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Ottendorfer Zeitung : 18.10.1914
- Erscheinungsdatum
- 1914-10-18
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1811457398-191410183
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1811457398-19141018
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1811457398-19141018
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Ottendorfer Zeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-10
- Tag 1914-10-18
-
Monat
1914-10
-
Jahr
1914
- Titel
- Ottendorfer Zeitung : 18.10.1914
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Englands schlechte Geschäfte. Nack dem Fall Antwerpens beginnt man sich in England nackgerade um das Geschäft zu sorgen. Die Krämer Londons, die Woll säcke Birminghams und die Schrauben- fabrikanten Liverpools vermissen den großen Zug in dem Unternehmen gegen Deutschland. Und wie die Verbündeten in Bordeaux und Petersburg nach der englischen Flotte schreien, die Deutschlands Handel vernichten und seine Küstenstädte zerschießen soll, so wimmern jetzt die Händler im weiten eng lischen Reiche, daß die Untätigkeit der Re gierung den Krieg verschleppe und unnötig das große Endziel hinausrücke. Das große Endziel, das man so heiß er sehnt, ist natürlich Deutschlands Niederwerfung. Das englische Volk glaubt ja noch immer, der Zeitpunkt, an dem die Verbündeten nach Berlin marschieren, brauche nur von Herrn Grey oder Herrn Churchill bestimmt zu werden und ist baß verwundert, daß die Herren noch immer mit dem Kommando: „Vorwärts nach Berlin!" zögern. Denn daß wir uns Warschau nähern, Reims bedrohen, Antwerpen haben und Ostende besetzen, sind neckische Zufälle ohne Bedeutung. Daß wir Zuaven, Hotten totten, Indier, Franzosen, Engländer, Belgier, Baschkiren, Tschunchusen und Tscherkeffen in die Pfanne hauen, sind Zwischenspiele, die den Vormarsch des Dreiverbandes nicht aufhalten können. Denn seht (so verkündet Herr Asquith), die Dinge stehen für uns sicher gut. Würde sonst der Zar an die Front gehen, unser Herz bruder Churchill nach Ostende gehen und die französische Regierung von Bordeaux nach Paris zurückkehren? Und das Volk singt Jubelhymnen, weil es noch immer nicht den Schwindel der Herren um Asquith erkennt. Väterchen hat sich nämlich, als in Galizien zum Rückzug geblasen wurde, da die Heer straße nach Wien nicht ganz ungefährlich war, wieder heimbegeben in sein festes Schloß, wo 200 Kosaken mit Eifer darüber wachen, daß sich, der Zar aller Reußen nicht wieder in Gefahr begibt und daß seine Landeskinder ihm in heißen Liebesäußerungen kein Leid tun. Herr Churchill aber, der aus Antwerpen so mitleidlos vertriebene, hat den Kurs wieder heimwärts genommen, weil weder Brügge, noch Gent, noch Ostende vor diesen Deutschen sicher ist. Und endlich die Regie rung :n Bordeaux, die ja jetzt anscheinend durch die ehemalige belgische verstärkt worden ist! Herr Poincarö denkt garnicht daran, nach Paris zu kommen. In stillen Stunden hält er vielmehr Ausschau nach einem ver schwiegenen, der Welt unerreichbaren Plätz chen, das ihn ausnimmt, wenn auch bei Paris Lie englische Hilfe wieder zu spät kommt. Denn mit Entsetzen sehen die Macker in Bordeaux im Schicksal des belgischen Königs ihr eignes, im Schicksal Antwerpens das von Paris. Englands Ansehen sinkt bei Feind und Freund wie bei Neutralen und Unter jochten. Das hinterlistige Geschäft der Asquith, Churchill, Grey und George steht vordem Kon kurs. Noch einen Vorstoß wagt man bet Italien und Holland! Aber wieder wird abgewinkt und