Volltext Seite (XML)
Die „Gttmdorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich t Mark. Durch die Post bezogen p20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme von Inseraten bis vormittag zs Uhr. Inserate werden mit <o Pf. für die Sxaltzeile berechnet. Tabellarischer Satz nach be- sonderem Tarif. Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Nr. 102. Mitlwoch, den 26. August 1903. 2. Jahrgang. Nus der Woche. Der Humberlprozeß und die Gerüchte über die Herkunft der großen Therese, die Zuspitzung der Verhältnisse am Balkan und das Luftschloß, das der sozialdemokratische „Vorwärts" dem Kaiser auf der Insel Pichelswerder baut, haben im Laufe der Woche de» Zeitungen reichen Unterhaltungsstoff geboten. Während sich der Humbertprozeß ziemlich lange hinschleppt und Therese immer auf die großen Enthüllungen hinweist, die sic nach den Plaidoyers machen will, nehmen ihr die Zeitungen den Stoff vorweg und bringen ihrerseits „Enthüllungen", die den Stempel der Eifindung an der Stirn tragen und von denen eine immer die andere an Keckheit übertrifft. Nach einander sind ein englischer Lord, Bismarck, der Zuckerkönig Lebaudy, Marschall Bazan e und noch andere als „Vater" der charmanten Betrügerin genannt worden. Aber das Interesse an der Vaterschaft wird noch bedeutend von dem an der wirklichen Existenz der zwanzig Millionen überboten und selbstverständlich findet auch die Behauptung Glauben, dieser Niesenbesitz sei nur einstweilen verschwunden, damit sich nicht die wucherischen Gläubiger der Madame Humbert die schmutzigen Hände darin waschen können. — Die euro päischen Flotten geben sich gegenwärtig in den türkischen Gewässern ein Stelldichein. Rußland, Frankreich, England und Italien entsenden oder entsandten bereits Geschwader und es wird all gemein wohllhuend empfunden, daß Deutschland seine Nase davon läßt. Durch den Fall Rost- kowsky sucht Rußland aus dem armen Sultan herauszupressen, was irgend geht. Der Soldat, der den russischen Konsul erschossen hat, mußte sein Leben lassen. Seine Kameraden, die ihn nicht hinderten, seine Vorgesetzten bis hinauf zum Wali haben ihre Strafe erhalten für ein Verbrechen, das nach den heute in Europa geltenden Begriffen keines ist. Der allzu schneidige Konsul hat auf den Posten einge schlagen, der ihn nicht gegrüßt hätte; wer aber einen Soldaten auf Posten angreift, muß überall in Europa riskieren, daß ihm ein Bajonett durch den Leib fährt. Nehmen wir an, der russische Generalkonsul in Berlin würde einen Soldaten auf Posten, der ihn nicht grüßt, mit der eigens mitgebrachten Karbatsche bearbeiten wollen, es ist eins gegen hundert zu wetten, daß der russische Vertreter nie in seinem Leben Gelegenheit hätte, den Versuch zu wiederholen. Der Soldat aber, der sich seiner Haut gewehrt und sonst seine Pflicht getan hat, würde — wenn auch nicht sofort — belohnt werden. Würde da auch Rußland kommen und seine Flotte vor Danzig rücken lassen, um seinen Ent schädigungsforderungen Nachdruck zu gewähren? ES würde sich wohl hüten I Dem armen Türken aber geht es an den Kragen und der Sultan soll alle denkbaren demütigenden Be dingungen erfüllen, um das aus Rand und Band gebrachte Rußland wieder zu beruhigen. Indessen wird der Zar schwerlich zugeben, daß der Bogen allzustraff gespannt werde. Denn er mag wohl zuschen: im Osten wartet der schlitzäugige Japaner aus jede Blöße, die sich der russische Rivale in China und Korea giebt, um über ihn herzufallen und ihm seine Länder gier auszutceiben. Auch der englische Bundes genosse Japans würde einen tüchtigen russischen Aderlaß- sehr gern sehen. — Die Dinge in Belgrad finden die widersprechendste Beurteilung. Es scheint, daß sich König Peter schnell an einen konzilianten Umgang mit den Herren Mördern gewöhnt hat und daß er zwischen diesen und