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„Was?* fuhr Nike! in die Höhe. „Alle Knochen im Leibe zerbreche ich ihm, dem Kerl, tvenn ich ihn mal erwische! Er denkt wohl, er kann seine großstädtischen Sitten auch hierher bringen?^ „Nun, sei nur gut, Nikel," beschwichtige ihn der Vater, „'s war nicht so bös gemeint." „Er ist wohl unverschämt gegen Dich gewesen, Anna?" srug Nikel. „Nein, nein!" sagte die, „er hat es nicht so gemeint." „Ich dachte, Du hättest Dich über den Kerl geärgert," fuhr Nikel fort, „weil Du heut Abend so still bist." Anna entgegnete nichts hierauf. Das Gespräch wollte trotz verschiedener Versuche nicht wieder in Fluß kommen, und so verabschiedete sich Nikel eher, als er es sonst getan hätte. Als er schon an der Türe war, sagte der alte Steiger: „Wart mal Nikel! Ich gehe ein Stückchen mit." Und zu seiner Tochter gewandt: „Ich möchte noch etwas mit Nikel reden!" Darauf setzte er seinen Hut auf, nahm seinen festen Stock in die Hand, den er stets bei seinen Gängen vor und nach dem Schachte bei sich hatte, und verließ mit Nikel das Haus. Sie gingen eine Zeit lang schweigend nebeneinander her. Am Damme außer der Hörweite irgend eines Menschen blieb der alte Günther stehen. Er zauderte noch eine Weile, dann aber sprach er mit einem plötzlichen Entschlusse: „Nikel! Es ist etwas Ernstes, daß ich Dir heute sage. Darum versprich mir und schwöre bei der Jungfrau Maria, allen Heiligen und Deiner Seele Seligkeit, daß Du binnen einer Woche keinem Menschen es sagest, noch kund tuest, noch irgend einem, was da lebt, weder dem Monde und den Ster nen noch wehenden Winden, sondern es bei Dir behältst, ver borgen in Deinem Herzen, von heute ab in dieser Stunde bis über 7 Tage, und daß Du es dann niemand anderen sagest als meiner Tochter Anna, Deiner verlobten Braut! Schwörst Du es?" Ergriffen von des Alten feierlichem Wesen sagte Nikel: „Ich schwöre es bei der gcbenedeieten Jungfrau Maria, bei allen Heiligen und bei meiner Seelen Seligkeit!" „Gut," erwiderte Günther, „so höre! Du weißt, daß ich aus einer alten Bergmannsfamilie stamme, Schlegel und Eisen sind schon Jahrhunderte hindurch vom Vater zum Sohne geerbt. Mit ihnen erbte sich aber auch noch etwas anderes fort, nur im Geschlechte. Doch, da ich keinen Sohn habe, Du mir aber wie ein Sohn bist, so will ich es Dir erzählen, damit die Kunde davon nicht mit meinem Tode verlösche. — Als in Freiberg die reichen Silberlager fündig wurden, wanderte mein Urahn auch vom Harze aus, wo er nur küm merlich sich ernähren konnte. Nun war er freilich anfangs nicht im Stande, selbst zu schüren, denn er hatte das Geld nicht, um sich eine Freiheit zu kaufen. Er verdingte sich als Hauer bei einem Grubcnherrn und brach dem das Silber aus dem Gestein. Das war damals auch lohnend, denn gute Ar beiter gab es nicht allzuviel und so verdiente mein Vorfahr ein hübsches Stück Geld. Aber er machte es nicht so wie die an deren und verjubelte es, sondern er trug es fein nach Hause und sparte den Ueberschuß. In Freiberg ging es damals hoch her, die Knappen und Arbeiter bekamen gar hohen Lohn, aber sie vertranken und verspielten es zu meist und mancher verpraßte an einem ein zigen Abend, was