die giftgeschwellte Galle der Krämer läuft über. Das Leibblatt muß schreiben, Italiens Einschreiten hätte jetzt keinen Wert mehr, da die Verbündeten sich aus eigener Kraft bereits den Sieg gesichert haben. Sehr gut! Ein englisch-schottisches Sprich wort sagt: „Wer Schund verkauft, muß Lärm machen!' England kann seine Lügen nur unter gewaltigem Tamtam in die Welt bringen. Aber wenn der Krawall einmal schweigt, wenn eine Stunde der Besinnung kommt, dann zeigt der Löwenmut sein wahres Gesicht, dann wird die Zuversicht zur Verzagtheit. Und so entfließt dem Redakteur eines amtlichen Blattes aus der Feder: „Hollands Neutralität geniert uns." Wie die Neutralität aller nicht am Kriege Beteiligten die Engländer geniert. Ihr Geschäft geht schlecht, also wollen sie schnell noch ein paar Bundesgenossen ge winnen. Aber Englands Liebeswerben steht schlecht, herzlich schlecht im Kurse. Und seine weltbeherrschende Macht ist jetzt auch den Neu tralen ein Schreckgespenst, das unter deutschen Streichen zusammengebrochen ist. A. v. verschiedene Uriegsnachrichten. Die Vernichtung des russischen Panzer kreuzers „Pallada". Die russische Telegraphenagentur verbreitet zu dem vom W. T. B. gemeldeten Untergang des russischen Kreuzers „Pallada" folgende Nachricht: „Am 11. Oktober zwei Uhr nach mittags (russischer Zeit) griffen feindliche Unterseeboote von neuem unsere Krenzcr „B ajan" und „P allad a", die in der Ostsee auf Vorposte» waren, au. Obgleich die Kreuzer sofort ein starkes Artillerie feuer eröffneten, gelang es gleichwohl einem Unterseeboot, Torpedos gegen die „Pallada" zu schießen. Auf dieser ent stand eine Explosion, und der Kreuzer versank mit seiner ganzen Be satzung senkrecht in die Tiefe." So hat denn auch die russische Flotte — nach der englischen — einen empfindlichen Verlust zu beklagen, indem von ihren sechs Panzerkreuzern der Ostsee einer vollständig vernichtet worden ist. Da Rußland nur wenige Kampfeinheiten in der Ostsee besitzt, so bedeutet das einen empfindlichen Verlust. Wieder war es ein deutsches Unterseeboot, das hier dem Feinde geschadet hat. Und wir sind immer noch am Anfang! — Nach einer Meldung der »Stett. Neuesten Nachrichten' haben deutsche Torpedo boote eine Anzahl von schwedischen und russischenDampfern in der Ostsee aufgebracht, die mit Gütern und Proviant nach Rußland bezw. England unterwegs waren. Die Dampfer wurden sämtlich nach Swinemünde gebracht. * Die Russen räumen Lemberg. Nachdem die Ruffen wiederholt bei Przemysl von den Österreichern geschlagen worden sind, hat sich nach der ,Lemb. Ztg.' die Lage in Galizien so günstig gestaltet, daß die Ein wohner vieler zeitweilig von feindlichen Truppen besetzt gewesenen Gebiete sowie alle diejenigen, die zumeist aus ungerechtfertigter Ängstlichkeit ihren ständigen Wohnsitz verlassen haben, nun mehr ruhig in ihr Heim zurückkehren können. Die rasche Heimkehr der Bevölkerung liegt vor allem in deren eigenem Interesse, außerdem aber hängt davon auch die so sehr erwünschte Wiederherstellung zahlreicher ins Wanken ge brachten Verhältnisse ab. Daß die Russen ihre Herrschaft in Nordost-Galizien sür erschüttert halten, geht daraus hervor, Laß sie alle Be festigungswerke bei Lemberg vernichteten und die Stadt zu räumen begannen. „Nun kommt ihr dran." Obwohl die Pariser von ihrer Regierung noch immer im Unklaren über das Schicksal Antwerpens gelaffen werden, haben sie doch den Fall der Festung erjahren. und zwar durch — deutsche Flieger. Ein Flieger warf aus seiner Taube auf den Park von Monceau eine