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7 Macht, für das Orakel dieselben Dienste zu leisten, die Ich dei der Morning-Post versa!'. Jndeß kümmerte er sich wenig darum, ob seine Erzeugnisse geistig waren oder nicht. Der arme Allen ! Ich have ihn gut gekannt; er war der beste Mann von der Welt, und selbst seine Epigramme lieferten die sprechendsten Beweise von seiner kirren und zahmen Unschuld. Seine unendliche Gleichgültigkeit, vielleicht auch seine Verachtung für das Publikum, diktirte ihm zuweilen Artikel, wie der folgende, in die Feder: „Wir begegneten bei der Sankt-Pauls-Kirche, zu unserem großen Erstaunen, der Herzogin K °, als sic eben mit schwarz verschleiertem Haupte rasch vorbcigmg. Was Halle sie wohl vor? Wir überlassen dem scharfsinnigen Leser alle Konjekluren zur Auslosung des Rärhsels." Bob Allen nannlc das eine Poinle. Unglücklicherweise aber waren die Herausgeber des erwähnten Jour nals nicht immer mit ihm einverstanden, und der arme Allen erhielt eines Morgens in ziemlich kalten Ausdrücken den Abschied; er war eben im Begriff, die Zahl der monallichen Pointen zusammenzuzählen, als er, nächst der Quittung, die man ihm zum Unterzeichnen gibersandte, folgendes Schreiben erhielt: „Da die Redaclion des „Orakels" einen anderen Belletristen zur Abfassung der Witze und Bon-MolS angestelll hat, so kann sie der Dienste des Herrn Bob Alien von nun an entbeh ren." Er verfügte sich auf der Stelle zum Ehes der Ncdaclion, unk suchte seinen letzten Artikel lebhaft zu vcrlheidigen. ES war eine drollige Scene, bei der ich selbst Zeuge gewesen. „Dürste ich wohl fragen", sagte er zum Rcdactcur, „was die Gründe meiner plötzlichen Entlastung sind?" — „Die sollten Sie wohl von selbst herausfinden. Ihr letzter Artikel war fa ganz ohne Salz und Schmalz." — „O! Es ist nicht an dem! So arg ist cs nicht! Ich kann in Ihre Behauptung nicht einstimmcn." — „Wie! Dieier abge schmackte," abgerissen c Satz, den Sie mir zuletzt über eine Herzog:«, der Sie bei der" St. Pauls-Kirche begegneten, zugeschickt, glauben Sic etwa, daß daran etwas Pikantes wäret" — „DaS nicht, aber es reizt doch die Neugier; und ist denn die Bonhomie, jene patriarchalische Einfalt: „Wir begegneten bei der St. Pauls-Kirche u. s. w." für gar nichts zu rechnen? Mein Artikclchen bat gewiß eine Physiognomie an sich, die Vergnügen macht; cs ist ein Meisterstück in seiner Art." — „Allein die Prosopopee am Schluffe, das müssen Sic doch zugebcn, hängt mit dem Eingänge nicht im Geringsten zusammen." Bob Allen sah'sich qenöthigt, eine andere Nedaction ausznsuchen; allein sein unglückliches Talcni im Abfaffcn der Pointen vergönnte ihm nirgends Ruhe. Nach acht Lagen erhielt er von der neuen Ncdaction einen Bries, dessen Tert dem armen Bob schon aus dem letzten der Redaktion des „Orakels" bekannt war. ES konnte freilich nicht ge leugnet werden, daß Bob selbst auch etwas nachlässig war. Am Mon tag und Dienstag waren seine Leistungen noch ziemlich erträglich; aber schon mit dem Mittwoch verloren sie an Kraft, und wahrend des gan zen übrigen Theils der Woche bemerkte man ein immer tieferes Hcrab- stnkcn, so daß ich an der Stelle jener Ncdaclcure lieber Bob Allen umsonst bezahl«, als seine Geistes-Produkte ausgenommen hätte. Sonn abends früh konnte man in einem Journal, an dem unser Bob Mit arbeiter' war, sicher auf einen Artikel in folgendem Genre rechnen: „Die Erfindung der Buchdruckcrkunst wird allgemein Johann Faust und Guttenberg aus Mainz zugcschricben. Wenige aber wissen, daß diese Kunst den Chinesen schon 'lange Zeil vorher bekannt war." Oder: „Mehrere Wirlbshäuser in der City, die noch letzt criftircn, haben die Inschrift: „Zu den drei Kugeln." Um den Leser, der die Bedeutung dieser „blauen Kugeln" nicht kennt, aufzuklären, wollen wir nur be merken, daß sie zur Waffcnrüsiung der alten Lombarden gehörten. Es ist bekannt, daß die Lombarden in großer Zahl in die City eingewan dert sind. Eie waren die ersten Ba'nguicrs in Europa." Und dies war eine interessante und