dem Groß der Offiziere, das sich durch die Greueltaten von Belgrad um die Wiedereinsetzung des Hauses Karageorgewitsch Verdienste zu erwerben nicht das Glück hatte, zu vermitteln sucht. Allerdings, die Königs krone allein ist bei weitem kein so hohes irdisches Glück, wenn das zur Repräsentation nölige Kleingeld mangelt. König Peter hat Agenten ausgeichickt, die ihm das fehlende be sorgen sollen; es heißt, sie weilen gegenwärtig in Dresden. Wen sie da anpumpen wollen, darüber ist noch nichts in die Öffentlichkeit ge drungen. Vielleicht läßt sich ein Geschäft machen, wenn Therese Humbert freigesprochen wird und ihre Millionen wieder zu Tage treten! — Die ungarische Krise, von der die diesseitige StaatS- häifte gleichfalls stark zu leiden hat, ankert in nationalen Forderungen, wegen deren die Er regung der Gemüter so groß ist, daß man sich davon in Deutschland keine Vorstellung machen kann Der 73jährige Kaiser Franz Joseph, der deshalb den ihm durch die Gewohnheit liebge wordenen Sommeraufenthalt in Ischl aufgeben und nach Budapest kommen mußte, um mit den Parteiführern zu verhandeln, hat keine leichte Ausgabe und ihre Erfüllung wird ihm um so schwerer, als der „ganz inkognito" in Marienbad zur Kur weilende König Eduard seinen Besuch in Wien angesagt hat und da muß doch Kaiser Franz Joseph dem Gaste ein freundliches Gesicht zeigen! Und um was handelt es sich den Ungarn denn? Sie wollen nicht mehr die Fahne mit dem Doppeladler, sondern die rot-weiß-grün gestreiften und ihren Landeskindern, die in Kaisers Rock gesteckt werden, soll nicht mehr in deutscher, sondern in der lieblichen Originalsprache Janosz' und Mikoschs kommandiert werden. Anders tun sie's nicht! Oertliches und Sächsisches. Gtten-orf-Gkrilla, 2S. August 1903. — Infolge Wolkenbruches ist der Verkehr auf der Strecke Haida-Röhrsdors unterbrochen. Der Personenverkehr kann jedoch durch Umsteigen aufrecht erhalten werden, während der Güter verkehr über Hilfsrouten geleitet wird. Dresden. Der Betrieb der in der Albert stadt neuerbauten Militärmühle hat nunmehr seit einigen Tagen begonnen. Die Mühle ist das letzte der links an der Königsbrückerstraße gelegenen Etablissements und etwa 100 Dieter lang, drei Stock hoch und mit einem kleinen Eckturm versehen. Dresden. Die häßliche Unsitte, Obstreste auf den Treppen wegzuwerfen, hat am Sonn abend wieder zu einem Unglück geführt. Herr Landrichter I., der, Akten in der Hand tragend, Lie Treppe im Landgerichtsgebäude herunter ging, trat auf einen Pflaumenrest, stürzte da durch und zog sich im Sturze eine Gehirn erschütterung und eine Verstauchung des Rück grates zu, sodaß er bewußtlos liegen blieb. Zum Glück erweist sich der Fall als ein nicht ganz schwerer, aber er warnt doch erneut zur Vorsicht. -- Gestern abend gegen halb 6 Uhr er eignete sich auf dem Postplatzc ein Unglücksfall. Ein Herr in mittleren Jahren geriet unter die Räder eines Straßenbahnwagens und zog sich an Kopf, Ober- und Unterschenkeln Verletzungen zu. Die erste Hilfe wurde dem Verletzten in der Wartehalle der Straßenbahn durch einen zufällig anwesenden Arzt geleistet. Der Ver letzte wurde mittels Unfallwagens dem Kranken hause zugeführt. — Am Sonntag früh gegen 3 Uhr wurde auf dem östlichen Teile der Nordhalle des Hauptbahnhofes ein Mann besinnungslos quer auf den Eisenbahnschienen liegend vorgefunden. Ein sogleich herbeigerufener Arzt konstatierte eine schwere Gehirnerschütterung, Verletzungen am Kopfe und am linken Arme und verfügte die Einlieferung des Verunglückten in das Friedrichstädtcr Krankenhaus. Soweit sich bis jetzt hat feststellen lassen, hat der Mann in Pirna den Schnellzug, ohne Zuschlagskarte zu besitzen, in stark betrunkenem Zustande bestiegen, ist kurz vor der Einfahrt hier herausgesprungen und dabei mit dem Kopfe an eine Weiche ge