Volltext Seite (XML)
MsdmfferTageblatt Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft/ Das »Wilsdruffer Tageblatt* erscheint an allen Werktagen nachmittags 5 Uhr. Bezugspreis monatlich 2,— AM. trei haus, bei Poffbestellung 1,80 AM. zuzüglich Bestellgeld. Einzelnummern 10 Rpfg. Alle PoslanffaUen, Post- Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend Falle höherer EewaU, — Krieg oder sonstiger Be ¬ triebsstörungen besteht Kei»t Aniprnct, aus Lieferung der Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises.— Rücksendung eingesandter Schriftstücke ersolgt nur, wenn Porto briliegt. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter Anzeigenpreis: Lie bgejrallcne BaLmzeile 20 Apsg., di« ^gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen <v Weich»» Pfennige, die sgespaltene WcLlanlezeile im textlichen Teile 1 WMK. Nachweisungsgebül,r 2b Weich-Psennige. Dor. LL'ü-ch'LSei' Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr. 6 emnahme bis norm.10Übr. ' Für die Richtigkeit der durch Fernrus übermittelten Anzeigen übern, wir keine Garantie. Heber Aadattunipruct erlischt, wenn der Betrag durch Klage eiugezogen werden muß oder der Auftraggeber in Konkurs gerat. Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meißen, des Amts gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. Nr. 70 — 91. Jahrgang Telegr.-Adr.: .Amtsblatt" Wilsdruss-Dresden Postscheck: Dresden L640 Mittwoch, den 23. März 1932 Die Finanznot der Gemeinden. Die Ziffer der zahlungsunfähigen Gemeinden in Deutschland ist aus eine furchtbare Höhe gestiegen. Wenn die Kommunalverwaltungen ihren Beipflichtungen nur tropfenweise nachkommen, nur „aus Stottern" zahlen, vom Reich oder von den Ländern Zuschüsse fordern und — bis weilen — erhalten, so ist dies tatsächlich nichts anderes als kaum noch verhüllte Zahlungsunfähigkeit. Die Einstellung von Zinszahlungen z. B. ist gar keine Seltenheit mehr, und wenn erst gegen eine einzige preutzische Gemeinde der Antrag auf Einleitung des Konkursverfahrens gestellt ist, so liegt das bloß daran, daß die Gläubiger genau wissen, sie wurden mit einem Konkursantrag nicht viel mehr her ausholen als bisher, nämlich gar nichts. Wechselklagen Hegen Großstädte, selbst nur über ganz geringe Summen, find keine Seltenheit mehr und furchtbar rächt sich so manche Last, die man in besseren Zeilen leicht übernahm und leicht tragen zu können glaubte. Denn hinzugekommen sind ja für die Gemeinden die zur entsetzlichen Höhe empor gesteigerten Belastungen durch die Fürsorge für die Er werbslosen. Der Präsident des Deutschen Städtetages, Mulen, hat auf dem Presseempfang der Arbeitsgemeinschaft aller kommunglen Spitzenverbände ganz offen erklärt, daß nur Noch sehr wenige Gemeinden ihren finanziellen Verpflich- ltingen voll nachkommen. Bei den anderen erfolgt dies teils „auf Stottern", teils gar nicht. Daß die Gemeinden unter diesen Umständen nur vorschriftsmäßig bis zum 1. April einen vernünftigen Haushaltsplan aufstellen sollen, ist um so unmöglicher, als sie gar nicht wissen, wie viel sie vom Reich z. B. aus den großen überweisungs steuern erhalten werden, deren Erträge ja zu mehr als zwei Dritteln an die Länder und Gemeinden weitergeleitei werden. Der Januar mit dem schlecht geordneten und vielfach ganz unzweckmäßigen Finanzausgleich zwischen Reich, Ländern und Gemeinden ist zu einem schrillen Weyege schrei dieser letzten Instanzen ge worden, die nicht mehr aus noch ein wissen, und auf deren Kosten die übergeordneten Stellen — also Reich und Länder — sich zu sanieren oder zum mindesten finanziell im Gleichgewicht zu erhalten versuchen. Unrecht hat Prä sident Mulert mit der Behauptung wirklich nicht, daß dieser Finanzausgleich in den letzten Jahren ständig zu ungunsten der Städte geändert wurde, — aber nnrecht hat schließlich auch die Reichsregierung nicht, wenn sie, auch schon wegen der Rückwirkung