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378 man weiter Niemand aus der Straße, als einen Hund, einen Dieb und einen Franzosen. Ja, obgleich sich ein Maler, ein Naturforscher, ein Archäolog und ein Muschellicbhaber an unserem Lord befanden, so halte doch die fürchterliche Hitze ihren Forschergeist so sehr ausgetrock net, daß sie das Ufer wie eine Fcuersäule vermieden. Aber auf dec Rhede, am Bord unserer Korvette, da war cs ganz anders. Kaum waren die frisch gewaschenen Planken des Verdecks von den erwärmen den Sonnenstrahlen abgclrocknet, als sich ein Zelt von grüner Leinwand über das ganze Schiff ausbreitelc, durch welches nur ein abendlicher Schein cinzudringen vermochte. Wir vertauschten also den traurigen Horizont der Wüste mit dem viel kleineren heiteren Horizot der lustig flatternden Zelt-Leinwand, und bald stellte sich auch die Ruhe ein. Der frische und sanfte Nordwind, geschwängert mit den reizbaren Dünste» des Meeres und den lebhaften Gerüchen der Laudgewachse, schlüpfte leise über'« Wasser einher, übersprang die Spitze der Feigenbäume und setzte sich an den leinene» Wänden unseres Zeltes so scst, daß dieses zu schwanken begann. Nun bestieg der Marine-Offizier, jener sorgenlose und sinnliche Weltmann, das Verdeck und überließ sich aus mehrere Stunden einer Ruhe, die nur dem Morgenländer bekannt ist, und die er mit dem unübersetzbaren Ausdrucke „einen Kes machen" belegt. Denn unter dem Worte „Kes" versteht er das dunkle Licht, das durch den Kontrast mit dem blendenden durch die gebrochenen glühenden Sonnenstrahlen draußen dem Ange noch milder erscheint, die frische Kühlung, welche die von der Hitze erweiterten Poren so wohltbuend durchdringt, die besänftigende Unbeweglichkeit, die dem Sinnlichen so sehr zum Instinkte geworden ist, daß jede Bewegung ihm einen Schmerz verursacht, und endlich das unlhätige Leben, versenkt in eine unempfindliche Träumerei, die ihn alles Aeußcre vergessen und nur seine innere Behaglichkeit fühlen läßt. Auch um die Korvette herum war Alles in der tiefsten Ruhe, und das schweigsame Leben machte sich nur durch die schnarchenden Athemzüge der Schlafenden oder durch einige unverständliche Worte der lebhaft Träumenden bemerkbar. Durch die Stückpfortcn nur und durch die Luken der Zeltwand konnte man die auf der Rhede zerstreut liegenden Aegvptischcn Schiffe gewahren, die eben so sanft geschaukelt wurden als das nnsrige, während der gelinde Wind ihre rothcn Flaggen ein wenig bewegte; und wenn ein Schiffchen am Ufer hinglcitete, so geschah dieses mit der größten Leichtigkeit, und von dem frischen Brcitcnwind «»getrieben, durchschnitt cs das Mccr wie ei» Bogel die Luft. Diese düstere TageSstillc wurde nur bisweilen von den hohlen Schlagen des hölzernen Hammers unterbrochen, die aus dem Innern des Hafens beim Kalfatern der Fregatte» herüber tonten. Bo» Zeit zu Zeit, wenn ter Wind die ciiqe Linie der vor uns stalio- nirlen Türkischen Flotte ei» wenig lückenhaft machte, konnte man auch einen Winkel der glühenden und leblosen weißen Stadl wahrnchmcn, die uns, trotz unserer luftigen Wohnung, daran erinnerte, daß wir in Aegypten sehen. Alle Tage dieser Jahreszeit waren einander gleich; diesclbc Sonne, dieselbe Hitze, derselbe Mecreshauch, dieselbe Ruhe am Bord und dieselbe Beschwerde am Lande. Am 2. Juli, als die Sonnr am Horizont sich neigte und ihre Strahlen mchr von der Seite cindrangc», »ahm man eben das nun nutzlose Zelt hinweg; und dieser Augenblick erweckte das schlafende Leben wieder. Die transparenten leinenen Mauer», welche die freie Aussicht hemmte», wäre» gewichen, und das Verdeck unseres Schiffes war nicht mehr ein Kiosk zur Ruhe, sonder» ei» Observatorium, aus welchem wir neugierig die Veränderungen untersuchten, die sich aus der Rhede zugelragen haben mochten; Veränderungen, die nur dem geübten Auge des Seemannes bemerkbar sev» können, und die dann als Bordneuigkcilcn zur Unter haltung dienen. Der Brcitcnwind halte sich nach Wcstc» gewendet, der Sonne folgend, die uns gegenüber niedersank. Hier schwamm der Horizont in einem Lichtglauzc, daß wir ihn nicht aiiblickcn konnten, und die von dem Meere gleichsam