinge, so zu handel» Da« weibliche Geschleckt wird bei solckcr Gelegenheit auch nicht geschont: wen.» eine reisende Dame Kleinolicn bci sich Hal, so muß sie mehrere davon zum Opfer bringen.