Volltext Seite (XML)
^ 98, 29, April 1916. Redaktioneller Teil. Das Inland hat aus den Äntiquariatskatalogen gut bestellt. Die Bibliotheken verwandten den durch das Ausbleiben wissenschaft licher Neuheiten frei werdenden Etat vielfach zur Ergänzung früherer Lücken. Das neutrale europäische Ausland benutzte den niedrigen Markkurz zu grösseren Ankäufen. Hauptsächlich gilt das für die skandinavischen Länder. Holland und die Schweiz hielten sich zurück, ebenso die Vereinigten Staaten von Amerika, was wohl auf die Transportschwierigkeiten zurückzuführen sein dürfte. Die Einkaufsmöglichkeil war nicht besonders groß, Bi bliotheken und einzelne hervorragende Werke erzielten die guten Preise der Friedensjahre. Auch hier kam alles anders, als vorausgesagt wurde. Im Kunstantiquariat sind geradezu glän zende Zeiten, für die teuersten Stiche finden sich potente Käufer in solcher Zahl, daß die Ware knapp wird. Im allgemeinen blickt das deutsche Antiquariat mit ruhiger Zuversicht in die Zukunft. Das Leipziger Kommissionsgeschäft dürste der beste Gradmesser für den Stand des Buchhandels im allgemeinen sein. Bei dem gewaltigen Warenaustausch der Kommissionsgeschäfte werden am ehesten die Rückschläge, die der Krieg zweiscllos dem Handel mit wissenschaftlicher Literatur gebracht hat. durch die guten Geschäfte ausgeglichen, die andererseits den Firmen be schert sind, die sich der Herstellung und dem Vertriebe von Kriegs- Literatur, billigen Romanen. Sammlungen usw. erfolgreich ge widmet haben. Die Umsätze im Kommissionsgeschäft haben sich im Berichtsjahre auf fast 80 7» der normalen Friedensumsätze ge hoben. woraus sich schließen läßt, daß der durchschnitt liche Gesamtumsatz des Buchhandels in Deutschland an nähernd auch diese erfreulich« Höhe erreicht haben wird. Dazu trete» in den besetzten Gebieten noch die bedeutenden Umsätze der Bahnhofs- und Feldbuchhand lungen. die allerdings leider nur wenige» Unternehmern und auch nur wenigen mit diesen in Verbindung stehenden Verlegern zugute kommen und beim Verkehr über Leipzig fast völlig aus- scheiden. Der Gesamtumsatz an deutscher Literatur dürste, wenn er sich auch nach der Art der gekauften Bücher. Zeitungen und Zeitschriften sehr wesentlich verschoben hat. in der Masse dem Verbrauch in Friedenszcitcn kaum wesentlich nachstcheu. Auch über die Zahlungsfähigkeit des Buchhandels, die gleich falls im Kommissionsgeschäft am sichersten beurteilt werden kann, läßt sich im allgemeinen Erfreuliches berichten. Allerdings mag dies darauf zurückzuführen sein, daß auch im Sortiment selbst seit Kriegsausbruch mehr Bargeschäfte als in Fricdenszeiten abgcwick«lt werden, wodurch die flüssigen Mittel manches Ge schäftes erfreulich gestärkt worden sind. Daß die schweren Kriegs zeiten aber auch dem Buchhandel manche Konkurse und Gcschäfts- ausstchten gebracht haben, ist nicht zu verwundern. Die finan ziellen Schwierigkeiten sind aber wesentlich hinter den anfangs gehegten Befürchtungen zurückgeblieben. Rechtlich interessant ist die Stellung des Kommissionärs im Falle der Geschäftsauf- sicht. Wie wir hören, ist von den Kommissionären wiederholt mit Erfolg die Ansicht vertreten worden, daß der Kommissionär von der Geschäftsaufsicht bevorrechtigte Befriedigung seiner neuen und alten Forderungen beanspruchen könne, da der Geschäfts- nufsichtfllhrende infolge der einschlägigen Bestimmungen der buch händlerischen Verkehrsordnung auf die Mitwirkung des Kom missionärs bei der Fortführung des Geschäfts angewiesen ist und ihm deshalb gesonderte Befriedigung zubilligen darf. So erfreulich die Umsätze im Kommissionsgeschäft sind, so wenig erfreulich ist sonst dessen wirtschaftliche Lage. Schon in Friedenszeitcn sind die erhöhten Ausgaben, die der Kommissionär aus Personal- und Packmaterialkonto hat. schwer mit den seit Jahrzehnten gleichgebliebenen Spesenberechnungen in Einklang zu bringen. Die Verteuerungen, die der Krieg besonders für Ge hälter. Löhne und Packmaterialien mit sich gebracht hat, fordern immer gebieterischer eine Revision der Gebührensätze. Schwierigkeiten sind dem Kommissionsgeschäft durch die Aus fuhrverbote für bestimmte Literaturgattungen, z. B. Medizin, Technik, Karten usw.. entstanden. Leider wurden anfänglich be rufliche Sachverständige bei der Bearbeitung dieser Verfügung von den Militärbehörden nicht zugezogen, sonst