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156 Valier de Fonvielle, von Scribe und Alerander Dumas bis zu Viennet; man könnte eher die «lerne der Milchstraße zu zählen un ternehmen, als diese Reihe von Schriftstellern. Alles Hal es auf die Literalur abgesehen; Jedermann will Lileral werden. So muß denn auch cingcftandcn werden, daß man seit zehn Jahren so viel erbärmli ches und lächerliches Zeug im Druck hat erscheinen sehen, so viel lang weilige Bucher hat lesen, so viel monotones Einerlei hat vernehmen muffen, daß man allerdings mehr als bescheiden sehn muß, wenn man nicht glauben sollte, man tonne das allenfalls auch; die Literatur ist zu einer Bank geworden, zu einem nothweuoigen EMcnzmiilcl, um nicht entweder seinen Freunden zur Last zu fallen, oder seine Gläubiger zu betrügen. Auch ist eine vollständige Revolution in den wesentlichen Eigenschaften, die den Schriftsteller machen, vorgegangen. Ehemals ge- börlcn zu einem Schriftsteller lange und umfassende Studien, mannig fache, ausgebreilcte, tiefe Kenntnisse, Bildung im strengsten Sinne des Wortes, ein Talent, welches Erfahrung und Wiffcnfchast gereist — heutzutage reicht eine gehörige Portion Eigenliebe dazu hin, und daß man eben die Feder in die Hand nimmt, und in's Gelag hinein drauf los schreibt. Wenn mau orthographisch schreiben konnte, wozu wären die Wörterbücher? wenn mau selber schon Bildung hätte, wozu die Bücher der Ander»? Um Schriftsteller zu werden, mußte man uner hörte Schwierigkeiten überwinden; viel einfacher, alle diese Hindernisse links liegen zu lassen. Wenn Voltaire noch lebte, so würde er zu sei nem Friseur, wenn dieser ihn nicht ordentlich bediente, sagen: „Nimm lieber die Feder in die Hand und schreib!" Auch ist es gar nicht zu verwundern, daß die Zahl der Schrift steller in so ungeheurem Maaße gewachsen ist; was ist angenehmer, als ein Stand, der gar keinen Fond erfordert, nicht einmal von Geist. Wie prächtig duckt sich's da unter! Es erinnert uns dies an die kost bare Antwort, die die Karotte «lez Prihunaux unlängst mittheilte von Einem, der als Bagabond arretirt war und im Verhör auf die Fragen, was sein Handwerk wäre und wovon er lebe, erwiederle: Ich habe die Absicht, Vaudevilles zu schreiben. Andererseits ist dieser ErwerbSzweig, der mit so leichter Mühe ans- znbeuten ist, zu gleicher Zeit so verführerisch, so anlockend, daß man leicht begreift, wie die Sucht und die Wuth, sich desselben zu bemäch tigen, so rasch und weit um sich gegriffen hat. Es thut so wohl, sich zum Gegenstand des allgemeinen Gesprächs zu machen, sich als einen Mann von Talent zu erweisen, sich einen Namen zu machen. Auch ist kein ungeschickter Ladendiener zu finden, der nicht sein Drittel oder Viertel zu einem noch nicht ausgesübrten Vaudeville geschrieben; kein unfähiger Depntirter, der nicht seine Jntrigue ersonnen, kein alter nn- bauchbärcr Pair von Frankreich, der nicht ebenfalls auch seine Brochüre hätte schreiben wollen. Man muß sich hinter den Eoulissen unserer Bühnen umgesehen und in den DirectivnS-Büchern geblättert haben, um die Anzahl von Werken für glaublich zu hallen, die diese allgemeine literarische Wuth in die Welt gesetzt hat. ES ist ein Schwindel, der eine Menge von Geistern, die für ein anderes Geschäft mit den glücklichsten Anlagen auSgestattct waren, ergriffen, ihnen den stopf verdreht, sie in eine Bahn geworfen, für die sie nicht geschaffen waren, und ihnen so völlig ihre Inkunfl und ihr LebcnSglück vernichtet hat. Ich habe einen dieser unglücklichen jungen Leute, die die Schrift stellerei ins Verderben gestürzt hat, gekannt: man höre seine Geschichte; ste kann wenigstens zum warnende» Beispiele dienen. — Sein Later, ein achtbarer Man», Notar auf dem Lande, in einen, kleine» Wirkungskreise, unbekannt aber glücklich, batte nur dieses einzige Kind; alle seine