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Die Wege aus dem russischen Turkestan nach Merw. Kirghizen-Steppe besetzte, so soll die Turkmenen-Steppe be ruhigt werden, nachdem man sie durch Erwerbung eines Gebietes im Süden der Steppe, welches dauernde Ansiede lungen gestattet, ganz in die russischen Grenzen eingeschlossen hat. Kulturfähiges Land im Süden der Turkmenen-Steppe findet sich aber nur an dem Fuße der Gebirge längs der Persischen Grenze und weiter ostwärts auf afghanischem Gebiete in den Staaten Kyptschak, Maimene, Andshui und Balch bis dahin, wo von Süden her noch Zuflüsse den obern Amu-darja erreichen, während weiterhin der Wüstensand die Wasserlänfe verschluckt. Ein Haltmachen am Murghab, dem Flusse von Merw, wie es zunächst vielleicht beabsichtigt ist, beschränkt die Ver bindung der Russen vom Amu her mit dem wichtigen Merw auf eine 240 Werst lange Karawanenstraße durch die Wüste und läßt ostwärts Merw noch weite Steppenstriche außer halb der russischen Botmäßigkeit. Die kriegerischen Bewoh ner dieser Striche, die Ersari-Turkmenen, sind aber nicht weniger der Schrecken der dort an die Wüste grenzen den Staaten, als es bisher weiter im Westen die jetzt unter worfenen Teke waren. Gerade die Berichte der russischen Rekognoscenten lassen deutlich erkennen, daß auch die Besitz nahme von Merw nur eine Etappe in dem russischen Vor gehen sein werde, daß dies vielmehr erst mit der Unterwer fung des ganzen Gebietes bis zu der oben bezeichneten Grenze seinen Abschluß finden kann. Zunächst beschäftigen sich die im Jahre 1880 in der „Turkestan. Ztg." veröffentlichten Berichte, denen die nachstehenden Mittheilungen entnommen sind, mit den Straßen, welche von dem südlichsten Hauptorte der russischen Besitzungen, von Samarkand aus über Buchara und Karschi in der Richtung auf Merw zum Amu-darja führen; die Straße über Husar nach Kelif (Balch) wird als den Russen, durch Aufnahmen des Major Tschernjawski, bereits bekannt nur flüchtig erwähnt. Buchara undKarschi sind die Centralpunkte des Ver kehrs in jenenz Theile Mittelasiens; von dort aus führen die Steppenstraßen zu den Uebergangspunkten am Amu, dorthin zuerst müssen die Russen sich wenden und sind auch ihre Rekognoscenten stets zuerst gegangen, schon aus politi schen Gründen, um sich die freilich nur formelle Erlaubniß des Emirs zu ihren Rekognoscirungsreisen auf bucharischcm Gebiete zu holen. Der Weg von Samarkand nach dem fast genau westlich davon gelegenen Buchara läuft in dem ver- hältnißmäßig wohl angebauten Thale des Zerawschan, der direkte von den Russen vielfach benutze Steppenweg nach Karschi führt über Dsham; Oberst Majew macht noch auf einen zweiten „sehr guten" Weg nach Karschi aufmerk sam, der von Kermine (schon auf bucharischem Gebiet am Zerawschan) nach dem von dort 112 Wersts entfernten Karschi führt und zwar über den Sypki, einen Zufluß des Narupai (32 Werst), die Brunnen Jablu-kuduk (16 W.) und Arab-kuduk (16 W.), und den Ort (Kischlak) Kassan (24 W.), zur Stadt Karschi (24 W.). Der Weg ist eben und bietet reichlich Wasser; Jablu-kuduk und Arab-kuduk umfassen jedes eine Gruppe von Brunnen mit gutem, süßem Wasser. Von Buchara und Karschi zum Amu-darja führen folgende Hauptwege: 1. Von Buchara nach Tschardshui mit einer Abzweigung von Kara-köl zum Fort Usty; 2. von Karschi nach Naruzym (Narezm); 3. von Karschi nach Bur- dalyk?); 4. von Karschi nach Kerki und 5. von Karschi nach Kelif. i) 1 Werst — 1,067 Kilometer. 