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118 auf; aber seine mächtige Hand zog die Furche so lief, daß die Anhän ger der harmonischen Schule des litten Jahrhunderts bald über die Vollendung des Werkes staunten. Ec forschte in der Poesie des I8ten und selbst in der des läten Jahrhunderts nach Wörtern, mit denen ec die Muttersprache wieder bereichern wollte, und diese Wörter kamen seiner reichen Natur so gut zu statten, daß er der erste Portugiesische Dichter seiner Zeit wurde. Manoel hatte sich eine neue Sprache ge schaffen, und die übrigen Neuerer sahen jetzt erst ein, daß sie nur glücklich kopiren konnten. Wir finden Manoells Originalität sogar in seinen Uebersetzungen wieder. Wenn er den Portugiesen von La Fontaine's Annnuh und naiver Frische, von Cbatcaubriand's Gluth und süßer Schwärmerei einen Begriff geben will, so schafft er die Werke dieser Schriftsteller von Neuem. Die bewundernswürdigen Uebersetzungen Manoci's bewah ren den Typus der Originale in größter Reinheit, und doch enthalten sie keinen einzigen jener Gallizismen, welche bei anderen Schriftstellern Lie schöne Harmonie der Portugiesischen.Sprache zerstört haben. Francisco Manoel hat große ausländische Dichtungen übersetzt, aber keine große Original-Dichtung hinterlassen. Seine poetische Be geisterung ergoß sich in Oden, Episteln, Elcgiccn und sehr kunstreichen Sonnetttn. Er hatte zwar eine Epopöe (I'ustos sie korluZai) skizzirt, aber zu ihrer Vollendung fehlte ihm, wie er selbst sagte, die Lust des Vaterlandes. Unglücklicher Dichter! Die bloße Erinnerung war dir nicht mehr genug: du bedurftest deines majestätischen Tajo, der Orangen - Haine, die ihn bekränzen, des ehrwürdigen Thurmes von Belcm! Würde dieses Epos, wenn sein Autor cs vollendet hätte, eine Dich tung im Geiste der Ovidischen Fasti geworden sepn? Ich glaube es nicht. Die patriotische Begeisterung, welche in Manoel's Oden weht, läßt uns nicht annehmen, daß der Dichter ein sllavischcr Nachahmer Ovid's geworden wäre. Seine Seele war stärker, erhabener; und wenn er einen zu eintönige» Gebrauch von der antiken Mythologie machte, so geschah dies weil eher, um seine Sprache damit zu schmücken, als um seine Gedanken davon beherrschen zu lassen. Woher aber nun dieser unbesiegbare Hang nach Bildern aus der Griechischen und Römischen Mythologie, der die Portugiesischen Dichter überhaupt charakterisirt? Gewiß haben Boden, Klima und die innige Verwandschaft der Sprache mit der Lateinischen wesentlichen Antheil daran. Was bei nordischen Völkern als fremder Putzartikcl miß fällt, das ist jenen üppigen Regionen des Europäischen Südens weit eher angemessen. Der Portugiese hat schon in seiner ersten Entwicke lungs-Periode unmittelbar ans dem Born des Römischen Dichtcrgeistes geschöpft; seine Sprache war in den ersten Jahrhunderten an Ausdruck und Wendungen fast ganz identisch mit der Sprache Roms; die Göller des Heidenihums wurden frühzeilig in dieses schöne Land, das man die Krone Europas genannt hat, herüber gebracht. Eine fabclbaste, aber ohne Zweifel uralte Tradition läßt Ulysses an Portugals Gestade kom men. Das Chnstenthnm vernichtete zwar den Glauben an die Fabel götter, allein cs konnte ihren Namen nicht verlöschen. In den Volksliedern der Griechen ist Charon noch jetzt der Fähr mann über den stygischcn Fluß, und keine Christcnscele zürnt bei dem Erscheinen dieses alten Dieners der Götter. Eben so war cs in Por tugal. Man weiß, daß Camocns die Gotthcitcn der Rsmcr sogar in jenem prophetischen Tempel eines Eilandes des Indischen Oceans wicder- findet, wo er dem christlichen Vaterlande seine künftige Herrlichkeit weissagen läßt. Corte Real, der glühende und wahrhaft rc'ligiösc Dichter, beginnt seine Erzählung von Lianor's Leiden mit einer Anrufung des Erlösers; er will — so sagt er selbst — ein christliches Gedicht schreiben; er ist rings umgeben