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<-8 Übungen bemerkt. Selten findet man bei ihnen jene düstre und kühne Einbildungskraft der Einsiedler der Wüste, und jenen religiösen Eifer, den damals der Unglaube und die Ver folgungssucht erregten. Die Einwohner des Moruser-rat besitzen sanftere Tugenden und be wohnen keine so wilden Gegenden; es find einfältige und geradherzige Menschen, die Gott fürchten und das Döse meiden. Zn allen ihren Gestchtszügen herrscht Ruhe und Friede; sie scheinen nie eine andre Wohnung als den Derg gehabt, und andere Freuden genossen zu haben, als das Leben, das sie führen. Da ich, sagt Alexander de la Borde, in feiner wählerischen und historischen Reise in Spanien, aus der dieser Auffttz entnommen ist, da ich während der Unruhen in Frank reich, wie so viele Andere, mein Vaterland verlassen mußte, so besuchte ich den Mont serrat, und die Schönheiten des Orts vermin derten meinen Gram. „Zch beneide euer Loos, sagte ich zu einem Elnstedler, wie schön muß stch's an diesem Orte wohnen!" Dieser Ort ist zwar schön, erwiederte der Einsiedler, es gibt aber einen noch schönern. Sechs Zähre darauf sah ich den nämlichen Menschen wieder, er erkannte mich aber nicht. Die Fremden, die den Derg besuchen, find für seine Bewohner, wie die Erinnerung an einen Gast, welcher kommt und sich blos einen Tag an dem Orte aufhält. Da ich diesmal nicht so traurig, wie bei meiner ersten Reise war, so fand ich die Lebensart der Ein siedler härter, und konnte mich nicht enthal ten, ihm dies zu sagen. „Sie hat ihre Ent sagungen, erwiederte mir derselbe Mann, aber sie ist blos vorübergehend." Diese Ruhe im Guten und Dösen gibt einen Begriff von ih rem Charakter überhaupt, und ist nebst ihrer Mäßigkeit Ursache, daß sie ein sehr hohes Al ter erreichen. Auch ist es merkwürdig, daß die Einsiedler sich fast sammtlich in dem näm lichen Alter erneuern und das Ansehn haben, als ob sie immer dieselben blieben. Dre Einsiedelei des heiligen Hieronymus, welche am höchsten liegt, bewohnt jederzeit ein junger Mensch, der in eine niedrigere hcr- absteigt, sobald einer von seinen Mitbrüdern stirbt; je älter sie werden, desto näher kom men sie d<-m Kloster, sie wüßten denn lieber in der Einsiedelei bleiben wollen, die sie bis her bewohnt haben. Die Menge derjenigen, welche Ansprüche auf diese strengen Stellen machen^ ist so groß, daß der Abt sich in Ver legenheit befindet, wem er sie geben soll. Der Ernannte nimmt von seiner neuen Wohnung Besitz, putzt die Kapelle aus, bringt die Bü cher in Ordnung und zieht die Sanduhr auf; ist er mit dieser Arbeit und mit den langen G> beten zu Ende, womit er jene unterbricht, so besucht er den Garten, liest in der Galerie die Sprüche, die an der Seite des Weih wassers und des Todtenkopfes stehes, begießt die Levkojeutöpfe, die sich darunter befinden, und vollendet die kleinen Kreuze, die sein Vorgänger bei seinem Tode noch nicht fertig hatte. Philosophen, Staatsmänner, Künstler und alle Arten von Reisenden stellen eine Wallfahrt nach dem Montserrat an. Dieje nigen, die die menschlichen Leidenschaften stu- diren und sie besänftigen gelernt haben, fin den hier eine sichere Freistätte gegen sie; die jenigen, welche glauben, die Religion sey von der Moral unabhängig, gewinnen hier in