2) Zwischen Naruzym und Kerki, Hotzes Weges von ersterm entfernt. Auf dem Marsche von den beiden bncharischen Residen zen zum Amu ist als wesentlichstes Hindcrniß eine Flugsand zone zu überwinden, die sich auf dem rechten User des Stromes vom Aralsee bis zu dem Bergzuge Kerkitsche-tau erstreckt, der bei Kerki an den Amu herantritt. Am Aralsee und am Unterlauf des Stromes ist diese Flugsandzone von beträcht licher Breite; sie wird aber je weiter nach Osten, um so schmaler. Der Grund dieser Erscheinung ist darin zu suchen, daß dort jährlich sechs Monate lang ein anhaltender ziem lich heftiger Nordostwind weht, der die Sandhügel von Nordost nach Südwest fortbewegt, sie am Unterlaufe des Flusses anhäuft, den nordöstlichen Rand des Steppengebietes aber allmälig vom Flugsande befreit. Die Entstehung die ses Windes erklärt man ähnlich wie bei den Passaten der Tropenländer dadurch, daß die Erhitzung der weiten Sand- flächen südlich vom Amu dort einen starken nach oben gehen den Luftzug erzeugt, der ein Nachströmen kalter Luft aus den nordwestlich von diesen Wüsten liegenden Gebirgen zur Folge hat. Erhärtet wird diese Ansicht dadurch, daß der Wind in denjenigen Stunden am stärksten weht, in denen die Sonne ain meisten wirkt. Er erhebt sich zwischen 9 und 10 Uhr Morgens, erreicht seine größte Heftigkeit um 2 Uhr und läßt erst nach Sonnenuntergang allmälig nach, nm Mitternacht legt er sich ganz und die Luft bleibt dann bis Sonnenaufgang angenehm und kühl. Bon 2 Uhr Nachts bis 10 Uhr Morgens ist in der Region dieser Winde die günstigste Zeit für Märsche. Während des Feldzuges gegen Chiwa hatten die Truppen des turkestanischen Detachements bekanntlich viel von diesen Steppenpassaten zu leiden; Oberst Majew hat deshalb ihrer Strichrichtung und ab- und zuneh menden Stärke auf den Reisen der letzten Jahre besondere Aufmerksamkeit zugewcndet. Schädlich und ficberbringcnd sind übrigens seiner Ansicht nach (im Gegensatz zu Bamberh und anderen Orientreisenden) diese Winde nur da, wo sie vorher über ausgedehnte Reisfelder und Sumpfstrccken da hingestrichen sind, wie z. B. in Tschardshui, dem sie die Aus dünstungen der Zerawschan-Niederung zutragcn, während sie nach Buchara noch sehr gesunde frische Luft bringen. Den Einfluß dieser Steppcnwinde auf den Flugsand aber beurtheilt Majew dahin, daß der Sand fortschreitend jede Kultur am rechten Ufer des Amu zerstören, das Ufer selbst zur Wüste machen und auch das Flußbett mehr und mehr versanden werde, denn schon jetzt zeige das rechte Ufer weite, sanderfüllte Räume zwischen den noch kulturfähigen Strecken, während das linke Ufer, von dem derselbe Wind den Sand hinwcgführt, in ganzer Ausdehnung einen ziemlich breiten kulturfähigen Landstrich darbiete. Majew beruft sich für diese Ansicht auch auf das Zeugniß des Kapitän Bykow in dessen Bericht über „die Uebergangsstellen über den Amu darja." Die mehrgenannte Flugsandzone ist bei Kerki wohl ziem lich unbedeutend. Noch hat zwar (bis Herbst 1880) kein Russe den Weg dahin zu Lande gemacht; doch leugnen die dort verkehrenden Dshigiten das Vorhandensein von Flug sand, und es ist glaubwürdig bezeugt, daß auf diesem Wege die landesüblichen Karren (Arba) verkehren. Weiter west lich auf dem Wege nach Burdalyk sind die Sandwellen schon beträchtlicher, doch übersteigt die Breite des Flugsandstriches nicht 16 bis 20 Werst; genau begrenzen läßt er sich bei der steten Veränderlichkeit natürlich nicht. Jcnscit der Flug sandzone zeigen sich auf diesem Wege Sandstreifcn nur ganz sporadisch und die Flugsandwellen wechseln mit Sandhügeln, die mit verschiedenartigem Buschwerk besetzt sind. Auf dem Wege von Karschi nach Naruzym hat der Flugsandstrich schon eine Breite von 24 Werst (3 Tascha nach dem dort landesüblichen Maß); auf der Straße Buchara-