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für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter R-omzeU- rvRpfg di-«gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen ««eich». Uchri2bm-E-s^ "k-lich-n Teile I Reichsmark. Nachweisung-gebühr Ai Reichsp,ennige. B.» Fernsprecher- Amt Wilsdruff Nr, 6 ««^^"^^"""teltenAnzeig-nüb-rnehmcn wir Keine Garantie. JederRadattanspruch erlischt'wenn dcrBe«a^d«ch »gezogen werden mutz oderderAufttaggeberin Konkurs gerat. Anzeigen nehmen alle Vermittlungsstellen entgeg^. Nr. 216 — 89 Jahrgang Dienstag, Sen 16. Sept 1936 s Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtsdauvlmannschatt Meiste» de- Amts, geeicht- und des Stadtrat- zu Wilsdruff, d°s Farstrentamts Tharandt und des Finanzamts Naffeu behördlicher^ Blach Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, D« -Wilsdruffer Tageblatt' erscheint an allen Werktagen nachmittags 5 Uhr. Bezugspreis: Bei Abholung in dm Geschäftsstelle und den Ausgabestellen 2 RM. im Monat, bei Zustellung durch Lie Boten 2,30 RM., bei Postdeftellung 2«W. zuzüglich Abtrag. —. - ,, . gebühr. Einzelnummern lbRpf,.AllePostanstalten WpcheNvla11 sUV Wilsdruff U. UMgLgeNÄ PoftbotenundnnsereAus. trügerund Geschäftsstellen - — nehmen zu jeder Zeit Be ¬ stellungen entgegen. Im Falle höherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Betriebsstörungen besteht kein Anspruch auf Lieferung der Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Rücksendung elngcfuudter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto beiliegt. T-legr.-Adr.: .Amtsblatt« WUsDruff-DresdeN Postscheck: Dresden 2640 Oer Sieg der Opposition. Ein mißlich' Ding ist's, politische Prophezeiungen von sich zu geben, noch mißlicher, wenn es sich dabei um den Wahlausgang handelt; meist kommt es dabei ganz anders als man denkt. So bedeutet denn auch das Er gebnis der Reichstagsneuwahl — das wird von rechts bis links zugegeben — eine große Überraschung, die vor allem gekennzeichnet wird durch ein Anschwellen der nationalsozialistischen Stimmen und demgemäß auch der Neichstagsmandate, wie sie in der Geschichte des Deutschen Reichstages einfach noch nicht dagewesen ist; denn noch nie ist es einer Neichstagsfraktion gelungen, ihre Zahl durch eine Neu wahl zu verneunfachen, von einer Mandatsziffer, die nicht einmal — weil unter 15 liegend — für die Geltend machung der Fraktionsrechte ausreichte, nun zurzweit - stärksten Partei im Reichstag zu werden. Wenn man auch allgemein auf Grund der Erfolge dieser Partei bei den letzten Länder- und Kommunalwahlen mit einem starken Anschwellen der Mandatsziffer rechnete, so mag vielleicht diefes Ergebnis, wie es jetzt vorliegt, selbst die Führer und Anhänger der Nationalsozialistischen Partei überrascht haben. Man hatte ja überhaupt erwarten zu müssen geglaubt, daß die radikalen Flügelparteien erheblich anwachsen wür- oen, aber das Schwergewicht ist weit, weit mehr nach dem nationalsozialistischen Flügel hin verschoben worden. Ge wiß hat sich auch die Zahl der kommunistischen Stimmen und Mandate gemehrt, aber das Anwachsen ihrer Frak tion um einige zwanzig Sitze bedeutet doch nur eine Ver mehrung um „nur" 40 Prozent. Zusammengenommen aber sind diese beiden radikalsten Oppositionsparteien gegen das Kabinett Brüning durch die Stellungnahme des deutschen Wählers auf den etwa dreifachen Umfang ge bracht worden. Das ist ein Sieg derOpposition, bei dem aber die Nationalsozialisten weitaus den Löwen anteil davontragen. Die Frage nach den Gründen dieses Sieges ist natür lich seh: schwer zu beantworten, wobei übrigens sich noch nicht einmal sagen läßt, inwieweit „Gründe" oder „Stim mungen" bei den Wühlern wirkten. Wahrscheinlich ist beides der Fall, aber politisch ist es ziemlich müßig, dar über Betrachtungen anzustellen, sondern man hat sich hauptsächlich an die Tatsache dieses