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No. 75. PAPIER-ZEITUNG. 2151 833 6 633 8 Sachliche Mittheilungen finden kostenfreie Aufnahme; Mitarbeiter und Berichterstatter erhalten angemessene Bezahlung. Eingesandte Werke finden Besprechung. 2383.83 €3 Accente bei Titelschriften. Von allen den »Fragen«, die in Bezug auf die Technik des Schriftgusses im Laufe der Jahre aufgetaucht sind, ist eine der brennendsten bisher ungelöst geblieben. Sie betrifft die Accente bei Titelschriften, über deren Nothwendigkeit oder Entbehrlichkeit die verschiedensten Ansichten bestehen. Je nachdem der betreffende Schriftbezieher an der böhmischen oder französischen Grenze wohnt, ob er fremdsprachigen Satz bisweilen, öfter oder garnicht druckt, müssen französische, tschechische, italienische, spanische, finnische, dänische und noch andere Accente in geringem oder in starkem Maasse beigegeben oder ganz fortgelassen werden. Dem einen Drucker genügt die beigegebene Anzahl Accent buchstaben nicht, der andere ereifert sich über die Menge »Ballast«, den er statt der erwarteten grösseren Anzahl Versalien erhalten hat. Wie es der Giesser auch machen möge, recht ist es nie, zu tadeln giebt es immer etwas. Er soll in jedem Falle wissen, welche Accente und in welchem Verhältniss diese Teufelskinder« (frei nach Marahrens) gebraucht werden. Liefert er zu viel, so wird ihm das nach Gutdünken Aussortirte »zur Verfügung« gestellt. Dann folgt regelmässig — falls an dem betreffenden Kunden etwas gelegen ist — ein Entschuldigungsbrief seitens der Giesserei mit dem höflichen Er suchen, das Beanstandete ins Zeug zu werfen und den Betrag von so und so viel von der Rechnung abzuziehen. Was soll der Giesser denn anders machen? Zurücknehmen kann er die Buch staben nicht, er kann sie doch nicht in andere Pakete einsetzen, sie passen höchstens in ein Raritäten-Museum. Gesetzt nun, der Accente-Verächter ist eine Autorität und der Giesser fühlt sich bewogen, den Giesszettel entsprechend zu ändern, dann kommt es noch schlimmer. Dann beklagt sich ein Anderer: was das wieder für eine Wirthschaft sei; in der be zogenen Schrift seien die und die Accente nur zweimal, die und andere nur einmal geliefert worden. Was denn nun werden solle, wenn ein Buchstabe defekt werde — und so weiter. Zur Strafe soll der Giesser dann je ein Stück ä ä d e usw. auf seine Kosten umsonst nachliefern, aber gefälligst sofort (dreimal unterstrichen). Aber woher nehmen? Man muss wissen, wie der Geschäftsgang in einer Giesserei sich abwickelt, und wird dann zu der Ueberzeugung kommen, dass der Giesser in diesen Fällen ganz zu Unrecht beschuldigt wird. Er kann nicht ins Blaue hinein giessen, sondern muss sich streng an einen so gewissenhaft wie möglich aufgestellten Giess zettel halten. Ob nun dieser im allgemeinen zutreffend ist oder nicht, darüber würde die Fachwelt allerdings ein Urtheil haben müssen, wenn nicht die oben angeführten verschiedenen Verhältnisse und Auf fassungen für die Einzelnen ausschlaggebend wären und zu Forderungen führten, die der Giesser nie befriedigen kann. Denn die Schrift, die doch nicht für Jeden besonders gegossen werden kann, sondern in einem Gewichte von mehreren Gentnern auf Vorrath angefertigt werden muss, wird genau nach dem einst weilen maassgebenden Giesszettel abgetheilt und in Paketen von je einem ganzen, halben, wohl auch Drittel-Minimum auf Lager gestellt. Wer nun weniger Accente zu haben wünscht, dem ist wohl noch insofern zu helfen, als der Giesser den Verlust auf sich nimmt und sagt: Gut, wirf das Uebrige fort. Das ist aber eine Gepflogenheit, von der nicht gewünscht werden kann, dass sie sich einbürgere, denn dabei würden die Gutmüthigen für die an spruchsvollen Mäkler mitbezahlen müssen. Der Giesser würde und müsste sich schliesslich doch in irgend einer Weise schadlos halten. Will Jemand einige Accentbuchstaben nachgeliefert haben, so bleibt nur übrig, sie aus den Lagerpaketen zu ziehen und diese bis zum nächsten Neuguss defekt zu machen, oder aber die angeblich zu wenig gelieferten