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Ain Kommentar zu Goethes Faust. 19 thörichte Individualität an, ist wie ein Firniß, mit dem man leicht alles übertüncht." Eine andere Bemerkung, welche der Kanzler von Müller citirt, ist sogar noch bezeichnender. „Im Grunde," äußerte Goethe, „habe ich die Natur und die Kunst immer in einer sehr selbstsüchtigen Weise studirt, nämlich um mir Kenntniß zu erwerben. Ich habe über diese Gegenstände geschrieben, um meine eigene Bildung noch zu steigern. Was andere Leute daraus machen, ist mir sehr gleichgiltig." Es ist vielleicht kaum gerecht, eiue vertrauliche mündliche Aeußerung gegen einen Freund buchstäblich zu deuten; allein wo eine Menge von Aeußerungen, über eine lange Reihe von Jahren hin zerstreut, sämmtlich nach einer Richtung Hinzielen, da darf man gewiß auf das Borwalten der An sicht schließen, welche sie auSdrücken. Riemer, welcher in dreißigjährigem fortlaufendem Verkehr mit Goethe stand, äußert sich fehr nachdrücklich über diesen Punkt und citirt eine Menge von Goethe's schriftlichen und mündlichen Aeuße- rungen aus seinem Briefwechsel und seinen Unterhaltungen mit ihm, um des Dichters absolute Gleichgiltigkeit gegen das Publikum nachzuweisen. Und dennoch gibt er zu, daß der Dichter sich über die Kälte beklagte, womit seine „Iphi genie" und sein „Tasso" ausgenommen wurde, — Werke, in welche „er so viel von seinem Herzblute übergeleitet hatte". Auch ist reichliches Beweismaterial vorhanden, um zu zeigen, daß die Geringschätzung, mit welcher die gelehrte Welt seine Entdeckungen in Anatomie und Botanik und seine Farben lehre behandelte, für ihn eine stete Quelle des Unmuths und der Entrüstung war. Diese Angaben stehen nicht nothgedrungen mit einander in Widerspruch, sondern sie können nur den Beweis er bringen, daß Goethe, gleich den meisten Männern seiner Art, zwar stets sich selbst einzureden suche, er arbeite und schaffe nur sür sich selbst und seinen kleinen auserwählten Freun deskreis, allein trotzdem gegen die Meinung der Welt doch 2*