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Wöchentlich erscheinen tr« Nummern. Pränumerasion«. Vrei« 22j Tge. (j Thlr.) viemljährlich, 3 Thlr. für du« ganze Jahr, ohne Er. hi düng, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. für die Man »rinumerln aus dieses Beiblatt der Allg. Pr. Slaats« Zeitung in Berlin in der Ex»ed,tion (Mohren - Straß« Nr. 34); in der Provinz so wie im Auslande bei den Wohllibl. Pvst-Aemtern. Literatur des Auslandes. 35 Berlin, Mittwoch den 22. März 1837 Belgien. Das Beginnen-Stift in Gent. Ohne Zweifel Hai jeder Englische Tourist, welcher über die Grän- ze» ter drri Königreiche hinausgekommen, von ter Latp Morgan bis auf Herrn Willis, die alle derühmle Statt Gbent oter Gand, Gant oder Gent besucht — wir überlassen dem tiefer die Auswahl nach Bor- liebe unter diese» Namen. Dieser Ori ist einer von den merkwürdigsten »G dem ganzen Kontinent — eine Slallc, reich a» den mannigsachstcn historisch!» Erinnerungen lind an den großariigstcn Monumenten eines versunkenen Ruhmes, der Schallplatz vieler Schlachten und Bündnisse und von einem Thore zum anderen voll von den Lenkzcichcn und Siesten des tapferen Heroismus ter Einzelnen und des begeisterten Gesamml- kampses für die Freiheit. Freilich jetzt ist es nichts als eine Fabrik- stadt, die auch nicht eine Spur von Glanz und Pracht eines Hofes bietet, und wo, gleich wie in Lüttich, die alte Herrlichkeit verschollen, der alle Reichlhum unlergcgangeu ist; aber gleich wie Lüttich, hat auch dieser Ort eine lange Liste von edlen, großherzigen Thaten auszuwelsen, von Thaten, die noch in den Gedächtnissen ter Mensche» forsteten werde», wenn solche Städte, wie Brüssel, sch»» längst in Vergessenheit hinadgtsilnkt» sind. Es war einmal eine Zeit, wo Gent sich rühme» konnte, die reichste und blühendste Stitt vielleicht in ganz Europa zu heißen. Damals war es, wo Karl V. sich des Scherzes zu beticuen pflegte, er könne ganz Pari« in seinen Haudschuh (-»,») htneinstecke»; ja, dieser Fürst war so stolz, sich den Herrn der einst so mächtigen Hauptstadt Flanderns nennen zu können, daß man von ihm erzählt, als der berüchtigte Herzog von Alba in ihn drang, die ausrübrcrifche Stad« dem Erdboden gleich zu machen, habe ibn Kari auf die Spitze des Wachnbuems geführt und, aus das ungeheure Häuser-Panorama, das sich unten vor ihnen enlfallelc, hinweisend, ausgerusen: ,,6nn>- bu » >1 fsilloii sie ziuaux z>nuo l'ilire UN gant «le netto granlleur?" Aber die Freiheiten und Privilegien der stolzen Bürger sind er loschen — die große Glocke, welche die Städter in Zeiten der Gefahr zu den Waffen zu rufen pflegte, hängt ruhig und träge in ihrem Thurm — und der unruhige, aufgeregte Geist des Volkes, welches ehemals die Herzöge von Burgund und die Grasen von Flandern zu schrecken ver mochte, hat jetzt dem geschäftigen Lärm und Getöse der Fabriken Platz gemacht. Doch auch jetzt noch bat Gem etwas von jener alten Wider setzlichkeit gegen die höchste Gewalt zurückbehalten; auch jetzt noch ist es der Mittelpunkt aller Unzufriedenheit und Opposition, die i» Belgien gegen die Regierung existirt, und der König Leopold kennt diese Gesin nungen der Einwohner so gut und entzieht ihnen so sorgfältig jede Ge legenheit, derselben auf irgend eine Weise Lust zu machen, daß er jedes mal in der Bade-Saison, statt auf geradem Wege über Gent nach Ostende zu gehen, lieber aus einem Umwege über die Straße