hätte sich Wohl eine Durcharbeitung der Verordnung in einer Weise erreichen las sen. die die technische Durchführung derselben in einer so kom plizierten Berufsorganisation, wie sie der Buchhandel nun einmal ist, erleichtert hätte. Auch wird viel Klage darüber geführt, daß von den verschiedenen stellvertretenden Generalkommandos die Erlasse nicht einheitlich gegeben und gehandhabt werden, so daß im Beruf eine große Unsicherheit eintritt. Die Schwierigkeiten, die durch Verzögerungen im Post- und Bahnverkehr, durch Ver schärfungen bei der Aufstellung der Deklarationen, durch stellen- weis« Aufhebung des Nachnahmeverkehrs in manche unweit der Verteidigungslinie gelegenen Gebiete entstehen, sollen, da unver meidlich, nur nebenbei erwähnt werden. Das Ubersee-Geschäft ruht fast vollständig. Die Warenver- sendnng ist meist nur als Kreuzband möglich, und auch da pflegt die Post oft die Annahme zu verweigern, wenn ein Versendungs- Weg. der kürzlich noch offen war. neuerlich wieder dom Feinde verstopft wurde. Nur wenige einflußreiche Firmen in neutralen Überseeländern, die durch den Nachdruck ihrer Regierungen sich Durchlaßbescheinigungen erwirken kounten, können ab und zu noch größere Sendungen erhalten. Das Geschäft mit dem an- grenzenden neutralen Auslande hat sich hingegen sehr gehoben, ein erfreuliches Zeichen dafür, daß in der Welt doch ein starker Bedürfnis nach deutschen Schriftwerken besteht, so daß diese auch viel auf dem Umwege über das neutrale Ausland gekauft werden. Die Organisation des Barsortünents scheint sich im Krieg« besonders zu bewähren; denn wie wir hören, haben die Umsätze dort fast die Friedenshöhc wieder erreicht, woraus sich schließen läßt, daß die Verkehrsschwierigkeilen, die der Krieg mit sich gebracht hat, das Sortiment besonders veranlassen, den einfachen Verkehr mit dem Barsortiment zu bevorzugen. Das Barsortiment hat deshalb ganz besonders schwer am Mangel gut eingearbeiteter Kräfte zu leiden, sodaß es nur unter erheblichen Opsern und unter Verzicht auf Verdienst seinen Be trieb aufrecht erhalten kann. Zur Verminderung seiner Spesen hat das Barsortiment die Begründung einer besonderen Gesell schaft. des »Barsortiments-Katalog-Verlages G. m. b. H.«, durch- geführt, durch die zukünftig nicht nur die Lagerverzeichnisse, son dern fast sämtliche Vertriebsmittel, die das Barsortiment dem Sortiment zu Propagandazwecken zur Verfügung stellt, ange fertigt werde» sollen. Es ist zu begrüßen, daß durch diese Maß nahme voraussichtlich die wichtige Propagandaarbeit, die das Barsortiment stets im Interesse des Gesamtbuchhandels geleistet hat, zukünftig auch durch den Krieg keine wesentliche Einschrän kung erleiden wird. I» eine schwierige Lage ist das Barsortiment durch die zahlreichen Preiserhöhungen geraten, di« die Verleger, gezwungen durch die enorme Verteuerung ihrer Herstellungskosten, in sehr vielen Fällen haben vornehmen müssen. Die Lagerverzeichnisse der Barsortimente und deren Nachträge verlieren dadurch sehr an Zuverlässigkeit, da beispielsweise allein im letzten Jahre mehr als 6000 Barsortimentsartikel im Preise verändert werden mußten. Die Expeditionen der Barsortimente haben große Mühe, diesen zahlreichen Änderungen zu folgen und so ihre Firmen vor unabsehbaren Schäden, die durch falsche Berechnungen ent stehen können, zu bewahren. Sofern die Preiserhöhungen sich gleichmäßig auf Ladenpreis und Buchhändlerpreis erstrecken, sind sie immerhin für Sortiment und Barsortiment, abgesehen von den entstehenden Schwierigkeiten und Fehlerquellen, erträg lich und durch die Notlage der Verleger begründet. Eine scharfe Zurückweisung nötigenfalls durch Ausschluß vom Vertriebe durch das Barsortimcnt müssen aber diejenigen Fälle erfahren, in denen der Verleger ohne Erhöhung des Ladenpreises seine Mehraus gaben nur dadurch auszugleichen sucht, daß er dem Sortiment oder Barsortiment den Zwischengewinn beschneidet. Der Lehrmittelhandel ist durch den Krieg stark be einträchtigt worden. In den heimischen Schulen herrscht Lehrer- Mangel, und der begreifliche Wunsch der Stadt- und Gemeindever waltungen. wo irgend möglich zu sparen, läßt die sonst zu Ankäu- sen verfügbaren Mittel spärlicher fließen. Deshalb kommen auch, bis auf die patriotischen Bilder und Porträts der Heerführer, die in großer Mannigfaltigkeit erschienen sind, wenig neue Lehr- 499