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Die „DitenLorfer Zeitung'^ erscheint Dienstag, Donners tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich , Mark. Durch die Post bezogen 1,20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme von Inseraten bis vormittag Uhr. Inserate werden mit w Pf. 'für die Spaltzeile berechnet. Tabellarischer Satz nach be sonderem Tarif. Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Nr. 139. Freitag- den 20. November 19O3.l 2. Jahrgang. Oertliches und Sächsisches. Vttendorf-Vkrilla, -9. November 1903. —* Es schneit, es schneit, die Flocken fliegen! Der Winter hat mit heute vor mittag die Erde mit einer weißen Decke über zogen. Langsam aber ununterbrochen fielen die weißen Flocken vom Himmel und bedeckten Feld und Au. Die Schneedecke ist den Land wirten besonders willkommen, denn bei der nun eintretenden Kälte schützt dieselbe die jungen Saaten vor dem Erfrieren. Aber auch die Winterfreudcn wie Schlittenfahrten usw. sind in unmittelbare Nähe gerückt. — Wer früher in Sachsen vorsätzlich Feuer anlegte und sei es, daß er nur einen Getreide-, Heu- oder Holzhaufen in Brand steckte, wurde, auch wenn gar kein Schaden entstanden oder derselbe durch den Delinquenten ersetzt worden war, nach dem Mandate vom 16. November 1741 „mit Feuer vom Leben zum Tode ge richtet". d- h. verbrannt, ohne Ansehung der Person, des Alters oder der Religion, ohne Begnadigung und Milderung oder „die mindeste Reflexion auf Vorbittcn." Erlosch das angelegte Feuer von selbst oder rief der Verbrecher aus Reue rechtzeitig Hilfe herbei, sodaß das Feuer- gedämpft wurde, so trat Milderung der Strafe ein, wenn nicht der Jnquisit schon vorher sich desselben Verbrechens schuldig gemacht hatte; in diesein Falle wurde er nicht nur verbrannt, sondern vorher noch mit glühenden Zangen „gerissen". Advokaten aber und Verteidiger, die „dergleichen bestrafte Verbrecher wider die wahre Beschaffenheit ihres Gemütszustandes für blödsinnig oder melancholisch ausgaben und dadurch die Inquisition zu verschleissen unter nahmen", wurden mit zeitweiliger oder dauernder Enthebung aus ihrer Praxis oder „anderer empfindlicher Ahndung" belegt. Dieses Mandat kam jährlich wenigstens einmal von den Kanzeln „vor versammelter Kirchfahrt zur Verlesung. — Wie die Mäßigkeit am besten gefördert werden kann, führt der bekannte Psychiater Professor Dr. Forel in seinem Vortrage „Die Berechtigung des mäßigen Alkoholgenusses vom Standpunkte der Vollshygiene" mit folgenden Worten aus: Es ist geradezu wie ein Natur gesetz, daß ein Heer von Enthaltsamen die Mäßigkeit der andern im Lande fördert, daß aber diese Mäßigkeit sofort und entsprechend abnimmt, wenn die Enthaltsamkeitsbewegung erlahmt, respektive zurückgeht. — Taschen zu! Herr Superintendent Dr. Meyer in Zwickau bittet, das Publikum vor dem Treiben der Kunstanstalt „Samarita" in Nixdorf bei Berlin zu warnen. Die Kunst anstalt „Samarita" gehört zu jenen bekannten Firmen, welche unter Ausnützung des mild tätigen Sinnes der Bevölkerung Haussegen und andere Bilder von geringem Wert für ziemlich hohe Preise vertreiben lassen. Diese Firmen — so auch die „Samarita" — befassen sich nur mit dem Einrahmen der Bilder, während sie diese selbst von Verlagsanstalten beziehen. Keines wegs werden die Bilder in einem Krüppelheim angefertigt, wie dies vielfach von den Reisenden dem Publikum vorgeredet wird. Richtig ist nur, daß von der „Samarita" 10 Krüppelkinder mit 1200 Mark pro Jahr unterstützt werden. Dieser Betrag macht jedoch nur etwa 2,75 bis 3°/« des erzielten Reingewinnes aus. Darum — Taschen zu! Dresden. Infolge der vorgerückten Jahres zeit werden vom 25. d. M. an