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Begründet von Karl Andree In Verbindung mit Fachmännern herausgege Dr. Richard Kiepert. Braunschweig Irlich 2 Bände ä 24 Nummern. Durch alle Buchhandlungen und Postanstalten 1882. zum Preise von 12 Mark xro Band zu beziehen. Eine Pilgerfahrt nach Nedschd. (Nach dem Englischen der Lady Anne Blunt.) IV. lSämmtliche Abbildungen nach Skizzen der Reisenden.) Gleich bei dem ersten feierlichen Empfange in der Ka- wah des Schlosses wurde es den Reisenden klar, daß sie sich von den Zuständen im Schammarreiche eine zu geringe Vorstellung gemacht hatten. Wie eine Verkörperung orien talischer Pracht erschien ihnen die glänzende Versammlung in dem großen, säulengetragenen Saale: der Emir mit seinem Vetter und steten Begleiter Hamüd auf einem er höhten Platze sitzend, das Gefolge im Kreise umher stehend, Alle in den kostbarsten seidenen Gewändern und mit Waffen versehen, deren kunstvoll in Gold und Silber gearbeitete Scheiden und Griffe auf das Reichste mit Edelsteinen ver ziert waren. Die Ueberreichung der unerläßlichen Geschenke war unter diesen Umständen eine peinliche Aufgabe. Denn die Kleidungsstücke, die man auf dem Bazar von Damaskus ausgesucht und als das non xlus ultra von Pracht für den Scheich der Schammar betrachtet hatte, sahen hier ärmlich aus und entsprachen kaum der Kleidung eines seiner Diener; ein großes Teleskop, ein Revolver und eine Winchcster- büchse, die Blunt noch hinzufügte, alles Gegenstände, die das Herz jedes Roala- oder Anezeh - Scheichs entzückt haben würden, machten hier auch kein Glück mehr: sie waren dem Emir nicht nur bekannt, sondern, wie die Rei senden später selbst sahen, schon längst in seinem Besitze vorhanden. Mit echt arabischer Höflichkeit äußerte er trotz dem seine Bewunderung, sah pflichtschuldigst längere Zeit durch das Teleskop nach der gegenüberliegenden Mauer, er widerte Blunt's Anrede mit den freundlichsten Versicherun gen seines Wohlwollens und ging dann sogleich zu dem Thema über, mit dessen ausführlicher Erörterung er sie von nun an täglich stundenlang ermüdete: zu den persönlichen und Stammesverhältnissen sämmtlichcr ihnen bekannter Be duinenscheichs im Norden, zu ihren Bündnissen und Feh den u. s. w. Sein lebhaftes Interesse für den Gegenstand, die genaue Kenntniß der inneren Angelegenheiten weit ent fernter Stämme ließen unschwer erkennen, daß er bei allen hierauf bezüglichen Fragen von persönlichen Motiven gelei tet wurde und sich mit geheimen Absichten einer Machtver größerung nach Norden hin trug*). Waren die Schärfe und Klarheit des Urtheils und das überlegene politische Ver- ständniß, die sich in seinen Reden offenbarten, einerseits in der That bewundernswerth, so zeigte er andererseits eine so kindische Eitelkeit und lächerliche Eifersucht, die durch die Erwähnung jedes Vorzuges bei einem andern Scheich auf das Empfindlichste beleidigt wurde, daß die Reisenden bald alle ihre Aufmerksamkeit zusammcnnehmen mußten, um ihn U Wie richtig diese Voraussetzung der Reisenden war, be wies Mohammed Ibn Raschid im April 1880, wo er mit einer Armee von 8000 Mann durch das Wadi Sirhan, über die Harra bis nach dem Hauran zog, alle Beduincnstämme aus feinem Wege erst besiegte und dann zu Verbündeten machte und erst 20 Meilen vor Damaskus anhielt. Es ist kaum zu bezweifeln, daß er in dem ja immerhin möglichen Falle eines Zusammensturzes des türkischen Reiches den Versuch machen wird, das ganze Land östlich vom Jordan unter seine Herrschaft zu bringen. Globus XUI. Nr. 9. 17