von den Naturwundern Indiens — und dennoch verschwindet seine religiöse Begeisterung plötzlich bei einer, Erinnerung an Nom. Er giebt uns eine wnnderbcrrliche Beschreibung von den Festen an der Malabarischcn Küste, aber die gigantischen Gott heiten Cananors, die frischen Dcwas der Urwälder Indiens haben nicht Macht genug, um die Gottheiten des Olympus nur auf Augenblicke bei ihm in den Hintergrund zu drängen. Die antike Mythologie ist gleichsam eine zweite Religion des Süd-Europäischen Dichters. Gehen wir nun zu demjenigen Portugiesischen Zeitgenossen Ma- uocUs über, der ihm allein Lie Waage hält, obschon er in der Blüthe seines Lebens dahingrstorben ist. Barbosa Bocage stammte aus Französischem Geschlechte. Kein Dichterlebcn war unruhiger und unstäter als das seinige. Mit dem Verfasser dcr Lnsiade hatte er das gemein, daß er nach Indien ging und dort unglücklich wurde. Allein die widrigen Schicksale des großen Camocns waren mit den Begebenheiten seines Jahrhunderts verkettet; in seinen Leiden und Leidenschaften lag etwas Großartiges, das seiner ritterlichen Scele wohl anstand. Er konnte ausrufcn, als er von einem im Schiffbruch untergcgangcncn Dichter rcdcte, den alle Welt anerkannte: <Er, dessen lieblich cönende Zither mehr berühmt als glücklich sepn wird.) In seinen letzten Kämpfen konnte er sagen: ich sterbe, aber mein Vaterland stirbt mit mir. Was wollte aber ein junger Poet des litten Jahrhunderts in Goa? Und was sollte cr sagen, wenn er nach Lissabon zurückkehrle? In der alten Hauptstadt des Portugiesischen Indiens fand Bocage nichts als verlöschte Erinnernngcn, und nach feiner Heimkehr nichts als Noth und Elend. Ein Dichter unseres litten Säkulnms stirbt zwar nicht leicht mehr im Hospital; es giebt ja heutiges Tages so viele Be schützer, und die Industrie Hal so wmiderbare Fortschritte gemacht! Bocage sand sein letztes Asyl bei einem edclmüthigcn Freunde. Dieser Dichter konnte mit Lamartine sagen: „Ich sang meine Freunde, wie dcr Mcnsch athmel." Bei ihm würde man vergebens nach Studium und System sich umsehcu; dir Wissenschaft des Rhyth mus und der Sprache hat mit seiner Poesie fast gar nichts zu schaffen, und doch ist sis ihm geläufig. Wenn cr von seiner Melancholie und seinen langen Erinnerungen singt, so begreift man, daß ihm jene schöne Harmonie der Worte, jene gewaltige Musik der Sprache mehr zu Ge bote steht, als irgend cinem seiner Zeitgenossen. Er besitzt, wie er selbst sich ausdrückt, jene mystische Stimme, die über Wellen und Zci- vcn hinauslönt. Was Bocage vor allen anderen populaire Berühmtheit gab und ihn beinahe auf seinen Lorbeer» in Schlaf gewiegt hätte, das waren die plötzlichen Eingebungen seines Genins. Er improvisirlc mitten im Lärm eines Kaffehauses, mitten im Tumult eines öffentlichen Platzes, und diese genialen Kinder des Augenblicks bedurften nur selten einen Correction. Er dcklamirle seine Verse, wie cr sic gedichtet hatte, noch unter der Einwirkung des Enthusiasmus, und vor Zuhörern, die mehr zahlreich als gewählt waren. Diese beweglichen, für Eindrücke empfäng lichen Seelen hatten sich schon im Voraus allen Capri^cn seines Dich- tcrgcisieS unterworfen. Bocage war so glücklich, verstanden zu werben: sein Gedanke sollte nicht verloren gehen; lausend Stimmen wiederhol ten seine Lieder, und mau erkannte ihn sogar als Stifter einer neuen Scklc, deren frcie und fcsscllose Manier mit dem Namen Elmanis- mns bezeichnet ward. Ich für meinen Theil wundere mich, daß der so reich begabte Bo cage seine harmonische Sprache so oft den Conceplionc» Anderer ge liehen hat. War dies ein Fehler der Zeitalters oder des Landes? War es eine Ermüdinig der Scele oder ein Fortreißtil des Jahrhunderts, welches die Poesie überall suchte, wo cs sie zu fiiidcn hoffte? So viel ist übrigens sicher, daß die schönsten Verse dcS Bocage die Lcrse scincr Uebersetzungen