deutsche Flagge mit der Inschrift: „Ant werpen ist g efallen. Nun kommt ihr dran." Der Flieger warf auch sechs Bomben ab. Er wurde von fünf französischen Fliegern, anscheinend ohne Erfolg, verfolgt. * Sorge in England. Der Fall Antwerpens hat in Eng land viel tieferen Eindruck gemacht, als die Presse zugeben will. Jedenfalls hat sich der Londoner Bevölkerung bange Sorge be mächtigt. Die.Times' beschäftigen sich denn auch in einem Leitartikel mit einem etwaigen Angriff der Zeppeline auf Eng land. Das Blatt sagt: Falls Luftschiffe kommen, wird das ohne die geringste Wirkung auf den Ausgang des Krieges sein. Wir wissen recht gut, wie wir die Zeppeline empfangen sollen. Das Blatt meint, Belgien bleibe der Hauptplatz für die zukünftigen Operationen. Wir werden in Ruhe abwarten können, wie die deutsche Heeresleitung über die weiteren Operationen denkt. Soweit sich überiehen läßt, werden die kriegerischen Operationen in Belgien, das mit dem »Hall von Ostende fest in deutschen Händen ist, auf belgischem Boden ihr Ende er reicht haben. Die weiteren Kriegsschauplätze dürsten Frankreich, Rußland und — so hofft das ganze deutsche Volk — England sein. — Noch immer versucht man in England die Bevölkerung durch Zukunftshoff nungen bei guter Stimmung zu halten. So weiß die .Daily Mail' zu berichten, daß nach dem Fall von Antwerpen sich die Zahl der Freiwilligen bedeutend ver mehrt habe. In einer Rede sagte Lord Curzon noch, er glaube, daß wohl noch mehr als ein Weihnachten verstreichen würde, bevor die englischen Truppen nach Hause zurück kehren könnten. * Unruhen in aller Welt. Die von Engländern, Russen und Franzosen unterworfenen oder bedrohten Völker des Erdballs regen sich. So erschien vor einigen Tagen eine arabische Kundgebung in Konstantinopel, die an alle mohamme danischen Soldaten in Marokko, Algier und Tunis verteilt worden ist. Darin werden die mohammedanischen Sol daten Ermähnt, nicht an der Seite der Fran zosen zu kämpfen. Die Proklamation weist zum Schluß auf die Bedrückung der Mohamme daner hin und richtet an die Gläubigen die Aufforderung, gegen ihre Unterdrücker Krieg zu führen, um Vaterland, Religion und Ehre zu retten. — Aus Teheran wird berichtet, dasi der Soh» des Emirs vonAfgha- nistan mit einer Armee dieindische Grenze angriffsweise überschritten habe. — Türkische Blätter melden aus zuver lässiger Quelle, daß die persisch-kur dischen Stämme bereits den dritten Angriff auf die Russen unternommen hätten, wobei diese geschlagen wurden. Die Kurden eroberten zwei Kanonen und nahmen drei Offiziere gefangen. Ungefähr fünfzig russische Soldaten fielen. Die Stadt Urmia, wohin die geschlagenen russischen Truppenab teilungen flüchteten, ist voll von Verwundeten. Die Kurden sollen auf Urmia marschieren. —Im japanisch enParlament spie len sich gegenwärtig erbitterte Kämpfe ab. Die konservative Partei unter Führung des Marschalls Namagata bekämpft lebhaft die Politik der Regierung, die sich „auf Englands Befehl in einen unmoralischen Krieg gestürzt habe, den die Welt als Raubzug bezeichne". — Die alte Militärpartei (sonst eine erbitterte Feindin Rußlands) tritt jedoch sür eine Aus dehnung der kriegerischen Unter nehmungen ein. Behält sie die Oberhand, so wird sich der gelbe Bundesgenosse den Eng ländern und Russen bald sehr unangenehm bemerkbar machen — in Indien, China, in der Mandschurei und Mongolei. Uns kann es recht sein. Antwerpens Schicksal. Eine englische Darstellung. — Die Not der Flücht linge. — Heimsendung durch Holland. — Die deutsche Herrschaft