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228 Epoche, die die sechzig Bande Voltaire'«, drei bis vitü Theile der En- cyklvpädie und Buffon'« Nalurgeschichle hcrvvrgebracht und Rousseau und Diderol, die beredsam, leidenschaftlich, Philosophisch und revolu- lionnair gewesen, Alles verstanden hat — nur Eine« nicht; man be klage sie, die arme — nur Eines nicht, nämlich ein Journal zu schreiben, I, Janin. Griechenland. Die Kravarioten in Griechenland. Zn einem Französischen Journal befand sich neulich folgende, an und für sich nicht uninteressante, besonders aber auch insofern lehr reiche Mittheilung, als sie ein Beweis ist, wie wenig man die heutigen Bewohner Griechenlands nach Einem Maßstabe messen und dabei gleichsam über Einen Leisten schlagen dürfe. Zn dieser Beziehung hat Fallmerayer mit seiner bekannten Hypothese Recht, als er sie auf die unzähligen Durchzüge und Einwanderungen frrmder Stämme in Grie chenland seil dem vierten Jahrhundert n. Ehr. gründet; aber dir Hy pothese selbst begründet er dadurch nicht, daß nämlich alle Griechische Nationalität in Folge jener Durchzüge und Einwanderungen verwischt worden und untergegangen sey. Die Annahme, daß diesem also seyn könne und fast seyn müsse, liegt freilich nach den bloßen historischen Uebcrliefernngen aus der Vergangenheit sehr nahe; aber gleichwohl schließen diese lleberlicferungcn die Annahme einer Erhaltung der Grie chische» Nationalität in einzelnen Gebirgsstriche» und auf den Inseln Griechenlands kcineswegcs aus, und die Wahrnehmungen der Gegen wart rechtfertigen auch diese Annahme auf mancherlei Weise. Wenn der Beweis, vom Gegentheile her entnommen, für diese Annahme spricht, so redet auch das Folgende diesem Beweise das Wort. „Warum bin ich nun gezwungen, — also lautet diese Mittheilung — neben edleren Charakteren unter den Bewohnern des heutigen Grie chenlands auch von den Sitte» der Kravarioten zu reden» und woher soll ich die Farben nehmen, nm ihre Gemeinheit und Feigheit zu ma len» Die Kravarioten, deren Name schon eine Beleidigung ist, wie der der Stinkenden für die nördlichen Kokrer im allen Grie ¬ chenland), denen Jene gefolgt sind, bewohnen dieselben Gegenden, wie die Aetolicr; aber sic unterscheiden sich von diesen auf eine so aus fallende Weise, daß man sic als eine andere Mcnschcnart ansehen könnte. Arm in Folge des Bodens, den sie bewohnen, hätten sie sollen tapfer seon, wie andere Bergbewohner in Griechenland; aber statt dessen werden die Kravarioten von Kindheit an zur Bcllclci erzogen, die für sie eine unerschöpfliche Quelle des Reichlhums ist. Glücklich fühlen sich unter ihnen diejenigen Familien, welche verwachsene und verstümmelte Kinder haben; sie betrachten das als eine Gunst der Borschung, was unter uns den Rettern so vicle Lhränen kostet, die der Himmel in ihren Kindern betrübt. Ein Blinder gilt Jenen als ein Geschenk GotteS; ein Einbändiger, rin Lahmer, ein nnt der Englische» Krank, heil Behafteter wird als ein wahrer Schatz angesehen. Aber da nicht alle Familien solche Vorzüge besitzen, obgleich man bemüht ist, die Kinder zu verstümmel,i oder ihre Glieder zu verrenken, so weiß man sich, in Ermangelung solcher Fehler der Gestalt, andere Ge brechen vorübergehender Art anzucignen. Die Kravarioten verstehen es, sich mit Euphorbium den schwarzen Staar anzudichten; Andere üben sich, um verstümmelt zu scheinen; Alle aber wissen sich mit Wunden nnd Schwielen aller Art zu bedecken, und die Bettelei ist bei ihnen aus den höchsten Grad der Bosheit gestiegen. So verwachsen, entstellt und ekelerregend, verlassen die Kravarioten jedes Jahr in ganzen Haufen ihre Berge und zerstreuen sich dann nach allen Richtungen bin. um die Almosen zu rauben, die das Mitleid nur der wahren Be dürftigkeit spenden soll. Konstantinopel, Rumclicn, dic Inseln des Ar chipels, der Peloponnes und EpiroS sehen