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auf die Gefallenen und zerhackten Lebendige wie Leichen. Viele Ausländer liefen, als die Kanonen abgefeuert wurden, in's Gebäude zurück, in der Hoffnung, dem Gemetzel zu entgehen, die Boxer verfolgten sie. Die Fremden waren nahe dem Gebäude, als die Kanonen näher gebracht und dieses zerstört und in Brand ge schossen wurde. Versalzte wie Verfolger verbrannten in der Legation, Die Boxer, sagt der Läufer, waren wie Dämone. Als es keine Ausländer mehr zu töten gab, verstümmelten sie die umherliegenden Leichen, dann griffen sie die Quartiere der eingeborenen Christen an und metzelten alle nieder, die sich ihnen nicht an schließen wollten. Sie vergewaltigten die Frauen und töteten kleine Kinder mit dem Gewehrkolben. In den Straßen der Tartarenstadt floß das Blut in Strömen. London, 17. Juli. Der „Globe" meldet aus Shanghai: 100000 Chinesen, mit Mausergewelnen bewaffnet und mit moderner Artillerie versehen, mar schieren auf Shanghai und biwakieren 40 Meilen von dort. Washington, 17. Juli. Ein Telegramm des amerikanischen Konsuls in Canton meldet, Li-Hung- Tschang sei heute von Canton abgereist, nachdem er in der vergangenen Nacht ein Edikt erhalten habe, durch welches er zum Vizekönige von Tsckili ernannt und angewiesen wird, sich sofort dorthin zu begeben. In Canton, heißt es in dem Telegramm weiter, werde be fürchtet, daß die Abwesenheit Li-Hunq-TschangS Anlaß zu Ruhestörungen geben werde. In Canton seien französische Kanonenbole eingetroffen. London, 18. Juli. Aus Tschifu wird gemeldet: Fünfzehntausend Japaner sind gelandet und gehen sofort mit vollem Trainpark, Ambulanzen und starker Artillerie nach Tientsin ab, von wo sie auf der alten Heerstraße gegen Peking vorzudringcn suchen sollen, sobald sie mit den übrigen vereinigten Truppen die Chinesen zur Freigebung der Straße gezwungen haben. Die Chinesen erhalten fortgesetzt Verstärkungen. Neun Kriegsschiffe gingen zum Schutze Shanghais und der übrigen Südhäfen ab. Oertttches und Sächsisches. Naunhof, den 19. Juli 1900. Naunhof. Unser Schützenfest rückt immer näher heran, dessen vorjährige erstmalige Veranstaltung so schön gelungen und gut besucht war. Der Erfolg macht kühn, deshalb hat man das Fest diesmal auf 3 Tage ausgedehnt und zwar vom 29.—31. Juli. Infolge der erheblichen Vergrößerung des Schützenplatzes wie durch die zahlreich angemeldeten Bezieher und Restaurations zelte wird der Charakter eines größeren Volksfestes noch weit mehr zur Geltung kommen. Der geplante Ausmarsch wird ebenfalls wieder eine glanzvolle Ein leitung des Festes werden, und während sich auf dem Schützenplatze das Publikum in buntem Gewühle des Gebotenen freut, ringen in der Halle die Schützen um die Palme des Sieges mit ruhiger Hand und scharfem Blick. Wir dürfen stolz sein auf unsere heimischen Schützen, denn sie verstehen es, sich Erfolge zu sichern. So hat Herr Stcinbruchspachter Seidemann von hier bei dem deutschen Bundesschießen in Dresden außer drei Fcstmünzen noch eine goldene Damenuhr als Preise mit heimgebracht, ebenso ist Herr Privatier Wagner, wie man dies von ihm ja nicht anders gewöhnt ist, reich dekoriert wieder zurückgekehrt. Naunhof. Vom prächtigsten Wetter begünstigt Iremdes AroL. Roman von Walter Allenstein. 33 Dieser Gedanke war so niederdrückend und so vernich tend für sie, daß sich ihr Zorn im Handumdrehen in thcä- nenreicheWeichheitlöste.Sie rang in fassungslosemSchmerz die Hände, und ein würgendes Schluchzen stieg ihr aus der gepreßten Brust herauf. ES war schon spät in der Nacht, als sie die Gesellschaft aufbrechen hörte. Als alles still geworden, versuchte auch sie, zur Ruhe zu kommen. Aber der Schlaf wollte sich nicht einstellen. Lange lag sie noch wach, weinend und sich quälend mit überspannten, ungerechten Selbstvorwürfen. Am andern Morgen erwachte sie nach kurzem, unruhi gen Schlummer. Der Kopf war ihr benommen, und die Glieder waren ihr matt und