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Wilsdruffer Tageblatt 2 Blatt. Nr. 49. — Freitag, 2«. Februar 1926 Sinnsprüche. Menjch, steig' nicht allzu hoch, bild' dir nichts übrig's ein; Die schönste Weisheit ist, nicht gar zu weise sein. Nur nicht so schnell nach allem greifen; Gedulde dich, halt ruhig still; Sich', wie die Dinge langsam reisen Mit denen Gott uns segnen will. Denke, was der Herr gebot: Brich dem Hungrigen dein Brot, Teile mit barmherziger Hand Dem Entblößten -ein Gewand. Wir denken daran Co der „Gedenket!" — Gedenket!" — „Gedenket!" schwingen und läuten die Glocken an diesem Sonntag, im kirchlichen Jahre den kennzeichnenden Namen „Remi- niscere" führt. Gedenket! Mitten im Alltag und Arbeit, in Leichtsinn und Genuß, in Verbitterung und Seelen trübsal, mitten hinein in das, was mir nun einmal Leben nennen, ein jeglicher nach seinem Schicksal und seinem Geschmack, tönt der ehernen Glocken Nus: Reminiscere! Gedenket! Unserer Toten sollen wir gedenken, der tap feren Gefallenen, die für uns alle den bitteren Tod erlitten haben, der letzten Endes doch erst dann süß genannt werden kann, wenn er in all seinem Schmerz und all seiner Pein überwunden wurde durch den seligen Frieden des Jenseits. Auch am Totensonntag oder am Allerseelentag gedenken mir lieber, teuerer Toter. Aber es ist doch ein ganz eigenes, so anderes Gefühl, wenn wir an die Hügel derer treten können, die uns entrissen wurden. Die meisten aber, derer wir heute gedenken, liegen fern in fremder Erde, und von tausend und aber lausend wissen wir nicht einmal, wo wir ihre letzte Nuhestatte suchen sollen. Gewiß ragen in deut schen Landen allerorten Ehrenmale für unsere gefallenen Kameraden. Heldenhaine locken mit ihrem stillen Frieden, in Erinnerung an die Getreuen Stunden der Besinnlichkeit darin zu verbringen. Ehrenhallen öffnen weit ihre Pforten. In Tomen und Kirchen zeugen Tafeln und Steine von der Treue, die wir den Verteidigern unseres geliebten Vaterlandes Uber den Tod hinaus bewahrt laben. Wohl der kleinste Flecken rst stolz auf das Mlt -iaenen Mitteln anfgebaute schlichte Denkmal am Dorf- weiber oder vor der Kirche. Ucberall dorten können wir uns lammeln im Gedenken an die Toten, und werden dies auck wieder am Sonntage Reminiscere, an dem wir ge meinsam die Erinnerung an die teueren Gefallenen pflegen ""^Ganz besonders aber ist dieser Tag denen in die Seele und ins Herz geschrieben, die selbst mit „draußen" waren, die das große, übermächtige Sterben mit eigenen Augen gesehen haben, denen manch trauter Kamerad, der Gefährte so vieler schwerer und gefahrvoller Stunden vom unerbitt lichen Geschick ost gar plötzlich dahingerafft worden ist, die gar selbst geblutet haben und vielleicht noch heute an den ' Wunden und Gebresten Les großen Kriegsgeschehens tragen, allzuschwer tragen in dieser Zeit, da ihnen eine furchtbare innere Stimme vielleicht gar zuraunt: „Üm- ^nst, - Die da starben umsonst! - Dein Blut, deine Quälend, nervenzerrüttend und ist diese entsetzliche Stimme. Gar mancher A darüber geistig und körperlich zusammen gebrochen. Fast fünf Jahre Blut, Tod und Verderben, und umsonst?! — Aber gerade hier beginnt das Wunder^ Das, was wir In unserer Zeit des Materialis- d? Lebensbejahung eben so leicht „Wunder" unsern 'Norkob"* d" m taphysischen Kräfte, die noch bester oeloo*» Wohl bekannt waren, verloren, oder Wnnde!