Volltext Seite (XML)
583 haben jedoch selbst hier da» Recht der Oberaufsicht und Einsprache. Zn Dörfern und kleinen Städten ist die Mitwirkung dieser Beamten besonders verderblich; sie dringen aus die Beobachtung gewisser Formen und stecken ihre Nase so lies in die innere Verwaltung der Schulen, daß diese an vielen Orten eingegangen sind. Wo die Bevölkerung für zwei Schulhäuser nicht bedeutend genug ist, da werden Katholiken und ^Protestanten zusammen unterrichtet, und die Letzteren müssen, bevor sie ihren Unterricht empfangen, katholische Gebete hersagen und vor Heiligen bilder» niederknicen. An vielen Orlcii Hal der Bischof von Aix sie so gar gezwungen, die Messe und Vesper zu besuchen, bin solches Ver- sahren hat nun die Folge, daß protestantische Acltern ihre Kinder zu Hause behalten, und daß sie solchergestalt ganz ohne Unterweisung bleiben. Die balvinistische Kirche in Frankreich besitzt nur »92 Primair- und 78 Sonntags-Schulen; wie viele der Lutherischen Kirche angchöreu, wissen wir nicht; so viel ist aber ausgemacht, daß die Mehrzahl der protestantischen Kinder ihren Unterricht von katholischen Lehrern empfängt. Kommen wir nun zu den religiösen Gesellschaften, die in den letz ten Jahren in Frankreich sich gebildet haben. Die älteste derselben ist die protestantische Bibel-Gesellschaft in Paris. Sie wurde 1818 ge gründet und Hal seitdem 7»,151 Bibeln nebst 91,228 Neuen Testamen ten in Umlauf gebracht. Diese Gesellschaft verdankt eigentlich der Bri tischen Haupt-Bibel-Gesellschaft ihr Dasehn. Einige Jahre hindurch war sie die einzige Sociriät dieser Art in Frankreich, und man würde auch keiner anderen bedurft haben, hätte sie ihren Zwecken ganz ent sprochen. Aber sie ließ sich zu früh in eine Art Vergleich mit den Katholiken ein, »wem sie die apokrvphischeu Bücher des A. T. mit den echten Bücher» zusammen publizirte. Dies verursachte ei» Schisma unter den Mitglieder» und schwächte die Wirkungen der Gesellschaft. Bor zwei Zähren trat eine neue, die „Französische und ausländische Bibel - Gesellschaft", in'S Dasev», welche sich's zur Pflicht machte, die Heilige Schrift mit Ausschluß der Apokryphe» berauszugebe» und ihrem Streben einen weiteren Wirkungskreis zu verschaffen. Aus ihrem zwei ten Berichte ergicbt sich, daß sie im vergangenen Zahre 1527 Bibeln lind 5138 Neue Testamente vertbeilt hat. Das Gerücht sagt, daß die Direktoren der von der Negierung gestifteten Normal-Schulen schon ost um Bibeln und Neue Testamente für ihre katholischen Zöglinge sich beworben haben. Auch ist, wie man sagt, das leitende EomiG der Ge sellschaft zu dem Beschlusse gekommen, daß hinsübro jeder Pastor jedem junge» Paare, das sich traue» läßt, ein Exemplar der Heiligen Schrift am Altäre überreichen soll. Die zuerst erwähnte Bibel-Gesellschaft Hal 45l Filial-Vereine, die über das ganze Land zerstreut sind. Die religiöse Traktaten:Gesellschaft ist ein anderer Verein, der den niederen Klassen iu Frankreich sehr viel Gutes erwiesen bat. Sie ist seit 12 Zähren gestiftet, und die Summe der seitdem verlheilten Traktate beläuft sich schon auf »,417,895. Zm Jahre 1828 hatte diese Gesell schaft 59 Depots; j-tzt ist die Zahl derselben noch viel bedeutender. Wir habe» bis jetzt der protestantischen Dissenters oder der nicht vom Staate salaiirtcn Kirche Frankreichs noch keine Erwähnung ge- than. Da diese Kirche noch ganz neu ist, so eristirt keine Angabe über die Zahi ihrer Bekenner. Die Ursache, welche viele Pastoren in Liese Kommune treibt, haben wir schon berührt. Wir glauben jedoch, daß Biele schon darum bcitretcn, weil diese Kirche ihren Bemühungen sehr weiten Spielraum gicbt. Zn einem Lande, wie Frankreich, wo die große Mehrheit der Bewohner das Evangelium nicht kennt, ist ein solches heimatliches MissionS-Etablissement sehr an seiner Stelle. Pre diger, die das Ministerium nach