er in der ganzen Woche verdiente. Da stand es auch schlimm uni den Glauben; zur Beichte und Messe gin gen sie nicht, sie spotteten wohl der Priester und sogar des Wortes Gottes, es war ein wildes und wüstes Volk. So war mein Urahne nicht, er behielt seinen gottesfürch- tigen Sinn und seinen Glauben und jedesmal, bevor er in die Grube fuhr, sprach er sein Gebet und seinen Segen. Da begab cs sich, daß er einst von den übrigen getrennt, ganz allein vor Ort war. Er arbeitete rüstig darauf los und schlug mit Hammer und Fäustel, daß die Funken sprühten. Dazu sang er vor sich hin einen geistlichen Bergreihen vom schnellen und unverhofften Tode des Menschen. Da fühlte er auf einmal, daß jemand hinter ihm sei und ihm bei der Arbeit zusehe. Er blickte sich um. Da steht ein alter Mann mit großem, weißen Barte und scharfen durchdringen den Augen. Er war wie ein Bergmann gekleidet und auf der Brust hing ihm eine Blende von Gold und in ihr leuchtete ein Edelstein, Heller als zehn Grubenlichter. Zuerst erschrak wohl mein Urahn gewaltig, dann aber faßte er sich und, da er sich keines unrechten Dinges bewußt war, sagte er beherzt: „Glück auf!" „Glück auf, Gesell!" entgegnete der Geist nicht unfreund- lich, dann fuhr er fort. „Schon lange habe ich Dich beobachtet, Günther, und mein Wohlgefallen an Dir gehabt. Du wandelst nicht mit in den gottlosen Bahnen der anderen, Du bist noch ein echter, guter Bergmann, wie ich sie liebe. Darum bin ich Dir heute er schienen, um Dir Deinen Lohn zu geben. Ditte Dir eine Gnade aus, sie ist Dir im voraus gewährt!" Da erschrak mein Urahn gewaltig über des Geistes Er- bieten und getraute sich nicht, etwas zu begehren. Der aber sagte freundlich: „Heische' es nur getrost, es wird Dir geschehen!" Da nahm sich mein Ahn ein Herz und sprach: „So Du mir bestehlest Herr, muß ich gehorchen und ich bitte Dich, Du wollest mir nicht zürnen, so ich zuviel forderte. Siehe, kein Mensch weiß, wann er sterben muß, aber unser Leben ist vor allen täglich von Gefahr umgeben und nie weiß ich, wenn ich einfahre, ob ich auch glücklich zu Tage komme. Daher bitte ich dich, du wollest mir als Gnade geben, daß Du mir sieben Tage vor myjnem Tode verkündest, wenn ich sterben muß, damit ich noch kann Haus und Hof bestellen und mich würdig zur letzten Fahrt bereiten." „Es sei Dir gewährt!" sprach der Geist, nickte freundlich und verschwand. Hier schwieg der alte Bergmann, sein junger Begleiter frug leise: „Es ist auch wirklich eingetroffen?" „Ja," entgegnete der Alte ernst. „Der gute Geist," so fuhr er fort, „erwies sich aber auch ferner gnädig. Er ließ meinem Ahn, als er selbständig baute, mächtige Silberadern anschlagen, so daß er bald ein reicher Mann wurde. Auch sein« Söhne begünstigte der Berggeist und schenkte ihnen Reich tümer genug. Aber leider' hielt vor dem Gelbe die alte Fröm- migkeit nicht Stand; Unglaube und Uebermut zogen ein. Da entzog der Geist unserem Geschlechte sein Wohlwollen und bald war es wieder verarmt, aber sein Versprechen hat er gehalten. Stets sieben Tage vor dem herannahenden Tode kündete er das Ende des Lebens uns an, und keiner ist ihm dann ent flohen, mochte er es versuchen, wie er wollte. Als ich