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o9 stall die eleganteste Französische Tournüre; dabci wußte er stch von jener Eitelkeit fern zu halten, die zuweilen auch cinsn gedildele», geist vollen Man» gcckeuhasl erscheinen täßl; er legle durchaus keinrn Wend aus seine äußeren Vorzüge und erschien deshalb nur uni so lieben«- wllrdigcr. „Hier ist mein junger Mitschuldiger", suhr Herr von Sögur fort, indem er mir Emanuel Dupaly bezeichnete, „wir haben zusammen die „komische Oper", jenes kleine Stück, das bei Ihnen, auf dem Kandt, in Musik gesetzt wurde, versaßt. Dieser Emanuel ist der liebenswür digste Mitarbeiter von der Welt, denn erstens macht er drei Viertel der Arbeit, würzt sie mit niedlichen Versen und geistreichen Worten und dann sagt er de» Theater-Damen, den ersten Liebhaberinnen und .Ko ketten so viel schöne Dinge, daß sie ihre Nollen mit doppeltem Eiser spielen. Es thut nur nur leid, daß ich ihm nicht auch in meinem „gelben Kabriolet"') einen Platz eingcrüumt habe; es wäre daun ge wiß nicht so unsaust umgcworfcn worden Wissen Sic denn", suhr er fort, „wie die Republikaner mich gestern bei meinem HerauSgehrn aus Lem Fehdeau-Theater muthwillig beleidigt Habens Die Schurken riesen so laut, wie sie konnten: Das gelbe Kabriolet des Herrn von Sögur! Und Gott weiß, welches Gelächter und wie viel Neckereien ich änhöre» wußte, ehe es mir gelang, mein Kabriolet zu erreichen. Es wird wieder umgrworfen! riesen Einige. Es ist ja erst eben ausgehoben worden! antworteten Andere. Glücklicherweise lachte ich mehr, als irgend einer meiner Quäler, und entwaffucie so ihre Bosheit." Nichts glich in der Thal der liebenswürdigen Heiterkeit, mit wel cher der Vicomte in einen Scherz, den man sich aus seine Kosten er laubte, einstimmle; er halte, wie so mancher Andere seine Lächerlichkei- , «», aber er kannte und liebte sie und nahm cs nicht übel, wenn sie seinen Freunden zur Belustigung dienten. Auch an diesem Abende mußte Mlle. Cenlal ihn in Anspruch nehmen, um ihre Gäste von der Langeweile des Wartens zu befreien; denn Legouvö kam, wie gewöhn lich, viel zu spät, es war bei ihm weder Unhöflichkeit noch die Sucht, Lsfkkl hervorzubringen, aber Nachlässigkeit und Saumseligkeit. SS war damals gerade eine Zeil, wo die Liebe für das Antike vorherrschend war; die Mode, diese despotische Fee, hatte mit einem Schlage ihrer Zauberrulhe die Säle in Hallen, die Kleider in Tuniken, die Becher in Schalen, die Schuhe i» Kothurne und die Guitarren in Lpra's verwandelt. Auch Mlle. Eonlal halte eine solche moderne Lyra zum Geschenk erhalte»; sie bat mehrere ihrer Gäste, stch daraus hören zu lassen, aber vo» all den zahlreichen Muflkliebhabern kounte oder wollte keiner von dem Pindarischen Instrument Gebrauch machen, weil es den Spielende» zu einer gar zu lächerliche» Stellung zwang. Lcr Bicomlc von Sögur allein halte den Muth, die Lvra aus den Händen der Mlle. Conlat anzunehmen und sich zu einem neuen Gesänge zu beglei ten. Da« anli - Gliechische Kostüm des Sängers, sei» sorgfältig ge kräuseltes und gepudertes Haar, seine steife Haltung, seine sonderbare Aussprache »ach der Mode der ci-clc-vaiit ElcganlS von Versailles, seine dünne Stimme, die, nach der Manier des Phidiae, in seine» Armen ruhende Leier — da« Alles machte einen so grotesken Eindruck, daß ich mich nicht enthalten kounle, i» laute« Gelächter auSzubrcchen. Mein Beispiel wirkte wie durch einen Zauberschlag auf alle Andere, die bis her ihre Lachlust unterdrückt halten, und der Bicomlc, dcr nun auch sehe» wollte, welchen Anblick ec gewähre, rückte seinen Stuhl so, daß er stch i» einem großen Spiegel sehen konnte, und scherzte nun besser, als irgend Einer über seine Llvmvische Haltung; jetzt sang er mit Aus druck und Geist eines der hübschesten Lieder seine« Bruder«, Jeder ap- plandirte, und die Gesellschaft Halle, wenigstens für den Augenblick, Le- gvuvö vergessen. Endlich ward dieser gemeldel; er kam aus dem Theater, wo er dem Debüt seiner Schülerin, Mlle. Duchcsnois, beigewohnt batte; die junge Schauspielerin war mit Beifall überhäuft worden und Legouv« in der glänzendsten Laune. Er sand sein Tischchen und ei» Gla« Zuckerwasscr