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120 Wenig wissen wir jcdock von den anfangticken Verhältnissen seines Lebens. Wir kennen Johnson nickt so, wie er unter den Genossen seiner Generation bekannt war, sondern nur so, wie man ibn unter denen, deren Vater er hätte sev» können, kannte. Die berühmte Genossenschaft, deren ausgezeichnetstes Mitglied er war, zählte Wenige unter sich, welche sich noch der Zeit erinnern konn ten, wo sein Ruhm noch nicht vollendet und seine Eigenschaften vollständig ausgebildet gewesen. Er batte sich bereits einen Namen in der Literatur erworben, als Rcvnvlds und die beiden Warten noch Kinder waren. Er war zwanzig Jahre älter als Burke, Gold smith und Hamilton; dreißig Jahre älter als Gibbon, Bcauclcrk und Langton; Garrick allein hätte ibn während der zwölf ersten Jahre seines Aufenthaltes zu London sehen können, jedoch scheint es nicht, Last ibn Garrick viel gesehen. Johnson lebte vornehmlich in einer Zeit zu London, wo die Lage eines Literaten die kläglichste und hcrabgewürdigste von allen «ar. Es war ein Nachtduiitel zwischen zwei schönen Tagen. Das Zeitalter der Mäcene war nicht mehr, und die Epoche der allgemei nen Tbeilnabme an den Hervorbringungen des Geistes war noch nicht angebrochen. Heutzutage ist die Zahl der Leser so groß, dast ein be liebter Schriftsteller mit Begucmlickkeit von dem Ertrag seiner Werke leben kann. Unter der Negierung Wilhelms 1)1., Anna's und Georgs I. würden Schriftsteller, wie Addison und Congrevc, durch ihre Feder allein sich schwerlich eine anständige Lage in der Weit haben behaupten können. Aber gegen Ende des 17ten und Ansang des 18ten Jahrhunderts fanden die Schriftsteller das, was ihnen in die ser Begehung bisher gefehlt, durch eine andere Art von Ermunte rung ersetzt. Vielleicht wurde literarisches Verdienst nie reicher be lohnt als dann, wenn Jeder, der Schriftsteller war, zu den ausge zeichnetsten Gesellschaften Zutritt hatte und zu den bedeutendsten Ebrenstellen im Staat gelangen konnte. Die Häupter der beiden grosten Parteien, welche England theilien, begünstigten um die Wette die Wissenschaften. Die erste Komödie Coiigrcvc'S verhalf ihm in seinem einundzwanzigsten Jahre zu Verbindungen, die ihn für sein ganzes Leben unabhängig erhielten. Eine Pension von 200 Pfd. St. würde Smith über den Fall seines Hvpolile haben trösten können, wenn man sich jemals darüber tröstete, ausgczischt worden zu scyn. Nowc war nickt nur sioeta lattrestus, sondern auch Douanen-In spektor im Hafen von London, Secrctair des Raths des Prinzen von Wales und der Kanzlei; Hughes war Secretair der Frirdens-Co- mit,'-s; Philipps Richler des Prärogativen Hofes in Irland; Locke Commiffair des Appellations-HofeS und des >. andcls-Comitö; New ton Direktor der Münze; Stepney und Prior bei bedeutenden Ge- fandsckaftcn «»gestellt; Gay in seinem fünsundzwanzigsten Jahre Le- gatiouß-Secretair, nachdem er vorher nichts als simpler Commis eines SeidenhäudlerS gewesen. Einem Gedicht auf den Tod Karls II. und seiner Erzählung von der Stadtratte und der Feldralte verdankte Montague seine Gunst, seine Grafschaft, seinen Hosenband- Orden und seine Stelle in der Schatzkammer; cs bedurfte ganz der pcrsönlickcn Abneigung der Königin, um Swift zu verhindern, dast er nicht Bisckos wurde. Orford liest sich, mit seinen Groß-Srncschalls- Jnsignicn in der Hand, von dem Strom seiner Anbeter tragen, um Parnell zuvorzukommeu, als dieser geniale Schriftsteller sich von den Whigs abwandtc; Steele wurde Protokoll-Secretair und Mit glied des Unterhauses; Arckur Mainwaring Commiffair der Doua nen ; Ticket Secretair der Grostrichrcr Irlands und Addison StaatS- Secretair. Diese grostsinnige Begünstigung ging von dem