Buchstaben ä fond perdu be sonders nachzugiessen. Das Eine ist so schlimm wie das Andere. Mir ist z. B. ein Fall in Erinnerung, wo seitens einer Giesserei nach dem Auslande eine kleine Einrichtung geliefert worden war. Der dortige Agent der Giesserei hatte sich unklugerweise zur Lieferung von halben und Drittel - Minimen der meisten Titel- und Zierschriften verstanden. Als es ans Bezahlen gehen sollte, verlangte der Bezieher, dass zuvor die in einer besondern Liste aufgestellten, seiner Meinung nach zu wenig gegebenen Buch staben nachgeliefert werden sollten. In der Liste, die 32 ver schiedene, zum Theil ältere Schriften umfasste, kamen neben Accenten z. B. 1 K, 1 L, 2 e usw. vor. Man kann sich vorstellen, was für ein Gesicht der Giesser gemacht hat, und welcher Konzessionen es bedurfte, diese ganz unerfüllbare Forderung zu beseitigen. Aus Vorstehendem folgt, dass die aufgeworfene Frage in der That eine brennende ist, für den Drucker sowohl wie für den Giesser, und dass Letzterer sehr froh wäre, wenn ihm Jemand einen Allen dienlichen Giesszettel beschaffen könnte, oder wenn ein anderer Ausweg gefunden werden könnte, die für beide Theile sehr ärgerlichen Reibereien zu vermeiden. Die Berliner Typo graphische Gesellschaft hat sich mit dieser Frage bereits beschäftigt, ist aber zu einem Schlüsse noch nicht gekommen. Ich habe nun die gebräuchlichsten Titel- und Zierschriften ausgemessen und gefunden, dass der für die Accente verbleibende freie Raum oberhalb der sogen, gemeinen Buchstaben bis zur obern Kegelgrenze beträgt: bei Text-Kegel .... „ Doppelmittel . . . . „ Kleiner Kanon (32 P.) „ Kanon (36 P.) . . . „ Grober Kanon . . . » Kl. Missal .... „ Gr. Missal .... „ 5-Cicero-Kegel . . . „ 6-Cicero-Kegel . . . Alle Accente also lassen 3—5 typogra phische Punkte 4—7 » » 5—8 » » 5—10 » » 6—12 7—14 » » 10—16 » n 10—16 » 57 12—18 » 55 sich auf einen Raum von 3—18 Punkten bringen und würden zweckmässig auf 3, 4, 6, 8, 12, 16 Punkte eingerichtet werden. Wenn man nämlich alle in kleinen Mengen abzugebenden Titel- und Zierschriften, etwa vom Text- Kegel aufwärts, ohne Accentbuchstaben lieferte und diese, zum Ansetzen eingerichtet, besonders beigäbe, so würden vorstehende Zahlen Platz greifen. Für eine solche Einrichtung ergeben sich nun zwei Wege. Ent weder man formt die Accente zum seitlichen Ansetzen in der Art, wie es beim Griechischen üblich ist, dass also die betreffen den Gemeinen sowohl wie die Accente auf vollen Kegel (Text, Kanon usw.), aber auf schwächere Dicke (oder Dickte) gegossen werden und beim Zusammensetzen ineinandergreifen. Diese Ein richtung will mir der schwierig herzustellenden, leicht zerbrech lichen Ueberhänge wegen als ungünstig für Drucker wie Giesser erscheinen. Oder man lässt das sogenannte Fleisch über dem Kopfe von a e i o u bei einer entsprechenden Anzahl von Buchstaben ganz abfallen, wodurch diese statt z. B. Kanon-Kegel (36 Punkte) einen um 6—10 Punkte kleinern Kegel, im Mittel etwa Doppelmittel- Kegel, erhielten. Zu einer accentlosen, aber zum Uebersetzen der Accente eingerichteten Schrift würden dann passende Accente auf den erforderlichen Differenz-Kegel, im angezogenen Falle auf Petit-Kegel (8 Punkte) beigegeben werden. Hieraus geht schon hervor, dass ziemlich drei Viertel der sonst üblichen Accentbuchstaben bei einer derartigen Einrichtung ganz fortfielen, denn statt z. B. je 2—3 e ä e e, also etwa 12 im gewöhnlichen Gebrauch ganz nutzlose Buchstaben zu liefern, würde man dann 3—4 e auf entsprechend schwächeren Kegel beigeben können. Dieses letzte Viertel ist aber im Nothfalle durch Ueberiegen mit Ausschluss auch noch in Gestalt accent loser Buchstaben gebrauchsfähig zu machen. Man wende nicht ein, dass das Einsetzen der nicht für alle Buchstabenbreiten passenden Accente Schwierigkeiten bereite. Der Setzer schliesst die doch nur selten gebrauchten Accente vor kommenden Falles lieber und schneller aus, wenn ihm dafür so viel mehr gewöhnliche a e i o u gegeben werden, und er nicht nöthig hat, bei stark gebrauchter Schrift die Buchstaben aus