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Die „Mtendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners- tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich I Mark. Durch die Post bezogen 1,20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme von Inseraten bis vormittag is Uhr. Inserate werden mit zo Pf. für die Spaltzeile berechnet. Tabellarischer Satz nach be- sonderem Tarif. Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Lür die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Okrilla. Nr. 97. Freitag, den 14. August 1903. 2. Jahrgang. Oertliches und Sächsisches. Dttendorf-Gkrilla, zz. August t903. -- Der Stab und das zweite Bataillon des hiesigen 2. Grenadierregiments Nr. 101 begaben sich gestern von Klotzsche aus nach Königsbrück. Zur Beförderung diente ein Sonderzug, der den Bahnhof Klotzsche früh 5 Uhr 55 Minuten verließ und gegen Uhr vormittags in Königsbrück nnlangte. — Bei den bevorstehenden Herbstmanövern wird Se. Königl. Hoheit der Kronprinz ein Automobil benützen, das von der vor kurzem in Blasewitz eröffneten Firma Automobil-Kom panie Borkert L Zickler gestellt wird. Die Führung des besonders stark gebauten Fahr zeuges übernimmt der Mitinhaber der Firma, Herr Zickler, der lange Chauffeur des Beckschen Automobils in Weißer Hirsch war. — Die Ausfuhr von Borstenvieh aus dem Gebiete der hiesigen Königlichen Amtshaupt wannschaft nach Böhmen ist bis auf weiteres verboten. — Wie mitgeteilt wird, werden bis zum 30. September dieses Jahres Liebesgaben, wie Lebensmittel, Kleider, Decken, Betten, Haus geräte u. s. w., die zur Unterstützung der vom Hochwasser im Stromgebiet der Oder Ge schädigten bestimmt sind und von Privat personen, Unterstützungskomitees oder staatlichen und Kommunalbehörden aufgegeben und an die mit der Verteilung betrauten Stellen gerichtet sind, ans den sächsischen Eisenbahnstrecken frachtfrei befördert. Nähere Auskunft erteilen die Güterabfertigungsstellen. — Mit 1. September — für Fracht erhöhungen mit 15. Oktober — tritt der Nach trag II zum Elbumschlagstarife für Ungarn vom I. August 1899 in Kraft. Derselbe ent hält unter anderem Ergänzungen und Änder ungen der Ausnahmetarife im Kartierungs- und Rückvergütungswege. Dresden. Am Sonntag hofften die Heide- besuchet vergebens auf die Wagen der gleis- tosen Heidebahn Dresden (Arsenal)-Klotzsche- Königswald. Der Grund zu den jeweiligen Verkehrüunterbrechungen der letzten Wochen geht aus einer Zuschrift hervor, die an den „Dr. Anz." zuging. Es heißt darin: „Aus Anordnung de« Königlichen Kommissariats für elektrische Bahnen und zum Teil nach dessen Angaben sind in der Stromzuführung der hie sigen Heidebahn wesentliche Änderungen auSge- führt worden, die jeden Unfall nach Möglichkeit ausschließen. Diese Änderungen bedingten wiederholte Betriebseinstellungen. Während des Nunmehr viermonatigen Betriebes ist zwar nicht der geringste Unfall vorgekommen, doch muß selbstverständlich bei einem solchen neuartigen Unternehmen fortwährend auf Verbesserung be dacht genommen werden- Auch die Wagen sind gewiß noch verbesserungsfähig, doch er fordert dies noch fortgesetzte Versuche. Der schwierigste Punkt besteht darin, daß die Wagen sehr oft bis zu 40 Personen besetzt werden kieses große Gewicht aber wiederum sehr starke Federn erfordert, die bei einer Besetzung von nur einigen Personen sich als zu hart und steif erweisen. Im Prinzip bewährt sich jedoch das System, die Steigungen werden mit Leichtig keit ohne großen Kraftaufwand mit größter zulässiger Geschwindigkeit überwunden. Lenkung und Führung der Wagen sind leicht und sicher. Die Frequenz dec Bahn ist gut und steigt fort- während. Die geringste Zahl der beförderten Personen an einem Tage war bisher 418, an guten Tagen und Sonntagen langten aber die vorhandenen Wagen oft nicht zu, um den Ver kehr