in Antwerpen. Über den Fall von Antwerpen ist in der Londoner .Morning Post' zu lesen: „Die Belgier sahen schon am 2. d. M. die üb er gab e der Stadt für unvermeidlich an, faßten aber neuen Mut, als am 3. Oktober morgens die Mitteilung kam, daß englische Hilfe unterwegs sei. Jubelnde Menschen mengen durchzogen die Straßen, und die Vorbereitungen für die Abreise der Regierung wurden aufgeichoben. Die Begeisterung dauerte bis zum 4. Oktober an, wo der Angriff der Deutschen zum Stehen gebracht rvurde. Die Kirchen waren überfüllt von Menschen, die voll Dank waren für den guten Fortgang. Die Ankunft der englischen Verstärkungen sür Lier am Montag war aber zu spät, da ein Teil der Forts bereits zum Schweigen gebracht worden war und die Deutschen außerordentlich starke Artillerie auf der von ihnen besetzten Seite des Flusses in Stellung brachten und die englischen Truppen bombar dierten. Nach hartnäckigem Kampfe stürmten die Deutschen die Schützengräben, wo der größte Tei! der Besatzung im Schlaf lag. und töteten zwölfhundert von zweitausend Mann. Das war das dritte Unglück bei der Ver teidigung. Das erste Unglück war, daß Fort Wavre durch einen unglücklicken Zufall in die Luft flog, das zweite die Abschneidung der Wasserzufuhr Antwerpens. Die Unruhe, die am S. Oktober mit dem Bombardement der Vorstädte begann, wuchs am folgenden Tags bis zur Niedergedrückt heit, als der Strom von Flüchtlingen aus Len Vorstädten in Antwerpen ankam. Es war klarer Mondschein, als das Bombarde ment am 8. Oktober begann. Vom ersten Schuß wurde die ganze Stadt erschüttert. Die Bevölkerung strömte auf Lie Straßen, Ler größte Teil der Armen der Stadt wanderte in gedrücktem Schweigen nach der Grenze. Die Flammen der brennenden Petroleumtanks hüllten die ganze Stadt in grauschwarzen Rauch, dazwischen sah man Flammengarben und brennende Häuser. Granaten wälzten ganze Häuser auf die Straßen. Das Rathaus und der Dom blieben wie durch ein Wunder bei dem Bom bardement unversehrt. Die Not der aus Antwerpen nach Holland Geflüchteten ist unbeschreiblich, da die hollän dische Regierung, obwohl sie saft übermensch liches leistet, nicht genügend Unterkunftsräume und Nahrungsmittel heranschaffen kann. Der holländische Ort Bergen op Zoom ist von Antwerpener Flüchtlingen überfüllt. Zuerst war dort kaum noch Stroh erhältlich, auch waren keine Matratzen auszutreiben. Selbst mit vielem Gelbe konnte man zuerst keine Vorräte kaufen, weil alle Läger erschöpft waren. Die Menschen irrten in der Stadt umher, um ein Unterkommen zu finden, und füllten die Straßen. Erst nach 24 Stunden konnte die erste Verteilung von Brot, Käse und Speck stattfinden. Die Leute waren so hungrig, daß Husaren die Ordnung wahren mußten. — Unweit der Dörfer Offendrecht und Putte kampierten die Flüchtlinge überall bei Feuern in Wäldern. Auf dem Markt in Bergen op Zoom wur den am Sonntag im Freien Erbsen und Bohnen gekocht: es war ein Sonntag der Barmherzigkeit. Auch Rosendaal ist noch immer mit Flüchtlingen überfüllt. In einer Fabrik sind rund 3000 untergebracht, im Ver zollungsamt ist der steinerne Boden leicht mit Stroh bedeckt und dort schlafen Männer, Frauen und Kinder zu Hunderten. Die Züge befördern nur noch Passagiere, die eins Fahr karte lösen können. Ein Reisender sah ein Plakat angeklebt, worin die Bewohner des Dorfes Deurne (Belgien) zu einer Versamm lung eingeladen wurden. Es gibt somit ganze Dorfbevölkerungen, die beraten. Zum Glück ist das Wetter trocken, wenn auch nachts empfindlich kühl. Die holländische Regierung