von feiten der Sächsisch - Böhmischen DampfschiffahrtS-Gesell schaft die Fahrten auf der böhmischen Strecke eingestellt, dagegen wird der Betrieb bei der freibleibenden Elbe zwischen Dresden—Pirna- Schandau—Schmilka und Dresden—Meißen- Riesa—Mühlberg vorläufig bis auf weiteres, wenn auch in beschränktem Maße, aufrecht er halten werden. Für , böhmische Stationen be stimmte Frachtgüter sind deshalb, sofern sie noch mit den: Schiffe Beförderung finden sollen, spätestens bis zum 23. dss. Mts. vormittags */,8 Uhr in Dresden-Altstadt, beziehungsweise den Stationen der Strecke Dresden—Schandau aufzuliefern. — Die Sachsengänger ziehen gegenwärtig der Heimat wieder zu. Unser Bahnhof wird etzt fast täglich von einzelnen Trupps dieser -remdl kindischen Gestalten, unter denen sich oft auch viele Frauen und Mädchen befinden be rührt; fremde Laute treffen das Ohr: da wird polnisch, ungarisch, italienisch usw. gesprochen. Mit diesen Leuten wandert manches gute Stück deutschen Geldes nach dem Auslande, und mancher, der sein Geld in Deutschland verdient hat, treibt dann in „Tschechien" oder sonstwo Deutschenhetze. — Ganz beträchtlichen Betrügereien ist man in der letzten Zeit in der bekannten Brotmühle von Gebrüder Braune in Plauen auf die Spur gekommen. In die Angelegenheit sind ver schiedene Brotkutscher der obigen Firma ver wickelt. Es handelt sich in der Hauptsache um Wegbringung von vielen Posten von Weizen mehl, welches die betreffenden Kutscher von zwei Arbeitern, die das Mehl unberechtigter weise auf die Seite geschafft haben, in Empfang nahmen und dann in ihrem Nutzen verwerteten. Es sind in dieser Angelegenheit schon ver schiedene Verhaftungen von Kutschern erfolgt, ebenso sind auch die beiden Arbeiter, welche das Mehl herausgegeben haben, verhaftet worden. Gegenwärtig hat die ganze Angelegen heit die Staatsanwaltschaft zur weiteren Ver folgung in die Hände genommen. Heraus gekommen sind diese Unterschleife dadurch, daß bei einem Kutscher Unregelmäßigkeiten entdeckt wurden. Radeburg. Der Wirtschaftsbesitzer Anton Bienert aus Oberrödern war beim Schlachten einer milzbrandkranken Kuh behilflich gewesen, wobei er sich durch den Giftstoff infiziert hatte. Nach vicrzehntägigem Krankenlager ist Bienert der Blutvergiftung trotz sofortiger ärztlicher Hilfe erlegen. Leipzig. Eine recht erfreuliche Nachricht kann den zahlreichen Einlegern in die unterm 13. d. M. erwähnte Konfirmanden-Ausstattungs- kasse wohl damit gemacht werden, daß sie alle ihr Geld wieder erhalten, weil die verhaftet gewesenen Verlaqsbuchhändler Pfister und Fabian Deckung geschafft haben, sodaß sie am Sonn abend auö der Untersuchungshaft entlassen wurden. Die Leute behaupten, daß sie ihren Verpflichtungen voll gerecht geworden seien und die ganze Affaire sich auf das Verhalten eines Agenten zurückführen lasse. Das schließt natür lich die Strafbarkeit der verhaftet Gewesenen nicht aus, denn sie hatten eben das eingelegte Geld nicht deponiert. Pfister und Fabin geben öffentlich bekannt, daß die Einleger ihr Geld jeden Augenblick erhalten können. — Das erneute Gesuch des vormaligen Bankdirektors Gentzsch um Wiederaufnahme des Prozesverfahrens gegen ihn in Sachen der Leipziger Bank ist, wie das „Leipz. Tagebl." erfährt, vom Königl. Landgericht als unzulässig verworfen worden. — Aus Rache darüber, das ihnen der Ein tritt in ein Caso verwehrt wurde, zerschlugen drei junge Leute die große Scheibe des Etab lissements, die einen Wert von 325 Mk. hatte. Die Leute, durch deren Bubenstreich auch Kleidungsstücke von Gästeu beschädigt wurden, entkamen leider im Dunkel der Nacht. Schönheide. Gestern morgen ist das Herrn Edler v. Querfurth in