schleudert worden. — Ausländische Arbeiter griffen in der Nacht zum Sonnabend bei einem Skandal in einem Restaurant der Vorstadt Plauen zum Messer und verletzten einige Personen derart, daß ärztliche Hilfe geholt werden mußte. Die Raufbolde wurden in polizeilichen Gewahrsam genommen. Los chwitz. Unter Wien meldete der „D. A." am Sonntag den Selbstmord eines Dresdners und die schwere Erkrankung seiner Begleiterin, die gleichfalls Selbstmord verüben wollte. Es handelt sich um den Markthelfer V. in der hiesigen Apotheke, der vor etwa 8 Tagen mit der Ehefrau eines Gärtners, bei dem er als Aftermieter wohnte, verschwunden war. Tolkewitz. Hier erregt die Verhaftung des dort wohnenden Produktenhändlers Lederer mit seinem Markthelfer Behr Aufsehen. Die Fest nahme erfolgte wegen der Beschuldigung, an der 11jährigen Adoptivtochter Lederers ein Sittlichkeitsverbrechen verübt zu haben. Naußlitz. Am Sonntag früh gegen 2 Uhr ereignete sich auf dem Wege zwischen Leutewitz und Gorbitz ein Unfall mit tödlichem Ausgang. Der 33 Jahre alte Arbeiter Wedermann aus Naußlitz kam mit zwei Kameraden aus dem hiesigen Restaurant „zur L'nde" und schritt auf dem oben bezeichneten Pfade vorwärts. Wedermann glitt hierbei aus und riß die Drahteinfriedigung nebst dem etwa 2 Meter hohen Stein, in dem der Draht befestigt war, um. Der schwere Stein fiel unglücklicherweise auf den Mann, der sofort erschlagen wurde. Die Staatsanwaltschaft hob nachmittags gegen 4 Uhr die Leiche auf und ordnete die Ueber- führung nach dem Friedhöfe an. Wedermann hinterläßt Frau und mehrere Kinder. Arnsdorf. In große Trauer ist die Faniilie des Steinbrechers Walther versetzt, dessen ältester Sohn vor einigen Tagen an der Backe ein kleines Blütchen, wahrscheinlich von einem Fliegen- slich, bekam. Das Gesicht schwoll in kurzer Zeit an und trotz aller ärztlicher Bemühungen starb am Sonnabend früh der junge Mann. Radeburg. Das Konkursverfahren über das Vermögen des Tischlermeisters Ernst Robert Großmann in Großdittmannsdorf, jetzt in Dresden-Trachau, wird nach Abhaltung des Schlußtermins hierdurch aufgehoben. Großenhain. Der Unglücksfall, von dem die Schrankenwärterin Voigt am Freitag früh betroffen wurde, ist leider tödlich verlaufen. Die Verletzungen, die die Frau erlitten, waren so schwere, daß an eine Wiederherstellung nicht zu denken war. Anderen Tages ist sie ihren Verletzungen erlegen. — In der Nacht zum Sonntag tobte hier ein heftiges Gewitter, das ohne Schaden anzu richten vorüberzog. Bei Elsterwerda zündete der Blitz mehrfach. In Hohenleipisch schlug der Blitz in den Kirchturm und zündete. Zwei Glocken schmolzen, eine fiel herab. Die Örgel wurde beschädigt, auch brannte die Sakristei nieder. Nünchritz. Am Freitag wurde auf der hiesigen Dorfstraße von einem Automobil ein Kind überfahren und so verletzt, daß es starb. Ortrand. Freitag gegen Abend wurde unsere Feuerwehr alarmiert. Auf dem dicht hinter unserer Stadt gelegenen Burkersdorfer Revier stand ein kleiner Wald in Flammen. Man eilte hilfsbereit hinzu und suchte durch Erdeaufwerfen den Brand zu unterdrücken, was auch gelang. Wie der Brand entstanden, ist unbekannt. -- Sonnabend früh wurden unsere Bewohner durch das Signal des Nebelhorns aus dem Schlafe geweckt- Es brannte die am Bahnhof gelegene früher Kliemannschs Ziegelei, aus dessen kurz zuvor geteertem Dach die Flammen hoch emporloderten, bis auf die Um fassungsmauern nieder, trotzdem die Feuerwehr bald nach dem Signal dort eintraf. Den jetzigen Besitzer, Herrn Töpfermeister Stoll, trifft der Schaden schwer. Außerdem ist das Fürst Lynarsche Dampfziegelfalzwerk mit nieder gebrannt, welches in dem langen Gebäude Räumlichkeiten gemietet hatte. Die kostbaren Maschinen nebst vielem anderen sind vernichtet. In der Töpferei wohnten auch mehrere Leute, welche nur mit Not