bietet alles auf, um die Flüchtlinge zur Rückkehr nach Antwerpen zu veranlaßen. Wie sehr die belgische Bevölkerung durch Lügen ihrer und der englischen Regierung verhetzt ist, vermag man daran zu erkennen, daß alle Leute den Zorn und die Rache der Deutschen fürchten. In Antwerpen kehrt inzwischen die Ruhe wieder ein. Die Stimmung der deutschen Truppen ist sehr gut und ihre Haltung der zurückgebliebenen Bevölkerung gegenüber voll kommen korrekt. Nur ein kleiner Teil der Be völkerung zeigt sich aber auf den Straßen. Von den Läden und den Kaffeehäusern sind nur sehr wenige geöffnet. Vor einem der vornehmsten Hotels konzertiert täglich eine Militärkapelle. Es verdient noch hervorge hoben zu werden, daß zurückgebliebene vor nehme Familien mit dafür sorgen, daß die Lügenlegenden zerstört und die Geflohenen zur Heimkehr nach Antwerpen veranlaßt werden. ' Mit dem Vorrücken der deutschen Truppen nach Gent, Brügge und Ostende hat inzwischen eine neue Flutwelle von Flüchtlingen einge setzt. Berichte aus Seeländisch - Flandern be sagen, daß eine große Menge Flüchtlinge aus dem Osten über die Linie Lookeren, Gellt, Ecloo und Brügge über die holländische Grenze gekommen sind. Die Masten waren so gewaltig, daß in sämtlichen Orten die Bäckereien von holländischem Militär bewacht werden mußten, da man eine Bestürmung der Läden befürchtete. Die Flüchtlinge kamen aus dem nordwestlichen Teil von Belgien. Vock glück lick geworden. Slj Roman von Otto Elster. Da hatte sich Trude ein Herz gefaßt und war früh am Morgen, als ihr Mann noch im festen Schlaf der Trunkenheit ruhte, tort gefahren, um die Hilse ihres Vaters anzu- rusen. Ihres Vaters Faust schlug schwer auf den Tisch, daß die Giäser klirrten; sein Gesicht nahm die Purpurfarbe des Zornes an und seine sonst schläfrigen Augen blitzten. Er dachte nicht daran, daß die Ehe seiner Tochter nur ein Abbild seiner eigenen Ehe war, daß Trude fetzt fast dasselbe Schicksal nne ihre Mutter erlebte, wenn man ihm auch die Ge rechtigkeit widerfahren lassen mußte, daß er in den ersten Jahren seiner Ehe seine Frau wirklich geliebt und später doch stets eine ge wisse scheue Ehrfurcht vor ihr gehabt; er dachte nicht daran. Laß auch seine Hand schwer auf Trude geruht, er dachte nur an die Be leidigung, die ihm zugleich mit seiner Tochter zugefügt war. Und das versetzte ihn in rasen den Zorn. „Weshalb hast du mir das nicht schon früher gesagt?" stieß er wütend hervor. „Ich hätte den Burschen schon längst davongejagt." „Ich glaubte, ihn bessern zu können." „Solche Burschen bessert man nicht," polterte ihr Vater. „Die muß man mit ganz anüeren und festeren Fäusten anfassen." „Ich fürchtete den Skandal." „Ach was! Mag der Bursche die Folgen tragen. Ich will schon mit ihm fertig weroen. Du mußt Lich von ihm scheiden lasten.' „Ich möchte den äußersten Schritt gern vermeiden," sagte Trude, indem sie die Augen nieverschlug. „Weshalb?" „Weil — ich dem Kinde seinen Vater erhalten will. Was sollte ich einst dem Kinde sagen?" „Du hast recht," sagte der Alte nach einer Weile; aber was ist da zu tun?" „Vater," bat Trude und ergriff seine Hand, «ich wüßte einen Ausweg, der uns allen helfen würde. Du mutzt mir aber nicht böse werden, wenn ich ihn dir vorschlage. Sieh, ich lebe ja auf Hammersau so einsam und bin seiner Macht allein ausgesetzt — ich habe niemanden, bei dem ich Rat, Hilse und Schutz suchen kann und finde. Ich kann nicht stets zu dir kommen ich mutz doch auch auf das Haus und die Wirtschaft achten — Vater.. ." fuhr sie stockend und errötend