herrliche» Dor sel aus, welcher allein von allen vornehmen Vcrsmachern am Hose Karls II. Talenl genug besäst, um sich ohne Hülfe seines Wappens berühmt zu machen. Montague verdankte seine Erhebung der Gunst Dorsels und er ahmte einen Edelmuth nach, dem er sein Glück schuldete. Die Häupter der Tories, insonderheit Harlcv undBoling- broke, rivalisirtcn mit.den Häuptern der Whigs in der Ermunterung der Wissenschaften. Aber bald »ach Gclangung des Hauses Hannover auf den Thron gewannen die Dinge eine andere Gestalt. Die Gewalt war sm einen Mann gekommen, der sich wenig um Poesie und schöne Redekunst kümmerte. Die Bedeutung des Unterhauses vergrößerte sich aus Kosten der des' Parnast. Walpole hielt es siir vortheilhaster, parlamentarische Redner zu erlangen, als Literalen, die er für unnütz cracklete. Er war ein gewandter Minister, aber er sckätzlc Bücker und Schriftsteller gering. Ein Bonmot seines Freundes Sir Cbr. Hanbury gefiel ihm bei weitem besser, als die Jahreszeiten Thomson's oder Richardson s Pamela. Er batte be merkt, dast einige ausgezeichnete Schriftsteller, welche die Gunst zu Staatsmännern erhoben hatte, nur Hindernisse für ihre Partei, unbrauchbar in den Bureaus und stumm im Parlamente gewesen waren. Während des ganzen Verlaufes seiner Verwaltung stellte er kaum einen einzigen Autor von Talent an. Die besten Schrift steller begaben sich alle auf die Seite der Opposition und trugen mit dazu bei, das allgemeine Mißvergnügen zu erwecken, welches, nachdem es die Nation in einen thörichten und ungerechten Krieg verwickelt, das Ministerium stürzte, um es durch weniger gewandte Mäsiner zu ersetzen. Die Opposition konnte ihre Wortführer nur durch Versprechungen und Liebkosungen belohnen. Der Hof wollte nichts geben. Es war also damals, als Johnson seine literarische Laufbahn begann, wenig für einen Autor von der Gunst der Grosten zu er- doffen, und die Gunst de» Publikums gewährte noch nicht die Mit tel zu einer bequemen Eristcnz. Ker Preis, welchen ein Buchhänd ler für ein Werk zahlte, war so wenig bedeutend, dast ein Schrift steller von reichem Talent und unermüdeter Tbätigkeit sich doch mir spärlick von Tag zu Tag damit zu fristen vermochte. Wie es in der Bibel heistt, hatten die mageren Kühe die fetten Kühe verschlun gen; die schlechten Achrcu hatten die guten Achren verdrängt. Die Zeit der reichen Ernten war vorüber, die der HungerSnolb nahm ihren Ansang. Alles, was es Klägliches und Erbarmenswerthes in her Welt gicbt, konnte man alsbald in dem Wort — Poet zusam- menfaffcn. Dies Wort bezeichnete ein Geschöpf in burleskem Kostüm, sich in den in Kellern gelegenen Wtrlhshäusern umbcrtreibcnd, auf dem Boden wohnend oder im Schuldthurm, sterbend im Hospital und begraben auf Koste» der Gemeinde. Dies war das Schicksal so manckcs Unglückseligen, welcher, drcistig Jahre früher geboren, zu dem glänzenden Klub, den Addison bestickte, Zutritt gesunden hätte, Parlamentsmitglied geworden und bei einer Gesandtschaft an- gestellt worden wäre, oder der, in unseren Tagen lebend, von de» Buchhändlern mehr als tausend Guiuceu jährlich eingenommen ha ben würde. Jede Lebensweise bat ihre Anfechtungen, so wie jedes Klima seine cigcmbümlichrn Krankheiten. Zu den beständigen Fehlern des literarische» Charakters, der Eitelkeit, dem Neid, dem reizbaren Ge nie, gesellten sich Lie Mängel einer prekären Eristcnz, welche allen Vcrsuckungcn der Sorgen ausgesetzt ist; zu den Gebrechen des Au tors gesellten sich die Gcbrcchcn des Bettlers und Spielers. Ei» gutes Loos in der Lotterie der Literatur war fast eben so unheilbrin gend als ein schlechtes. Tras ein glückliches Geschick einen armen Teufel, so beeilte er sich, es übel anzuwcnden. Nach Monaten der