«^«""6cffen haben. Nun wohl: sehen wir es als kernen Nehmen wir es als solches. Bon den diesem ^00^/"^"' "US den nahen Grüften kommt es an Noeb in^nnob Erinnerns zu uns. Erschauernd zwar, und lieben »o.on itolzem Gefühle grüßen wir unsere »lieber b " E>^den Nahe sind sie uns heute. Nahe ist uns ° «nx von einst. Er hält Zwiesprach mit uns, und wir Mussen ihm Rede und Antwort stehen, wenn s)a1ri2ierblut. Roman von Reinhold Ortmann. , zgj (Nachdruck verboten.) „Doch, Hubert! Ich habe es rechtschaffen versucht. Und tch — ich versuche es ja noch immer." ^ ... „Schade nur, daß man so wenig von diesem Bemühen merkt. Wann wärest du mir jemals auch nur um einen einzigen Schritt entgegengekommen, wenn ich dich warmen Herzens in das Verständnis der Lebenskreise einführen nÄr? rm"/" du a^s meine Frau doch nun einmal zuge- ol? ko^.ökn? A ^mit je ein anderes Ergebnis erzielt als hochmütig abwesende Kälte?" »Ich wachen als ich bin. Und ich habe mich dir niemals anders gezeigt" „Nein. Der Vorwurf einer liebenswürdigen Verstellung wäre in der Tat der ^lerletzte, den ich gegen dich erheben könnte. Aber was ich mir aus deiner Erziehung und reiner Umgebung leicht genug erklären konnte, so lange dir der enge hamburgische Horizont die Grenzen der Welt bedeutete — es ist mir hier mit federn Tage unverständ licher geworden. Ist es denn möglich, daß ein Mensch mit gesunden Augen und Sinnen dauernd miempfänglich b eiben kann für den Geist freier, natürlicher Lebens reude, wie er uns hier statt der dumpfigen Stickluft deiner kalt^ herzigen Heimat umweht? Du bist doch jung und hast warmes Blut in den Adern. Du hast ein feines Empsin- "en für das Schöne und bist in tausend Dmgen unendlich viel gescheiter als ich. Warum nur klammerst du dich mit dieser eigensinnigen Beharrlichkeit an eine klemli-he Lebens^ auffassung, die man nur den geistig Armen v^Men , Sie wandte ihm ihr schönes, ruhiges Külitz zu, das letzt sehr bleich geworden war, und ihre Stimme hatte «men dunkleren Klang, als sie erwiderte: ...»Weil ich einen Halt und eine Stutze brauche n dieser Wrlt der freien Lebensfreude, die mich erschreckt und beängstigt auf jedem Schritt. Weil ich fürchten mußte ch selbst zu verlieren, wenn ich gegen meine innere er uns rragr, ov wir uns feines Opfertodes wert gezeigt ? haben. Nicht Klagen oder Tränen will der tote Front- , soldat auf den Eesichtszügen seiner alten Kampfgenoffen und Freunde sehen. Die sollen am heutigen Tage des Ge denkens der Trauerschmuck der edlen Frauen und Mütter, der einsamen Bräute und hilflosen Kinder sein, von deren Seite der unerbittliche Feldiod ihn hinweggerissen hat. Ganz anderes aber heischt der tote Kamerad von seinen eistigen Kampfgenoffen. Tief und eindringlich schaut er in ihre Augen, und seine Frage ist hart und ehern, wie die Zeit es war, die mit ihm versunken ist. Aufraffen sollens diese stille Zwiesprache zwischen Tod und Leben, zwischen jenen, die da nicht mehr find und doch das Leben haben und uns, die noch auf dieser Erde wandeln, im Grunde über das Leben, was wirklich lebens wert ist und um das jene ihr Blut vergossen, vergeudet und verloren haben. Co wird der Volkstrauertag der Tag der heiligen Kameradentreue. Nicht laut und phrasenhaft werde die Beteuerung ehrlichen Festhaltens an dem, was wir einst gemeinsam mit den nun längst Ruhenden beschworen. Still im Herren aber ballen fick die beiliaen Wünlcke zu sammen. Die Fäuste krampfen sich unwillkürlich in heißem Zorn. Die Mundwinkel zucken und die Lider senken sich ein wenig. — Dann aber heben wir frei Las Haupt und schauen ohne Scheu in die Ferne, von wo uns Lie Treuen herüberzugrüßen scheinen. So wahr uns Gott helfe, — wir werden Euer gedenken. Nicht nur heute oder morgen oder übermorgen. Nein — immer und immer wieder wollen wir es uns und unsern Nachkommen einprägen: Ihr dürft nicht umsonst geblutet haben, Ihr