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34 nicht beachtet. Die jüngeren Weiber wenden sich anfangs vielleicht von dem Fremden ab und bedecken mit den Händen oder Ferdah das Gesicht, wahrscheinlich mit vollem Bewußtsein hierdurch gerade das zu erreichen, was sie zu verhindern scheinen wollen und nur manche Schiuch verbergen ihre Frauen etwas sorgfältiger, während andere dagegen hierin nicht im mindesten bedenklich sind. Bei unserem Schech ging dies sogar so weit, daß er selbst mir sein Lieblingsweib im Harem (Frauengemach) vorstellte. Er bewohnte mit ihr ein und dasselbe Zelt und dieses war nur durch ein Tuch von Ziegenhaaren in eine größere und kleinere Abtheilung geschieden. Nachdem mir der Schech seine Schätze gezeigt, wollte er mir seinen größten auch nicht vorenthalten. Auf einige Worte wurde der schwarze Vorhang zurückgezogen und die gegenseitige Vorstellung fand ohne jede Ziererei statt. Die Frau saß ans ihrem Lager und flocht aus feinen Lederriemen eine Kamelhalfter. Das Verfertigen von Halftern, Zügeln aus Leder, Flechten von Matten (Brusch) und Speisedeckeln (Tabaqah) aus gefärbtem Stroh und Palmblättern, Zierathen für Kamele, Spinnen der Baumwolle und ähnliche leichte Beschäftigungen bilden den Zeitvertreib der wohlhabenderen Araberinnen, außer der Zeit, welche nicht durch ihre Toilette in Anspruch genommen wird. Diese letztere erfordert freilich viel Zeit, besonders das Flech ten der Haare in hundert seine Zöpfchen, das Tupiren und Ein salben derselben, das so beliebte Einräuchern und Salben des Kör pers und alle jene geheimnißvollen Prozeduren, welche diesen Töch tern Eva's von gleicher Wichtigkeit scheinen, wie den Damen der zivilisirten Welt. Vor schwerer Arbeit, wie Holz im Walde sammeln, Wasser aus dem Flusse holen, Durrah reiben und kochen, wissen sie sich kluger Weise schon vor der Verheiratung durch Zusicherung einiger Sklavinnen sür diese Arbeiten zu schützen. Den Beschäf tigungen im Innern der Hütte oder der Zelte mag wohl die lichtere Hautfarbe der Weiber gegen die im allgemeinen dunklere der im Freien lebenden Männer zuzuschreiben sein. Einige Kleinigkeiten: Zwirn, Nadeln, Bänder und Seife nahm die Schechfrau freundlich von mir an und erwiderte sie im Laufe meines Aufenthaltes mit vielen Kürbißschalen süßer und saurer Milch, Backwerck aus Wei zenmehl re. Die meisten der Jäger waren ausgezogen, um für meinen Ge fährten, der sie schon öfter besucht hatte, junge Elefanten zu fangen, wobei sie zuerst die alten auf die oben angegebene Weise tödten, und schon hatten wir einige junge Elefanten von der Größe einjähriger Kälber erhalten. Die Mehrzahl der Jäger war jedoch noch nicht zurückgekehrt und wir wurden daher zu längerem Verweilen ge- nöthigt, während welcher Zeit die Hochzeitsfeierlichkeiten einer nahen Verwandten des Schech stattfanden. Außerhalb der Seribah, jedoch in nächster Nähe des Lagers wurde von den Freundinnen der Braut unter Tanz, Gesang und Händeklatschen aus durchaus neuen Ma terialien ein Zelt aufgeschlagen und dessen Matten mit rothen Zei chen bemalt, worauf die verhüllte Braut eingeführt wurde, um des Bräutigams zu harren*). Dieser erschien auch bald, an der Spitze seiner Freunde, im festlichen Aufzuge, zu Pferde, während ein Sklave zu Kamel die Noqarat (Pauken) schlug. Die um das Zelt der Braut sich stellenden Mädchen begrüßten den Zug mit schrillem Lululululu-Geschrei, bewarfen die heransprengenden Reiter mit Erdklößen und Kuhdünger und schlugen mit Dornbüschen re. gegen sie. Diese Ceremonie drückt in naturwüchsiger Weise aus, daß die Braut und ihre Gefährtinnen ihren jungfräulichen Stand zu Ver theidigen gesonnen sind, der Bräutigam und seine Genossen dagegen keine Gefahr scheuen, die Auserkorene zu erkämpfen. Dies ist wohl so ziemlich der einzig wahrnehmbare Zug, der an Hochschätzung des weiblichen Geschlechtes bei islamitischen Völkern erinnert, welche aber bei der so schnell vorübergehenden Blüte desselben in Gleich giltigkeit und Mißachtung umschlägt. Mehrere Male flohen die Reiter scherzweise vor den gegen sie andringenden Mädchen und diese wurden in der That auch nicht sehr glimpflich behandelt, durch Erde und Kuhdünger beschmuzt, mit Dornbüschen zerkratzt, so daß es ohne Hautrisse und Beulen nicht abging und auch einige der Mädchen durch die Pferde umgestoßen wurden, ohne daß jedoch ein Unfall vorkam. Dem muthigen Ritter wurde schließlich sein Preis zuerkannt, und unter Gesang und den Tönen der geschlagenen Pauken wurde er in das Zelt seiner Braut geführt. Vor diesem hatte sich indessen die ganze Dorfbevölkerung und die Gäste aus den *) Dieser Einführung geht eine Operation vorher, welche durch die hier