Ergebnisses zu halten. Und diese Tatsache ist eben die Verdreifachung der Mandatsziffer auf den unbedingt oppositionellen Flügeln. Einer Partei seine Stimme bei der Wahl geben heißt ja noch lange nicht, nun auch ein geschworener Anhänger dieser Partei zu sein; im Resultat der diesmaligen Wahl kommt eben vor allem eine entschieden oppositionelle Stellung gegenüber der Politik und den Maßnahmen ins besondere des Kabinetts Brüning zum Ausdruck. Dieses Kabinett, als das derzeitig verantwortliche, bat natürlich auch die schwere Last der Wirtschaftsnot und der furcht baren Arbeitslosigkeit zu tragen, Zustände, die sich er fahrungsgemäß stets im Sinne einer politischen Radika lisierung auswirken. Auch die Deutschnationalen, soweit sie ihrem Führer Dr. Hugenberg Gefolgschaft leisteten, gehörten ebenso wie die Sozialdemokraten zur Opposition, aber die Welle der Radikalisierung brandete über sie hinweg. Während die Sozialdemokraten immerhin an Stärke etwas verloren haben, aber nur rund zehn Mandate, büßten die Deutsch- nationalen diesmal rund 45 Prozent der 1928 für diese Partei abgegebenen Stimmen ein. Das entspricht auch etwa der Zahl jener Deutschnationalen, die im Laufe des letzten Jahres aus der Fraktion und der Partei aus- geschieden waren. Die aus dieser Trennung hervor gegangenen Parteien haben es zusammen auf etwa 40 Mandate gebracht Von den eigentlichen Mittelparteien haben das Zen trum — also die Partei des Reichskanzlers — und die Bayerische Voltspartei ihren Mandatsbesitz mehren können; andererseits aber hat die Deutsche Volkspartei fast ein Drittel ihrer Reichstagssitze verloren und ein Fünftel hat auch die ehemalige Demokratische Partei ein gebüßt, trotz ihrer Verschmelzung mit dem Jnngdeutschen Orden und der Umgründung zur Staatspartei. Mit ihrem alten Bestand kehrt die Wirtschaftspartei in den neuen Reichstag zurück. Aber bei all diesem Anschwellen dieser, bei den Ver lusten oder dem Stehenbleiben jener Parteien ist an einem nicht vorübcrzugehen, was dem Gesicht dieser Feststellun gen einen bedeutsamen Zug gibt und — wobei man auch von einer glücklicherweise nicht eingctroffenen Prophe zeiung sprechen darf: die Wahlbeteiligung ist zahlenmäßig diesmal beträchtlich großer gewesen als am 20. Mai 1928. Daraus ergibt sich, daß die jetzige Wahl auch deutlicher die politlschen Stimmun - gen und Ansichten des deutschen Zolles zum Ausdruckgebracht hat als damals und das ist unbedingt zu begrüßen, gleichgültig, wie nian partei politisch zum Ergebnis der Wahl stehen mag. Darum werden aber auch, wenn der Reichstag verfassungsmäßig spätestens dreißig Tage nach der Neuwahl zusammeE allerdings auch entsprechend mehr Mandatsttager als Vertreter des deutschen Polkes den Rcichstagssaal füllen und deren Zahl wird nun nicht mehr allzu wert unter^der 800 bleiben, also eine Höhe erreichen, wie sie dreier noch nie gesehen hat. Wie M die me Wenig? Der MW«« der Wahl. Der erste Eindruck, den die vollzogene Wahl hinter läßt, ist zweifellos der einer gewaltigen Über raschung. Und diese Überraschung besteht in dem auch in den kühnsten Vorberechnungen nicht in Anschlag ge brachten Sieg der Nationalsozialistischen Partei. Man hatte ihr Vordringen erwartet, auch ihre Gegner waren aus 50 bis 60 Mandate gefaßt gewesen. Der Sprung, den sie gemacht hat, von 12 Sitzen im aufgelösten Reichstag bis auf 107 im neuen, also fast eine Verzehnfachung, wirkt überwältigend. Ein solches überrennen aller hemmen den Schranken durch die bisher im Parlament nur durch ein Dutzend Abgeordnete vertretenen Partei steht in der deutschen politischen Geschichte beispiellos da. Mit einem Schlage haben sich die Nationalsozialisten von einer ge ringen Zahl im Reichstag auf die Stelle der zwcit- stärksten Fraktion cmporgerungen, an der Menge der Sitze nur noch von den Sozialdemokraten übertroffen, die an erster Stelle