durchschmtlcnen Sonnenstrahlen breiteten einen purpurnen Vorhang vor uns aus, dcn kein Auge zu durchdringe» vermochte. So wie aber die Sonne mehr sank, verminderte sich auch die Dichtheit dieses Vorhanges, wir konnten unseren Blick darauf rich te» und seine Durchsichtigkeit untersuchen. Lange hatten wir unsere Augen vergebens angestrengt, doch heute sollte unsere Erwartung nicht getäuscht werde». Wir entdeckten hinter diesem Vorhänge einen undurch- fichligen Körper in undeutlicher Gestalt; er vcrgrößcrtesich von Minute zu Minute, und »och andere dunkle Punkte nahmen an seiner Seite Platz. Sie kamen vorwärts, überschritten das feurige Tafelluch und enthüllten immer deutlicher ihre Umrisse, welche nun immer Heller, so wie ihre Massen immer dunkler wurden; ja, die optischen Phänomene näher ten sich uns so schnell, daß sie auf dem Wasser zu fliegen schienen. Als endlich die Sonne hinter ihnen war und sie uns als eingcrahmte Schattenrisse darstellte, da wurde es unS leicht, ihre Formen und ihre Anzahl zu erkennen. Es waren drcinndzwamig Fahrzeuge, unter welchen sich eins sowohl durch seine Höhe als durch sein Segelwcrk vor allen ander» auSzeichnelc. „Es ist ei»e Fra»zöstsche Flotte!" rief einer un serer Leute in seiner Begeisterung aus. Es that unfcrem Hcrzcn so wohl, in brr Entfernung von 600 Mellen eine Flotte au- der Hcimalh zu erblicke», die uns Kunde von dcn Unsrigen bringcn kann, daß wir fast alle den Ruf wiederholten: Eine Franzöfiscke Flotte! Ei» augenblickliches Nachdenken reichte zwar hin, diese in uns aufgelebtc Hoffnung wieder zu lödtc»; doch selbst dann noch, als wir sie schon ganz aufgegeben hatten, fesselte die Neugier, verbunden mit der dem Sccmanne so eigenthümlichcn Wachsamkeit, unsere Blicke auf das sich mit vollem Winde uns nähernde Geschwader; die Fernrohre wurden fämmtlich »ach diesem Punkje gerichtet und »die Wahrnehnumge» laut niitzetheilt, allein unsere Muthmoßungen durchkreuzten sich. Indessen blieben die Aegyptischcn, Seeleute nicht so lange in Un gewißheit wie wir. Drei Korvetten und zwei Kutter, welche außerhalb des Hafens kreuzten, gaben durch ein allgemeines Kanoncnfcuer bald Kunde von der Entdeckung, welche sie in dem glänzenden Wirrwarre des Ostens gemacht halten. In demselben Augenblicke wurden die Sig ¬ nale aus der ganzen Türkischen Flotte wiederholt, die verschiedene» Flaggen flogen schnell hinaus, und an die Stelle der bis jetzt auf der ganzen Rhede vorherrschend gewesenen liefen Ruhe trat plötzlich die kräftigste Thätigkeit. Denn die Flotte, welche mit vollem Winde auf Alexandrien lossteucrte, war eine Griechische Flotte. Jetzt konnte man schon deutlicher sehen, daß das Geschwader aus cincr Fregatte erste» Ranges und drei Kriegs-Korvetten bestand, an welche sich noch neunzehn elende Nußschalen ähnliche Schiffchen angcschloffc» hatten, die gar nicht geeignet schienen, die Forts von Alexandrien mit Gefahr zu bedrohen; als sie aber näher gekommen waren find man an d:r schwefelgelben Farbe ihrer Segel merkte, daß diese Nußschalen nichts anderes als Brander waren, da wurde der Schreck der Aegyptier allge mein, denn sie fürchteten sich vor Feinden dieser Art, vor denen sie sich nicht zu schützen verstanden, wie vor der Hölle der Ungläubigen. Es war zugleich entschieden, daß die große Fregatte die „Hellas", das schönste Schiff, welches jemals die See durchschnitten Halle, und der Anführer dieser Expedition kein Anderer als Lord Cochrane sch, dessen Ruhm in fast fabelhaftem Ansehen bei dem Pascha stand. Ich glaube ganz gcwiß, daß Mehmed Ali die mährchcnhaslcn Er zählungen kanulr, dec man in allen Ländern von gewissen Zaubcrschiffen verbreitet, welche nie erobert werden können, indem sie, wenn sich der Gegner schon freut, sie unter seinen Kanonen zu haben, bald unter dem Wasser und bald in der Luft verschwinden; und däß er diese Eigenschaft den Schiffen des Lord Cochrane brizulcgen geneigt war. Denn als wir hier ans Griechenland ankamcn, wo wir diesen Wcltbürgcr.Admiral ge sehen hatten, als cr in die Dienste der Hellenen trat, da verstummte fier Pascha plötzlich mit seinen neugierigen Fragen nach Neuigkeiten, die er gewöhnlich den