auf die Währungsstabilität, rücksichtslos darauf bedacht ist, den eigenen Haushalt, so gut oder so schlecht es eben gehen will, unbedingt im Aus gleich zu halten. Man rechnet — sicherlich nicht übertrieben Pessimistisch — mit einem Gesamtfehlbetrag von rund einer Milliarde für 1932 bei den deutschen Gemeinden und Gemeindever bänden. Ein paar als Provisorium gedachte Vorschläge sollen wenigstens über dre allernächste Zeit Hinweghelsen, in der sich sonst die Zahl der am Ende der Kräfte befindlichen Gemeinden vervielfachen müßte. Kommunaleigene Steuern bat man ja genug zur Verfügung, — bloß deren Ertrag ist trotz festesten Anziehens der Steuerschraube in schnel lem Schwinden. Die Ausgaben in den Gemeindehaus halten sind überall mit einer Schärfe zusammengestrichen, die für weitere Ersparnisse keinerlei Möglichkeit mehr ofsenläßt. Es ist zwecktos, heute darüber „Leichenreden" zu halten, daß es mit dieser Politik der Sparsamkeit früher nicht so gut bestellt war! Immer und überall sind ja die Lasten für die Erwerbslosen ganz unerträglich geworden, müssen aber trotzdem getragen werden. Und gerade die Zahl der Wohlfahrtserwerbslosen, diejenigen also, die der kommunalen Fürsorge anheimfallen, wächst und wächst ganz unheimlich. Für die Arbeitslosenver sicherung braucht das Reich Zuschüsse kaum noch zu leisten und bei der Krisenfürsorge, die zu einem Fünftel von den Gemeinden gezahlt werden soll, sitzen von diesen zu gegebenermaßen Wohl die meisten beim Reich erheblich in der Kreide. Daß daher namens der Mehrheit der kommunalen Spitzenverbände Präsident Mnlert sich wieder den Vor schlag zu eigen macht, daß nur eine Zusammenlegung der gesamten Erwerbslosenfürsorge und deren Finanzierung durch das Reich den Gemeinden helfen könne, ist zwar zu verstehen, dürfte aber überall dort auf scharfen Wider spruch stoßen, wo man zum mindesten an der Arbeits losenversicherung festhalten will, die man vor vier Jahren in besseren Zeiten — als den Schlußstein im stolzen Gebäude der deutschen Sozialpolitik bezeichnete. In diesem Bau sind aber schon mehrere Grundsteine leider sehr bröcklig geworden, und zur notdürftigen Ausbesserung die Mittel heranzuholen ist der Neichsregierung auch nur noch dadurch möglich, daß sie irgendwo ein neues Loch aufreißt, um das alte zuzustopfen. Und — um den Kreis zu schließen — weiß heute niemand zu sagen, was selbst die allernächste Zukunft wirtschaftlich und damit auch finan- ttell bringen wird. Rückblickende Vorwürfe über das nn^acWasscn einer rechtzeitigen Reform lassen sich leicht «'m berechtigt machen, aber damit kommt man keinen >mmit vorwärts. Wir sind auf radikalste Eingriffe ge- dcn 'm," Lage der Gemeinden es einfach verbietet, bloß laut und d ^l muß gepfiffen werden, und zwar EurMskM Botschafter Sackett über die Tribute und Schulden. Der Berliner amerikanische Botschafter Sackett ge währte einem Vertreter des „Temps" eine Unterredung, in der er über die politische und wirtschaftliche Lage Deutschlands erklärte, daß das Reich die augenblicklichen Schwierigkeiten sehr Wohl überwinden könne, wenn man ihm die unbedingt notwendigen Kredite zur Verfügung stelle. In der Tribut- und Schuldenfrage wies Botschafter Sackett auf den amerikanischen Standpunkt hin, wonach die europäischen Staaten sich zunächst unter sich einig werden müßten, um auf die Unterstützung Amerikas rechnen zu können. Außerdem würde jede amerikanische Hilfe nur im Interesse der allgemeinen wirtschaftlichen Wiederbelebung erfolgen. Amerika werde sich niemals zu Opfern bereit erklären, die nur dem einen oder dem an deren Staate zugute kämen. Auf der Lausanner Konferenz werde sich Amerika auf keinen Fall auch nur durch einen Beobachter vertreten lassen. Die Schaffung einer Donauföderation werde von Amerika als eine rein europäische Angelegenheit betrachtet und inter essiere dort nur soweit, wie sie sich auf die Handelsverträge