zu bewältigen, es wurden 2000 bis 2500 Personen gefahren. Ein großer Teil des Ortes Klotzsche bringt daher dem Unternehmen, welches auch sonst von hiesigen Einwohnern und v.m den hier weilenden Fremden, Touristen, sowie Besuchern der Städteausstellung viel benutzt wird, die größten Sympathien und die tat kräftigste Unterstützung entgegen. Die Wagen verkehren jetzt wochentags halbstündlich, die Ab fahrt erfolgt von beiden Endstationen immer zur vollen und halben Stunde, Sonn- und Feiertags nach Bedarf noch häufiger." — In Gefahr schwebte gestern früh in der zehnten Stunde die Frau Prinzessin Johann Georg. Als ihr Gefährt in der Nähe des Etablissements „Linckesches Bad" auf der Schillerstraße zwischen einen elektrischen Straßen bahnwagen und einem Lastwagen hindurchfahren wollte, blieben die Hinterräder des Hofwagens am Lastgeschirr hängen. Infolgedessen löste sich der Hintere Teil des Wagens los und stürzte zu Boden. Die Frau Prinzessin stieg aus dem Wagen heraus und benutzte eine Droschke nach ihrer Villa Loschwitz. Se. königliche Hoheit der Prinz Max ist am Montag abends 8 Uhr 41 Minuten hier eingetroffen und hat im königlichen Schlöffe Pillnitz Quartier genommen. — Wie amtlich bekannt gemacht wird, ist im Gemeindebezirke Ko schütz bei Dresden am 10. August vom zuständigen Tierarzt die Schweinepest festgestellt worden. — Folgendes Erlebnis schildert ein Kriminal kommissar im „B. T.": „Vor einigen Wochen besuchte ich die sächsische Schweiz und hielt mich kurze Zeit in einem auf der Brühlschen Terrasse in Dresden gelegenen Restaurant auf, um zu speisen. Nur kurze Zeit saß ich allein am Tische, als sich ein äußerst elegant gekleidetes Paar ebenfalls an ihm niederließ . . . junge Leute ... er ungefähr dreißig ... sie Mitte zwanzig. Nachdem ich gespeist hatte, ersuchte ich den Kellner um eine Zeitung, in die ich mich vertiefte, sodaß ich erst auf meine Tisch gesellschaft achtete, als sie mich zum Abschied grüßte. Ich wollte meine Rechnung bezahlen. „Mein Herr", sprach der Kellner, „ich kann nichts annehmen ... die Rechnung ist beglichen. Ich glaubte an einen Irrtum des Kellners und widersprach. „Nein, mein Herr," entgegnete jener, „ich irre mich nicht!" „Wann habe ich denn bezahlt . . . wenn Sie so mit Ihrer Kaffe verfahren» dürften Sie heute auf ein Manko gefaßt sein." Der Kellner lachte. „Sie haben allerdings nicht bezahlt, doch ein anderer für Sie ... weiter darf ich nichts verraten ... auch nichts von Ihnen annehmen, ich bin reich lich entschädigt." Ärgerlich ging ich von dannen, überzeugt, daß ein anwesender Berliner Freund mich bemerkt und diesen Scherz getrieben habe. „Der läuft mir doch gleich in den Weg", dachte ich, „und dann wird die Sache beglichen." Ich irrte mich, es kam niemand. Nachdem ich durch die Stadt gewandert, erfrischte ich mich in einem Cafs. „Ist bereits bezahlt", lächelte der Zähl kellner und fuhr fort, als ich zornig protestieren wollte: „Dort, der Herr mit jener Dame . . . eben haben sie das Lokal verlaffen." Ich eilte den beiden nach und erkannte meine Genoffen von der Brühlschen Terrasse. Ich stand vor ihnen, zögerte aber, sie anzusprechen, weil ich wieder im Zweifel war. „Jawoll, Herr Kom- miffar," lachte der elegante Mann mich an, „kennen tun Se mir auch in die feine Kluft... det jloob ick . . . Vor sechs Jahren war ick noch Froschede un Flatterfahrer in Berlin, den Se dreimal gefaßt haben, un immer haben Se mir zu essen jejeben, weil ick Hunger hatte, be vor Se mir in de „jrine Minna" schoben ... Dafor hab ick Ihnen heite uf die Art jedankt... erlauben Se, det ick Ihnen meene Braut vor stelle . . . Sonst jehts mir jut wie noch nie." Er winkte einer vorbeifahrenden Droschke, grüßte, und die Herrschaften waren verschwunden. Bühlau. Am 12. d. M. vormittags kurz nach 7 Uhr stürzte von dem gegenüber dem Rathause