Träume von Glück, alle seine ehrgeizigen Ideen von einer stolzeren Zukunft concentrirten sich auf seine» theuren Alphonse; sein einziger Wunsch, sein einziges Verlangen war, seinen geliebten Sohn das fünfundzwan- zigstc Zahl erreichen zu sehen, um ihm dann seine Praxis abzutrctcn — der gute Vater: er suchte ihm eine junge reiche Frau aus, die Tochter des Herrn Maire, warum nicht? Alphonse versprach, ein hüb scher geschcidter Bursch zu werden, er mußte Königlicher Notar werden, cs ging gar nicht anders; Mademoiselle Valentine war eine Partie von 25,000 Frauken; nirgends eine Hemmung für den jungen Beamten, die schönste Carrnrc stand ihm offen; auf den, Fleck würde er zum Mitglied des Municipal-RatheS eruaimt worden sehn... ja, vielleicht einmal zum Maire — einfach und naiv, wie er war, stand der gute Notar selber erschreckt vor den Plänen seines Ehrgeizes still, hegte und pflegte indessen nichS desto weniger tagtäglich seinen Traum, und malte stch fein Luftschlößchen immer behaglicher und freundlicher aus. Der kleine Alphonse entsprach den Wünschen seines Vaters vollkommen, machte gute Fortschritte in seiner Pension, halte seinen zweiten Preis im Griechisch-Uebersetzen errungen — man denke stch die Freude des Alten! Ein Notar, der Griechisch Erstand, was sollte de», wohl noch in den Weg gelegt werden? . . Bald war die Schulzeit AlphonsenS um, und er wurde bestimmt, auf ein Zahl nach Paris zu gehe», um die Rechte zu studiren; zu einer sorgfältigen Erziehung gehörte »och dies Letzte. So langte er den» j„ Paris gegen Ende des Jahres 1827 an. Da die Studien doch nicht seine ganze Zeit in Anspruch nehmen konn ten, so gab mau ihn zu einem Sachwalter hi», mit dem der wackere Notar ehemals in Verbindung gestanden. Die Aufführung des jungen Juristen war zwei Monate lang musterhaft; bald aber gericlh er in ei» näheres Verhältnis; zu einem Mitschüler, der wiederum mit einem Novellenschreiber, Follets, unsterbliche» Angedenkens lütt war. Der LiteratuS gab ihnen anfangs Theater-Billets, sprach ihnen dann bei einem Diner von einem Vaudeville, in dem er einige Couplets gemacht habe und das so eben von Madame Saqui angenommen wor den sey, und durch dergleichen fing nach und nach die Phantasie des armen Alphonse Feuer; auch er halte ein Paar Liedchen gemacht, ein Paar CouplelS gekeilt«^ Stich er fühlte die Kraft in stch, das Sechstel eines Vaudevilles zu sabriziren; überdies war eS so angenehm, sein freies Entrüe bei Madame Saqui zu haben, hinter die Couliffen zu treten, mit den Schauspielern umzugehen, mit den Actriccn zu schwatzen, die ihm bisher wie Gottheiten erschienen waren, denen er sich niemals nähern zu dürft,, geglaubt halte — und dann gedachte er weiter und weiter, fühlte Talent genug in sich, stch bis zum Bobino und den Ge brüdern Sevestre aufzuschwingen. Was soll ich mehr sagen? Die Akten wurden ihm so trocken, er kriegte vor dem jn8 einen solchen Ekel, das Leben iu der Provinz war so monoton und so glücklich, und das Drama erschien ihm als die einzige Sphäre, in der er leben und weben müsse. Bald warf er seine Studien bei Seite, und kümmerte sich um seine Professoren und ihre trockenen Unterrichtsstunden in, genialischen Ucber- muth nicht weiter. Sein trostloser Vater kam an, aber es war zu spät; der allge meine Taumel halte den armen Alphonse durch und durch ergriffen; er wollte durchaus ein Schriftsteller seyn, und es sollte nun einmal auf seiner Karle: Iininme ületlres stehe». Zu seinem Unglück wurde er sehr schnell gcdruckl; ein Räthsel, das er verfaß!, erschien im k»r- sairo; sein Ehrgeiz kann« nun keine Gränzen mehr, alle ReltungS- mittel waren vergebens. Umsonst griff sein armer Vater, nachdem er die eindringlichste» Bitten und Ermahnungen an ibn verschwendet, zu einem Mittel, welches er gleich anfangs hätte ergreifen sollen, und ent zog