gerettet werden konnten. Mittweida. Eine Explosion von Petroleum- Gasen, die recht traurige Folgen gehabt hat, fand am Freitag nachmittag halb 5 Uhr auf dem Hofe des Grundstücks Steinweg 67 statt. Die Flamme erfaßte das in unmittelbarer Nähe mit mehreren anderen Kindern sich aufhaltende 7jährige Mädchen Emma Feldkirchner, das lebendig verbrannte. Netzschkau. Der hiesige Bahnhof wäre am Donnerstag früh beinahe der Schauplatz des Zusammenstoßes zweier Schnellzüge geworden, wenn nicht durch die Wachsamkeit der Beamten das Unglück verhütet werden wäre. Der früh 3 Uhr in Reichenbach abfahrende Schnellzug Berlin-München fuhr kurz vor dem hiesigen Bahnhof über ein auf dem Gleise liegendes Brett, das, wie allgemein angenommen wird, von einem Wagen des kurz vorher verkehrenden Güterzuges herabgefallen war. Infolge des heftigen Kraches hielt der Maschinenführer an, um die Ursache zu untersuchen. Unterdessen kam der 3,8 Uhr von Reichenbach abgefahrene Schnellzug nach Eger heran (die Züge nach Hof und Eger laufen zwischen Reichenbach und Plauen auf gleicher Strecke, die hier eine starke, die Aussicht hindernde Krümmung macht) und nur durch die Geistesgegenwart des Maschinen führers vom haltenden Zuge, welch ersterer so fort auf die Lokomotive sprang und mit der Dampfpfeife schrille Notsignale gab, sowie des nächststationierten Bahnwärters, der durch Horn- signale auf die Gefahr aufmerksam machte, ist es zu danken, daß der zweite Schnellzug 10 Meter vor dem ersten zum Stehen gebracht werden konnte und nicht ein Schnellzug auf den anderen auffuhr. Zittau. Am Freitag abend wur^e auf der Bahnstrecke Zittau-Löbau von dem nach 8 Uhr von Oberoderwitz nach Herrnhut abgehenden Personenzuge beim Bahnübergänge in Ninive das Geschirr des Lohnfuhrmannes PriebS aus Eibau überfahren. Das eine Pferd wurde ge lötet. das andere schwer verletzt. Der Wagen wurde demoliert. Priebs, welcher vermutlich geschlafen und die Schranken durchfahren hatte, wurde in der Nähe erhängt aufgefunden. Zittau. Von dem abends 6 Uhr 40 Min. von Hermsdorf nach hier verkehrenden Personen zuge sind am Sonntag auf der Haltestelle Reichenan infolge falscher Weichenstellung zwei Personenwagen entgleist. Personen wurden nicht verletzt. — Auf einem Übergange zwischen Zeißigschenke und Niederolbersdorf ist am Sonn tag von dem ^7 Uhr früh von Oybin hier fälligen Persouenzuge die Lokomotive entgleist, wodurch die Maschine und ein Wagen gering fügig beschädigt wurden. Glücklicherweise sind auch bei diesem Unfälle Personen nicht verletzt worden. Der Unfall dürfte seinen Grund da rin haben, daß infolge des wolkenbruchartigen Regens, der in der Nacht zum Sonntag auf trat, Geröll auf den Übergang geschwemmt worden war. Zwickau. Das Eisenbahnunglück bei Rothen kirchen hat nun auch zwei Gemeinden veran laßt, sich den Fehdehandschuh zuzuwerfen. Die Gemeinden Rothenkirchen und Bärenwalde haben sich in den höchst unnützen Streit eingelassen, wer zuerst an der Unfallstelle zur Hilfeleistung erschienen ist. Der Streit wurde von Zeitungen aufgegriffen und hierbei ist auf einer Seite die Äußerung gefallen, das Eisenbahnunglück werde von der einen Gemeinde zu Reklamezwecken ausgenutzt. Nun ist von der beleidigten Ge meinde Strafantrag gestellt worden. Die Sache wird sonach vor Gericht ein Nachspiel haben. Reichenbach i. V. Wie das hiesige „Tage blatt" meldet, wurde auf der Staatsbahnlinie Leipzig-Hof in der Flur Schönbach bei Neu mark aus drei Holzpfosten auf dem Gleis ein Hindernis hergestellt, durch welches ein Eisen bahnzug zum Entgleisen gebracht werden sollte. Es wurde glücklicherweise von einem Eisenbahn beamten rechtzeitig wahrgenommen und entfernt, bevor ein Zug diese Stelle passierte. Der Täter ist ein 18 Jahre alter Handarbeiter Steiniger aus Neumark ermittelt und verhaftet worden.