diese Banden von lästigen Bettlern eben so regelmäßig kommen, a!s dic Heuschrecke» und andere Jnsektc», welche das Land verwüsten. Bedeckt mit Lumpen, findet mau sie an dcn Thoren großer Städte, an den Häfen und in der Nähe der Karawanscrais. Ich habe sic aus dcn Insel» vo» Korfu nnd Sla. Maura kreische» hören; und man kann nicht zweifeln, daß sie auch »ach Europa selbst sich wagen würden, wen» nicht die SanilälSgesctze sie von diese« zurückwiesen. Unter der Türkische» Herrschaft, welche von Allem Nutzen zu ziehen wußte, waren diese herumziehende» Krava- rioicn manchen Anfechtungen lind Amprüchtn ausgesetzt. Die Türken lauerten ihnen, wenn sic auszogcn oder wenn sie znrückkehrtttt, auf, um aus irgend eine Weise sie zu brandschatzen und um sie offen zu berauben; an Brücke» und an Zöllen mußte» sie eine Art von Durch- u»d Ucbcr- gangSzoll erlegen, und die Primaten vo» Kravari zahlte» dem Pascha von' Janina eine jährliche Abgabe, wofür er, als Oberaufseher der Straßen und Wege, ihre Bettler beschützte. Trotz dieser Abgabe» vo» ihren» schändliche» Erwerbe, ist es doch geschehe», daß die Kravarioten, nnd besonders die Ansührer ihrer Bettlerhaufe», wenn sie nun einige Jahre umbergezvgc» waren, sich so viel erworben nnd erspart halten, daß sie später ei» ruhiges u»d selbst angenehmes Lebe» führe» ko»u- lc»! ES Hal auch nicht an Beispielen gefehlt, daß Einzelne, in Folge der Beerbung ihrer verstorbene» Kameraden, wahrhaft reich geworden waren, so daß man an einzelne» Orlen des Gebietes Kapitalisten vo» fast zweihunderltausend Piaster autraf. Auch sand man in manchen Häuser» jener heraufgekommene» Bettler eine Art von LuruS; andere führten de» Titel Archonten, nachdem sie lange Zeit für Lauge,nchlse und Schurken gegolten hatten, und nahmen einen herrschsüchligen To» gegen die an, welche das Unglück vdcr eigene Verworfenheit zu ihre» Sklaven machte." „Indem ich über die Ursachen der sittlichen Ausartung der Krava ¬ rioten nachbenkt, finde ich besondere GesichtSjüge an ihnen, welche sie von den Attoliern und den Griechen überhaupt unterscheiden. Wäre es nicht möglich, daß mitte» u»ler den Revolutionen, welche diese Ge gend heimgesucht haben, die Eingeborene» des Otta dergestalt durch die selben geschwächt worden, daß sie ihren Urtypus gänzltch verloren, in dem sie sich mit fremden Horden verschmolzen? Wäre es nicht erlaubt, zu glauben, daß dieser Stamm von Bettlern die Nachkommenschaft irgend einer Kolonie von Zigeuner» sey, welche zu einer nicht mehr zu bestimmenden Zeit das Christemhum annahmen? — Die braune Ge sichtsfarbe, ihre groben krausen Haare, ihr magere« Aussehen, die Leb haftigkeit ihrer Augen, ihre natürliche Neigung zu cincm wandernden Leben, die Gleichgültigkeit gegen Verachtung, die sie triff», ihre gemei nen Neigungen, ihre Liebe zum Luxus, wenn sie reich geworden sind, — diese charakteristischen Eigenheiten der Kravarioten lassen mich jene Vermlithuiig aussprcchen. Wie unter den Zigeunern findet man auch bei ihnen manche schöne Frau und eine Putzsucht unter dem weibli- lichen Geschlechte der Kravarioten im Allgemeinen. Jndcß muß zu Gunsten dieser bemerkt werden, daß sie nicht den schändlichen Aberglau ben der Zigeuner theileii; ihre Gebräuche sind christlicher Art, uiid nie mals hat man sie ihren Hunger mit den Resten krankgewcsener und gefallener Thiere sättigen sehen. Wenn dcn Kravarioten von ihren Nachbar» Gemeinheit und Feigheit vorgeworfen wird, so ist diescS nur zu wahr, und ich muß gestehen, daß in dieser Hinsicht und in Betreff ihrer unedle» Sille» dic Kravariolen eine ganz un griechische Völker schaft bilde»." Mannigfaltiges. — Gregor XVI. Bei großen Festlichkeiten zeigt sich der Papst ans einem von zwölf Männern gehaltenen Thron; über seinem Haupte wird ein Himmelsdach getragen, uni ihn herum reiben sich die Kardinälc und die vornehmsten Civil- und