dürft nicht umsonst in der Blüte Eures Lebens dahingesunken sein! Kein Racheschrei ist es, das wir um Euren Tod anstimmen. Kein Haß soll aus Euren Grüften wachsen. Aber eiserner Wille, ehernes Bekenntnis zu dem, um das Ihr gestorben seid, — zum heiligen.deutschen Vaterlands, — das soll uns c erfüllen in diesen und allen Stunden, wo es heißt, die ge- s fallenen Brüder und Kameraden zu ehren. Das sei Euch i mehr als ein Kranz verwelklicher Blumen, mehr als so - manche Träne der Schwäche. Das sei wie der Händedruck, s den wir einst tauschten, bevor es vorwärts stürmen hieß, - für Dich oder Dich in den Tod, für mich und manchen ! andern in Wunden und Siechtum. Schlag ein drum, toter ! Kamerad, im Geiste: wer Du auch immer sein magst, wo s Du gekämpft hast. Ehren will ich Dich, daß ich mich Dein s Bruder nenne. Gott gebe, daß ich dieses Namens mich : würdig erzeigen darf. Ruhe in Frieden. — Wir gedenken s Deiner! Amen. M. Rogge. - polttilcbe kunckjcbsu - Die Besprechungen der Finanzmiuifter. Uber die Beratungen der Finanzminister der Länder ist eine offiziöse Mitteilung veröffentlicht worden, der- zufolge bei den Besprechungen das Finanz- und Wirt schaftsprogramm der Reichsregierung zur Debatte stand. Reichsfinanzministcr Dr. Reinhold hob in einer einleiten den Rede die bekannten Hauptpunkte des Programms her vor. Der preußische Finanzminister sicherte dem Reichs- fmanzmlmster vertrauensvolle Mitarbeitder Län de r bei seiner-Amtsführung zu, eine Erklärung, der sich sämtliche Finanzminister anschlossen. In der eingehen den sachlichen Aussprache wurden von einigen Länderver tretern wegen des eingeschlagenen Weges im einzelnen Bedenken geäußert, während über das nach dem Pro gramm der Reichsregierung zu erreichende Ziel Einigkeit herrschte. Calorider für Le« Deutsche« DolksbuuL. Der Präsident der Gemischten Kommission für Obec- schlefien, der Schweizer Calonder, sagte in einer Unter redung, der Deutsche Volksbund sei eine für den Minder heitenschutz im Sinne der Genfer Konvention unerläß liche Organisation, deren Statuten vollkommen in Ein klang mit dem Genfer Vertrag stehen. Calonder betome weiter, daß der Deutsche Volksbund in all den zahlreichen Streitfragen, in denen er vor der Gemischten Kommission die Rechte der Minderheiten vertrat, diese seine Aufgabe stets in lovalcr und korrekter Weise erfüllt bat. Bekämpfnug der Arbeitslosigkeit Lurch Lie Reichsbahn. Der Technische Ausschuß des Verwaltungsrats der Deutschen Reichsbahngesellschaft stimmte dem ihm von der Reicksbabn voraeleaten Programm der Verwendung d e s 100 - M i ll i 0 n e n - N r e d it s der Reichsregierung zu, der vor allem zur Behebung der Arbeitslosigkeit be nutzt werden soll. Neben Verbesserung der Bahnanlagen sind in diesem Programm auch die Beschaffung von D-Zugwagen, Vierterklassewagen und Spezialgüterwagen vorgesehen. Auch die Lokomotivindustrie wird durch neue Aufträge berücksichtigt werden. Die Herausgabe der Auf träge soll so schnell wie möglich erfolgen. Tumult i« einer völkische« Derfamml««g. Der aus der Spaltung der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei hervorgegangene Nationalsozia listische Volksbund hatte eine Volksversammlung in München einberufen, in der die Reichstagsabgeord neten Graf Reventlow und von Gräfe sprechen sollten. Als der Einberufer, Abg. Frühauf, die Versammlung eröff nete, erhob sich minutenlanger Lärm. Der erste Redner, Graf Reventlow, wurde mit Mimischem Geschrei empfangen, so daß es ihm unmöglich war, das Wort zu ergreifen. Die Nationalsozialisten sangen das Hitler-Lied und ließen Hitler hochleben. Hitler dankte seinen