gelegenen Huscherschen Wohnhaus neubau der Maler A. Christensen aus Dresden herab. Der herbeigezogene Arzt Dr. Perske konstatierte Verstauchung des Rückgrates. Der Verunglückte wurde mittels Krankenwagen der Diakonissenanstalt übergeführt. Kötzschenbroda. Eines der beliebtesten und besuchtesten Volksfeste im ganzen Elbtale, ;as Kötzschenbrodaer Erntefest und Vogelschießen, indet am 16., 17. und 18. d. M. statt. Großenhain. Ein interessantes militärisches Schauspiel spielte sich um Dienstag und Mitt woch in dem Gelände zwischen Niederrödern, Oberrödern, Freitelsdorf, Dammmühle, Thien dorf und Lötzschen ab. Die beiden Feldartillerie- Regimenter Nr. 12 und 48 hielten dortScharf- chießsn ab- Gegen 9 Uhr fuhren die Batterien n die Feuerstellung westlich Oberrödern auf und 10 Uhr krachte der erste Schuß, dem in kurzen Pausen weitere Schüsse folgten. Die Erde erdröhnte unter dem gewaltigen Donner, krachend zersplitterten die aus Pfählen und Brettern bestehenden Zielscheiben. Die Schuß bahn war zirka 4000 Meter lang. Stadt Wehlen. Dem Fräulein Anna Se bastian von hier, das am 7. Mai d. I. unter eigener Lebensgefahr die Errettung des 7jähr- Mädchens des Pächters des Hotels „Zum Dampfschiff", Bleßner, vom Tode des Ertrinkens in der Elbe bewirkte, ist von Sr. Majestät dem König die silberne Lebensrettungsmedaille mit der Befugnis, sie am weißen Bande zu tragen, verliehen worden. Dienstag vormittag wurde diese Auszeichnung mit der Urkunde von Herrn Amtshauptmann Freiherrn v. Teubern unter eierlicher Ansprache im hiesigen Rathause über reicht. Schon im vorigen Jahre rettete Fräu- ein Sebastian das 4jährige Mädchen des Schutzmanns Sulzmann in derselben mutigen Weise vom Tode des Ertrinkens in der Elbe, wofür sie von der Königlichen Kreishauptmann schaft eine Belohnung von 30 M. erhielt. Das mutige 16 jährige Mädchen hält seit einigen Jahren im Auftrage seines Vaters, des Kriegs invaliden Sebastian, dicht neben der Dampf schifflandestelle mit Andenken usw. an die Sächsische Schweiz feil. Nossen. Gutsbesitzer Backofen aus Gohla, -er am 2. d. M- in der Nähe von Wendisch bora durch einen Sturz aus dem Wagen ver unglückte, ist in die Dresdner Diakonissenanstalt verbracht worden, wo ihm der rechte Unter schenkel abgenomnten werden mußte. Außerdem hat er Verletzungen am linken Handgelenk und eine Verstauchung des Rückgrats erlitten. Sein Befinden ist verhältnismäßig befriedigend. Leisnig. Über das Vermögen des Stuhl fabrikanten Hermann Greif hier ist am 8. d. M. das Konkursverfahren eröffnet worden. Eine ganze Anzahl hiesiger und auswärtiger Ge schäftsleute erleiden hierdurch empfindliche Ver luste. Greif, der sich eine Reihe von Wechsel- fäischungen in Gesamthöhe von 30—40000 Mark hat zu Schulden kommen lassen, ver schwand am 3. d. M-, nachdem er die Ge- fchäftsbücher verbrannt hatte, aus Leisnig und erschoß sich am 6. d. M. im Restaurant „Eier häuschen" in Treptow bei Berlin. An Bar mitteln hatte der Selbstmörder noch 19 Mark 42 Pfg. bei sich. Greifs Geschäftsführer und Verwandter K. wurde am Freitag auf Ver anlassung der Staatsanwaltschaft in Haft ge nommen. Oschatz. Ein schreckliches Ende fand der hiesige Bürgerschullehrer Seifert, der sich zur Erholung nach Thüringen begeben hatte. In einem Hotel in Sonneberg, wo er übernachten wollte, stürzte er am Freitag abend die Keller treppe hinab und blieb besinnungslos liegen. Erst nach längerer Zeit wurde er aufgefunden und nach dem Kranke, Haus gebracht, woselbst er am Sonnabend verstarb. Zittau. Der 50 jährige Schneidermeister Wolech hier hat sich am Sonnabend in seiner Wohnung mittels eines alten Revolvers, den er mit Wasser geladen, erschaffen. Die Wirk ung der Ladung war eine furchtbare. Der Kopf des Getöteten war ganz auseinander ge sprengt. Der Revolver war zersprungen. Leipzig. Ein leichtsinniger Streich brachte