beziehe, die Amerika mit den Donaustaaten abgeschlossen habe. Aur mit Berlin und Rom zusammen. Bemerkenswerte Äußerungen Beneschs. In den Außenausschüssen beider Häuser des Prager Parlaments erstattete Außenminister Benesch Bericht über die Beratungen des Völkerbundes, dem es wenig stens gelungen sei, die Einstellung des Kampfes bei Schanghai und die Einleitung von Waffenstillstands verhandlungen zwischen Japan und China durchzusetzen. Was die Abrüstungskonferenz betreffe, so habe ihre erste Phase besser abgeschlossen, als man er wartete. Schwierigkeiten werde es erst nach Wiederauf nahme der Arbeiten im April geben. Italien nehme den allzu abstrakten Standpunkt ein, man brauche nur abzu rüsten, und daraus würde die wahrhafte Sicherheit ent springen. Auf die weiteren Ergebnisse werde die Entwick lung der Dinge im Deutschen Reich nicht ohne Einfluß sein. Ohne Sicherung der bestehenden Ver träge (!) könne man jedenfalls nicht an eine ernste Ab rüstung denken. Die Tschechoslowakei sei bereit, mit allen übrigen Staaten etappenweise abzurüsten, wenn die euro päische Sicherheit garantiert sei. Das Ergebnis der Kon ferenz werde nicht übermäßig fein, denn die allgemeinen politischen Verhältnisse seien zu schwierig. Zur mitteleuropäischen Wirtschafts- Die Goethe-Gedächtnisfeier in Weimar. Professor Petersen spricht. In der Weimarhalle in We imar fand am Sterbetage Goethes die große Goethe- Gedächtnisfeier, an der auch Reichskanzler Dr. Brüning und R c i ch s i n n c n m i n i st e r Dr. Groener teilnahmen, statt. Im Mittelpunkt der Veranstaltung stand die Gedächtnisrede des Präsi denten der Goethe-Gesellschaft, Prof. Dr. Julius Petersen, der in etwa eineinhalbstündiger Rede ein Bild des Menschen und Dichters Goethe entwickelte. Um rahmt wurde die Gedächtnisrede von Gcsangsvorträgen des Thomanerchors aus Leipzig unter Leitung von Pro fessor Dr. Karl Straube. Professor Petersen wies darauf hin, daß das 18. Jahrhundert trotz Friedrich dem Großen und Napoleon, trotz Kant und Hegel, trotz Mozart und Beethoven nach seinem geistigen Gewicht und bleibenden Gehalt als das Zeitalter Goethes bezeichnet werde. Es sei das Jahrhundert einer deutschen Renaissance, die in Weimar ihren Gipsel erreichte, das Jahrhundert eines geistigen Univer- salismus, wie er in Goethe seine letzte große Verkörperung ge funden habe. Das Jahrhundert seit Goethe, das jetzt ende, könne gleichfalls s e i n Jahrhundert genannt werden, soweit es in seinem Anblick lebte. Diesem Jahrhundert sei es ver gönnt gewesen, die volle Größe Goethes zu ermessen. Professor Petersen kennzeichnete dann im einzelnen das tiefe Wissen des großen Weisen Goethe, der alles kommen sah, was nun gekommen sei. Er habe eine Altersentartung der Menschheit gesehen in der Anhäufung in den Großstädten, und er habe die gesunde Volkskraft des Landvolkes herbeigerusen, um die versinkende Menschheit wieder auszufrischen. Mißverstanden in seinem vaterländischen Fühlen, habe er den tröstenden und festen Glauben an die Zukunst seines Volkes niemals verloren. Heute sei dieses große Volk niedergetreten und gedemütigt, auseinandergerissen und in seiner Dauer gefährdet. Aber cs werde immer bestehen in seinem großen Lebcnsglanben. Ain Todestage dcS letzten großen Weltdichters sei auch die Menschheit niedergetreten und auseinnndergerissen. Die verheißende Botschaft des Triumphes des rein Menschlichen aber sei zuni einigenden Symbol der ganzen Menschheit ge worden. - ÄMWstM. gcmelnfcyast ernartc Dr. Benesch, zunächst müßten die Großmächte unter sich eins sein. Wenn Berlin und Rom der französischen Anregung nicht zustimmcn würden, werde sich die Tschechoslowakei an nichts beteiligen. In der Ab lehnung jedes politischen Bündnisses ä priori sei die Kleine Entente einig. Ser Memel-Landtag ausgM. Nachdem im Mcmclländifchen Landtag ein Miß> taucnsantrag gegen das Landcsdircktorium Simaitis mit 22 