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Verordnung zur Erhaltung der Wertbeständigkeit für die Gehalts- und Lohnbezüge aller Arbeiter, Angestell ten und Beamten in Reich, Ländern und Gemeinden zu erlassen- Es ist zu bestimmen, daß die jeweils vereinbarte Entlohnung in ein bestimmtes Verhältnis zur amt lich festgesetzten Kaufkraft der Reichsmark (Lohn- mehziffer) gebracht wird. Nach dem gleichen Index sind die Sozialrenten und Unterstützungen wert beständig zu gestalten. Die zuständigen Stellen sind anzuweisen, Tarifverträge, die Klauseln zur Sicherung der Wertbeständigkeit des Einkommens enthalten, für rechtsverbindlich zu er klären. Aufträge des Reichs sind nur solchen Firmen zu vergeben, die für ihre Arbeitnehmer die Wertbeständig keit der Entlohnung eingeführt haben. Politische Tagesschau. Polnische Erpressung gegen Danzig. Seit Freitag herrscht an der Danzig-polnischen Grenze von feiten Polens eine Sperre fücLebensmittel- sendungen nach Danzig. Die Grenzstellen nahmen den nach Danzig reisenden Personen sämtliche Lebensmit tel, die sie bei sich führten, weg. Händlern wurde ge stattet, gegen Erhebung einer Steuer von 70 Prozent Lebensmittel über die Grenze einzuführen. Da sich aber sämtliche Händler weigerten, die Steuer zu zahlen, weil sie nicht wagten, die dadurch versteuerten Waren in Danzig anzubieten, ist seitFreitag nichts über die Grenze gebracht worden, obwohl Polen durch Vertrag zur Lebensmittellieferung verpflichtet ist. Auch die Milchlieferungen und Viehtransporte wurden an der Grenze ungehalten. Diese Maßnahmen zielen ersichtlich darauf, Danzig wehrlos und dem pol nischen Willen gefügig zu machen, da Polen jetzt in Genf eine Niederlage erlitten hat. * Der Nerfassungstag als Rhein- und Rührt ag. Wegen der Feier des Verfassungstages ist die Reicktzregierung laut einer amtlichen Mitteilung mit den Landesregierungen bereits in Verbindung getreten. Die Feier soll diesmal mit einem Rhein- und Ruhrlag'' verbunden werden. Sie soll den Gefühlen der Ge- schlosferheit Deutschlands, des Dankes an die leidenden Brüder im Westen und des festen Entschlusses, Rhein und Ruhr für unser Vaterland zu erhalten, im Zusammenhang mit dem allgemeinen Bekenntnis zum Staat und seiner Verfassung starren Ausdruck geben. Die Beihilfe zur Behebung kultureller Notbestände. Der Haushaltsausschutz des Reichs tages genehmigte die Richtlinien für die Verteilung 2er Beihilfen zur Behebung kultureller Notstände in der Weise, daß 45 Prozent durch das Reich und 45 Prozent durch die Länder verteilt werden. Der Rest von 10 Pnzent verbleibt als Reserve beim Reichsministerium des Innern. Aufruf für ein Schlageter-Denkmal in Baden. Unter der Schirmherrschaft des Generalfeld marschalls von Hindenburg, des Großadmirals von Tir- pitz und des Generalobersten Graf von Bothmer soll in Baden ein Schlageter-Denkmal errichtet werden. Ein Aufruf zur Spendung von Beiträgen wurde in der Presse veröffentlicht. Polen. Ein Duell zwischen Erpräsident und Kriegsminister. Gestern früh hat in Warschau ein unblutig verlaufenes Duell zwischen dem jetzigen Kriegsminister Grafen Szamptzci und dem früheren ^Prä sidenten Marschall Pilsudski stattgesunden. Der Minister- Halte sich durch einen äußerst scharfen Angriff Pilsudskis gegen den Kricgsrat beleidigt gesunden und den Marschall zu einem Duell in Warschau gefordert. Spanien. Politische Spannung in Spanien. Die poli tische Lage ist äußerst kritisch. In der Senatsfitzung kam es zu einem heftigen Zwischenfall zwischen dem Präsidenten des Oberkriegsgerichts General Auguillera und dem Chef der konservativen Hauptpartei Sanchez- guerra. Dieser ohrfeige den General. Trotz erfolgter Aussöhnung erscheint ein Duell unvermeidbar. Gene ral Auguillerra erhielt Sympathiekundgebungen aus dem ganzen Lande, namentlich vom Heer. Der General drohte im Senat mit den hinter ihm stehenden Gruppen. Die Lage ist dadurch kompliziert, daß