bestimmten Orlen sendet, wo sie für immer bleiben, können auch nur in ihrem respektive,i Sprengel predigen nnd bekehren; aber ein nicht salarirtcr Prediger kann sich niederlassen, wo er eine Eongregation findet. Ans dieser höchst wichtigen Sekte ist nun die „Evangelische Gesellschaft" entsprungen, die erst seit zwei Jahren besteht. Sic versendet Missionaire, die den bescheidenen Titel EolportcurS führen, in verschiedene Distrikte, wo sie Bibeln, Neue Testamente und Traktate absetzen, auch, wenn der Fond der Gesellschaft eS erlaubt und die Hindernisse nicht unUbersteiglich sind, Kirchen und Pfarreien stiften. Vian spricht von großen Erfolgen nnd behauptet, daß ganze Schaaren Katholiken, vorzüglich auS dem Militairstande, den Ermahnungen der protestantischen Prediger ein aufmerksames Ohr leihen. Aus obigem Berichte könnten unsere Leser vielleicht abnehme», daß eS mit den religiösen G-scllschastcn Frankreichs, im Vergleich mit denen anderer Länder, doch sehr schlecht stände. Wir bitten daber, folgende Punkte zu beherzigen. Erstens sind eS in Frankreich nicht die Vor nehmen und Reichen, welche an der Ausbreitung dcS Evangeliums un ter ihren Mitchristen arbeiten; nur Prediger und ihre Heerde» habcii, durch Englands und Nord-AmerikaS Beispiel angcseucrt, diese Socieiä- ten gestiftet. Eitelkeit und Ostemation tragen zu" ihrem äußerlichen Ge deihen nichts bei: Beisteuern von fünf, zehn, fünfzehn oder zwanzig Franken, durch ein zerstreutes Häuslein armer Männer eingesammelt, bildest die vornehmste HülsSquclle der Vereine. Aus einer dieser Eol- leclionS-Listen sah ich den Namen der Madame Guizot (der Gemahlin des Ministers), die fünf Franken beizestcuert hatte Hundert Franken war die höchste Eonlributton, die ich auf solchen Listen finden konnte. Erwägen wir also, daß die Anstrengungen süc die Sache der Religion größtcnlhcils von armen und unbekannten Leuten auSgehen, so erkennen wir darin einen großen lebendigen Eifer von der reinsten nnd edelsten Ar». Dieser Eifer ist auch offenbar zunehmend; denn zwei der viel versprechendsten Gesellschaften find innerhalb der letzte» beiden Jahre in'« Dasehn getreten. Am erfreulichsten aber ist unS die Thatsache, daß man den Bestre bungen der Protestanten nirgends cnlgcgenwirkt. Die Eifersucht der katholischen Priester scheint wie in Schlaf gelullt; die bestehenden Auto ritäten greisen nur ein, um die Verbreitung der Heiligen Schrift noch mehr zu fördern, nnd ein ganzes Heer von Schriftstellern, die sonst für sehr laue Christen passiren, will die Bibel weit verbreitet wissen. „Eine Bibel für jede Hülle!" ruft Victor Hugo in seinem neuesten Werke, und ein anderer Schriftsteller von derselben Klasse sagt: „Kein Hau« im ganzen Königreich sollte ohne Bibel sevn." Sind wir nun zu san. guinisch, wen» wir der protestantischen Sache in Frankreich großen Er- solg versprechens Während alle Systeme, deren Gegenstand moralische Wahrheiten sind, in jenem Lande unstät bcrumirrcn und gleich aus einander gethürmten Wolken ihre fantastischen Formen jede Sekunde Luder», bleibt der Protestantismus ein fixer Gegenstand, der das Ge- müth befriedigt und der Vernunft sich empfiehlt Er weist dem stre benden Geiste einen Ruhepunkt und zugleich eine Basis für künftige Schöpfungen an; und wie sehr thul Beides den Franzosen Noth! ES bleibt uns noch zu sage», daß die Besoldung der Pastoren an den resormirlcn Kirchen Frankreichs von huudcrlundz'wanzig bis fünfzig Psund (»50—800 Thaler) jährlich variirt. Sie haben außerdem Psarr- güler, mit vier Morgen Landes, und Neben-Accidenticn bei Taufen, Hochzeiten und Beerdigungen. Wir sind bis jctzl noch nicht so glück lich gewesen, einen prolcstanlischcn Pastor aus der Provinz kennen zu lernen; die in Paris verdienen daS größte Lob. Mit Ausnahme eine« oder zweier behaglichen Socinianer, bilden die llcbrigcn ein