sind. Als Original-Dichter Hal Bocage nie an einer großen Dichtung, sich versucht, obschon cr nie vor Schwierigkeiten zurücrbebtt. I» seine» Cantaten, seinen Idyllen und Epistel» zeigt cr oft eine tiesc Empfind samkeit; aber man muß auch gestehen, daß diese Empfindsamkeit such oft in träumerische Empfindclei verliert. Auch ist Bocage bei Allem, was er von einem großen Dichter besitzt, ein Mcnsch, aus dessen Genie das . Unglück zu schwer gelastet. Vielleicht Hal er wenige Tage vor- seinem Tode die rührendsten Geheimnisse seines harmonischen Innern offenbart, indcm er schmerzliche Erinnerungen an das Jammergeschrei einer Mutter knüpfte, die eben ihre Tochter verloren halte. Diese Elegie war es, bei deren Lesung Manocl ausricf: „Bocage war ein Dichter!" In dcr That, man fragt den sterbenden Schwan nicht, wo er feine Flügel besteckt Hal; man Hörl nur auf seine Stimme. , " sl oocl. Umns.) Bibliographie. Aara^ma jwiilioo st« parknA.-st <> «aus ramestia« rastioaea. (Por tugals politische Krankheit und deren Radikal-Mittel.) De» wahren Freunden des Landes gewidmet. 2 Ldc. Pr. 1600 Reis. OomiKirmua zioHtion. (Portugiesisches Pfennig-Magazin.) Umuorla Mugeslloa « riolitioa <Ia3 Uni'lugnora« n» Kl'riea omssstenttst. (Die Porlngicsischcn Besitzungen im west lichen Afrika.) Vorschläge zu ihrer Verbesserung und die Ursachen ihres bisherige» Verfalles. Drave hiugraiia st» üü^uai P^ranno Osurziastor. (Lebensbeschrei bung Dom Miguels.) "Pr. 40 Ns. stournai in«sti<:o-«irurAim> e nluirmacontioo sta I-ishoa. (Medi zinische Zeitung.) Erstes Hest. Pr. 240 Lis. Frankreich. Eine Scene an dcr Afrikanischen Äustc. Eine kleine Flotte Portugiesischer, Spcmischcr und Französischer Skla- ven-Händlcr drängte sich im I. 1829 an dcr Mündung des Flusses Boni, um einc günstige Gelegenheit abzuwartcn, mit ihren Stlaven-Ladungcii de» Englischen Kreuzern zu entwischen, welche seit mehreren Monate» die Gcgeiid, wo dieser Handcl betrieben wurde, blokirt hielten. Die Korvette „Soho", von einem eben so unerschrockenen als un ternehmende» Offizier befehligt, war während einer gcwiltcrschwcreir Nacht angclangt, um an den Sandbänke» des Boni Anker zu werfen und mit Tages-Anbruch, von der Dunfclheil begünstigt, sich den Negcr- schiffe» näher» und sie nehme» zu können, bei welchem Unternehmen gerade jene erschreckliche Witterung geeignet schien, das Vorhaben der Engländer zu verheimliche». Ma» muß selbst ei» solches Unwetter an der Afrikanischen Küste mit angesehen haben, um sich einen Begriff von den imposantcii Aus tritten mache» zu köniic», welche währeud dieser fürchterlichen Nacht am Bord der Korvette sich ereigneten. .. Noch niemals hatte der Donner so heftig von dc» Gebirge» dieser düsteren User wicdcrhalll; noch niemals halten die Blitze feuriger de» zuckende» Himmcl beleuch tet, und dieser halte noch niemals aus die von dem beulenden Sturme aufgeregten Wellen so viel Regcnströme und Schwcfrldünste ergossen, als in dieser Nacht. Dcr rauhe Wirbelwind, welcher,o häufig in der erstickenden Atmosphäre jener dürren Gegenden zu blatt» Pflegt, schien sich in die schäumende» Wogen zu verlieren, als wollte er die sonst in tiefste Finsterniß gehüllten Oerter der Wuth dieser aufgeregten Elemente preisgebcn. Dia. Stille, welche in der Zwischenzeit dcr Donnerschläge am Bord- der Korvette beobachtet wurde, ward nur durch den Ruf des Capitains bisweilen unterbrochen, welcher sich von Zeit zu Zeil erhob und feiner ausmerksamcn Besatzung die Worte höre» ließ: „Die Qucrstangc! . . . Bereitet Euch zum Ankern!... Ankert!. .. Laßt das Ankcrtau »ach! Ziehet die Segel ei»!" Als diese'Befehle ausgesührt waren, gebot dcr zwcitc Bcschlsbaber dcs „Soho" dcr Mannschaft, welche nicht die Wachc Halle, sich auf einige Stunden zur Nuhc zu begehen: dann begab cr sich zum Capitain, welcher zu ihm sagte: „Empfehlen Sic den Leuten, gut zu schlafen»