Auguil lerra beleidigende Ausdrücke eines Briefes an den früheren Ministerpräsidenten Sanchezguerra nicht zurück- nahm. Die Negierung sucht das Ansehen und die Würde des Senats zu wahren, wagt aber nicht, sich dem Präsi denten des Obermilitärgerichtshofes gegenüberzustellen. Amerika. Hardings Dank an Millerand. Der Prä sident der Vereinigten Staaten hat an Millerand ein Telegramm gerichtet, in dem er die Wünsche des fran zösischen Präsidenten, die dieser ihm anläßlich der Un abhängigkeitsfeier zum Ausdruck brachte, mit Worten des Dankes selbst erwidert. Kurze politische Mitteilungen Das sächsische Anleihegesetz wurde vom Landtag gegen die Stimmen der Deutschnationalen angenommen. Die sozialdemokratische Reichstagsfraktion brachte im Reichstage einen Gesetzentwurf zum Schutze der Währung ein. Es sind darin Strafen bis zu 5 Jahren Zuchthaus für denjenigen enthalten, der Rechtsgeschäfte vornimmt, die die deutsche Währung schädigen. Der Reichsausschutz der deutschen Landwirtschaft hat zum Nachfolger des verstorbenen Vorsitzenden Edlen von Braun Freiherrn von Wangenheim-Kleinspiegel gewählt. Aus dem Ruhrgebiet wurden wieder 443 Reichsbe amte ausgewiesen; alle deutsche Zeitungen in Düsseldorf sind von der Besahungsbehörde verboten worden. Präsident Harding erklärte bei Gelegenheit einet Marine-Festlichkeit, er hoffe, daß die englische und ameri- lanische Flotte dazu berufen sein werden, den Frieden der Welt aufrechtzuerhalten. An der Feier nahmen auch Matrosen eines englischen Kreuzers teil. Aus aller Welt. * Zwei Berliner Ringbahnzüge zusammengestoßen. Am Sonnabend nachmittag um ^4 Uhr stießen auf dem oberen Bahnhof der Station General-Pave-Straße in Schöneberg zwei Rinabahnzüge mit solcher Gewalt zu sammen, daß eine Lokomotive und fünf Wagen aus den Schienen geworfen und stark beschädigt wurden. Von den Passagieren der beiden Züge wurden drei schwer und sechzig leicht verletzt. Die Ursache des Zusammenstoßes soll auf Versagen der Bremse eines Zuges zurückzuführen sein. * Schrecklich zugerichtet hat sich der 35 Jahre alte Schankwirt Heinrich Barz aus OLerschöneweide bei Ber lin. Der seit einigen Tagen Verschwundene wurde in der Waschküche des Friedhofsinspektors auf dem Kirch hof der Gemeinde Oberschöneweide blutüberströmt auf- gesunden. Er hatte sich mit einem Veil die Schädeldecke zu zertrümmern versucht. Als ihm das nicht gelungen war, hatte er aus einer Flasche Gift getrunken und sich mit einem Kittmesser, wie es die Glaser haben, beide Pulsadern und die Schläfe zerschnitten. Als ihn die Beamten auffanden, bat er sie, ihn doch zu erschießen, und als die Polizisten das natürlich ablehnten, verlangte er einen Revolver, um sich selbst zu entleiben. Der Un glückliche wurde nach dem Hospital geschafft. * Von internationalen D-Zug-Dieben wurde auf dem Anhalter Bahnhof in Berlin einem Vertreter der Zigarettenfabrik Earbatti, der nach Holland reisen wollte, aus seinem Abteil ein Scheck über 14 822 hollän dische Gulden gestohlen. Der Bestohlene hatte seinen Koffer mit dem Scheck in das Gepäcknetz gelegt und war aus den Gang hinausgetreten. Sofort entstand in dem Abteil ein Gedränge und großer Lärm, und er konnte nur hören, daß man einen Dieb auf frischer Tat ertappt hatte. Erst als er wieder seinen Platz einnehmen konnte, entdeckte er den Verlust. Der ganze Lärm und das Ge dränge waren von einer Bande internationaler Taschen diebe künstlich hervorgerufen worden. * Ruchloses Treiben einer Kirchenräuberbande. Außerordentlich schwere Verwüstungen hat eine Räuber bande, deren Spur nach Frankfurt führt, in den Kirchen einiger Taunusorte angerichtet und den Gemeinden einen nach Millionen zählenden Schaden zugefügt. In Wernhorn und Pfaffenwiesbach beraubten sie die Orgeln Schicksalswende. Roman von A. Seifert. t0. Fortsetzung. (Nachdruck verboten.) Almida stand vor dem rcichgeschnitzten Büchcrspinde, in welchem, aufs beste geordnet, die Werke