Militair-Beamtcn, und da« Ganze ist vo» einer überaus imposante» Wirkung. Im klebrige» zeigt sich der Papst i» der größten Einfachheit; Gregor XV!., der jetzt regiert, Hal noch ganz dic'einfache», ja strengen Gewohnbcitcn bcibehaltc», die er im Orden der Camaldulcnser, dem er angehörl, angenommen hatte. Stine Höflichkeit ist eben so groß wie seine Güte und Gerechtigkeit; nie schlägt er eine Ltudienz, um die ein Frcnidcr bittet, ab; oft empfangt er stehend und weiß sehr gut dic ihm Vorgestelttcn in cine behagliche Stimmung zu versetzen. (Ilaussur, Vnvazo ü'un Lxilö) — San Marino. Dic unbemerkteste und doch dauerndste aller Republiken, San Marino, zeigt noch ganz dieselbe Bauart, die ein Maurer im vierten Jahrhundert ihr gab. Von Ausständen, Verbannun gen, Anleihen, ist in dieser Republik iiicmals dic Rcdc; ihre Armec ist eine Nationalgarde, ihre Hauptstadt liegt auf einen, hohen und spitze» Felsen; zwei oder drei Dörfer, welche denselben umgeben, bilde» de» ganze» Umfang ihres Bezirkes. Ma» streitet sich in Sa» Blarino, aber man verbannt sich nicht; ein Jeder glaubt hier zu herrschen, ob gleich auch hier, wie überall, einige geschicktere und stärkere Personen zuweilen die Macht an sich reißen. Die Leute müssen dort übrigen« eben so viel Steuern bezahlen, wie in andere» Staate», und die Lage der Einzelnen ist von der in anderen Ländern nicht verschieden. (Ilaukscr, k ci'un b!xilö.) — Kenn, Bischof von Bath. Als Karl II. und sein Hof nach Winchester zogen, bezeichnete man das. Haus de« Doktgrs Kenn als einen passenden AufenthaltSorl für die Mistreß Nell Gwynne, dic Geliebte des König«; alle!» der Doktor Kenn erklärte sogleich, daß er für die Maitresse keine Wohnung habe. Als man dem Könige die ab schlägige Antwort des Doktors der Theologie überbrachte, sagte er: „Je nun! so mag sich die Nell anderswo in der Stadl nach einer Woh nung umsehcn." Aber die Hos-Geistliche» wäre» über da« seltsame Be»chmc» des Doktor« Kenn sehr entrüstet, und sic beschlossen, densel ben nie zu einem Bischoss-Sitze gelangen zu lassen. Als nun einige Monate darauf das Bisthum Bath neu zu besetze» war, schlug der Minister einige von den srommcn Geistlichen vor, die jüngst ihren Un willen gegen den unhöflichen geistlichen Bruder laut zu erkennen gege ben. Ader der König crtundigte sich nach dem Namen des kleine» Doktors von Winchester, welcher der Nell Gwynne sein Hau« zu öffnm verweigert, und als man ihm den Doktor Kenn nannte, sagte er: „Gut, diese» ernenne ich hiermit zum Bischof von Bald; ich hätte mir gleich vorgenommc», ihm den ersten vakanten Bischofs-Stubl cinzuräumen, und wäre es auch der von Sanlerburv gewesen." Derselbe Bilchvf Kenn that jeden Morgen da« Gelübde, sich an dem heutige» Lage nicht zu verbeiratben. Sein Freund Lhcvry, der ibn immer de« Morgens zur Frühstückszcil zu besuchen pflegte, fragte ihn oft danach, ob er diese» Morgen schon sei» Gelübde auSgespröchen; darauf erwicdcrle Jener immer: „Mein Freund, Du fragst-nach etwas, wa« schon längst ge schehen!" (Oninisim') — Volksbildung aus dcn Azoren. Eapitain Boid erzählt, ei» richterlicher Beamter habe e« »ach seiner Anknnst auf dcn Azorische» Insel» für nötbig erachtet, so zeitig als möglich mit den, Werk der Reform u»d Verbesserung daselbst zu beginnen; er habe daher eine Ver ordnung zu diesem Zwecke erlassen und dieselbe in verschiedenen Lhcilc» der Hauptstadt anschlagen lasse»; einer seiner Kollege» aber, der besser mit dem Charakter sciücr Landslcittr bekannt gewesen, habe, als er die« gesehen, zu ihm gesagt: „Mit dieser Art der Mittheilung werden Sie wenig ausrichten; Sie hätten dic Proklamation cbcii so gut Hebräisch oder Arabisch absaffe» können, denn wir haben nur zwei Frauen und eine» Mann aus der Insel, die lcscii können." Herausgrgebtn von der Redaktion der Allg. Preuß. Staals-Zeitung. Gedruckt bei A. M. Hayn.