geblieben sind, obwohl sic zehn Man date verloren haben. Die radikalere Richtung des Sozialis mus, die Kommunisten, konnten ihre Mandatsziffer um 22, von 54 auf 77 Sitze, vermehren. Welche innen- und außenpolitischen Folgerungen aus der enormen Macht verschiebung durch den Triumph der Nationalsozialisten zu ziehen sind, ist einstweilen noch nicht zu übersehen. Der neue Reichstag. Die stärkere Beteiligung bei der jetzigen Wahl hat eine wesentliche Vermehrung der Mandate im Reichstag herbeigeführt, da bekanntlich aus 60 000 abgegebene Wählerstimmen je ein Abgeordneter entfällt. Im kom menden Reichstag w erden also statt der 490 bzw. 491 Volksvertreter in dem am 20. Mai 1028 gewählten Parla ment ungefähr 572 sitzen. Die Wahlbeteiligung umfaßte damals 74 >4 Prozent, diesmal bewegte sie sich wahrschein lich um 85 oder mehr Prozent. Es wurden 34 943 460 Stimmen abgegeben gegen 30 738 881 Stimmen im Jahre 1928. Im neuen Reichstag werden sitzen: Sozialdemokraten 143 (153) Deutschnationale 41 (78) Zentrum 68 (61) Kommunisten 76 1541 Deutsche Volkspartci 30 (45) Deutsche Staatspartei 20 (25) Wirtschaftspartei 23 (23) Nationalsozialisten 107 (12) Landvolkpartci 18 (13) Konservative Volkspartci 5 (— > Christlichsoziale 14 (4) Bayerische Volkspartei 19 (16; Deutsche Bauernpartei 6 (3) Landbund 3 (—) Hannoveraner 3 (3) Kleine Veränderungen können bei der endgültigen Feststellung noch eintreten, da auch die aus den Neichs- listen zu ziehenden zusätzlichen Mandate noch Verschiebun gen ergeben können; im großen und ganzen ist die Auf stellung jedoch zutreffend. Die Einberufung ist für den 14. Oktober vorgesehen; es verlautet, daß vorher keine Regierungsbildung er folgen soll. Reichspräsident von Hindenburg übte sein Wahlrecht in einem Lokal in der Berliner Jäger- stratze aus, nicht allzuweit entfernt von seinem Palais in der Wilhelmstraße. Im gleichen Raum wählte auch eine Anzahl der Minister. Stimmenverteilung. Im Reiche erhielten insgesamt Stimmen: Sozial demokraten 8 572 016 (1928:9 151 059), Deutschnationalc 2 458 497 (4 380 029), Zentrum 4 128 929 (3 711 141), Kom munisten 4 587 708 (3 263 354), Deutsche Volkspartei 1576149 (2 678 207), Deutsche Staatspartei I 322 608 (1504148), Wirtschaftsparlei 1 360 585 (1 395 684), Bäue rische Volkspartei 1 058 556 (945 304), Nationalsozialisten 6 401 210 (809 771), Landvolk 1 562 843 (581 519), Bauern partei 339 072 (480 947), Landbund 193 899 (199 513), Kon servative 1 395 455, Christlichsoziale 867 377, Brüning Wischen Rechts und Ms Berlin, 15. September. Obwohl die nunmehrigen Pläne der Regierung Brüning offiziell noch keineswegs seststehen, und noch viel Weniger vorausgefehen werden kann, welches Ergebnis die geplante Fühlungnahme des Reichskanzlers mit den Parteien haben wird, geht man nicht fehl in der Annahme, daß man in Re- gierungskrciscn die Reibungsmöglichkeiten zur Durchsetzung des Regierungsprcgrammes in einer Fühlungnahme mit links erblickt. Jedenfalls scheinen die Schwierigkeiten und Reibungsmöglichkeiten bei einem Zusammengehen der Regierung Brüning mit der Rech ten wesentlich größer, zumal die Bedingung der Deutschnationa len, der Natonalsozialisten und neuerdings auch die Wirtschafts partei für ein Zusammengehen mit den Mittelparteien eine Auf lösung der bisherigen Koalition auch in Preußen ist. Heber die preußische Koalition wird man aber höchstens die Wähler selbst entscheiden lassen wollen. Wie der Ehrenspruch jetzt aussallen würde, dürste nach dem Ergebnis der Reichstagswahlen kaum zweifelhaft jein. Es scheint, daß die Regierung die Absicht Hot, unter Beibehaltung ihres Charakters als Regierung ohne parla mentarische Bindungen in ihrer Fühlungnahme nach links auch ihr sachliches in den Notverordnungen angebahntes Reform- und Sa- nierungsprvgramm durchzusetzen. Wie eine Zustimmung der SPD. zu diesem Program und damit