schwer, wie nach einer durch- tanzten Nacht. War es die Nachwirkung der in ihren Ner ven noch fortzitterndenAufregungdesvergangenenAbends, oder war es der Einfluß des trüben Wetters? Der Him mel war ringsum mit dunklen Wolken bezogen, und ein feiner Strichregen rieselte unaufhörlich hernieder. Auch die Beschäftigung mit den Kindern, die an daS Himmer gefesselt, nach allerlei Spiel verlangten, vermochte nicht, sie zu zerstreuen und ihre melancholische, grüble rische Stimmung aufzuheitern. Es war ihr so sonderbar dumpf und beklommen zu Mute. Ein eigentümlich ban ge-, verhaltenes Gefühl lastete auf ihr, wie die Erwart ung einer nahenden, schweren Unglücks. In der zehnten Stunde kam die Frau Professor in» Kinderzimmer, und ihr auf dem Fuße folgte Dr. Barling, um nach seiner täglichen Gewohnheit, bevor er sich an seine Arbeit setzte, den Kindern ein Biertelstündchen zu widmen. Hulda mußte alle ihre Selbstbeherrschung aufbieten, «m sich nicht die lebhafte, innere Bewegung, die sie bei seinem Eintritt überkam, anmerken zu lassen. Ihre Hände, welche je eine Hand von Laura und Arnold umschlossen histton,zitterten, und ebenso vibrierte ihre Stimme, wäh- w.w gestern Abend das Konzert der Grimmaer Stadt kapelle im Waldschlößchen. Der schone Garten erstrahlte nach Eintritt der Dunkelheit in bengalischer Beleuchtung, wie denn auch die vielen Lampions den Eindruck einer italienischen Nacht hervorriefen. Das Konzert, das einiger maßen besucht war, wies in seinem 15 Nummern im drei Teile umfassenden Programm sehr anziehende Piecen auf, die mit künstlerischer Präzision wiederge geben, das Publikum zu verdientem Beifall veranlaßten. Naunhof. Ein langjähriger Sommergast unseres benachbarten Lindhardt ließ am Jahrmarktsmontage drei kleine Ballons, die zusammengebunden und mit einem Zettel versehen waren aufsteigen. Der Zettel erbat vom Finder Nachricht über die Landung den Ballons; gestern früh ging dieselbe hier ein, in einer Kirschallee bei Roitzsch (Kr. Bitterfeld) sind die Ballons niedergegangen, haben also eine ganz respektable Reise hinter sich. Naunhof. Daß es in Bezug aus die Farbe unter den Tieren Abnormitäten giebt, ist häufig, ein weißer Krebs indes ist doch wohl eine der größten Seltenheiten. Ein solcher im Gewicht von 90 Gramm ist in der Mühle Lindhardt am Mühlrad gefangen worden, und kann in diesem Lokale in Augenschein genommen werden. Theater in Naunhof. Das schon seit Langem mit Spannung erwartete Schleichardt'sche Sommertheater ist nun endlich eingetroffen und begann am Dienstag mit seinen Vor stellungen. Schon die Ankündigung des Repertoires ließ erkennen, daß wir es diesmal nicht mit einer jener minderwertigen Wanderbühnen zu thun haben, mit denen die Kleinstadt gewöhnlich fürlieb nehmen muß, sondern mit einem Ensemble, das künstlerische Ziele verfolgt und eine kunstverständige Würdigung bean spruchen kann. Der Spielplan nennt die besten Stücke der neuesten Thcaterlitteratur, darunter sogar die charakteristischsten Vertreter der modernen Richtung, deren Aufführung bisher immer als Monopol der Groß stadtbühnen betrachtet wurde. Es dürfte sich also auch für diejenigen, die regelmäßige Gäste der Leipziger Bühnen sind, verlohnen, jetzt ihre Theaterabende in den „Stern" zu verlegen. Sie dürften es nicht zu bereuen haben. Die Darstellung eines Stückes auf einer gut geleiteten kleinen Bühne hat für den Theaterfreund oft einen intimeren Reiz als die im Musentempel der Großstadt. Sie verhält sich wie die Klavierausgabe eines Tonstückes zur Orchesterbearbeitung. — Die erste Aufführung brachte uns das Blumenthal-Kadelburg'sche Stück: „Im weißen Röß'l". Dasselbe ist so recht ge eignet, in einer Sommerfrischlerstadt wie Naunhof den Reigen einer Reihe interessanter und — hoffentlich — gut besuchter Vorstellungen zu eröffnen. Wer die humorvolle Geschichte, die sich im „Weißen Röß'l" ab spielt. schon kennt, hat gewöhnlich die lebhafte Neigung, ihr ein zweites und drittes