all gemeine Jnfibulation bedingt wird. umliegenden Dörfern eingefunden. Es wurde gesungen, in die Hände geklatscht und getrommelt, daß es ein Heidenlärm war, und einige Männer führten tanzend, hin- und her springend, Schwerter, Lanzen und Schilder schwingend, Scheingefechte auf. Bei einbrechender Nacht wurde das Festmahl abgehalten. Große Holzschüsseln voll Luqmah. (Durrahmehlbrei) mit Milch nnd Mulack (schleimige Sauce smisgestoßenem Bamichu, Fleisch und Gewürz) übergossen, gebratenes Rind- und Kamelfleisch, Kürbisschalen mit Milch: alle diese Herrlichkeiten mit Tabaqat bedeckt, wurden in feier licher Prozession in das Zelt des jungen Paares getragen und die außen Versammelten auf gleiche Weise bewirthet. Die ganze Nacht währte der fürchterlichste Lärm und die bei solchen Gelegenheiten nie fehlende Merissah, wurde bis zum Morgen aus riesigen Buram (großen Thokigefäßen) ausgeschenkt, um die Ermüdeten zu erquicken. Am Tage verstummte das Getöse, da sich alles dem Schlafe überließ, aber gegen Asr (vier Uhr Nachmittag) ging die Fantasiah (Festlich keit) von neuem an und dauerte bis zum grauenden Morgen. So ging's drei Abende und Nächte durch, jeden Morgen wurde eine tadellose Kuh aus der Herde des Schech geschlachtet, jede Nacht war ein Höllenlärm, daß an Schlaf nicht zu denken war und man nur am Tage diesen nachholen konnte. Die Braut empfing in dieser Zeit zahlreiche Besuche von Verwandten, am Morgen des vierten Tages zog sie in das Dorf ihres Mannes und der ermüdende Lärm hatte damit ein Ende. Gegen Abessinien zu, an den Flüssen Setit (dort Takasse genannt) und Mareb (Gasch), Hausen die schon erwähnten Basen, Kun am a oder M akad ah, wie sie Wohl auch von den Araber» genannt werden, welche mit diesen Kollektiv-Namen sämtliche Bewohner der abessini schen Gebirgsgegenden (Abessinier, Galla etc.) bezeichnen. Wie überall, so haben auch hier die eindringenden Araber die Einge borenen zurückgedrängt und sind diese als Heiden wie überall, so auch hier, das erlaubte Ziel aller Gewaltthätigkeiten von Seiten der islamitischen Bevölkerung. Wie die Abu Ros die Denka und Burum der Gesireh Sennaar, die Baqara die ihnen benachbarten Neger völker heimsuchen, berauben und als Sklaven vertuenden, so sind es hier die Homran-Araber, welche gegen die Basen in gleicher Weise verfahren. Diese, weder unter ägyptischer noch abessinischer Herrschaft stehend, jedoch zwischen beiden gelegen, sind lange Zeit den Beraubungen von beiden Seiten her ausgesetzt gewesen, bis Munzinger Bey vor ungefähr zwei Jahren diese Verhältnisse regelte, das Land der Basen für Aegypten gewann und unter dessen Schutz stellte, so daß Vorgänge, wie ich sie während meines Aufenthaltes erlebte und im Folgenden zu schildern versuche, jetzt Wohl schwerlich mehr Vorkommen dürften. Die Homran lebten in steter Blutfehde mit den Basen; bei den häufig vorkommenden Kämpfen zogen meist die letzteren den Kürzeren, wofür sich dieselben aber auf jede Weise und bei jeder Gelegenheit zu rächen suchten und wenn sie in Ueberzahl einige Araber, die sich bei der Jagd, beim Einsammeln des Honigs oder anderen Vorfällen zu weit vorgewagt hatten, trafen, diese ohne Erbarmen umbrachten, sodaß der Haß immer aufs neue genährt wurde. Während meiner Anwesenheit kehrten zwei ausgezogene Araber nicht mehr zurück, sie waren, wie die von Thieren halbaufgefressenen und später aufgefundenen Leichname bestätigten, von den Basen ermordet worden, und die Nachricht erregte in unserem Dorfe, wo deren Verwandte und Familien wohnten, großen Aufruhr. Das bekannte im Leid und Freud gleichlautende Lalalalalala der Weiber, nur unterbrochen von den in lauter weinerlicher Stimme und mit Aufschluchzen begleiteten Litaneien, in welchen der Vorzüge der Todten gedacht wurde, war nun stundenlang zu hören. Wohl mehrere Wochen hindurch tönte das Gewimmer und Gejammer, besonders mittags und abends sprangen die männlichen, manchmal selbst weibliche Familienglieder vor dem Frauen-Zelte laut schreiend umher und fochten mit Schwertern in der Luft umher, um den Teufel von den Gefallenen und deren Heimwesen abzuhalten und die Lente zur Rache anfzufordern. Es dauerte lange Zeit bis man auf diese Weise dem Andenken der Gefallenen Genüge geleistet zu haben meinte, auch wurde das Lager abgebrochen, um einige tausend Schritte näher dem Flusse wieder aufgeschlageu zu werden. Wir wurden gleichfalls aufgefordert mitzuziehen, da man uns allein den Angriffen der Basen zu sehr ausgesetzt fürchtete, trotzdem blieben wir aber an der alten Stelle, besserten die Seribah aus und setzten uns für etwaige Fälle in Vertheidigungsstand. Da tönten einst plötzlich (des Nachts) die weithin hörbaren