den Unteroffizier Braker vom 106. Infanterie regiment auf drei Monate ins Gefängnis. Derselbe fühlte am 9. Juni ein menschliches Rühren, als ihn die Mannschaft seiner Schieß- abteilung bat, in Gundorf einmal einkehren zu können. Leider bekneipten sich Führer und Mannschaft derart, daß einer der Soldaten ge fahren werden und ein anderer Unteroffizier die „schwankenden Gestalten" Heimfähren mußte. Von Degradation ward abgesehen. — Auf der bevorstehenden hiesigen Michaelis- Messe ist die Gründung eines Verbandes von Ausstellern des Musterlageroerkehrs in Aus sicht genommen. Dieser Verband soll Er- 'eichterungen des Meßverkehrs und Bekämpfung der hohen Mietforderungen anstreben. — Der Leipziger Gärtnerverein veranstaltet am 19. und 20. d M. hierselbst als Muster ausstellung eine Pflanzen-Meffe. Geringswalde. In der Robert Beckschen Stuhlfabrik sind wegen Lohndifferenzen sämt liche Stuhlbauer ausständig. Chemnitz. Montag abend wurde im Gast hause „Kiautschou" zu Lunzenau bei Penig der 22 jährige Arbeiter und Dienstknecht Hermann Schulz aus Saalburg verhaftet und dem Amts gericht Penig eingeliefert. Er hatte am 26. Juli dieses Jahres bei Gera die Dienstmagd Lina Rust aus Waltersdorf ermordet. Chemnitz. Einen interessanten Fund machte im benachbarten Furth ein Arbeiter, der in einer Auktion eine alte Rollkommode erstanden hatte. Da er das alte wurmstichige Möbel nicht gebrauchen konnte, zerhackte er es zu Feuerholz und stieß dabei auf ein Geheimfach, das eine lederne Tasche barg. In dieser be fanden sich längst verfallene Zehntaler-, Fünf taler- und Eintalerscheine, sowie nicht eingelöste Wechsel im ungefähren Werte von 1000 Mk. Die Kommode war mehrmals verkauft und ver schenkt worden, ohne daß die jeweiligen Eigen tümer Kenntnis von dem Geheimfach hatten. Man will nun versuchen, die Talerscheine und die Wechsel, die aus dem Jahre 1873 stammen, noch so weit wie möglich zu Gelds machen. Meerane. Weit schlimmer als anfangs vermutet wurde, hat das Unwetter, das am Sonntag die hiesige Gegend heimsuchte, gehaust und überall große Verheerungen angerichtet. Besonders hart ist die Ernte betroffen worden. Auf den Feldern wurde viel Getreide weg geschwemmt. Die Wassermassen überschwemmten die niederen Stadtteile und Wiesen. In zahl reiche Häuser drangen die Fluten, so u. a. auch in einen Teil der Zwirnerei „Saxonia". Der Seiferitzbach war in einen förmlichen Strom verwandelt und führte Gebälk, Bäume, Steine Fässer usw. mit sich. Arge Verwüstungen hat auch der orkanartige Sturm angerichtet. Ein beim Gasthof „Jägerhaus" aufgestelltes Karussell wurde uingeworfen. Eine Trinkhalle hob dec Sturmwind in die Luft und schleuderte sie in eine Sandgrube. Unzählige Bäume von Mannes stärke wurden zerspalten, umgeknickt und ent wurzelt. Viele Dächer wurden total abgedeckt, einzelne Wege waren mit Ziegel- und Schiefer teilen förmlich besät. Auch Gebäude wurden beschädigt, Gartenzäune umgeriffen. Groß sind die Verwüstungen, die das Wetter in Gärten anrichtete. Durch den Schloßenfall wurden zahlreiche Fenster zerschlagen. Auch in den be nachbarten Dörfern hat das Unwetter große Verwüstungen verursacht. Oberwiesenthal. Am Montag früh 3 Uhr brannte das weithinsichtbare und von Keilberg touristen gern besuchte Gasthaus am Hofberg, am Fuße des Keilbergs, am Knotenpunkt mehrerer Straßen gelegen, bis auf die Um fassungsmauern nieder. Ringen Hain. Der Steinarbeiter Friedrich Thomas hier hatte am Sonntag seine Schwester in Ottendorf besucht und ging während des heftigen Gewitters am Abend nach Hause. Auf der Straße nach Neukirch, unweit Müllers Gasthof, wurde er von einem Geschirr über fahren und mußte schwerverletzt in bewußtlosem Zustande nach Hause getragen werden. Das Bewußtsein kehrte auch bis zu seinem andern tags erfolgten Tode nicht zurück. Thomas hinterläßt Frau und Tochter.