gegen 5 Stimmen der Litaner angenommen worden war, löste Landespräsidcnt Simaitis ans Grund des Art. 12 des Mcmclstatnts den Landtag auf. die entscheidende Sitzung des Landtages. Unter großem Andrang des Publikums begann unter Vorsitz des Landtagspräsidenten von Dreßler die entschei dende Sitzung des Memelländischen Landtages. Landes präsident Simaitis, der mit seinen drei Landesdirektoren erschienen war, begann sofort mit einer Regierungserklä rung, die er unter wiederholtem Gelächter der Mehrheits parteien zunächst in litauischer und dann in deutscher Sprache verkündete. Er betonte, daß die Verhandlungen mit den Mehrheitsparteien keinen Erfolg gehabt hätten. Das Direktorium werde bestrebt sein, die Bestimmungen des Memelstatuts zu schützen. Sodann gab Simaitis eine Reihe von Versprechungen ab: So eine Kreditgewährung an die Landwirtschaft, den Bau einer Zuckerfabrik, Steuer- und Zinscrleichterungen, Aussetzung dek Zwangsversteige rungen und eine Abänderung des Aufwertungsgesetzcs. Der Landesversicherungsanstalt sei von der Zentralregie rung ein Darlehen von 1 Million Lit gegeben worden. Die Lehrpläne der Schulen würden auf der alten Höhe bleiben. Die Gleichberechtigung beider Landessprachen werde beibehalten. In der Frage der Beamten fremder Staatsangehörigkeit in Gericht und Schule sagte er, diese Beamten könnten nicht das erfüllen, was die geborenen Memelländer leisteten. Vor der Annahme des Mißtrauensantrages brachte der Abgeordnete Kraus eine von 16 Abgeordneten der Mehrheitsparteien unterschriebeneErklärung zur Verlesung, in der er es als eine unerhörte Herausforderung des Landtages bezeichnete, daß sich das Landesdirektorium überhaupt vorgestellt habe. Auch die Vertreter der Sozial demokraten und Kommunisten sprachen sich gegen das Landesdirektorium aus. Die Wallfahrt zur Fürstengruft. Nach der außerordentlich eindrucksvollen Rede Prof. Petersens, die starken Widerhall fand, pilgerten die Goethefreunde aus aller Welt, die sich zur Feierstunde eingesunden hatten, zur Fürstengruft auf dem Weimarer Friedhof hinaus: Abgesandte aller Kultur länder der Erde, Botschafter, Gesandte, Geschäftsträger, Männer der Wissenschaft und der Kunst, Vertreter der deutschen Länderregierungen, der Kirchen, der Universi täten, der Städte. Als in der Stunde, in der Goethe vor hundert Jahren gestorben ist, von allen Türmen die Glocken riefen, fäumte den Friedhof eine vielhundertköpfige Menge in schweigender Erwartung. In weitem Uni kreise um die Fürstengruft, die sich in ein Meer von Blumen verwandelt hatte, loderten Fanale. Nachdem die ehemalige Großherzogin von Sachsen- Weimar, zu ihrer Rechten Staatssekretär Dr. Meißner als Vertreter des Reichspräsidenten und zu ihrer Linken Reichskanzler Dr. Brüning, er schienen war, sprach Professor Petersen kurze Versworte des Gedenkens. Die ehemalige Großherzogin, der Reichskanzler, der Vertreter des Reichspräsidenten und der Präsident der Goethe-Gesellschaft sowie Vertreter der mit Goethe verwandten Familien gingen hinab in das Gewölbe, um die Kränze am Sarge selbst nieder zulegen. Die übrigen Abordnungen brachten ihre Blumengaben vor einer Goethebüste in der Grufthalle dar. Noch lange, nachdem die offiziellen Abgesandten ihre Blumenspenden niedergelegt hatten, kamen Menschen, junge und alte, um Blumen darzubringen. Diese Ehrung Goethes war in ihrer schweigenden Würde die er greifendste des Goethe-Gedenktages. Goethemedaiile für Kunst und Wissenschast. Als Auszeichnung für Verdienste um Kunst und Wissenschaft hat der Reichspräsident eine silberne Medaille gestiftet, die bei den Feierlichkeiten in Weimar erstmalig einer Reihe von Persönlichkeiten verliehen wurde. Die Medaille erhielten u. a.: Der Reichskanzler, die Minister Dr. Groener und Grimme, die thüringischen Minister Kästner und Leuthäußer, die Oberbürgermeister von Leipzig, Frankfurt a. M. und Weimar^ die Dichter Stefan