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die Pforten des Parlaments bis znm Herbst gcschlo scn. Die letzte Woche Ivar noch überreich an Sitz nngcn, deren sogar oft drei bis vier an einem Tage stattfandcn. Einen Ucbcrblick aber das reiche Mate rial der letzten acht Tage zn geben, unterlassen wir, da cs znm großen Theil mir Petitionen waren, mit denen aufgeräumt wurde. Nur die I. K. hatte noch materiell wichtige Vorlagen, die meist in Ucbcrein stimmnng mit den früheren Beschlüssen der II. K. ihre Erledigung fanden. Die Hauptsache war die Ver einbarung dcö Budgets für die Finanzpcriodc 1874/75. Diese ist erfolgt. Das ordentliche Budget balancirt nach den nunmehr feststehenden Beschlüssen beider Kam- mcrn in Einnahme nnd Ausgabe mit 15,830,978 Thlr. für jedes der beiden Jahre 1874 und 1875, während der Ncgicrnngövorschlag 15,510,011 Thlr. betrug. Das außerordentliche Budget ist für die ganze Finanzpcriodc mit 27,327,478 Thalern eingestellt wor den. Die Negierung hatte dasselbe mit 22,752,100 Thalern postulirt. — Eine Einignng beider Kammern ist leider nicht erzielt in Betreff der Vcrfnssungsvcr- ändcrnng bei 8 92, ferner bezüglich der Obcrrcchnnngö- kammcr, der Landcöschnlc Meißen, der Gürtelbahn in Chemnitz, bei mehreren Petitionen nnd einigen ande ren Vorlagen. Ob die Steuerreform ciu gleiches Schicksal treffen wird, bleibt abzuwartcn, sobald dcr Landtag im Herbste wieder Zusammentritt. Die Fi- uanzdcpntation der I. K. hat bis dahin Zeit, sich über die Beschlüsse der II. K. ebenfalls schlüssig zu machen. Unsern Abgeordneten gönnen wir die Erholung am häuslichen Heerde. — Wie die „Ncichsztg." vernimmt, wird Sc. Majestät der König Ende d. M. eine auf die Dauer von <1—7 Tagen berechnete Ncisc in das Erzgebirge nnd das Voigtland anlrctcn. Nach den bis jetzt ge troffenen Dispositionen werden Sc. Majestät Sich am 29. d. M. über Freiberg nach Chemnitz bcgcben, einen Tag daselbst verweilen und den I. Jnli die Ncisc nach Zwickau fortsetzcu. Am 2. Juli ist dcr Besuch dcr Städte Plauen nnd OclSnitz in Aussicht gcuommcu, als Nachtquartier aber Bad Elster anS- - ersehe». Dcr 3. nud 4. Juli sind zur Ncisc übcr Auerbach, Eibenstock, Schneeberg, Schwarzenberg nach Annaberg bestimmt. Von Annabcrg aus werden sich Sc. Majestät ohne längeren Aufenthalt nach Pillnitz znrückbcgcbcn. Ob Ihre Majestät die Königin den König begleiten wird, scheint noch nicht entschieden zu sei». — Sicherem Vernehmen nach werden Sc. Ma- jcstät dcr Kaiser von Nußland am 5. Juli d. I. zum Besuche dcö tönigl. Hofcö in Drcödcn cinlrcffen. Pirna. Auf die von dem betreffenden Comitv an alle dcntschcn Gesangvereine erlassene Aufforder ung znr Einsendung von Beiträgen für die in nn- scrcr Stadt beabsichtigte Errichtung eines Julinö-Otto- Dcukmnls sind bereits auö allen Theilen Dcnlsch- landS Gcldscudnngcn im Gcsammtbctragc von 229 Thlr. 14 Ngr. 8 Pf. cingcgangcn. Nccht erfreulich und ermunternd aber sind die von diesen Seiten bci- gcfügtcn Schreiben, in welchen die angeregte Idee dankbar begrüßt und dcr Wunsch anSgedrüekt wird, daß das unternommcnc Werk gclingcn nnd cin Schcrf- lcin dazu von allem Vereinen so gern gegeben werden »löge, als cö von den betreffenden geschehen. Von der in Meißen znsammengetrctcncn Kirchcn- konfcrenz wird berichtet: Pastor Lic. DibclinS ans Dresden hielt einen mit Beifall anfgcnommcucn Vor trag „übcr dic Acdcntung und Bchandlung dcs Con- firmandcnnntcrrichtö." Dcr Hauptzweck desselben sei noch sowohl Unterweisung in der christlich-kirchlichen Lehre als Anweisung zum christlich-kirchlichen