durch Oudenarbe binreist, um nur Gent nicht Yassiren zu dürfen. Gent ist jetzt lies in Dunst und Rauch begraben, und seine Kessel und Dampfmaschinen nehme» ihm fast alle Gestalt aus der Ferne, alle» Eharakier von außen; aber der neugierige Wanderer, welcher die Mühe nicht scheut, seine tosenden Hallen, seine geräuschvollen Straßen näher zu durchforsche», wird überall reiche» Stoff für seine Schaulust und sür sein Nachdenken finden. Fast jedes Winkelchen seiner Gaffen und Plätze bietet dem Beobachter etwas Interessantes dar. Dort die ungebkmc Kanone, die >n de» Tagen Philipp « des Guten gegossen ward, die größte in der ganzen Well (sie beißt die tolle Grete), die bei der Be lagerung von Oudenarbe im I4ien Jahrhundert so vortreffliche Dienste «hat; der alte Thorweg des Schlosse« von Oudeburg, welches von Balduin Eise »arm Anno Uüst erbaut und wo Johann von Eaunt geboren wurde; da« Hau« des unsterblichen Braucrs Philipp van Arle- velde und seines Later« Jacque«, und eine Menge anderer Reliquien au« der Vergangenheit, die Dir fast bei jedem Schritt ausstoße», das Atles wird Dich zu ernsten, säst wehmülhigen Betrachtungen stimmen, und grübelnd und kopfschüttelnd über die Hinfälligkeit alle« irdischen Ruhme« wirst Du in Dein Onanier zurückfchlcndern. Ich weiß nicht, wie es kommt, aber es gebt gewiß jedem Reisenden so, der aus seinen Wanderungen »och etwa« Anderes sucht, ol« einen bloßen Anblick von lauter Hüttchen Sachen und ergötzlichen Kuriositäten; gerade die traurigen, mrhr Ernst und Webmutb erregenden Gegenstände machen ken lirsste» und dauerndsten Eindruck aus ibn. Weder die heilere Promenade am User des malerischen Kanal«, noch die I'I>c«: «l'.4oin>-« mit ihren historischen Gebäuden, ihren Klub«, Kaffeehäuser» und Soldalen-Eompazniorn beschäftig, die Ausmerksamkeit auch nur einen Augenblick länger al« im Borüdergehen; bas Begumen-Stift dagegen — die Haupt»Eougregalion diese« Ortens in Flandern') — fesselt die Anschauung und den Grist und hinterläßt ein Bild, welches nimmer mehr an« dem Gtkächiniß verschwindet. Die beste Stunde, diesen Ort zu besuchen, ist die Vesperzen: da kommt die ganze Schwesterschasl in der Kapelle zusammen, VA) an der Zahl, eine Lersammlung, die von so erstaunlicher, srssrlnder Wirkung aus den Fremde» ist, daß er in einen iraumhaftrn Zustand versinkt und erst »ach langer Zeit erwacht z da sind die Nonnr,i schweigend in ihre Zellen zurückgeschlichcn, und er findet sich ganz allein in der religiösen Einsamkeit, die H eben noch von andächtizcn Grbrtcn und Lobgeiängen erfüllt war. . Da« Beguincu-Snst ist eines von den wenigen Nonnen-Klöstcrn, die von Zofcph II. geschont wurdrn. E« ist eine kleine Stadl für sich, ,» eiucm Winkrl von Gent, und auf allen Seiten mit einem schützen de» Grade» umgebe» Pla» tritt durch einen alten massiven Tbcrweg in das Innrre, wo die Häuser von lauter schmalen düstere» Straßrn durchschnitten und mit kleinen Einzäunungen an der Vorderseite ver- sehrn sind. Icke Nonne Hal ei» Häuschen sür sich, auf dcffe» Thür »ichl ihr eigener Name eingeschricbcn ist, sondern der de« Heiligen, den sic zum Schutzpalron erwähl! bal. In der Mine diese« sonderbaren Platzes stehl die Kaprllc auf rincm Hose, im Viereck von Gebäude» tingeschloffen, wrlchc über den Pflasterweg, der zu der niederen Pforte binsühet, eine» dunkeln Schalten werfe». Die Sonne war gerade un« lrrgtgangcn, al« ich da« Kloster