der Klassiker ßch aneinanderreihten. Sie wählte den Eid von Herder und begann mit Ihrer «eichen Altstimme zu lesen: - »Mit zerriss'nem Trauerschleier - Sprach Ximene jetzt zum König: Tränen schwollen ihre Augen, Wie war sie in Tränen schön! sSchön wie die betaute Rose Glänzte sie in ihren Tränen; »Schöner blühten ihre Wangen Glühend in gerechtem Schmerz. „König", sprach sie, „edler König, Schaffe mir Gerechtigkeit! . . Da näherten sich dem Zimmer feste Männerschritte, Ke Tür wurde mit emem Ruck geöffnet: Herr Weng dorf stand auf der Schwelle. Er nahm mit sichtlicher Befriedigung das anmutige Bild in sich auf, die hübsche, strickende Frau am Fenster, und vor ihr das schöne Mädchen, dessen wohllautende Stimme wie Musik klang. Er kam schnell heran. „Wir haben heute vier Herren zu Tisch, Olga, um vier Uhr wird gegessen." Ohne eine Antwort abzuwarten, war er wieder hinaus. Almida schwieg, weil sie glaubte, die Hausfrau werde setzt einige Anordnungen treffen. Diese aber sagte lakonisch: „Weiler!" voll« Stunde verging so. Dann wurde Al mida entlassen. „Sie können jetzt ein Weilchen in den Garten gehen, Fräulein. Punkt zwei Uhr gehen wir zu Tisch. Später mögen sie ihre Sachen auspacken und ordnen, meinetwegen auch einen Spaziergang machen. Ich gebe ihnen den ganzen Nachmittag frei. Um acht Uhr des Morgens frühstücken wir.' Almida erhob sich. Sie zögerte einen Moment. Hatte Frau Wengdorf verge ben, daß ihr Mann um vier Uhr mit keinen Gästen zu speisen wünschte? Aber sie war noch zu fremd, um die Dame daran erinnern zu dürfen. „Legen sie das Buch auf meinen Nähkorb, Fräu lein, es liest sich nett, vielleicht gucke ich nachher selber ein bißchen hinein." Almida tat, wie ihr geheißen und ging in ihr Zimmer, welches ein freundliches Mädchen ihr ange wiesen hatte. Es war ein behaglich ausgestatteter Naum, in den grünes Lindenlaub hineinschaute. Ein bequemer Sessel stand am Fenster. Almida glitt hinein. Ihr Kopf schmerzte. Sie fühlte sich so angegriffen, als habe sie wer weih welche anstrengende Arbeit voll bracht. So hatte sie sich das Abhängigkeitsverhältnis nicht oorgestellt. Es nahm sie furchtbar mit. Sie kam sich wie verwandelt vor. Wenn sie früher auch sehr glücklich gewesen war, so hatte sie doch nicht geahnt, ein wie beneidenswertes Leben sie geführt hatte! Die Erkenntnis, welch ein hohes Glück die schranken lose Freiheit des Denkens und Handelns für uns be deutet, kam ihr erst jetzt, nun sie sich in einen frem den Willen zu fügen, in fremdes Wesen hineinzuversetzen hatte. Sehr seltsam Md wenig sympathisch mutete alles hier ihrer Zinnpseifen, so daß die Instrumente völlig un brauchbar geworden sind. In Pfaffenwiesbach wurden zudem an der Orgel noch alle wertvollen Teile aus reinem Uebermut zerstört. Von der gemeingefährlichen Bande fehlt jede Spur. Da zu befürchten ist, daß andere Kirchen das gleiche Schicksal haben können, richteten die dortigen Bewohner Nachtwachen zum Schutzs ihres ge meinsamen Eigentums ein. * Wie man den Klempner spart. Aus einer sehr merkwürdigen Veranlassung wurde die Berliner Feuer wehr nach der Palisadenstraße 95 alarmiert. Dort war das Klosett in einer Wohnung verstopft. Um den Klempner zu ersparen, rief man die Feuerwehr. Der Täter wurde zur Feststellung der Polizei übergeben und hat nun die Kosten der Alarmierung zu tragen. * Aus dem Flugzeug gestürzt. Auf dem Flugplatz d'Evere bei Brüssel stieg vor wenigen Tagen ein Flieger leutnant, Demblon, zusammen mit dem Unteroffizier Dubois als Beobachter auf. Als der Apparat landete, war Demblon allein in dem Flugzeug. Er hatte keine Ahnung, wo sein Mitfahrer unterwegs „ausgestiegen" sein könnte, und er erinnerte sich nur noch, daß das Flugzeug einmal beinahe gekippt wäre. Wahrscheinlich sei sein Genosse bei der Gelegenheit herausgefallen. * Eisenbahnunglück. Aus Kopenhagen wird ge meldet: Am 5. Juli abends entgleiste in der Nähe von Drammen der von Skied kommende