Schönheider hammer gehörige Dreherei- und Schlosserei gebäude des Hammerwerkes bis auf die Um fassungsmauern niedergebrannt. Der Schaden, der durch Versicherung gedeckt ist, beläuft sich auf 80- bis 90000 Mark. Die Arbeiter können im Werke anderweit beschäftigt werden. Planitz. Die hiesigen sozialdemokratischen Landtagswähler haben Protest gegen die Wahl des konservativen Abgeordneten für den Wahl kreis Zwickau-Land, Kohlenwerksbesitzer Klötzer in Bockiva erhüben. Glauchau. In hiesigen Textilbetrieben ist jetzt wieder ein regerer Geschäftsgang zu beobachten. In den letzten Tagen sind hier Orders aus Amerika eingegangen. Da ver hältnismäßig kurze Lieferungsfristen ausbedungen sind, so bedarf es reger Arbeit, um den Wünschen der amerikanischen Kundschaft zu entsprechen. Adorf. Die Grenzbevölkerung wird in der „Ascher Zeitung" eindringlich gewarnt, den von den spanischen Schatzgräberschwindlern neuerdings an sie gelangten Verlockungen Ge hör zu schenken. Es lassen neuerlich zur Kenntnis der Behörde gelangte Fälle keinen Zweifel darüber, daß dieser Schwindel jetzt wieder mit Hochdruck und in der hiesigen Gegend leider auch schon einige male mit Erfolg betrieben worden ist. Der spanischen Regierung ist es bis jetzt nicht gelungen, den oft geschilderte», plumpen Schatzgräberschwindel Einhalt zu tun. Oelsnitz i. V. Am Sonnabend abend ist in Schönbrunn die 80jährige Greisin Jo hanne Christiane verw. Gerbeth, im Begriffe, sich zur Ruhe zu begeben, rücklings die Boden treppe herabgestürzt und infolge der hierbei erlittenen Verletzungen alsbald verschieden. Plauen i. V. Zu der gemeldeten Ver haftung des bei der. Großfirma Weindler L Co. seit langem beschäftigt gewesene Stickmeister Buchhold wird jetzt noch bekannt, daß dieser im Laufe der Zeit für etwa 20000 Mark Stickgarn gestohlen und für seine eigenen Maschinen verwendete, wodurch er zu großem Vermögen gelangte. Bei Buchhold sowie bei dessen ebenfalls dort wohnhaften Schwager sollen keine Garnrechnungen vorgefunden worden sein, so daß anzunehmen ist, daß das ver wendete Garn sämtlich gestohlen war. Im grünen Wald. Erzählung von G. pandola. (Nachdruck verboten. Der Sturmwind hat sich fast ganz gelegt; auch hat es schon seit geraumer Zeit zu regnen aufgehört, und die vordem so dunklen und schweren Wolken, die hartnäckig und trotzig dem guten Monde den Blick auf die Erde verdeckten, haben sich zum größten Teil aufgelöst oder ver zogen und lasten nun an manchen Stellen den Himmel unbedeckt. Dem Mond freilich ist diese Gnade der schwarzen Gesellen etwas zu spät gekommen; er hat sich längst zur Ruhe begeben, Nur einige Sternlein sind es noch, die neu gierig ihre Blicke, den Nachthimmel durchdringend, auf die armselige Erde, mit ihren armseligen Menschenkindern, senden. Mitternacht ist lange, lange schon vorüber. Ja, da drüben, weit hinten überm Walde macht sich, langsam und sicher sich verstärkend, schon ein winziger Lichtstreif bemerkbar, den nahenden, neuen Morgen verkündend. Der Mann auf dem Damme oben überlegt noch immer. Er steht und steht. Er besinnt sich mehr und mehr. Ja, wahr ist es. Er besaß einst ein Häuschen irgendwo. Ein kleines Häuschen nur. Aber er mochte wohl zufrieden sein. Oder nicht? Kinder jubelten stets lustig und heiter in dem Häuschen herum. Frische, vollwangige Rangen. Lustig und heiter waren sie — solange sie unter sich waren. Aber gar oft kamen doch fremde Leute vorüber gegangen oder gefahren. Wenn dieselben nun gar einkehrten in das kleine Häuschen, um sich vielleicht durch einen kleinen Imbiß oder wohl auch ein Schnäpschen, oder ein Gla» einfach Bier zu stärken, von welchen Sachen immer Vorrat im Hause war, dann krochen