Ankommenden vorzulegen pflegte, nachdem der Kommandant der „Bictoriensc" zufällig den Namen Cochrane ausgesprochen Halle. Dieser Name schien einen gewaltigen Schrecken in ihm erregt zu haben, und er stand wie versteinert, als cr hörte, baß dieser Admiral aus seiner ihm selbst gehörenden Gocletle, die „Urania", den Archipel durchschiffe; ja, die hohe Meinung, die der Pascha berritS von dem Helden halte, erreichte den höchsten Punkt, als unser Kommandant aus Scherz noch Allerlei von den wunderbaren Fahrten dieser Eocletic hinzusctzic.. . „Wie aber", fragte der Dollmctschcr des Pascha im Namen seines Herrn, „wie aber, wenn Seine Hoheit vier Korvetten gegen die Goclrlle auS- schicktcn, nm sic zu nehme»?" „Bier Korvetten!" erwicderte der Kom mandant/ mit einem zweifelhaften Achselzucken. Da entbrannten dir Augen des Pascha, und ein sarkastisches Lächeln, unter welchem cr ge wöhnlich seine innere Wuth zu verstecken sucht, wurde sichtbar.... „Aber wie", fuhr dec Dollmehcher fort, „wenn man die ganze Floitr ausrückcn ließe?" „O dann", sprach der Kommandant, „wird man sie wohl nehme» könne»." Die Griechen waren zu dieser Zeit die einzigen bekannten Feinde des Mehmed Ali, welcher durch dcn Ruhm, den cr sich im Kampfe gegen sic erwarb, das Vorspiel größerer Eroberungen gab, über die cr schon in scincm Innern brütete. Lord Cochrane war der einzige unter dcn Gricchcn, dcn cr noch nicht auf die Probe gestellt Halle; "weshalb cr auch seinen Ruhm, von welchem so mancher Europäische Mund un- mäßig übcrfloß, als gränzcnlos und wohlverdient betrachtete. Die Arg list der Französischen Marine-Offiziere hatte diese Hobe Meinung noch um vieles gesteigert, und man kann daher leicht erachten, welche Em pfindungen die Nachricht in ihm hervorbrmgcn mußte, daß sich dieser Hochberühmte Hcxcnmcister Cochrane jetzt nähere, und nur noch wenige Meilen von Alexandrien cntscrnt scy. Indessen waren während seiner Abwesenheit schon alle Vorkehrun gen getroffen, um den ctwanigcn Angriff Cochrane s zurücktreibcn zw können. Und der Chef des Gencralstabcs, Osman Bcp, welcher dicsw Anstalten betrieb, cntwickcltc dabei eine bewundernswürdige seltene Kraft,a so daß bald der Kampfbcfchl am Bord aller Acgvpiischen Schiffe crthcilt und Alles dazu in Stand gesetzt war- Die Rhede bedeckte sich schnell mit Schaluppen, von denen einige dazu bestimmt waren, Soldaten aus die zugänglichen Punkte zu lränsporlircn; eine weit größere Anzahl aber mußten bei dcn Fregattcii anlcgen, aus deren Inner» ma» eine» Strom von Mciischc» sich schnell in die Schaluppen stürzen sah, die als dann mit flüchtigen Ruderern versehen und mit allen Kricgsbcdürfnisscu be laden, absticßc», die Rhede rasch durchflogen, und an den Klippe» der kleine» Einfahrt Posto faßten. Alle diese Vorkehrungen waren noch vor Nacht beendigt, und ich muß gestehen, sie wurden mit vieler Ge schicklichkeit, Ordnung und Pünktlichkeit ausgcsührt. Bloß ein einziges Individuum fehlte auf seinem Posten, und das war der Kommandant dcS Forts dcr Feigenbäume, dem auch des anderen Tages der Kopf ab geschlagen wurde. Jedoch wurde dieses Fort durch die Fürsorge eines Französischen Wundarztes in des Paschas Diensten, den das Ungefähr gerade hingcführt hatte, hinreichend bewaffn«, und cr hatte sogar die Dreistigkeit, in diesem kritischen Augenblicke das Kommando darin zir übernehmen. (Fortsetzung folgt.) England. Die Schottischen Seen. Es gicbt kein Land, dessen geognostische Beschaffenheit so viel In teresse darbictct, als die vo» Großbritanicn. Im Norden wie im Süden finde» sich Kalklagcr, Schiefcrgeschicbe, Steinkohlen, Eisen- und Blci- Grubcn i» großer Masse vor; "die Zinn - und Kupfcr-Mincn erstrecke» sich nach Sud-Westen; der Norden enthält Kupfer- und Quecksilber- Lager, so wie Glimmer-Felsen, welche Edelsteine cinschlicßen, und über all trifft man Mineralquellen. Doch ungeachtet dcr seltsamen Rauhheit dcs Bodens sind die Sce» nicht sehr zahlreich. I» England sicht ma» deren nur in Cumberland, Lancaster und Westmoreland. Die Jrläii- dischcn Bogs mit ihrem schlammigen Wasser und morastige» Anblick find gar nicht »perth, mit dieser Benennung bezeichnet zu werde»..