nützliche Lektüre für das acht zehnte Jahrhundert! So ost Bob Allen an irgend einem Journal mitzuarbeilen ansing, rielh ich'S aus der Steile, und ich täufchtc mich nie darüber. , , . ... . Endlich, nachdem er unter allen Fahnen und bei allen vcrichiede- i'.en Armeen gedient, nachdem er seine gehaltlosen Artikel und zahmen Epigramme in den Briten, in den Wahren Briten, in den Nord-Briten, in den Stern, in den Anti-Gajlican, i» das Loval England, kurz in alle damals bekaunle Druckschriften der Rcibr nach cinrückcn ließ, war Allen, überall verjagt, beinahe ans dem Punkte, Hungers zu sterben, als er folgende Nachricht von einem Jour nal in der Provinz erhielt: „Es wird ei» Redakteur-en-Ches gesucht, der ein einflußreiches Journal dirigircn und selbst die Abfassung einiger Hauvt-Artikcl übernehmen soll. Es ist eine wesentliche Bedingung, daß er zu lesen und zu schreiben verstehe. Weil» er auch noch etwas von dcr Arithmetik wüßte, so wäre es gewiß gut. Außerdem muß er ein verständiger Korrektor se"n, und bei Gelegenheit zweien Damen Unter richt im Tanzen geben können. Die Einkünfte werden sehr bedeutend sevn, sie können sich nngksäkr bis zu drei Shilling täglich belaufen." . Nie werde ich es vergessen, mit welcher Freude Bob Allen abreisie, um das Landleben zn genießen und Unterricht im Tanzen zu geben, in dem er dabei dH Artikel dcr Provinzial-Zeitung n» redigiric! Mir selbst, der ich mich bei keiner Abreise des Lachens nicht er wehre» konnte, waren noch schmerzlichere Ereignisse vorbchaiten. Die „Morning-P^g" wurde veriaust, jenes Blatt, das nur zum Triumph- Wagcii gedient und mich übcr alle meine übrigcn Kollegen erhoben hatte. Der neue Besitzer batte seine eigenen Literaten und Gelehrten, und wir mußten ins Emil; wir mußten Abschied nehmen von unseren schönen Möbeln, von »»ftren Sälen, die von den großen Herren der Politik, von einigen Gentlemans und zuweilen selbst von DandhS be sucht wurden- Mir begaben uns in Blaffe zu einem Herrn Fenwick, dem wahren ThpnS eines Journalisten; ein schrecklicher Lemagog, dcr durch scinc Popularität sein Glück machen wollte. Fenwick mjethetc ein altes anatomisches Musea«, das noch nach den ausgeflopften Kro- kvdillcn, den auSgedörrlen RbinocervS und den einbalsamirten Mumien roch. Las war von nun an unser Bureau; ein kleines Zimmer, das kaum für meine« Ches und seinen Witz-Fabrikanten, nämlich für meine Wenigkeit, Raum hatte, verbarg uns vor den Augen dcr klebrigen. Fenwick hatte nicht einen Sou in der Tasche; er hatte eben erst eitlem Herrn Howell, der ein Jahr vorher zum Pranger verurlheilt worden, das Eigenlhum des armen Journals, an dem wir arbeiten sollten, die wahre null» proprietär, wenn eS je eine gab, abgekaust. Der Bürger von Albion, so hieß das Journal, hatte keine volle sechzig Abonnenten in ganz England. Trotzdem hatte Fenwick be schlossen, die damalige Regierung zu stürzen, nichts mehr und nichts weniger; dann wollte er eine Republik begründen; versteht sich, war das nur das erste Prinzip seiner Unternehmungen, denn die weiteren Correlarien waren unstreitig, sein Glück, so wie auch das meine, in möglichst kurzer Zeil vollständig zu machen. Zum Unglück aber be leidigte ein verwünschter Dämon, den man die „Stempclgcbühr" nannte, alle Morgen sein Ohr, indem er ihn an seine leere Börse erinnerte. Dann ging er nach dcr City, um sich sicbcn oder acht Shilling«, je nach den Umständen, bald mehr, bald weniger, auszulrciben; und wir, arme Pa rias, die wir uns an diese wurmfräßigc Säule angcklammert, wir übten unseren Witz und Scharfsinn an vcrralherischen Reden, die die King's- Bcnch die Gefälligkeit hatte, ganz unbemerkt zn lassen, indem sie ihr ziemlich zabm erschienen. Bc« all seinem Ehrgeize war Fenwick ein fanatischer Republikaner; und wir, die wir bisher aller Spartanische» Gesinnung ermangelten, wir mußten uns mit seinen Deklamationen und seiner Heftigkeit im Niveau zu erhalten suchen. Damals dachte ich in meiner Unschuld, ein Casus Grachus zn sevn; ich befreite alle Morgen