Mal als lachender Zuschauer beizuwohnen; und wer sie noch nicht kennt, der sollte schleunigst die Gelegenheit benutzen, diese „Lücke in seiner Bildung" auszufüllen. Denn das „Weiße Röß'l" muß man gesehen haben, will man nicht als voll- ständiger Barbar in Bühneniachen angesehen werden. Dazu bietet sich heute Abend Gelegenheit, wo dieses prächtige Stück wiederholt wird, wahrend Freitag die Fortsetzung: „Als ich wiederkam" gegeben wird. Für das schönere Geschlecht, das in vielen Dingen sehr praktisch veranlagt ist und selbst in den rührendsten Szenen nach einer reellen Grundlage sucht, sei hier gleich bemerkt, daß in dieser Fortsetzung sämtliche Liebes- rend sie in Gemeinschaft mit den Kindern ein Reigenlied sang. Dr. Barling schien in vortrefflicher Laune, denn seine beiden Hände ausstreckenhund sich zwischen ihr und Laura einreiheud, sagte er ausgeräumt: „Lasten Sie mich auch an Ihrem Spiel teilnehmen, Fräulein Hulda! Ich ver spreche Ihnen, ganz artig zu sein, und wenn Sie ein we nig Nachsicht mit mir haben, werde ich's schon recht ma chen. Ich erinnere mich des Spiels noch genau, das ich oft genug gespielt habe, als ich noch ein so kleiner Thu- nichtgut war, wie Arnold." Und er drehte sich ausgelassen mit den übrigen im Kreise, als gäbe es für ihn nichts Amüsanteres als das harinlos lustige Kinderspiel, und mit seinem wohlklingen den Bariton stimmte er laut in den Chor ein: „Häschen in der Grube saß und schlief, armes Häschen, bist Du krank, daß Du nicht mehr Hüpfen kannst? Häschen, hüpf', Häschen hüpf'!" Hulda verspürte den beruhigenden, ermunternd enDruck seiner Hand, und ihre Befangenheit und Bangigkeit wichen. Das erlösende, beglückende Gefühl wallte in ihr empor: „Gott sei Dank, er verachtet Dich nicht!" Der Regulator im Kinderzimmer verkündete eben die zehnte Stunde, als die Flurglocke ertönte und Anna gleich darauf mit der Meldung eintrat, daß zwei Herren, zwei Offiziere, den Herrn Doktor zu sprechen wünschen. Dr. Barling nickte, als würde ihm ein längst erwar teter, angenehmer Besuch gemeldet. „Führen Sie die Her ren in meinArbeitszimmer!" sagte er.„Jch komme sogleich!" Hulda blickte überrascht auf, während sich eine unbe stimmte Unruhe in ihr erregte. Auch bei der Frau Pro fessor weckte der zu so ungewöhnlich früher Stunde sich einstellende Besuch lebhasteS Erstaunen, und sie hob fra gend den Blick zu ihrem Schwager. Dieser erklärte leichthin, während er zur Thür schritt: „Die Herren kommen wegen .. wegen eines Vortrages, den ich im Offizier-Kassino halten soll. Lieutenant von Wollfram sprach schon gestern mit mir darüber." paare als ehrbare junge Eheleute auftreten und nach Jahresfrist wiederum zur Sommerfrische im „Weißen Röß'l", hoch droben im Salzkammergut, Zusammen treffen. Die schöne Leserin, die heute Abend das Theater mit dem befriedigenden Bewußtsein verläßt, daß sie sich Alle „gekriegt" haben, kann am Freitag Abend die intensivsten Fachstudien darüber machen, wie merkwürdig sich der Mensch nach einem Flitter- und Wonnejahr zu verändern pflegt. Das war ein sehr guter und praktischer Gedanke der Herren Blumen- thalundKadelburg, denn damit haben sie sich und Herrn Direkor Schleichardt für zwei Theaterabende ein festes Stammpublikum gesichert. — Die Aufführung am Dienstag war mehr als eine Art General probe zu betrachten, und wir verzichten deshalb darauf, sie ausführlich zu besprechen. Tic Darsteller hatten mit zwei Schwierigkeiten zu kämpfen: einer neu- eingerichteten Bühne nebst einer Szenerie, die erstmalig ousprobiert werden mußte, und — einem schwachen Besuche, der auf Rechnung der am Tage vorher statt- gehabten Naunhofer Messe zu setzen war. Immerhin aber ließ diese Generalprobe erkennen, daß ein sehr tüchtiges Künstlerpersonal auf den Brettern stand, bei dem sich so gut wie gar kein Anfängertum — die traditionelle Misere der kleinen Bühnen! — bemerklich machte. Die Inszenierung und Regie waren das Werk des Herrn Direktor