bereit, und die Gäste die sich hier und da im Nebenzimmer zerstreut halieii, versam melten sich jetzt wieder im Salon, um die Vorlesung zu hören Nun erst bemerkte ich Alerander Duval und wunderte mich über sein Hier- seyn, denn ich glaubte ihn mit ter Dame vom Hause aus immer ent zweit. — „Wie unerfahren Sie doch sind", sagte Sögur, dem ich meine Gedanken mikgcibeilt batte, „glauben Sie denn, daß zwei Personen, die einander so »ötbig stnd, lange uneinig leben können? Es ist wahr, daß stch neulich, bei der letzten Probe de« Drama«, das jrtzt einstudirt wird, ein kleiner Streit zwischen den, Autor und der Schauspielerin entspann; Mlle. Conlat wünschte nämlich eine Aenderung in der Haupt- Scene, und da Huval nicht cinwilligen wollte, warf ste ihm ohne Wei tere« ihr Rollenbest an den Kopf; er hob es aus, nahm sein Manu skript au« de» Hände» de« SoussteurS und ging davon, indem er be- Ibeuerie, daß er nicht ei» Wort Ludern werde, wenn auch sein Stück gar nicht gegeben werden sollte. E« ist wahr, daß da« Alle« im Thea- ier viel Sensation crrcgte, daß man lange nicht wußte, ob die Conlat oder ^er eigensinnige Bretagner den Sieg davontragcn werde; aber da das Stück der Schauspielerin und di« Schauspielerin dem Stücke einen großen Erfolg verspricht, so mußte da« gemeinschaftliche Interesse sie bald wieder einander nähern und versöhnen." Dies ist dasselbe Drama, da« durch den Beifall de« Herzog« von Cboiscul und die lauten Lodspruche de« Vicomte von Sögur dem erste» Konsul verdächtig wurde und dem Verfasser eine Verbannung«-Ordre, der er folgen mußte, zuzog. Emanuel Dupaly ward um dieselbe Zeit von einem gleichen Schicksale bedroht. Er ließ in der Oz>«ca «oiuigue ein kleine« Stück, mit dem Titel „da« Vorzimmer", einstudircil und ahntc wohl nicht, daß zwei Freunde des Konsul«, in Picaro« und Diego und in der Menge der sie umgebende» Diener eine Mystifikation de« ') Der Titel einer komischen Over, die wenige Tage vorher »«rebgekal. l«n war. stch bildenden jungen-Hose«, aus dessen Milte bald Könige hervorgehen sollten, finden wurden. Wcgcn eines unschuldigen CalembourgS ward Dupaly denuncirt, eine« Abends von Gendarmc» abgebolt, in eine Postchaise geworfen und nach Brest geführt, wo er in einen Ponton, eine Art von sumpfigem Kerker', cingesperrt ward, j» dem die Lange weile, schlechte Nahrungsmittel und pestilcntiaiische Dünste sehr schnell die'Gesundheit der Gescmgencn untergraben. — Diese u»d so manche andere Beispiele beweisen, daß unter den zu strengen wie unter den zu schwachen Regierungen geist- und lalcntvelle Männer ost wie Feinde behandelt werden, und das ist am Ende, meiner Meinung nach, noch besser, als sich weder protcgirt noch verfolgt zu sehen, denn der Haß reizt und seucrt an, aber die Gleichgültigkeit lähmt und stumpft ab Bei den ersten Laute» dcr volle», sonoren Stimme Lcgouvö's hörte alle Con,Versalien aus. Mehrere Witzlinge au« der Gesellschaft wagten es, einige Fadheiten über das Thema der Vorlesung, da« „Ver dienst dcr Frauen", als Vorrede voranzuschicke»; die Boshaften lächel ten mit einer Miene, die zu sagen schien: „Ich wäre eben nicht böse, e« kennen zu lernen", und Herr von Sögur flüsterte mir ins Ohr, „Vom Verdienst der Frauen ist die Rede? nun Gottlob, das wird nicht lang seyn." Und in der Tbat, cS schien wohl Keinem zu lang; die Verse aus die barmherzige» Schwestern und de» Heroismus des Fräuleins von Sombreuil rührten uns bis zu Thräne»; da« ganze Gedicht war so schön und dabei so wahr, daß wir nicht wußten, ob wir mehr da« tiefe Gefühl oder das Talent de« Dichter« bewundern sollten; unser Beisall steigerte sich bis zum Enthusiasmus. Die guten Leute, die ja unlängst Alle einem allgemeinen Blutbade entgangen waren, fühlten sich noch so voll von Schauder und Abscheu gegen die Henker, von Mitleid sür die Opscr und von Bewunderung hingcbcndcr Frauen, daß kein Herz ungerührt blieb; Jede von uns fühlte sich wohl in diesem Augenblicke stolz und glücklich, denn wir glaubten ja Alle, zur Zeil de« Terrorismus mehr oder weniger Proben unser« Muche« abgelegt- zu haben. Bei einer der rührendsten Stellen richteten sich Aller Augen auf Mad. Lebrun, auf jene herrliche Frau, die