dem Sohn die mäßige Unterstützung, die er »ach Kräften seines kleinen Vermöge»« ihm bisher zufließen lassen.... Was half es? Sogleich hielt sich Alphonse für einen Gilbert oder Chatterton. Die Krankheit war in ihrem letzten Stadium; sie war chronisch und un heilbar geworden. Der arme Vater starb aus Kummer darüber; die paar tausend Francs, die er seinem Sohn hinterließ, wurden in einige» Monaten verzehrt. Gegenwärtig, um das Letzte zu sagen, ist der Unglückliche, der ein vollkommener Notar hätte seyn können, ein Schriftsteller, der keinen Sou in der Tasche hat; aber er hält sich für glücklich; lassen wir ihn in sei»em Wahn. (fta ffustioo.) Bibliographie. Vos Kause» stu fflalsise «zui 8« sait sontir ckans la 8ociötö, an (franco, «los aritationz <zni la trouhlent, ct cko8 mögens cl'/ remöckier. -- Vom Baron Bouvier du Molard. 8 Fr. ?rinciz>L8 ä'öcanonüs politi^ue et üe linanee ete. — Von Ganilh. keobereüea lüatvrüzuea sur la b'aculte ste mSstecine ste ?ar«8, stezmi8 ann »rizine juaizn'ü nos jour«. — Von I. C. Saba tier. 5 Fr. ^l-rege ste stark velerinaire. — Nach dem Englischen des White, mit Anmerkungen von Dclagucttc. Ust Fr. Oaura comzüct et aimziliüe ü'aArieuÜure et st'econoinie rurale et <la,ne8tüzue. — Von Lollis Dubois. 18 Fr. IllanNel stu coutelier. — Von H. Landrin. Fr. Vratl,zne aimzstiliee stu jarstinaAe. — Von L. DuboiS. 3x Fr. 8ecrets ste la cüasso aux uiseaux. — Zx Fr. Mannigfaltiges. — Das Russische encvklopädische Wörterbuch. Dieses Werk zählt in diesem Augenblick 6335 Unterzeichner, «Heils in Peters burg, «Heils außerhalb. Die zum Buchstaben A gehörigen Gegenstände (wenigstens 2500 Artikel) liegen fertig auSgearbcitet, und sechs Boge» find bereits gedruckt. Die zu de» drei folgenden Buchstaben gehörigen Wörter sind geordnet. Die Zusammensetzung und Ausarbeitung der Ar tikel geht sehr rasch vor sich, ungeachtet mancher unvorhergesehenen Hindernisse, die bei solchen Unterliebmungen, namentlich in« Anfänge, schwer zu vermeiden sind. Das von der Redaktion gegebene Verspre che», daß dieses Wörterbuch keine Ueberfttzung auswärtiger Wörterbücher dieser Art, sondern ein Russisches Originalwcrk sey» soll, erfüllt stch im ganzen Sinne des Worts, und in einem größeren Umfange, als es anfangs beabsichtigt war. Die Redaktion benutzte alle hierher gehörigen auswärtigen Hüfsmittel, traf aber eine strenge Auswahl, und" sah sich gcnöthigl,.eine» großen Theil derselben umzuarbeitcn, nm sie den Be griffe» und Bedürfnissen des Russische» Publikums zugängig zu machen. Zahlreiche neue Artikel gehören der Geschichte, Geographie, Statistik, RechtSvcrsassnng und Literatur Rußlands an. — Amerikanische Anekdoten. Bekanntlich ist ein Haupt- Bestreben der gesellschaftlichen Vereine in den Vereinigten Staaten die Beförderung der Nüchternheit; man wende« daher unter Anderem, wie die Times berichtet, auch folgendes Gegenmittel gegen die Trun kenheit an: „Man betrachtet die Sucht, sich zu betrinken, als eine Art von Wahnsinn, und wenn man einen Trunkenbold in seinem Pa- ropSmuS antrifft, bringt man ihn ins Spital, legt ihm Blascn- pflaster auf, scheert ihin den Kopf kahl, und feuert eine ganze Salve Medizin auf ihn ab; diese Kur" thut gewöhnlich die besten Dienste und macht eine Wiederholung niniöthig." — Das erwähnte Blatt erzählt auch folgende Anekdote: „Zwei junge Amerikaner aus angesehenen Familien besuchten kürzlich Brighion. Ein Herr, an den sic Empfehlungsschreiben hatten, nahm sie mit in die Königlichen Mar- ställe, und zeigte ihnen dort unter andern ein kleines nettes Pferd, mit der Bemerkung, daß es dem Herrn Hudson gehöre, der die schnelle Reise nach Rom gemacht, uni Sir Robert Peel aufzusuchen. „Ritt er da auf diesem Pferdchen?" fragten die beiden Amerikaner." Herausgezeben von der Redaction der Allg. Preuß. Staats-Zeitung. Gedruckt bei A. W. Hayn.