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Mit besonderer Berücksichtigung äer Anthropologie unil Gthnologte. In Verbindung mit Fachmännern und Künstlern herausgegeben von Karl Andree. April Monatlich 4 Nummern. Halbjährlich 3 Thlr. Einzelne Nummern, soweit der Vorrath reicht, 4 Sgr. 187^ Land und Volk Von Wer von Norden her über den Bodensee der Schweiz zueilt, dem bieten den ersten Bergesgruß die Appenzeller Alpen. Sie bilden südlich vom Bodensee ein Hochland, das durch seine Bodcnbeschaffenheit, durch Charakter, Tracht, Sitten und Beschäftigung seiner Bewohner zu den interessan testen Theilen der Eidgenossenschaft zählt. Den Grundstock und südöstlichen Theil dieses Hochlan des macht die Kalkalpengruppe des Scntis. Sie hat ihre höchste Erhebung im schneebedeckten, 7700 Fuß aufragenden „hohen Sentis", der mit seinem östlichen Nebenberge, dem nur wenig niedrigern „Altmann", den Südrand des Hoch landes ausmacht. Beide Berge fallen steil ab zum Thal der obcrn Thur, welche mit der Grafschaft Toggenburg die Scheidelinie zwischen dem Sentis und der Kette der „sieben Kurfürsten" bildet. Fast eben so schroff führt der Ostrand des Hochlandes zum breiten Rheinthale hinab, das die Sen- tiser- von den Vorarlberger Alpen scheidet. Die hervorragenden Gipfel dieser östlichen Gebirgs wand: der „hohe Kasten", Kamor, Fähnern und Stoß, neh men mit ihrer Entfernung vom Altmann nach Norden auch allmälig an Höhe bis zu 3000 Fuß ab. Durch die steilen *) Wir geben diesem Aufsatz einige Ansichten aus der Schweiz bei, obwohl dieselben keinen speciellen Bezug auf Appenzell haben. Als Erinnerungsbilder werden sie manchem Leser nicht unwillkommen sein. Ned. Globus XXI. Nr. 14. (April 1872.) Von Appenzell*). Th. Zorn. Pässe dieser östlichen Bergmauer stiegen im Mittelalter die tapferen Bewohner dieses Hochlandes mehr denn einmal zum Rheine hinab und unterwarfen das fruchtbare, obst- und weinreiche Thal ihrer Herrschaft. Bor Allem denkwürdig in der Geschichte des Cantons bleibt der Paß über den „Stoß", wo zu Anfang des fünf zehnten Jahrhunderts vierhundert Bauern den Herzog Frie drich von Oesterreich blutig aufs Haupt schlugen, als er mit dreitausend Rittern es versuchte, auf diesem Wege ins Land zu dringen, um das kleine Gemeinwesen dem Hause Habs burg zu unterwerfen. Nach Westen zur Mittlern Thur und nach Norden zum Bodensee hin verflacht sich das Gebirge immer mehr zum tafelförmigen Hochlande, das keine zusammenhängenden Berg ketten mehr aufweist, sondern nur noch hier und da in lang gestreckten Bergrücken oder kuppeligen Domen von Nagel fluh und Sandstein anschwillt, und hierdurch eine Menge breiter, bequemer Thalmulden darstellt, die meist eine Er hebung von mehr denn 2000 Fuß haben. Tief eingeschnittene, schmalere Flußthäler fehlen in dem sonst quellen- und brunnenreichen Lande fast gänzlich. Das bedeutendste Flüßchen des Cantons ist die forellenreiche Sit ter. Sie entspringt in zahlreichen Quellbacqen am Sentis und durchschneidet auf ihrem Laufe zur Thur das Ländchen von Süden nach Norden. 27