nun heute Nachmittag noch einmal anfuhr und in der Strecke hinterging, nach den Leuten vor Ort zu sehen, hörte ich auf einmal meinen Namen rufen: „Günther!" Ich blieb stehen. „Günther!" klang es ganz deutlich. Da erfaßte mich eine Ahnung und als es zum dritten Male rief: „Günther!" Da antwortete ich getrost: „Ja, Herr!" „Mach Dich be- reit!" tönte es mir wieder zurück, und nun weiß ich, daß binnen sieben Tagen der Tod mich abruft. „Versuch es nicht, mich zu trösten," fuhr er fort als Nikel sprechen wollte, „ich bin bereit, ich weiß, daß ich nach meinen Kräften gestrebt habe, das Gute zu tun und das Böse zu meiden, und daß ich meine Pflicht nach bestem Wissen und Gewissen redlich erfüllt habe. Hab ich auch manche Sünde begangen, so baue ich auf Gottes Barmherzigkeit und auf unsern Herrn Christus, sie werden mir schon zum ewigen Leben helfen. — Mehr besorgt bin ich um die, welche ich einsam zuriicklasse. Ich kann nun nicht, worauf ich mich gefreut, euch die Hoch zeit ausrichten, aber ich möchte Dir nochmals meine Anna ans Herz legen. Sei Du ihr Helfer und Freund m der Not und verlaß sie nicht, wenn ich nicht mehr bin. Darauf gib mir die Hand! „Nie werde ich sie verlassen, stets treu ihr sein, so lange mein Herz noch schlägt!" rief der Jüngling aus und schlug in die dargebotene Hand des Alten ein. „Ich wußte es!" sprach der, „und nun lebwohl; laß Dir aber ja nichts gegen Anna merken und gedenke deines Schwures!" „Verlaßt Euch auf mich, Vater Günther!" „Nun denn, leb wohl'/ , ' ,Lebt wohl!" Ein kräftiger Händedruck, dann schieden die Männer. Der eine ging nach seinem Häuschen zurück, das er nur noch kurz« Zeit bewohnen sollte. Der andere huschte Uber den Damm und kletterte den wohlbekannten Weg an der Mauer empor. Noch nie ist ihm aber das Wagstück so schwer geworden wie heute! VII. Aus einem unruhigen Schlummer weckte Heinrich das Pochen der alten Dore, die ihm rief aufzustehen, denn es wäre Zeit zur Messe. Halb unbewußt antwortete Heinrich, dann erhob er sich und kleidete sich an. Während dessen traten ihm die Ereignisse des vorher- gehenden Abends wieder klar und deutlich ins Bewußtsein. Ja, man hatte einen Plan entworfen, um wieder zu den alten Vorrechten und Ehren zu gelangen und hatte ihm eine Stelle angewiesen, ohne ihn weiter zu fragen. Und seine Aufgabe war es nun, die Rolle weiter zu spielen ohne Zögern und ohne Besinnen. Was tun, es war ihm keine Wahl ge. lassen. Wollte er sich mit seinen: Vater nicht auf ewig ent- zweien, so mußte er das Mädchen vorm Tore, Schön Aennchen, vergessen. Nun man lernt, sich an alles zu gewöhnen. Und schließlich, was lag daran. Er ist doch einmal dazu verdammt, sein Leben lang in der Stadt zu bleiben. War sie da nicht klug diese Heirat? Er wurde so der reichste Mann der Stadt und konnte den ersten Platz in ihr einnehmen. — Das andere würde sich schon finden. Er öffnete das Fenster und lehnte sich hinaus. Die frisch« Morgenluft tat seinem Kopfe wohl. Gedankenlos schaute e, so eine Weile hinaus und in den Hof hinab, wo auf dem Rande des Brunnentroges Tauben und Sperlinge saßen und ihren Frühtrunk einnahmen. Ein heftiger Luftzug weckte ihn aus seiner Betrachtung. Als er sich umsah, stand' die