fort, „rms Herbert zurück . . ." „Bist du toll geworden!" fuhr er auf. „Das hieße den Teufel durch Beelzebub austreiben." „Nun Vater, Herbert ist nicht so schlecht, wie du glaubst. Else Martini, die ja. wie du weißt, wieder bei Oderamtmann Krüger ist, schreibt mir viel Gutes über ihn. Er hat einen kleinen Hof gekauft und bewirtschaftet ihn in mustergültiger Weise. Er ist fleißig uns tätig und kümmert sich um niemand in der Welt. . ." „Woher hat er das Geld genommen, um den Hof zu kaufen?" Trude errötete. „Ich habe ihm einige tausend Taler über wiesen . .." „Ah — du stehst mit ihm in Verbin dung ?!' „Nein — er weiß nicht, daß das Geld von mir kommt. Er glaubt, Lu habest ihm das Geld zugeiandt. Vater, wenn er auf Ham mersau wirtschaften könnte, dann hätte ich jemanden zur Seite, Lem ich vertrauen könnte. . ." „Es würde zwischen ihm und deinem Mann zu Mord und Totschlag kommen !" „Wir würden nach Martinikenfelde ziehen . . ." „Na, und das schöne Hammersau würdest du aufgeven?" „Ja — es gehört ja doch Herbert . -, „Oho — vorläufig gehört es noch mir! Ich werde mir übrigens überlegen, was du mir gesagt hast. Vielleicht ist es gar nicht so dumm. Wenn der Junge nur Vernunft an nehmen wollte!" „Herbert wird gewiß alles tun, um dich zu frieden zu stellen." „Hm — na. ich will es mir überlegen. Jetzt geh auf das Fremdenzimmer und leg dich nieder. Du siehst müde und matt aus, du mußt dich erholen, später sprechen wir weiter darüber." Trude fühlte sich in der Tat wie zer schlagen; sie hielt sich kaum noch aufrecht. Gern kam sie der Aufforderung ihres Vaters nach und begab sich in das Zimmer, wo sie auf das Bett niedersank und bald in einen tiefen Schlummer fiel, in dem sie ihre Sorge, ihre Not und ihr Elend auf einige Zeit wenig stens vergaß. Ihr Vater blieb noch längere Zeit bei der Flasche sitzen. Die Worte Trudes gingen ihm doch im Kopf herum. Sein vereinsamtes Leben hatte ihn doch öfter über die Ver gangenheit nachdenken lassen und manches war ihm denn doch in einem andern Lichte erschienen als srüber, wo er stets unter dem Einfluß des allen schlauen Martini gestanden hatte. Das Schicksal seiner Tochter ging ihm doch sehr zu Herzen, und auch an Herbert mußte er denken, der sich da auf dem kleinen Bauern hofs abquälte, ohne ein Wort, eine Bitte um Hilfe an ihn zu richten, der ibn mit einem Federstrich aus aller Not und Sorge heraus- reißen konnte. Der Ärger, die Wut packte ihn von neuem. Er schob nicht so sehr sich selbst die Schuld an all dem Ungemach zu, Las seine Kinder betroffen, als seinem „alten Freunde" Martini» der ihn zu all den Handlungen verleitet hatte, dis jetzt mit ihren Folgen so schwer auf seine Familie und ihn selbst drückten. Als sich da her nach einigen Stunden Martini melden und um eine Unterredung bitten ließ, da er hob er sich mit dem Vorsatz, dem alten Freunde ordentlich die Wahrheit zu sagen. „Du kommst mir gerade recht!" rief er dem Eintretenden entgegen. „Ich habe mit dir ein Hühnchen zu pflücken!" Martini war merklich zusammengesunken. Die überstandene schwere Krankheit hatte ihm ihre Merkmale deutlich aufgedrückt: er war von einer erschreckenden Hagerkeit geworden, sein faltenreiches, vertrocknetes, gelbes Gesicht glich einer ledernen Maske; nur seine tief liegenden Augen leuchteten in unheimlichem, tückischem Glanz. , „Du weißt also schon von der unangenehmen Geschichte?" erwiderte Martini mit hohler Stimme. „Trube befindet sich bei mir." „Es war ein sehr unüberlegter schritt
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