Schleichardt, der das Stück mit vielem Verständnis für die räumlich kleinen Verhältnisse der hiesigen Bühne zurecht gemacht hatte. Der Beifall, der gespendet wurde, wird den Darstellern gezeigt haben, daß sie hier in Naunhof auf ein dankbares Publikum und für später auf zahlreichen Besuch zu rechnen haben. Als gutes Omen mag die Thatsache gelten, daß etwa ein Dutzend Sperrsitze von Leipziger Damen und Herren belegt waren, die daS Schleichardt'sche Ensemble wahr scheinlich im Krystallpalast schätzen gelernt hatten. -j- Das Befinden des Königs Albert ist fortgesetzt ein recht befriedigendes. Am Dienstag erfolgte die Verlegung des königlichen HoflagerS von Villa Strehlen nach Pillnitz. f Abschied der Sachsen. Dresden. Vom Leipziger Bahnhofe erfolgte am Dienstag, den 17. Juli vor- mittags 9 Uhr die Abreise der zweiten kriegsstarken Freiwilligen Kompagnien nach China (zunächst nach Zeithain). Im Kasernenhofe des Leibgrenadierregiments richtete Prinz Friedrich August herzliche Abschiedsworte an die Truppen, worauf der Kommandierende General Frhr. v. Hausen eine begeisterte Ansprache hielt. Der Stadtkommandant gab den Truppen mit zahlreichen Offizieren das Geleit bis zum Bahnhofe. Die Kapelle des Leibgrenadierregiments spielte Abschiedsweisen. Eine große Menschenmenge jubelte. -j- Kirchenstatistik. Nach neuesten, amtlichen Auf stellungen bestehen im Königreiche Sachsen zur Zeit 27 Ephorien mit insgesamt 899 Parochien und 3 290421 evangelisch lutherischen Angehörigen. f Im Briefverkehr mit den nach China gehenden Truppen wird nach einer Verfügung des Staatssekretärs eine allgemeine Portosreiheit Platz greifen. f Stallschauen. Vom Landwirtschaftlichen Kreis verein Leipzig wurden in den letzten Tagen in Oeltzschau- Kämmlitz und in Schönau bei Neukirchen-Wyhra Stall- schauen abgehalten. Es konnten hierbei 10 bez. 11 Rindviehbesitzer mit Staatspreisen bedacht werden. Die Hebung der Rindviehzucht in diesen Orten ist den daselbst gebildeten Zucht-genossenschaften zu verdanken. Er nickte seiner Schwägerin freundlich zu und ließ, bevor er ging, eine Sekunde laug seinen Blick mit einem eigentümlich sorschenden Ausdruck auf Hulda ruhen. Huldas bemächtigte sich plötzlich eine so auffallende Zerstreutheit, daß sie beim Spiel Fehler auf Fehler machte und sich Arnolds lebhaften Tadel zuzog. Auch die Frau Professor äußerte einmal, aufmerksam werdend: „Was haben Sie denn, Fräulein? Sie sehen wirklich blaß und übernächtig aus. Haben Sie denn nicht gut geschlafen?" Hulda verneinte hastig. Sie war innerlich ganz ver stört und mußte sich furchtbaren Zwang anthun, um das Spiel weiter fortzusetzen. Glücklicherweise verließ die Frau Professor wenige Minuten später daS Zimmer, um sich zu ihrer täglichen Konferenz mit der alten Brigitte in die Küche zu begeben. Hulda brach das Spiel ab, gab jedem der Kinder ein Bilderbuch und setzte sich an das Fenster, die Stirn nach denklich in die Hand stützend. Die schwere, dumpfe Gemütsstimmung, mit derstesam frühen Morgen gerungen, kehrte in verstärktem Grade wie- der. Was hatte der Besuch der Offiziere zu bedeuten ? Auf fallend, wie die ungewöhnlich frühe Stunde, war der Um stand, daß Dr. Barling den Besuch nicht, wie sonst üblich, im Salon, sondern in seinem Arbeitszimmer empfing. Hing das Erscheinen der Offiziere mit dem gestrigen Wortwech sel Dr. Barling» und der Lieutenant» von Wollfram zu sammen? Die Grübelnde sprang plötzlich von ihrem Stuhl auf, noch blasser und verstörter als vorher. Eine Erinnerung tauchte in ihr auf aus ihrer PensionSzeit, die ihr die Si tuation blitzartig erhellte. Hatte Clara von Wollfram nicht oft mit stolzem Selbstgefühl von dem empfindlichen Ehr gefühl der Offiziere gesprochen, und daß ein Offizier eine ihm widerfahrene Beleidigung nur in dem Blute seine» Gegners sühnen könne? Und daran hatte sie prahlerisch die Erzählung von den Zweikämpfen geknüpft, die ihr Bru der, der Lieutenant, bereit» ausgesochten habe. 70,1»