Eisenbahnzug. Eine Frau wurde getötet, 13 bis 14 Personen sind schwer verletzt. Lohnbewegungen und Streiks. Die Verhandlungen über die Erhöhung der Bezüge der Reichsbeamten und Angestellten für Juli führten zu einer Verständigung. Der Teuerungszuschlag wird auf 237 Prozent ab 1. Juli erhöht. Die Frauen zulage beträgt künftig 166 000 Mark. Dies stellt eine Erhöhung von 80 Prozent dar. Die Nachtdienstzulage werde verdoppelt. Die höchsten Ortssonderzuschläge sind etwas gekürzt worden, dagegen werde die Besatzungs- Zulage von 80 000 auf 144000 Mark und die Kinder zulage zur Besatzungszulage auf 28 000 Mark erhöht. Auck die Sätze für die Ortssonderzuschläge wurden ent sprechend nach oben revidiert. — Auch die Verhand lungen mit den Reichsarbeitern haben keine Einigung herbeigeführt. Zum Streik der Berliner Metallarbeiter hat der...erste Vorsitzende des Berliner Eewerbegerichts eine Vermittlungsaktion eingeleitet, indem er die Par teien zu einer Vorbesprechung am Montag vormittag geladen hat. Aus dem Gerichtssaal. Urteil im Prozeß Fuchs Machhaus. Am Montag wurde vom Münchener Volksgericht das Urteil im mittag wurde vom hiesigen Volksgericht das Urteil im Hochverratsprozeß Fuchs—Machhaus verkündet. Der . Angeklagte Dr. Fuchs wurde wegen Verbrechens des Hochverrats zu zwölf Jahren Zuchthaus, zwei Millionen Mark Geldstrafe und Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte auf die Dauer von zehn Jahren verurteilt. Der angeklagte Kohlenhändler Muncks wurde wegen Verbrechens der Mithilfe zum Verbrechen des Hochver rats zu einem Jahr drei Monaten Zuchthaus, drei Mil lionen Mark Geldstrafe und Aberkennung der bürger lichen Ehrenrechte auf die Dauer von drei Jahren ver urteilt. Muncks ist aus dem Reichsgebiet auszuweisen. Angeklagter Berger und die Brüder Gutermann wurden von der Anklage freigesprochen. Das Urteil, das 40V Schreibmaschinenseiten umfaßt, wurde einstimmig gefällt. Das Urteil im Köhn-Prozeß. Im Köhn-Prozeß wurde gestern das Urteil gefällt. Der Angeklagte Köhn wurde wegen fortgesetzten Betruges im Wiederholungs fälle, wegen gewerbsmäßigen Glücksspiels und wegen Konkursvergehens unter Zubilligung mildernder Um stände zu vier Jahren Gefängnis und fünf Jahren Ehr verlust und 100 000 Mark Geldstrafe verurteilt. Die übrigen Angeklagten wurden wegen Beihilfe zum Be trüge und zum Glücksspiel mit Gefängnisstrafen bestraft, jedoch billigte ihnen das Gericht eine dreijährige Be währungsfrist zu. sie an. Kaum vermochte sie sich vorzustellen, daß di hübsche blonde Frau Wengdorf Huberts Mutter, das der kurz angebundene besehlshaberische Hausherr fest Vater sei. Sie kannte Huberts leidenschaftlichen, leicht ent flammten Sinn. Wie mußte er in dieser kühlen, been genden Atmosphäre gelitten haben! Daß sie jemals zu Herrn oder Frau Wengdorf ü ein herzliches Einvernehmen kommen könne, vermocht, sie sich nicht vorzustellen. Sie ermunterte sich und begann ihre Sachen in du dazu bestimmten Fächer und Schubladen einzuordnen. Punkt zwei Uhr ging sie hinunter. Frau Wengdorf saß noch auf ihrem Platz und la; im Cid. Vor ihr lag eine anqefangene Strickarbeit. Die Dame sah gleichgültig auf. „So, Fräulein sie können nun stricken, so oft sie Lust haben. Nehmer sie sich Zeit! Wenn sie anfangs auch nur wenig leisten es wird bald schneller gehen. Den Cid lese ich allen aus, ich bin schon auf der letzten Leite. Warten sie en paar Minuten^ wir können gleich essen." Almida war so konsterniert, daß sie zu antworte« vergaß. Frau Wengdorf laß also den Schluß von dem Epos, dann war sie mit demselben fertig. Eine solche Oberflächlichkeit war dem jungen Mädchen noch nicht vorgekommen. Die Hausfrau begab sich nach dem Eßzimmer und lud Almida ein, ihr zu folgen. Die beiden Damen speisten allein. Der Tisch war gut und reichlich besetzt, und Almida wurde freundlich aufgesordert, tüchtig zuzugreifen. Außerdem wurde kein einziges Wort gesprochen. (Fortsetzung folgt.)