eine Garantie für die posi tive Mitarbeit der SPD. im Reichstage erreicht werden kann, ist unter diesen Umständen schwer zu sagen. Sollte sich jedoch ein Zu sammengehen des Kabinetts Brüning weder mit Rechts noch mit Links ermöglichen lassen, so würde, falls auch der Reichspräsident auf dem Kabinett Brüning und seinem Programm besteht, nur noch ein Hinzuzichen der parlamentarischen Entscheidungen mit verfassungsmäßigen Mitteln übrig bleiben und eine spätere Neu auflösung des Reichstages unter gleichzeitigen Neuwahlen auch in Preußen wäre unvermeidlich. Die Wtrtschastspartei für eine Koalition mit den Nationalsozialisten Die Parteiführung der Wirtschaftspartei erklärt, daß die Wirtschaftspakte! geneigt sei, sich an jeder Regierungskvalition im Reich zu beteiligen, die durch eine gründliche Aenderung des Fi nanzausgleiches die Selbstverantwortlichkeit von Ländern und Ge meinden auuf finanziellem Gebiet wiederherstellt und die Son- derbclastung des Mittelstandes durch Gewerbe und Hauszins steuer beseitigt. Die Berwaltungsabgabe habe die Wirtschastspar- tei nur als Uebergangslöfung gutheißen können. Sie erinnere daran, daß ihre finanziellen Forderungen im alten Reichstag aus den entschiedensten Widerspruch der Sozialdemokraten gestoßen seien und glaube nicht, daß die Sozialdemokratie setzt eine andere Stellung einnehmen werden. Infolgedessen werde die Wirt- schaftspartei auch geneigt sein, sich an einer Koalition mit den Na tionalsozialisten zu beteiligen. Der Reichskanzler bleibt in Zemr. Baldige Besprechung mit den Parteien.^ Wie zuverlässig verlautet, wird der Reichskanzler seinen geplanten Erholungsurlaub nunmehr nicht an treten. Er bleibt in Berlin, um hier die notwendig wer denden politischen Besprechungen selbst leiten zu können. In den nächsten Tagen wird zunächst eine Ministerbespre- chung über die Gesamtlage stattsinden, in der, wie man in Regierungskreisen annimmt, der Beschluß des Reichs kanzlers, unter allen Umständen im Amte zu verbleiben, gebilligt werden wird. Im Anschluß an die Ministerbc- sprechung wird man dann mit den politischen Parteien Fühlung nehmen, um sestzustellen, innerhalb welcher par lamentarischen Konstellation die Reichsregierung ihr fi nanzpolitisches und wirtschaftspolitisches Sanierungspro gramm mit den geringsten Reibungen durchführen kann. 6eichs1ags2ulsmmeniiM am IZ Oktober? Berlin, 15. September. Nach Mitteilungen von gutun- terrichleter Seite wird dor neue Reichstag wahrscheinlich am 13. Oktober, also am letzten Tag vor Ablauf der versasfungsmäßi- gen Frist, zum ersten Male zusammentreten. * Bestürzung an der Newyorker Börse. Deutsche Papiere beginnen zu fallen. Die Newporter Börse ist über den Ausgang der Reichs tagswahl offensichtlich bestürzt. Die Neparationsbonds sanken binnen weniger Minuten aus 85,25 und liegen damit rund fünf Punkte unter dem Ausgatekurs. Sämtliche übrigen deutschen Werte, insbesondere die Reichsanleihe wurden stark in Mit leidenschaft gezogen und verloren durchschnittlich 0,75 bis einen Punkt. Auch in London schlossen an der Mittagsborse die deutschen Anleihen schwach, namentlich die 5L)Prozenttge An leihe verlor 1,25 Punkte. MtMMsche WerWskreise W ReWiagsm-l Neuyorl, 15. September. Wie aus Washington gemel det wird beurteilen die amerikanischen Negierungskreife die durch die Neuwahlen geschaffene Lage in Deutschland überaus zurück haltend. Das Weiße Haus und das Staatsdepartement sind be müht, sich auf Grund stündlich eingehender zahlreicher Berichte ein richtiges Bild zu machen. Die deutsche Botschaft, sowie der zur Zeit in Washington cnwesende Reichsgerichtspräfident a. D. Dr. Simons gaben beruhigende Erklärungen ab. Sie fügten hinzu, daß keinerlei außen- oder innenpolitische Sensationen zu erwarten seien. Diese Erklärungen trugen viel zur nüchternen Beurteilung der Ergebnisse der Reichstagswahl bei.