alte Dora auf der Schwelle und sagte: „Guten Morgen, Heinz! Da hätte ich lange klopfen können! Komm zum Imbiß. Der Pater wartet schon; Du sollst doch mit ihm zur Messe gehen." Ohne ein Wort zu sagen, schloß Heinz das Fenster und folgte der Alten ins Wohnzimmer. Dort fand er den Vater schon in der feierlichen Amts tracht zum Kirchgänge fertig. Pater und Sohn begrüßten sich, dann setzte man sich zum Essen nieder. Schweigend verzehrte man das Frühstück, aus Suppe und Brot bestehend: Weder der Pater noch der Sohn blickte auf, nur die alte Dorn sah verwundert von einem zum andern; imt Besorgnis ruhten aber ihre Augen auf Heinz, der angegriffen und übernächtig aussah. Erst als sie vom Tische aufstandcn, frug der Vater auf Heinzens Anzug sehend: „Willst Du in diesem Kleide zur Messe gehen?" Erschrocken merkte Heinz jetzt erst, daß er noch das alte Gewand anhatte. „Verzeihet, Vater," antwortete er, „daß ich heute früh das ganz vergessen habe. Doch so Ihr noch ein Weilchen Euch gedulden wollt, werde ich gleich ein neues anlegen." „Gut!" entgegnete der Vater. „Aber spute Dich." Heinz eilte in seine Kammer hinauf und nahm aus seiner Truhe ein Kleid, das ihm nach der neuesten Mode der Schnei der in Leipzig gemacht hatte. Als er die Treppe herunter kam und über den Borsaal ging, hielt ihn die Dorn auf, die aus der Küche gestürzt kam und vor Verwunderung die Hände über dem Kopf zusammen- schlug. „Jesus Maria! Nur seht mir den Heinz an! Du siehst doch aus gerade wie ein gnädiger Herr! Wie werden da die Mädchen gucken! Aber, gelt Heinz, ein fröhliches Gesicht machst Du dazu? Nicht so wie jetzt! Was verdrießt Dich denn so?" „Komm Heinz, zur Messe!" unterbrach hier der alte Eber hardt, der auf die Schwelle des Wohnzimmers getreten war, Dores Redefluß. „Es ist Zeit!" Heinrich setzte sein Barett auf und beide schritten nach der Kirche. Unterwegs trafen sie viele Verwandte und Bekannt«, die auch der Sitte folgend, zur Kirche gingen; da gab es nun ein Begrüßen und Händeschütteln. Der alte Eberhardt stellte seinen Sohn allen vor und sah mit Wohlgefallen, wie sie ihn anstaunten und kaum ihn nnzureden wagten. Fortsetzung folgt! Zum 1»V. Geburtstag -es Generalsel-marschalls Gras Wal-ersee. Dor 100 Jahren, am S. Apil1832, wurde Alfred Graf von Waldersee qeboren, der 1888—S> der Chef des deutschen großen Generolstabs war. Unter Betörderung zum Generolseldmarschall wurde Wal dersee 190N Oberkommandeur oller europäischen Truppen, di« zur Unlerdrlickung des Boxer-Aus standes nach China enlsandl wurden. Nach der Niederwerfung des Aus standes kehrte Waldersee in die Heimat zurück, wo er 1904 In Hannover slarb. Deutsche Truppen, die unter dem Oberbesehl Waldersees in China fochten, mit erbeu,."-^-L-tLr-lcken. Oben rechts: Generolseldmarschall Gras von Walders*» Awei Lieblinae -es Publikums heiralen Am Abend d.Koch- zeitslages wurde die Premiere des neuen Tonfilms .Gitta entdeckt ihr sterz' angeseht, in dem Gitta Alpar ihrFilmdebütgab, während Gustav Fröhlich d. männ- liche Kaupirolle verkörperle. Villa Alpar, di« ausgezeichnete Opern- und Ope rettensängerin u. «uslav Fröhlich, d. beliebte Film- stör, nach d. Trauung aus einem Berliner Standesamt.