Anhängern für die ihm bereitete Ovation. Als der Lärm nicht nachlirß und eine geordnete Wetter führung der Versammlung nicht möglich schien, räumte die Polizei mit Gummiknüppeln den Saal. In einem anderen Restaurant in München kam es zu einer Schlägerei, bei der ein Mitglied des Bundes Ober land blutig geschlagen wurde. Nordamerika. , Senator Borah für Südtirol. Zu dem Hilferuf der Tiroler bei den großen Kundgebungen in Innsbruck er klärte Senator Borah, daß die L 0 s l ö s u n g .Süd tirols eine Folge der Geheimverträge sei, gegen die sich Wilson gewandt habe. Borah sei wie Wilson der Ansicht, saß die Abtrennung Südtirols ein großes Unrecht der Tiroler Bevölkerung gegenüber sei. Wenn er dazu in der Lage sei, so würde er sofort Schritte ergreifen, um das len Südtirolern zugefügte Unrecht wieder gutzumachen. Solange Mussolini sein imperialistisches Programm auf- cechterhalte, könne er nicht dafür stimmen, daß die Schuld verpflichtungen Italiens mit 35 Cents für einen Dollar ibgegolten werden. Italien soll sein eigenes Geld und -richt das der Amerikaner für seine imperialistischen Zwecke »erbrauchen. Aus Zn- unv Ausland. Berlin. Nach einer zwischen der deutschen und der japa nischen Regierung getroffenen Vereinbarung wird der Sicht vermerkszwang für die beiderseitigen Staatsangehörigen vom 20. März d. I. ab aufgehoben. Berlin. Am Todestage Friedrich Eberts, 28. Februar, wird die Reichsregierung einen Kranz mit einer schwarz-rot-goldenen Schleife und der Inschrift „Die Reichs regierung" durch Reichsminister a. D. David, den Gesandten des Reiches in Darmstadt, am Grabe Eberts in Heidelberg niederlegen lassen. München. Im Staatshaushaltsausschuß des Bayerischen Landtages wurde ein kommunistischer Antrag auf Amnestierung der noch im Zuchthaus Straubing befindlichen Räterepu blikaner abgelehnt, und zwar gegen die Stimmen der Linken und des Abg. Dr. Bultmann (Nationalsozialistische Gruppe). Hamburg. Der kommunistische Reichstags- und Bürger schaftsabgeordnete Urbahns ist bei dem Versuch, unter Be nutzung eines falschen Paffes die Ostgrenze zu überschreiten, in Eydtkuhnen verhaftet worden. Paris. Im Uhrensaal des Ministeriums für auswärtige Angelegenheiten ist die französisch-russische Schul denregel ungskonserenz eröffnet worden. Paris. Prinz Carol von Rumänien ist in Paris ein getroffen. Auf Fragen nach dem Zweck seines Aufenthaltes lehnte er es ab, eine Erklärung abzugeben.. Brüssel. Der Ausschuß für nationale Verteidigung hat sich mit zwölf gegen drei Stimmen für den Regierungsgesetz- rntwurf zur Herabsetzung der militärischen Dienstzeit ausgesprochen. Madrid. Der Kriegsminister hat allen gegenwärtig im Urlaub befindlichen Offizieren der Truppen in Marokko Befehl erteilt, sich unverzüglich auf ihre Posten zu be geben. Moskau. Der Vorsitzende des Sowjetkriegsrates, Woroschilow, wird sich mit einer Anzahl russischer Generale nach der Türkei begeben, um den türkischen Manövern beizuwohnen. Leipzig. Nach einem beim Leipziger Messeamt eingegan- genen Telegramm seiner Londoner Geschäftsstelle haben dort bereits über 600 englische Einkäufer sich für den Besuch der Leipziger Messe angemeldet. , „ Hamburg Fm Frühjahr 1926 wird m Hamburg die erste Tagung der B e r u f s sckullebrer Deutschlands stattfinden. Ueberzeugung aufgäbe, was mir in meiner Mädchenzeit die einzige Richtschnur alles Denkens und Handelns ge wesen ist." Er zuckte die Achseln und wandte sich ab. „Das ist wieder mal zu hoch für mein bescheidenes Be griffsvermögen. Und wie mir scheint, etwas zu feierlich für so harmlose Dinge, wie sie doch schließlich hier in Frage stehen. Wenn man solches