ihre Feinde, so zu sagen, aus Frankreich ver trieben hallen, um ihr da« Leben zu reiten; denn sie sollte eben mit dem Tode die Ehre büßen, unsere Geschichte durch die schönste Schil derung der Märtyrer-Königin bereichert zu haben. Man erinnerte sich der mulbvollcn Erkenntlichkeit, die sie immer ihren erhabenen Be schützern bewiese», und die Treue, mit der sie selbst später allen ver führerischen Versuchungen des Kaiserreichs widerstand, erhöhte noch die Bewunderung, die ihr Talent einflößle. Niemals war wohl eine Frau mit reicheren Gaben von dcr Natur au«gestallet wordcn; Mad. Lcbrun war zu gleicher Zeit schön und anmulhig, glänzend und einfach, geist reich und gut; in ihren Schilderungen wußte sie die Wahrheit aus« Aumulhigste cinzukleiden, ohne ihr je untreu zu werden; poetisch in ihrclu Talent, in ihrer Conversaiion, in ihrer Kleidung sogar, Hal man es ihr daher immer verziehen, originell zu erscheinen, weil sie nie de» Anspruch machte, die allgemeine Ausmerksamkcit auf sich lenken zu wol len. An jenem Tage hatte da« Gesicht dcr Mad. Lcbrun noch den vollen Glanz dcr Jugend, und dennoch war ihre Schönheit schon lange vor dcr Revolution berühmt gewesen. Aber sic war so glücklich, sich wieder in Frankreich, umgeben von geist- und talentvollen Leute», zu sehen, daß ihre Augen vor Freude glänzten, und dieser bclcdtc Ausdruck, ihr frischer Teint, ihre schönen Farben und ihr herrliches blondes Haar täuschten über ihr Alter; sie Halle alle Reize einer jungen Frau. Ihr Bruder, Herr Vigöe, ein geistvoller Mann, war der Verfasset dec .chlntrevuo", cines kleine» Slückc« in Versen, in welchem Mlle. Conlat und Mol« so vortrefflich spielten, daß man wirklich dcr Zeuge eines häuslichen Zwistes zu sehn glaubte, wenn man sie Hörle. Herr Vigöe war natürlich sehr dankbar dafür; seine Verehrung sür Mlle. Conlat veranlaßte ihn, noch einige andere kleine Stücke in Versen zu schreiben; doch schadete ihnen ein gewisser Anstrich von Pedanterie, die ihm als Professor am Athenäum eigen war, und seine Bemerkungen, die wirklich pikant und scharfsinnig waren, erhielten dadurch zuweilen eine lächerliche Pomphaftigkeit. Mlle. Conlat selbst scherzte ost mit ihm über sein feierliches Wesen; dann wurde er übelgelaunt, und man neckte ihn nur um so mehr. Dessenungeachtet war er einnehmend und dcr Freund aller jungen Talente, denen er sich überlegen glaubte. Auch Legouvö gehörte zu diesen letzteren, er Halle ihn nicht nur ermulhigt, sondern auch applaudiren Helsen, und nur in Folge der Lobsvrüchc und der Empfehlung Vigöe'S halte die Oomöfliv i-'ranyaise sich entschlossen, de» „Tod Abel s" zu geben. Man erräth wohl leicht, wie viele Hin dernisse sich dem Stücke des jungen Autors wegen des veralteten Stos se« und der Ncnheit des Kostüm« cutgegcnstellten, und obgleich Vigöe'S eifrige Freundschaft bei dieser Gelegenheit sür Legouvö von großem Nutzen war, so hat doch ost die schwerfällige Pedanterie de« Professors dem jungen Talente geschadet. Alle« mußte bei ihm ernst und regel recht seyn, jeder schüchterne Versuch eines kühneren Ausschwimg« ward sogleich unterdrückt, und so war da« Resultat dcr vielen Beralhungen mit Vigöe, daß der junge Dichter seinen nach der Bibel geschilderten Kain wie Voltaire s Orest, seinen Abel aber wie Zaire sprechen ließ, und daß die wilde rohe Einfachheit des ersten in der Welt ezeschehrnen Verbrechens nnter der geglätteten Sprache des Mörders und seines Opsers ganz verschwand. Einige sehr schöne Scene» im Stücke, wo das Talent de« Verfasser« dem Willen und der gelehrten Routine seines Freundes Trotz bot, beweisen, daß er wohl Bessere« leisten konnte. Ich Halle viel von dem Grasen Loui« von Narbonne und seiner alten Liebe zu der Contat gehört; auch olmc ihn je gesehen zn habe», hätte ich ihn sogleich erkannt. Es lag so viel Geschmack und Grazie in den Komplimenten, mit denen er Legonvö überhäufte, so viel Koket terie in Allem, was er von den, Verdienste der Fraucn sagte, daß ich in ihm gleich den Mann, der den Frauen zu gefallen gewohnt ist, ,7, kannte. Die Freundschaft, die er noch immer der Dllc. Contat bewies, gereichte Beiden zur Ehre, den» e« ist schwer, Jemand, de» man so