Leben. Sein Antrag, den Coufirmandenuutcrricht auf cin hal- bcS Jahr (!) nnSzndehnen, erhielt die Majorität, wäh rend cin anderer Antrag anf allgemeine Einführung von KindcrgotteSdicnstcn znr Zeit noch keine Annahme fand. — Dic Pastoralkonfcrcnz cignctc sich fcrncr dic vom Snp. Knnzc aus Mcißcn „über die zeitgemäße Negnlirnng dcö Eiukommcnö dcr Gcistlichcn in Be zug anf dessen Art nnd Höhe" gestellten Thesen mit großer Majorität an. Darnach soll das Einkommen der Gcistlichcn anö Grnndbcsitz und Kapitalien in der bisherigen Weise belassen, das Einkommen ans den Casualicn aber im Betrag dcr einfachen Gebühr fixirt werden. Nur die bei Casualieu geforderten Neben oder andere besondere Leistlingen sollen bcsondcrö hono- rirt werden. Daö fixirtc Einkommen wird alle 10 Jahr einer Ncvision unterworfen. Daö Einkommen anö dem Bcichtgcldc, von Krankcnkommnnioncn und durch dcu Coufirmundcnuntcrricht soll nach dem Durch schnitt der wirklichen Einnahmen in den letzten 5 Jah ren, daö Einkommen auHt dem Opfcrgcld, Häuölcr- groschcn u. s. w. nach der jetzigen Bcvölkcrungözahl fixirt nnd gleichfalls alle 10 Jahre einer Ncvision unterworfen werden. Dic Fixation soll in allem Pa- rochicn nach gleichen Grundsätzen geschehen; die Art, wie das Fixnin aufznbringcn ist, dcr einzelnen Ge meinde überlassen bleiben. Durch dic Fraktion darf kcinc Vcrmindcrnng dcö Einkommens hcrbcigeführt werden. Daö Minimalcinkommcn einer geistlichen Stelle ist anf 600 Thlr., cxcl. freier Wohnung fcst- zusctzcn. Durch Alteröznlagcn nach 5, 10, 15 nnd 20 Jahren dcr Amtswirlsamkcit ist das Amtöeinkom mcn cincs Gcistlichcn anf dcn Minimalsatz von 700, 800, 900 und 1000 Thlr. zn bringen. Daö Ein kommen sämmtlichcr geistlicher Stellen, mit Ausnahme derer, wo dasselbe 1800 Thlr. übersteigt, soll dcn Zcitvcrhältnisscn entsprechend dadurch verbessert wer den, daß nach geschehener Fixirnng dcr Accidcnzicn bci Stellen, deren Einkommen ans dcn Accidcnzicn mchr als 300 Thlr. beträgt, 25 Proccnt, dagegen bci sol chen Stellen, wo dieses Einkommen weniger als 300 Thlr. beträgt, 20 Proccnt als Zuschlag gewährt wer den. Alle Erhöhungen des Einkommens aber sind nicht von dcn cinzelncn Parochicn, in dcncn sic sich nvthig machen, aufznbringcn, sondern durch ciuc alle Mitglieder der evangelisch lutherischen Kirche Sachscnö treffende Kirchcnstcncr. Im städtischen Krankcnhansc zn Leipzig verschied dieser Tage cin Stndiosns dcr Philosophie an den Folgen einer gräßlichen Verletzung. Dcr jnngc Mann hatte am vorigen Donnerstage in Begleitung anderer Studenten einen Spaziergang nach Möckern unter nommen nnd in jugendlichem Ucbcrmnthc daö dortige Denkmal erstiegen, von dessen Höhe cr durch einen Fehltritt herab- nnd gerade anf daö daö Denkmal nm- gcbcndc Geländer stürzte, wobei ihm eine Eiscnspitzc in den Leib drang. Preußen. Berlin. In wie erheblichem Maße der Gebrauch dcr Corrcspondcuzkartcu zunimmt, cr- gicbt n. A. die Thatsachc, daß nach dcr ucncstcn Sta tistik die Anzahl dcr im NcichSpostgcbictc täglich znr Versendung kommenden Postkarten gegenwärtig bereits über 100,000 Stück beträgt. Im vorigen Jahre be lief sich dieselbe anf 60,000 Stück täglich. Dic anö dicscm Vcrkchrözwcigc resultircndc Jahrcöeinnahmc be trägt 600,000 Thlr. — Dcr chemaligc Handclö- und Finanzministcr von dcr Hcydt ist am 13. Juni früh am Herzschlag gestorben. Feuilleton. Das verheimlichte Verbrechen, ckiwctk iwn 3ul. Ouugceu. (Fortsetzung.) 