Geschütz gegen mich auffährt, bin ich von vornherein geschlagen." „Du weigerst dich also in vollem Ernst, die Rolle der Kleopatra zu übernehmen, die ich mit Einsetzung meines ganzen Einflusses für dich erkämpft habe, um dir, wie ich meinte, eine riesengroße Freude zu machen?" „Ich bitte dich von Herzen, Hubert, es mir zu erlassen. Ich bin keine Schauspielerin, und ich würde in keiner Weise denErwartungen entsprechen können, die man auf mich setzt." Mit einer zornig ungestümen Bewegung griff er nach der Kostümzeichnung und riß sie in Stücke. „Meinetwegen! Ich werde ja nun nachgerade bald daran gewöhnt sein, daß du mir meine kleinen Freuden verbitterst und verdirbst." Er mochte einen Widerspruch oder ein Wort der Rechtfertigung erwartet haben; aber die Härte und Un gerechtigkeit des Vorwurfs machte sie verstummen. Da ging er zur Tür. Und er würde seine Frau ohne Abschied verlassen haben, wenn nickt ein Unvermutetes seinen Ge danken plötzlich andere Richtung gegeben hätte. Auf der Schwelle nämlich traf er mit dem Hausmädchen zusammen, das ihm eine Besuchskarte überreichte. Sobald er sie ge lesen, schien Hubert Almröder all seinen Aerger vergessen zu haben. Sein Gesicht hellte sich auf, und er wandte sich hastig an das Mädchen: "Ae Dame ist allein gekommen?" . »Nern, es sind zwei Damen, Herr Almröder! Aber die eine von Ihnen sieht nur wie eine Gesellschafterin aus oder etwas dergleichen.» „Führen Sie die Damen in das Atelier und sagen «>e, ich wurde sogleich erscheinen." Er drückte hinter dem Mädchen noch einmal die Tür ins Schloß und kehrte sich gegen Helga. „La Komtesse Pola Wassilewska nöePrincesseRasumin," las er von der Karte ab. die er vorsichtig wie etwas sehr Kostbares zwischen den Fingern hielt. „Weißt du, wer das ist?" „Nein, ich höre den Namen zum ersten Male." „Dann habe ich also vergessen, dir von ihr zu er zählen. Aber es wundert mich, daß du nicht schon von anderer Seite etwas über sie gehört hast. Seitdem sie vor acht Tagen wie ein glänzendes Meteor am Münchener Gesellschaftshimmel erschienen ist, überbietet man sich ja in der Erfindung und Verbreitung der abenteuerlichsten Geschichten. Eine miilionenreiche junge Witwe von kaum vierundzwanzig Jahren, eine polnische Aristokratin vom blauesten Geblüt und ein Weib von geradezu dämonischer Schönheit! Es ist beinahe ein bißchen zu viel für ein einziges menschliches Wesen. Ich habe sie vor drei Tagen auf der Soiree beim Grafen Frehsing kennen gelernt, und es war sehr ergötzlich, zu sehen, wie sie da innerhalb der ersten fünf Minuten nicht weniger als allen anwesenden Männern die Köpfe verdreht hatte." „Allen, Hubert?" „Oh, ich bin aufrichtig genug, mich nicht auszunehmen," lachte er, augenscheinlich schon wieder in der allerbesten Laune. „Wer vor diesem Meisterstück der Natur seine Kaltblütigkeit bewahren könnte, müßte wirrlich aller Empfänglichkeit für Schönheit und Liebreiz bar fein. Daß sie ihr Versprechen gehalten hat, mir einen Atelier- besuch zu machen, bereitet mir die unbändigste Freude." Helga wandte ihr Gesicht wieder dem Fenster zu. „Dann solltest du sie jetzt nicht länger warten lassen," sagte sie mit eigentümlich gepreßter Stimme. Ihr Gacke aber beeilte sich nicht, der Mahnung zu gehorchen. „Gerade die großen Damen darf man als Künstler nicht zu sehr verwöhnen," erklärte Hubert übermütig. „Und es ist vielleicht ganz gut, wmn sie sich im Atelier erst ein bißchen umjchaut, ohne durch meine Anwesenheit geniert zu werden. Sie soll sich nämlich von mir malen lassen. Ich habe sie selbstverständlich aus keinem anderen Grunde in mein Atelier eingeladen." (Fortsetzung folgt.)