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282 Sir Samuel W. Baker über die Insel Cypern. den langen parallelen Thälern des Quillabamba und des Apurimac liegt. Die Mulde des letztem reicht im Norden beinahe au die des Mantaro, diese wiederum an die des Tunguragua und des Huallaga heran. Sv ist Peru ein in sich zusammenhängendes, von dem hohen Ecuador, gegen welches hin es sich stark senkt, eben durch diese Einsenkung, von Bolivia durch die öde Höhe des Titicaca getrenntes Gebiet. Sir Samuel W. Baker über die Insel Cypern. Die Hauptstadt von Cypern, Levkosia oder Nikosia, liegt am Pedias, dem größten Flusse der Insel, dessen um diese Jahreszeit trockenes sandiges Bett hier etwa 110 Meter breit ist. Die Stadt, wie alle türkischen Städte aus der Ferne malerisch, bei näherer Einsicht eine Entäuschung, ist mit starken alten Befestigungswerken versehen, die indes sen bei der ausgesetzten Lage in der Ebene, wo in wenigen hundert Metern Entfernung ansehnliche Hügel sich erheben, von keinem Wcrthc sind. Baker zählt es zu den vielen Mißgriffen der englischen Regierung bei Gelegenheit der übereilten Okkupation Cyperns, daß Levkosia überhaupt als Hauptstadt belassen worden ist. Von der Handelsstraße entfernt kann cs trotz seiner centralen Lage doch nie das eigentliche Ecntrum der Verwaltung werden, weil es inmit ten der trostlosen Messaria liegt. Nur wenige Europäer würden auf die Dauer dem ungesunden Klima im Sommer und dem traurigen Eindruck der unfruchtbaren baumlosen Ebene widerstehen können. Zu ihrer Blüthezeit zählte die Stadt 16 000 Einwohner, heute hat sie nur noch 11 000; die Gerberei, die den Hauptzwcig der in ihr betriebenen In dustrie bildet, trägt nicht eben zur Verbesserung der Luft in den engen Straßen bei, in denen sich außer einigen in Mo scheen verwandelten ehemaligen Kathedralen der Benetianer nichts Sehenswerthes befindet. Das englische Gouverne- mentsgebände, ein großer hölzerner Bau, liegt in einiger Entfernung von der Stadt auf einem der erwähnten Hügel; mehrere Dattelpalmen, die man in ausgewachsenen Exem plaren hcrbeigeschafft und eingepflanzt hatte, sowie eine kleine Anpflanzung von bmoal^xtus globulus und einigen ande ren Bäumen zeigten die Bemühungen der an diesen uner freulichsten Ort gebannten englischen Beamten au. Der weite Umblick von der Terrasse des Gouvcrucmentsgebäudcs umfaßt über die Ebene weg nach Westen die Troodoskette mit ihren mächtigen Bergen Troodos, Adclphi und Machae- ras, den höchsten Punkten der Insel, nach Norden das mit der Küste parallelgehende Karpasgebirgc und an seinem Fuße, nach Osten hin, das nächste Ziel Baker's, das durch seine Quelle berühmte Chytrea. Wie in eine andere Welt versetzt fühlte sich der Reisende, als er, von Levkosia kom mend, sich Chytrea näherte, dessen reicher Wassersegen sich schon weit in die Runde durch üppig grüne Felder ankün- digte, auf denen das junge Getreide trotz der frühen Jahres zeit bereits 18 Zoll hoch stand. Die von den Athenern gegründete Stadt lag dicht bei der heutigen, die sich, unter brochen von den herrlichsten Gärten, in denen Maulbeeren, Aprikosen, Citronen, Apfelsinen und Oliven gedeihen, im Grunde und an den Wänden eines engen tiefen Thales cntlangzieht. Am obern Ende desselben entspringt die Quelle, die den sorgfältig gemauerten Aquädukt speist und als reißender Strom über die Thalsohlc braust, wo er nicht weniger als 32 Mühlen treibt, deren Rüder ohne Ausnahme horizontale Turbinen sind. Auf ganz Cypern sah Baker II. nur ein obcrschlächtiges Rad. Der Aquädukt ging früher 25 (engl.) Meilen weit bis zu dem alten Salamis. Knüpf ten sich begreiflicherweise im Alterthum Fabeln aller Art an diese heilige Quelle, so sind auch heute noch allerhand selt same Ansichten über ihre Entstehung verbreitet; Baker, der sie wohl mit Recht für das in ein großes unterirdisches Re servoir rinnende Sammelwafser einer ausgedehnten Berg landschaft hält, begegnete mehrfach dem Glauben, daß es Wasser sei, welches durch hydraulischen Druck auf die Höhe von Karamania in Kleinasien getrieben werde, und das, von dort durch ein unterirdisches Gerinne tief unter dem Boden des Meeres geleitet, die Oeffnung im Felsen von Chytrea erreiche. Heute verdankt Chytrea seinen Wohlstand vor nehmlich der Seidenindustrie, doch hat dieselbe leider in den letzten Jahren durch einen Mangel an Voraussicht bei den Producenten einen sehr merklichen Rückgang erlitten. Hier wie auch in anderen Gegenden Cyperns haben die Seiden züchter die Eier in so unglaublichen, unsinnigen Mengen an die Händler von Beirut verkauft, daß ihnen selber ein viel zu geringer Vorrath verblieben ist. Infolge dieses Opfers, durch das sie in den Besitz von baarem Gelde kommen woll ten, stehen heute vielfach die Maulbeerpflanzungen in vollster Ueppigkeit, ohne daß eine Raupe da wäre, die sie ernähren sollen. Mit Staunen sieht der Europäer auch wohl, wie gerade in Chytrea das Wasser verschwendet wird; keine der 32 Mühlen hat ein Reservoir oder einen Mühlteich, in dem sich das Wasser während des Stillstandes der Räder sammeln könnte. Sehr auffallend ist der Mangel an Mahlmühlen auf der ganzen Insel; große Züge von Maulthieren bringen das Getreide sogar von Larnaka bis Chytrea; und das in einem Lande, wo eine fast unaufhörlich wehende Brise die Anlage von Windmühlen an fast jedem Punkte belohnen würde. „In der großen Ebene Messaria würden Windmühlen zum Mah len des Getreides wie zum Heben des Wassers unschätzbar sein, und man kann sich nichts Einfacheres denken, als die Verbindung von Windmühlenflügeln mit der jetzt durch Ochsen in Bewegung gesetzten Pumpe." Etwa 1000 Fuß über Chytrea liegen auf dem öden Kalksteinfclscn eine große Anzahl zerfallener alter Steinhau fen, die den Fremden zuerst an Dolmen erinnern, bis er erfährt, daß es rohe Kalköfen sind, die schon seit Jahrhun derten hier im Betrieb sind. Die Familien der Kalkbrenner wohnen in Hütten der elendesten Art oder anch in nothdürftig hergerichteten Höhlen am Berge. Auf Meilen in die Runde gicbt es hier in den oberen Regionen des Gebirges keine Bäume mehr; dieselben sind der Mehrzahl nach wohl der Axt der Kalkbrenner zum Opfer gefallen. Heute wird das jämmerliche Strauchwerk, die letzten Ueberreste der seit Jahr hunderten immer von Neuem behackten und abgeschnittenen Bäume und Sträucher, von Frauen und Mädchen mühselig mit schweren Hacken aus dem harten Boden gegraben; die starken alten Wurzeln müssen als Brennmaterial für die