7. Eö läuten Hochzcitö- und Todtcuglockcn. Geraldine zeigte sich, alö Gräfin Wolföeck mit Leo bci Baron Andar ankam, ganz alö dic gut crzogcne jnngc Damc, wie sic dcr junge Graf mir wünschen konnte. Sie begrüßte Leo mit jener freundlichen Sa- louhüflichkcit, welche Menschen, die viel in dcr Gcscll- chaft lcbcn, zur zwcitcn 'Natur gcwordcn ist, seine Mutter aber mit inniger Herzensfreude, denn sic hatte erst durch dcn Tag dcr Abwcscuhcit rccht deutlich gc- ehcn, wie sehr sie die mütterliche Freundin liebte und verehrte. Anch Baron Andar, welcher sonst wenig mit dcr Anßenwclt vcrkchrte, war hocherfreut übcr diesen Be nch und dcr artigste Wirth, welchen cö geben konnte. Leo fand Gcroldinen im Laufe dcö Tages immer icbcnSwürdiger, und so waren alle Partei» z»fricdc» biö a»f de» nrmc» Felix, welcher im Laufe dcö Abcudö, wo Gcroldiue mid ihr Gast Ducttc sangen — denn Leo hatte einen sehr hübsche» Bariton — immer ernster und schweigsamer wurde; da sich aber das jnngc Paar bereits so gnt zusammen unterhielt und verstand, daß cs eines Dritten nicht bedurfte, so bemerkten nur die älteren Herrschaften dessen Verstimmung. Anf die Art verflossen sechs angenehme Tage; man machte Ausflüge in die Nachbarschaft. Morgens ritt Gcroldmc mit dcu bcidcu jungen Hcrrcn spazieren nud Niemand dachte der einsamen Frau auf Schloß Wolföeck, welche indessen mit fieberhafter Angst dic Stnndcn dcö Anöblcibenö zählte und sich fast jede Minute mit dem Gedanken marterte, waö wohl jetzt geschehen sein möge nnd welche neue Pein ihr bci dcr Nückkchr drohe! Nach acht Tagen dachte Gräfin Wolföeck ernstlich an dic Nückkchr, abcr Aaron Andar licß nicht nach mit Bitten, biö sic noch weitere acht Tage zngab, waö ihr im Grunde nicht schwer wurde, denn sic sah ihren Lieblingsplan täglich zu schönerer Erfüllung reifen. Gcroldinc war mit dcr Weltdamcnhaltnng, welche sie un Anfänge Leo gegenüber beobachtet hatte, zurückgc- trctcn, und jetzt fast herzlich mit ihm, nnd Leo ent zückt, daß seine pccuniärcn Wünsche mit dcncn seincs Hcrzcnö in Einklang zn bringen waren, denn Gcrol dinc gefiel ihm über dic Maßen. Leo gab sich also Mühe und war wirklich licbenö- würdig und bczanbcrnd. Mit keinem Gedanken ge dachte er dcr Vcrgangcnhcit, odcr wenn cr cs that, mit cincr stillen Verwünschung auf seine einfältige Ehrlichkeit; mit kciiiem Gedanken fühlte cr cinc mit- cidige Ncgnng für das schöne reine Wesen in sich anf- ommcn, dessen Schicksal cr mit scincm befleckten und elbstsüchtigc» Ich verbinden wollte. Nein, Er, Leo Wolföeck, war sich dcr Gott, für dcsscn Wohl daö Wchc von hnndcrt Mitgcschöpfcn nicht angcschlagcn wcrdcn konntc, und ans diesem egoistischen nnd unedlen Handeln konntc ihn selbst daö Wohlgefallen — denn das edle Wort Liebe wollen wir auf seine Neigung nicht anwcndcn — an Gcroldinc nicht rcißcn. Dic Gräfin hatte einen entzückten Brief an ihre Gesellschafterin geschrieben: Es gehe Alles nach Wnnsch, Leo schwärme für seine „Erwählte" nnd in drei Ta gen werde dic glücklichste dcr Mütter Frau Braun umarmen und alles Andere mündlich milthcilcn. Die selbe möge nnr die Güte haben, alle Zimmcr in Stand zn setzen und dnrchwärmcn zn lassen, denn trotz des herrlichen Sonnenscheins seien dic Abende frostig. Ja frostig nud eiskalt durchrieselte es die arme, verlassene Frau, alö sic diese Zeilen laö, nnd sie wünschte sich todt und geborgen in dcr stillen Erde; dann abcr übcrkam sic oft wieder eine leidenschaftliche Heftigkeit und sic schwor sich zn, nicht zn unterliegen, wenigstens nicht ohne Kampf und nicht ohne dcn Fcind, dcr schonungslos ihr junges Lcbcn zcrtrcten nnd sic zn dem unglücklichen Wesen gemacht hatte, was sic jctzt war, Gleiches mit Gleichem zn vergelten! Wenn