wohl die Kinder scheu und furchtsam in die Winkel und starrten die fremden Störenfriede mit unfreund lichen oder wohl gar ärgerlichen Blicken heim lich an. Doch die Scheu der Kinder war begreiflich. Geboren und aufgewachsen in dem Häuschen draußen im Walde, kamen sie eigentlich kaum so richtig mit vielen Menschen zusammen. Mit Kindern nur dann, wenn sie das entfernte Dorf zum Zwecke des Schulunterrichts auf suchen mußten. Die Menschen aber, die sich dahin verirrten, waren in den meisten Fällen wohl immer dieselben. Arbeiter, die ihre Be schäftigung da draußen hatten; Steinklopfer, Waldarbeiter, Fuhrleute, Torfstecher und auch Jäger. Letztere kamen wohl auch zur Jagdzeit oftmals daher, oder gar wenn Treibjagden ab gehalten wurden und brachten dann die Treiber mit, um sich samt den Letzteren auf kurze Zeit von den Anstrengungen solcher Jagd zu er holen; bei Regenwetter aber wohl auch die durchnäßten Kleider und das Schuhwerk auS- ziehen und trocknen zu können; dabei den von der Frau Wirtin eilig gekochten und den er kälteten Körper angenehm durchwärmenden Kaffee behaglich schlürfend. Wenn aber die Hausbewohner allein waren, vielleicht spät am Abend, wenn die Arbeiter, Fuhrleute und Jäger längst das ferne, heimat liche Dorf aufgesucht hatten, oder vielleicht Sonntags, wo diese Leute ja in den allermeisten Fällen die Stätten ihrer Beschäftigung über- zaupt nicht aussuchten, sondern hübsch zu Hause blieben, zu solchen Zeiten mag es vielleicht etwas saftigere und wohlschmeckendere Speisen gegeben, als nur Butter, Brot und Käse oder chlechte Wurst, und angenehmer Wildbrettgeruch die Nasen gekitzelt und die Räume erfüllt haben, da drinnen in dem kleinen Häuschen. Aber davon brauchten fremde Leute natürlich nichts zu misten. Was ging das denen an? Doch diese Zeiten sind längst vorbei. So war es, aber so ist es nicht mehr. Der Mann sinnt weiter. Vor fünf Jahren allerdings war es noch so; da war alles noch reim alten. Seine Kinder jubelten und scherzten ustig und heiter in dem Häuschen herum. Frische, vollwangige Rangen. Mit dem ältesten Sohne ging er wohl auch manchmal spät abends, wenn die Luft rein war, das heißt, wenn keine Fremden mehr zu erwarten waren und die Kleinen von der Mutter schon längst in das Bett gebracht waren, in den finstern Wald hinaus. Manchmal wohl mit einigen Draht- chlingen in den Händen, um dieselben irgendwo m Schutze der Dunkelheit zwischen Bäumen zu befestigen, quer über den Rehwechsel; manchmal aber auch mit leeren Händen, nur um nach zusehen, ob sich vielleicht ein feister Rehbock oder eine stattliche Ricke in der gelegten Schlinge gefangen und sich selbst dadurch erwürgt hätte. Der Alte steht und sinnt. Wieder geht er, wie damals so manche« mal mit seinem Sohne hinaus, bestimmter Stelle zu. Leise gehen die Beiden, unablässig rechts und links spähend, ob nicht etwa ein Lauscher, ein Ungebetener in der Nähe sein und sie in ihrem Vorhaben stören könne .... Der Alte kommt zu sich und erschrickt. Er schrickt über sich selbst und seine Gedanken. O, er weiß es noch ganz genau, wies es dazumal geschah, er weiß es, als wäre es gestern ge wesen. Freilich, ein halbes Jahrzent ist eine lange Zeit; so lange im Gefängnis zubringen zu müssen, ist nichts leichtes. Aber schließlich hat jedes Ding einmal ein Ende und auch die Gefängnisleiden. Und er hats ja doch auch überstanden. Stramm und trotzig richtet er sich auf, faßt den treuen Knotenstock kräftiger und noch einen letzten Blick um sich werfend, nach der Stelle, wo einst ein kleines Häuschen mag gestanden haben, schreitet er vorwärts, dem nahen Morgen zu. O ja, er weiß es noch ganz genau. Im Frühling war-. Just zu der Zeit . .