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154 Spiridion Gopüevio: verneigen, um dem Heim ihrer Kindheit das letzte Adieu zu sagen. Vor dem Hause des Bräutigams angelangt, wird die Braut von den sie bereits erwartenden Frauen des Hauses aus dem Sattel gehoben und in das Brautgemach geleitet. Als wohlerzogenes Mädchen darf sie sich jedoch nur mit Gewalt dorthin ziehen und stoßen lassen. Im Brautgemach nimmt sic ans einem schwellenden Kissen Platz, um sie herum gruppiren sich die nächsten Verwandten. Es wird Kaffee herumgereicht, worauf sich die Gäste der Braut zurückziehen. Deren Aeltester giebt noch vorher folgende Erklärung ab: „Bis hierher gehörte sie uns und Gott; von jetzt an und in der Zukunft gehört sie aber euch und Gott, welcher über sie wachen möge.« Die Gesänge, welche während des ganzen Zuges an gestimmt wurden, sind dieselben, welche ich schon oben für die mohammedanischen Heirathen citirt habe. Nur einmal kommt darin eine Abweichung vor, indem der Aelteste auf- gcfordcrt wird, sich zu bekreuzen. Nach der Entfernung der Verwandten der Braut be- giebt sich der Zug zur Einsegnung in die Kirche, oder, da es nicht viel Kirchen in den Maljsoren-Dörfern giebt, in ein eigenes Gemach, in dem ein Altar errichtet worden ist. Religiöse Maljsoren haben übrigens beständig einen Haus altar, vorausgesetzt, daß es ihre Räumlichkeiten gestatten. Gewöhnlich befindet sich der Traualtar in dem Braut gemache. Der Ceremonie wohnen bloß die Familienmit glieder bei. Zuerst tritt die Braut vor den Altar und kniet daselbst nieder. Dann wird der Bräutigam von feinen zwei Beiständen, scheinbar mit Gewalt, hereingeschlcppt und zum Nicderknien gezwungen. Seine Beistände, eine Kerze in der Hand, stehen neben ihm. Vorerst liest der Priester eine Messe, dann wendet er sich an die Brant, welche er dreimal fragt, ob sie gesonnen sei, den neben ihr knicenden Bräutigam zu ehelichen. Die Sitte will es, daß die Braut, welche den ganzen Tag über die Lippen nicht öffnen darf, auch jetzt stumm bleibt und wie bisher den Holzklotz spielt. Die zustimmende Antwort wird daher gegeben, indem die Kranzjungfcr nach der dritten Frage der Braut mit Ge walt den Kopf tief hinabstößt. Hierauf wird der Bräu tigam befragt; ihm ist es gestattet, die Antwort selbst durch ein entschiedenes, kräftiges „?oxo!« (Ja, ja) zu geben. Nach Beendigung der Trauung entfernt sich der Ge mahl, um sich für die ausgcstandcnc Pein durch ein Glas Schnaps zu entschädigen. Die arme Braut muß jedoch noch verweilen und sich von den nunmehr eingelassenen Weibern besingen lassen. Sei sie auch noch so häßlich, ihre ein gebildeten Reize werden da enthusiastisch verhimmelt, ohne daß sie sich über diese drastische Ironie gekränkt fühlen darf. Nachdem auch dies überstanden, setzt man sich zur Tafel und zwar die weiblichen Gäste in dem einen, die männlichen im andern Zimmer. Wenn die Zahl der Gäste sehr groß ist, müssen selbstverständlich mehrere Zimmer, oft auch noch der Hof und Gärten in Anspruch genommen werden. Die Gäste sitzen dabei zu zehn bis zwölf an viereckigen Tischen. In der Mitte der männlichen Tafeln befindet sich der Bräutigamstisch, dessen Ehrenplatz der Gemahl einnimmt; ihm zur Seite sitzen der Pfarrer und die Beistände. Der Die Ehe in Oberalbanien. Gemahl erscheint übrigens erst zum Dessert, wenn die Schnapsflaschen aufgefahren werden. Die Beistände stoßen ihn dabei mit Gewalt vor sich in das Zimmer, nöthigen ihn zum Niedersetzen und stopfen ihm scheinbar gegen seinen Willen die Bissen in den Mund. Aus eigenem Antrieb zn essen, füllt keinem anständigen Bräutigam ein. Das Gleiche geschieht im andern Zimmer bei den Weibern mit der Gattin. Nach der Tafel beginnen die Männer zu spielen, rauchen, tanzen und scherzen; die Weiber geben sich dem be seligenden Tratsch hin, wobei natürlich die Kaffecschale un aufhörlich klappert. Bei Anbruch der Nacht wiederholt sich das Gelage. Gegen Mitternacht wird dann die Braut in ihr Gemach geleitet und der Gemahl hiervon heimlich benachrichtigt. Er benutzt einen günstigen Moment, da alles mil den Schwelgereien beschäftigt ist und sich um ihn nicht kümmert, um sich heimlich und ungesehen fortzuschleichcn. Er stiehlt sich in das Gemach seiner Braut, bleibt daselbst einige Stunden und kehrt dann in den Kreis seiner zechenden Freunde zurück, seine Abwesenheit mit der Nothwendigkeit nach dem Wetter zu sehen und dergleichen entschuldigend. Auch an den folgenden Tagen hütet er sich gehörig, beim Besuchen seiner Gattin gesehen oder beim Verlassen ihres Gemaches ertappt zu werden, da dies für ihn eine große Schande wäre. Wenn daher bei armen oder zahlreichen Familien das neue Ehepaar nicht sein eigenes Gemach hat, ist es Sitte, daß sich die Neuvermählten bis zur Geburt des ersten Kindes nur heimlich an abgelegenen Orten sehen. Die ersten drei Tage nach der Hochzeit muß die Frau, wie schon erwähnt, im Winkel stehen, ohne sich rühren oder sprechen zu dürfen. Wenn die Weiber des Morgens das Brautgemach betreten, finden sie bereits die junge Frau in dieser Stellung. Nur muß sie sich noch mit den Händen das Gesicht bedecken, als ob sie sich schämte. Diese drei Tage sind von tödlicher Langweile und Pein für die arme Frau, denn sic muß die Besuche aller Weiber über sich er gehen lassen und dabei die Statue vorstellen. Bon weit und breit ziehen nämlich die neugierigen Weiber herbei, um sich die Braut anzusehen. Kein Mann darf sich dabei im Hause blicken lassen und dem Gemahl ist es überlassen, sich im Freien oder wo er sonst will herumzutreiben. Erst mit dem dritten Tage haben die Komödien ihr Ende erreicht und tritt die Frau in ihre häuslichen Rechte ein. Ein Jahr nach Geburt eines Kindes — bei manchen Stämmen schon kurze Zeit danach — wird dieses getauft, bei welcher Gelegenheit ihm der Pathe den Kopf schcert. Dabei geht es drei Tage lang lustig zu. Die abgeschnittenen Haare werden nebst dem Pathenpfennig während dieser Zeit in einem Beutel aufbewahrt und nach drei Tagen verbrannt. Das Pathenkind wird der „Heilige Johann« genannt. Ermähnt sei noch, daß der Mann kein Recht auf das Eigenthum seiner Frau hat, bestehend aus den Geschenken, die sic vor und nach der Heirath von ihren Verwandten be kommen hat. Er darf sie züchtigen, aber nicht mißhandeln, denn die geringste sichtbare Verletzung würde eine Klage seiner Frau zur Folge haben. Die Plekjte müßte ihn dann zu einer starken Geldstrafe verurtheileu.