Dürftigkeit und Vcrzwcislung, wenn eine gute Einnahme n- Thea ter oder eine wohl vergoltene Dedication seine Taschen mit Guineen gefüllt batte, ging er hin, um sich an den Genüssen zu ersättigen, deren Vorstellung seine Träume geschmückt batte, während cr auf dem Stroh schlies und Kartoffeln speiste. Eine Wocke ergötzlicher Banqucts führte ihn wieder zu einem Jahr der traurigsten Entbeh rungen zurück. So lebte» Savage, Boyle und eine Menge Ande rer. Bald mit bctroddcltem Hut und Kleid geschmückt, bald im Bett- liegen bleibend, weil sic keine Kleider anzujicbcn hatten, oder Kra- vaiicn von Papier tragend, weil ihre Wäsche im Versatzbause stand; zuweilen mit verführerischen Courtisancn Champagner oder Tokayer trinkend, unk dann wieder vor dem Fenster eines Traiteurs den Ge ruch der Schüsseln cinakhmcnd, deren sic aus Mangel an Geld ent behren mußten — so kanutc» sie de» Ucberfluß, so kannten sic das Elend, aber niemals ein zusricdeiics Dasey». Da sie durch Gewohn heit Feinde eines regelmäßigen und frugalen Lebens waren, mußte man sich sehr mit ihnen versehen, denn sic machten sich kein Gewis sen daraus, das Haus eines Freunde«, der ihnen Gastfreundschaft bewies, durch ihre Orgien und Völlcreicn zu beunruhigen. Einige ausgezcichneic Schriftsteller waren glücklicher. Pope sah sich vor dem Druck der Armuth geschützt durck die tbätiqe Gunst, wclckc die beiden politisckcii Parteien seinem Homer widerfahren ließen. Vvung batte die einzige literarische Pension bezogen, welche jemals Sir Robert Walpole bewilligt. Thomson und Mallei fan den bei ihren politischen Freunde» Mittel ter Subsistenz, nachdem sic lange Zeit geduldet batten. Richardson setzte sein Gewerbe als Buchdrucker fort, wovon er leben konnte, was er von seinen Ro manen, so bewundernswürdig sie auch sind, nicht vermocht haben würde. Aber was gicbt cs wohl Kläglicheres, als den Zustand der trefflichsten Schriftsteller des achtzehnten Jahrhunderts, welche keine andere Hüissqucllen batten, als ihre Sckrificn! Johnson, Collins, Fielding und Thomson waren alle vier wegen Schulden verhaftet. (Schluß folgt.) Bibliographie. (fnrale's buolc. (Des Pfarrers Buch.) Von Denroche. Pr. 3 Sh. Hc Kvncral clolunion. (Die allgemeine Verblendung unter den Christen.) Pr. d Sh. Lviilenrc-8 c>f (fhei.-ckiauOv. (Zeugnisse des Cbristentbums.) Von Paley. Pr. 6) Sh. kkminmeencos of tüc licv. k. Hall. (Eriiinerungen an den (kürzlich verstorbenen berühmten^ Kanzelrcdner R. Hall.) Von Greene. Pr. 9 Sh. > Hints to a ,-h-i-g^nmn 8 ^vift. (Winke an die'Frau eitles Grist lichen.) Pr. 4 Sb. l'astor ancl stoch (Hirt (Pastor! und Heerde.) Von Morison. 0» tlie cliriüli»» Zsliluttb. (Ueber den ckristlichcn Sabbalb.) Von Macfarlane. Pr. 4 Sh- Ilie 8cvcn »oocal^iitic churcbcü. (Dit sieben Kirchen der Apo kalypse.) Von Macfarlane. Pr. 15 Sb. 0» tlu- A08IU-I nricacl<8. (Ueber die Wunder des Evangeliums.) Von Bp. Mant. Pr. 5^ Sh. 8»crecl l'oetezc. (Religiöse Poesie.) Von einem Layen. Pr. 2r Sh. Mannigfaltiges. — Insel in der Seine. Vor ungefähr einem Jabrc bob sich der Grund der Seine bedeutend und bildete, der Gemeinde St. Nicolas de-Bliquctius gegenüber, eine kleine Insel. Seitdem bat sich der Bodcn dieser kleine» Insel beträchtlich ausgedehnt und bildet jetzt eine Oberfläche von mehr als 10 Morgen. In der Mitte der selben war während des Sommers 1831 ein schöner GraSwuch«, und die Einwohner der benachbarten Dorssckaften schickten ihre Her den zum Grasen dahin. Da diese Insel sich innerhalb des Stromes gebildet hat, so gehört sic dem Staate, und man sagt, daß die Verwaltung der StaalS-Domainen bald davon Besitz zu nehmen beabsichtigt. Herausgegeben von der Nedaction der Allg. Preuß. StaatS-Zeitung. Gedruckt bei A. W. Hay».