das Vaterland von den Tyrannen, indem ich gegen den König raison- nirte und den Ministern seine Injurien anhing! Nachdem wir sieben Wochen angestrengt gearbeitet, crsuhren wir endlich, daß mehrere unserer Nummern die Aufmerksamkeit des Lord- Kanzlers aus sich gezogen und daß man uns eine» Prozeß angedroht habe. Fenwick wollte das Eisen schmieden, während es noch heiß war. Als nun Sir James Mackintosh, der in seiner Jugend die Freiheit gepre digt, eine" hohe Stelle bei der Regierung angenommen, nannten wir ihn einen Apostaten, Banditen und'Renegaten, wie das bei ims Jour nalisten istcht eben viel zu bedeuten hat. Allein sei» Freund, Lord Stanhope, dcr stch gern den Bürger Stanhope nennen ließ, der aber sür Mackintosh besonders eingenommen war, sand unsere Beleidi gungen zu ungebührlich, und entzog uns die Unterstützung von einigen 'Sbillingen, die uns bisher gegen die drückende Stempclgcbühr ge- sckützt. ' .... Kurz daraus starb der ,,Burger von Albion," jenes Blatt, das den Umsturz dcr Institutionen Englands beabsichtigte, seinen Ehren tod, und mit ihm endigte auch meine belletristische Laufbahn. Ich pabe gleich vorher gesagt, was man von meiner Reise zu erwarten habe, und ich darf auch hiermit schließen, indem ich es Anderen über lasse, ihre Seiten mit glänzenden Gemälden auSjiifüllen; diese möge« von dem Journalisten des heutigen Tages, von seinem eleganten Kabrio let, von seinen drei Pferden im Stalle, von seinem freien Zutritt bei dem Minister, und endlich von der großen Allgewalt erzählen, die wir vor fünfzig Jahren vorbereitet, in deren Besitz wir aber nie gelangt waren. (l^umh'r Türkei. Ein Volksfest in Konstantinopel. Seit mehr als hundert Jahren hat, wie man sagt, kein Sultan eine Tochter vcrheiralhct, und der Sultan Mahmud feiert eine solche Begebenheit. Noch nie ist das Behramfcst so glänzend begangen worden. Der Gebieter will fein Volk an den Frcudcn seiner Familie Theil neh men lassen, und das Volk bleibt ihm an Großmulh nichts schuldig. Denn man versichert, daß Seine Hoheit bei dieser Gelegenheit mehr als 20 Millionen Piaster an Geschenken erhalten haben soll. Ein zwar alter Gebrauch, den aber selbst der Reformator Mahmud in Ehren hält. Der Schauplatz dieses Festes ist Dolmabaktsche, am Ufer des Kanals, im Angesicht dcr Flotte. Zwischen einem neuen Palastc deS Sultans und der mit Topana zusammenhängende« Burg, deb«t sich eine Esplanade aus; hinter dieser befindet sich eine Kaserne in einer Ebene, von dcr man den Ori dieser Handlung überschaut. Aus den beiden Hügeln, die diese Ebene einfchlicßen, sind sowohl aus den Gipfeln als an den Seiten Zelte aufgeschlagen; hier für die Paschas und ihre Gefolge, dort, in der Nähe der Kaserne und des Todttn- ackert vo» Pera, für. die Truppen. In geringer Entfernung von die sen, auf den Beqräbnißplätzcn der Armenier und Katholiken, sind Fette angebracht, welche zu Krambudcn, Garküchen und Kaffeehäusern einge richtet sind. Auf de« Ebenen dcr benachbarten Höhen kampiren Ka vallerie- und Jnsanlcric-Regimenter. Gegen dicken Mittelpunkt drän gen sich von allen Seiten die Zuschaucr hinan, deren Anzahl noch durch die längs dem Kanal gcreihcten Galeeren vermehrt wird. Wollt ihr wissen, welche Wunder ihre Zudringlichkeit hcrbclführt? Am Tage sind es die Krasistückc eines Jtaliänischcn Alcide» ans elenden Brettern, oder auch der ckleine Kreis eines voltigirendc» Deutschfranzosen oder auch Türkische Seiltänzer, oder endlich auch die laSciven Tanze Griechi scher Balladinc, schöner Knaben mit laugen Haaren, einer Art männli cher Bajadere»; am Abend sind cs die Feuerwerke, und die ganze Nacht die Illuminationen. Was, nichts Anderes? Und doch, welch ein Fest, wen» man das Schauspiel übcr die Zuschaucr vergißt! Türken, Grie chen, Armenier und Juden häben das Sopha, die Kaserne, das Bürean, das Somtoir, die Werkstättc.und den Basar verlasse«, und sich ins Freie begeben, «m in dc» ergötzlichen Anschauungen und berauschenden Vergnügungen zu leben. Seht dicsc Menge! Ein bewegliches, vielfar-