dic böscn Stnndcn anch schleichen, während dic gntcn wic Minuten davonjagcn, so gehen erstere doch anch vorüber nnd cö kam dcr Tag, wo Frau Braun die Gräfin nnd ihren Bestich erwarten durfte. Beinahe znm Tode krank, denn die tägliche Spann ung nnd Gcmüthsbcwcgnng hatte ihre Gesundheit anf'ö Heftigste erschüttert, überwachte sie doch gewissenhaft alle Anstalten, damit auch dcr kleinste Wunsch dcr Gräfin erfüllt würde, dann abcr fühlte sic sich so clcnd und sah so blaß und lcidcnd auö, daß dic alte Hauö- hültcrin ihr selbst znrcdcte, sich zur Nuhc zu begebe» und dic Dame nicht mit einem solchen Lcidcnögcsichte zn empfangen. Alö dic Gräfin mit ihrem Besuche ankam, hörte sic zu ihrer Bestürzung, daß die Gesellschafterin krank sei. Sic ging mit Gcroldinc gleich zu ihr hinauf und bezeigte anf daö Liebevollste ihre Thcilnahme, ja sie machte sich Vorwürfe, Frau Brau» so lauge lcidcnd nnd allein gelassen zn haben. Während dem hielt Gcroldinc ihrc Hand in dcr ihrigcn und crwidcrtc dcr Gesellschafterin ängstlich fragenden Blick mit dem strah lendsten Lächeln. Scnfzcnd wandte sich Frau Braun wieder znr Gräfin und versicherte, daß dies bloö die Folgen ci ncr Erkältung scicn nnd sic in cinigcn Tagen genesen sein werde. „Schade, daß Lco Sie »och immer nicht kennen lernt," sagte die Gräfin beim Weggehen, „ich hätte so gerne mit meinem Sohne bci Ihnen stolz gcthcm; hoffentlich kann cr Jhncn in cinigcn Tagen vorgcstcllt wcrdcn!" Abcr aus dcu einigen Tagen wurden mehr. Die Gesellschafterin konntc sich nicht entschließen, im Salon zn erscheinen; sic fühlte sich noch zn angegriffen dazu nud im Egoismus des Glückcs wurde sie auch von dcn beiden Damen nicht so sehr vermißt. Gcroldinc hatte Lco so viel zu erzählen, hatte ihm in seiner eige nen Hcimath so viel reizende Stellen zn zeigen nnd ihre Licblingölicdcr mit ihm zn singen, dic Gräfin halte so viel zn thun, ihrc gclicbtcn Kinder zn scheu nnd sich an Gcroldincnö lieblichem Geplauder zn er götzen, daß sic sich zum ersten Male seit Jahren wie der glücklich fühlte. Gcroldinc schwcbtc im Paradicö und Lco — Lco war sehr mit sich und scincm Er- olgc zufrieden. Eines Tagcö wünschte dcr junge Graf, Gcrol- dincns Portrait machen zu dürfen, und sic gestand cö crröthcnd zn. ES sollte cinc Ucberraschnng für dcn Papa werden; nur hatte sich Lco auöbcduugcn, für ciuc Mutter ciuc Copie desselben unfertigen zu dür- cn und so wnrdc Leinwand anfgespannt, cin Stück ziml Malcn eingerichtet, nnd nach mehreren Sitzungen mußte Gräfin Wolfseck, auch wen» sic unparteiisch ge wesen wäre, cingcstchcn, daß daö Bild vortrefflich werde. (Fortsetzung folgt). Vermischtes. — Die Direktion dcö Burcanö „Vcritas" ver öffentlicht soeben dic Liste dcr Unfälle znr See im Monat April 1874, soweit sie bekannt gcwordcn. Hiernach sind verloren gegangen: an Segelschiffen 236, lind zwar 93 englische, 29 norwegische, 27 französische, 25 dcntsche, 24 amerikanische, 8 holländische, 6 ita- icuischc, 6 schwedische, je 3 österreichische, dänische mid panische, 3 russische, 2 griechische, 1 brasilianisches, portugiesisches und 2 unbekannte. In dcr Zahl sind 10 inbcgriffcn, die man mit Mannschaft und Ladung verloren glanbt, da Nachrichten übcr sie gänzlich feh len. An Dampfschiffen 23, und zwar 15 englische, 1 dcntschcö, 1 amerikanisches, 1 spanisches, 1 fran zösisches, I holländisches, I italienisches, I norwegisches nnd 1 schwedisches. Hier sind 5 mitgercchnct, über welche sämmtliche Nachrichten fehlen. — lieber cinc» Einbruch, welcher in der Nacht vom 7. zum 8. d. M. beim englischen Botschafter,