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daß er sie zum Stichblatt seiner Sarkasmen mache, um später mit solcher Gleichgiltigkeit gegen ihr Schicksal in Dänemark zu landen und aufzutreten (einer der glänzendsten Treffer des Herrn Kreyssig, denn von Opheliens Wahnsinn hat der Prinz gar keine Ahnung, ihren Tod erfährt er eben zu seinem Staunen, ihren Vater hat er beweint). Im Ganzen rührt auch dieses grobe Mißverständniß von dem Urfehler her: dem Verkennen von Hamlets Aufgabe. Seit die ihm gestellt wurde, erlosch ihm das Licht des Himmels, und er wandelt in Nacht. Weit ab von ihm, wie auf einem andern Sterne, liegt sein Verhältniß zur Geliebten; die Neigung, die er einmal fühlte, ist als wäre sie nie gewesen. Auslöschen aus seinem Ge- dächtniß hat er's müssen, um Raum zu schaffen für den einzigen Gedanken an den Auftrag zur Rache, wovon er gleich wohl kein Wort darf verlauten lassen. „Den wahren Grund versteckt er hinter Bitterkeiten, an denen die Erfahrung, die er über die eigne Mutter gemacht, einen so großen Antheil hat. Hineinmischcn sich Aerger und Spott über die Zurückhaltung, die Ophelia auf Befehl gegen ihn angenommen, wie sie auf das Geheiß ihres Vaters, widerstandlos und ge horsam den Verkehr mit dem Geliebten abbricht, ihm den Zu tritt versagt, seine Briefe ausliefert, ihn zu einem Gespräch veranlaßt, bei dem, wie sie weiß, er ausgehorcht werden soll und welches die Folge für ihn hat, daß der Feind ihn durchschaut und sogleich den Beschluß faßt, ihn nach England zu schicken. Ja, davon erwähnen die kritischen Ankläger Nichts! Von einer „geistreichen Grille, der er kaltblütig und methodisch das Glück der Geliebten opfre", reden sie — Angesichts des Mcdusenhauptes, das Shakespere ini Geschick seines Hamlet aufgerichtet hat. Und doch, wie bricht seine Zärtlichkeit für sie in den flehenden Worten aus: „Geh in ein Kloster! Warum wolltest Du Sünder zur Welt bringen? In ein