brsuchte, und da« schwankende Däm merlicht, wrlchc« rbcn anfing, in Fmstcrniß überzugehen, ließ die For« mcn kcr Dinge immer mehr in einander verschwimmen und gab mit dcn immrr länger werdende» Scham» dem Ganzc» eine fast höhere, religiöse Färbung. Da« crflc Schauspiel, welches sich bcim Eintritt in die Kavcllc bolj war eines von dcn cigcutbümlichsic» und nucrcssan, testen, da« man sich denke» kann. Die Schwesterschasl ersüllle >» an- dächligcr Stellung die Ehorgängc und das Schiff der Kirche, während die Orgrl in mächtigen, aber schwermülbigen Klangen über die weilen staiilichcn Wölbungen bin criönle. Da lagen die sechshundert Nonnen aus ibrrn Kniren, mit vorwärts gebeugten Körpern, in lange schwarze Mantel eingehülli, und über ihre Häupter war die alle Flamäntische Faiile geworfen, weiße Schleier, die über ihre Schuller» herab- ficlen. In dieser ungcbcuren Menge war auch nicht eine Spur von einer Bewegung — da« Ganze so still wie da« Grad: und wie »un noch von den Wachskerze», die an den elwa« cnlseriiler stehenden Säu le» ausgcsteckl waren, die blasscn, mallen Strahle» auf sic herabfirlcn, da glichen ihre schlickigen Schleier in ihren nur schwach sichtbaren Um« riffln einer Reibe von Gräbern, aus welchen da« Mondlichl erzittert. Nach und nach stiegen die Stimmen des Gesanges immer Höber empor, und die auschwelleuden Nolen erregten ein so tiefe« Gefühl frommer Scheu und Ehrfurcht, daß der Besucher fast gezwungen ward, dcn lei» ftstcn Hauch des Albe,ns anzuhaltcn. Dicht am Eingang steht der Altar: in dessen Umkreis Halle» sich die wenige» Fremden, welche die Neugierde bereingelockl, »ach und nach dinier den massiven Pfeilern grnppirl, und so starrlcn sie über dcn weilen Raum der Kapelle hin mit den mannigsachsten Ausdrückcn stummer Bewunderung und Uesen Erstaunen«. Einige pbanlastifckie Guirlanden und ein Paar dünne, malle Kerzen umgaben da« gewöhnliche Bild der Jungfrau mil dem Kinde, welches in dem dem Altäre gegenüber liegenden Raum aufge- richtet war; aber diese bunle» Zierralhen wurden über der Betrachtung jener wunderbaren bewegungslosen Andach, ganz übersehen, über dem Anblick jener unzälstigcn, lirf in Anbetung'versenkte» Schaarcn von cingektöstcrlcn Hänpicr», welche das Innere einnahmen, so weit da« Auge reichen konnte. AG bcm Orgel-Ebor standen am anderen Ende die Novizen; aus diese ficlen die vollen Strahlen jener düsteren Lichter herab und gaben ihnen ein priesterliche«, fast heiliges Ausleben, welche« noch durch ihre halb klösterliche Kleidung und ihre weißen Rosenkränze um ihre Häupter sür die Phantasie gesteigert wurde. Ihre Jugend, ihre sanften ruhige» Blicke, »och durch keine umberirrente Gedan ken, durch keine fruchtlose Hoffnungen und Wünsche unstäi gewor den, und ihr ganzes stille«, dcmütbigcs Wese», wie c« zuweilen über die verzückte Menge da unleu hinblickte, gab ein wirkliche« Bild von jener vertrauensvollen, innigen Hingebung, die sich ganz tem Dienst der Religio» widmet, und die wir überall vergebe»« suchen, außer in solchen Instituten, wo die sich ansblähenden Eitelkeiten ter Hierarchie, -) Dieser Orden tfl durch kein Gclnbdr actundt.i; seine Mitglieder kön- ncn, sobald sie wolle», in die Welt jurücktclncn; aber obglcich sic lchon viele Damen von hohem äkana und Permbaen unter um lahltcn, so rühmen sie sich doch, daß auch »ich, ein euistge« Vrupwl vorgeksmmcn, wo eine «Schwester diese Freiheit bcnutzl habc.