Häuflein der mustcrhaslesien nnd in ihrem Berufe eifrigste» Mänuer, die uns jemals zu Gesicht gekommen. ES gicbt in Paris fünf prolcstantischc Kirche» oder vielmehr zum Gottesdienst bestimmte Orte. Einige derselben sind weiter nichts als große Säle, in welchen zwei- oder dreimal wöchentlich gepredigt wird. Die Gemeinden bestehe» größlcntbeil« aus arme» Leuten, und schwerlich ist jemals eine feine Dame in solch eine» Kreis getreten, um von Be wunderern lorgncttirt zu werden. Der Pastor bringt ost drei oder vier Nächte der Woche am Krankenbette zu, und die herzliche Eintracht un ter den Gemeinde-Gliedern erinnert an die christliche Vorzeit. Die prolcstanlischcn Sprengel von Paris sind kleine Oase», Stückchen Lan de«, aus welche, wie aus das Fließ Gideon'S, der erquickende Thau vom Himmel fällt, während Alles umber einer dürren, von dem Feuer poli tischer Leidenschaften ausgebrannten Einöde gleicht. Einen großen Antheil an der Förderung echter Frömmigkeit unter den Französischen Protestanten halten ohne Zweifel zwei Männer, die, bei ihren Lebzeiten so gut als unbekannt, selbst »ach ihrem Tode nur in gewissen Zirkeln Berühmtheit erlangten. Diese Männer waren Jo hann Friedrich Oberlin und Fclir Neff. Der mächtige Einfluß, den diese zwei wahrhaft apostolischen Charaktere üblen, kann wohl mit dem eines Wesley und Whitfield verglichen werden; bei den Französische»'') Glaubenshtlden finden wir aber größere Toleranz, wärmeren Sinn für Mcnschcnwobl und weniger Streitsucht, al« bei ihren Britischen Vor gängern. Das Leben dieser beiden neueren Apostel macht Epoche in der NcsormationS-Geschichte Frankreichs. Solche Menschen erlangen eine Unsterblichkeit aus Erden, und zwar gewissermaßen in materiellem Sinne; denn der Geist, welcher sie belebte, geht in andere Körper über und wird durch viele Generationen sorlgcpflanzl. (lllicehcvocnH Lüinhurgft - Aazarino.) Bibliographie. Zlöstecine loyale llceoriczue et zwutujne. — Von Dcvergie. Erster Band. 8 Fr. Nouveau trsit« <!e zstnninaole tln'ooigue ob ziraticzue. — Bo» Soubeiran. Erster Bd. 8 Fr. PraiG sie InxicnIoFie Avnerale. — Von Anglada. 2» Fr. Proft« st« 8teno"oajchie, renstue faoile «u innrer, sie eignes mo- hiles. — Von Picard. Ostindien. Kalender der Hindus. Diejenigen Indischen Kalender, welche in Neddia publizirt werden, stehen seil dem Zeitalter de« Radschab« Krischna Tschender in größerem Auseben, als die aus Valih und anderen Orten. Der diesjährige Ka lender, von dem wir jctzl ausführlicher sprechen wollen, Hal unler de» Auspizien des Herrn der Weil und Herrscher« von Neddia, Eirisch Tschender, welcher kaum noch eine Huse von dcm ausgedehnte» Gcbiele seiner Königlichen Vorfahren besitz,, das Lichl erblickt. Sein Verfasser, Genga Govinda, wohnt in Mcbanad, dem weilberühmtcii Auscnlhallc von Astrologen, die im Entdecken gestohlener Sachen ihre« Gleichen suchen. Der Kalender ist mit schlechter Schwärze und schlechten Typen auf da« schlechteste Papier gedruckt, und die Orthographie so unkorrekt, daß viele Wörter gar nicht zu erkennen sind. Da« Exemplar kostet acht Anna «. Zn einer Art von Einleitung erfahren wir, dap im Laufe de« Jahre« 1242 (der Bengalischen Aera) die Zahl der glücklichen Tage für diese oder jene Verrichtung respektive folgende ist: Zur Feier von Hochzeiten 99 Zur erste» Fütterung der Kinder (mit Reis) . . 25 Fu Tobten-Opfer» 6 Zur Investitur eine« Brabmanen 5 Zur Heimfübrung einer Braut » Zum Dienste der Planeten »» Ium Anfang des Unterricht« . 2 Summa 17» Glückstagc. Der Kalender fängt, wie sich « gebührt, mit der Schöpfung der Welt an. Parveli fragt ibren Gemahl Schiwa, wie die Well enlstanden sev? Er anlworttt ihr, da« Universum lcv durch Gol les Willen zum Dasehn gekommen; doch gebe es vier nnerschaffene '> ES bedarf wohl kaum der Bemerkung, daß Neff und Oberlin Beide Deutsche waren. Am», r Ueberh