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B. Moorsom in England bewahrheitet,der gegen das damaligeVorurtheil beimBauderBirmingham- Glocester Bahn, die schon früher in Amerika allge mein gemachte Erfahrung benutzte u. eineSteigung von durchschnittlich 1 bis 36 auf beinahe 2'/. Engi. Meilen Länge anordnete und auösührte, und dann ausschließlich mit Amerikanischen Locomotiven aus der Werkstättc des bewährten und genialenLocomo-1 tivbaucrS William Norris aus Philadelphia be trieb, bis später mehrere Locomotiven nach dcmsel- ben Princip inEngland selbst erbaut wurden. Diese! Verhältnisse konnten nicht frei von Anfechtungen! und falschen Darstellungen des dort stattfindenden i Betriebs und der Resultate namentlich von Seite solcher Personen bleiben, die bei der Construction von Locomotiven betheiligt waren, oder die von ih nen bisher so streng vertheidigtcn Grundsätze umge- stoßcn sahen. Ich habe mich an Ort und Stelle von dem Zustande und den Leistungen der dort ge brauchten, sowohl der Norriö'schen als Englischen Locomotiven, so vollkommen überzeugt, daß die Practicabilität solcher ungewöhnlichen Steigungs- Verhältnisse und deren Nützlichkeit für besondere Fälle, namentlich wo der Betrieb zweckmäßig ge- theilt werden kann, sich mir aufs neue bestätigte, wie ich denn von dieser Wahrheit durch meine ge naue Kcnntniß der Leistung von Locomotiven auf ähnlichen Steigungen inAmerika längst durchdrun gen gewesen. In Amerika gilt dies für ein nicht seltenes, in England aber als ein höchst ungewöhn liches Beispiel. Der Widerstand der Capitalistcn, welche die Verschwendung enormer Summen zur Erzielung von langen horizontalen oder der Hori zontale sehr nahe kommenden Linien nicht billigen wollten, ward mehr als die jahrelangen Erfahrun gen in Amerika (welcheEnglische Techniker zuweilen aus Egoismus nicht anerkennen wollen) die Ver anlassung, daß man endlich auch in England von dem früheren System abwich und mehr als sonst StcigungSverhältnisse annahm, die man noch we nige Jahre zuvor mit großem Kostenaufwand zu vermeiden gesucht haben würde. Selbst die bedeu tende Steigung der Birmingham-Glocester Bahn hat jetzt in Großbritannien Nachahmer gefunden. Aufder Schottischen westlichen Bahn vvnGlasgvw nach Edinburg wurde bisher eine Steigung von 1 in 43 auf 3300 Fuß Länge und eine andere mit 1 in 40 von der gleichen Länge, zusammen also 1'/» Engl. Meile mit einer durchschnittlichen Steigung von 1:41 i/z, und zwar unmittelbar vomBahn- hof in Glasgow ausgehend, auf die gewöhnliche Weise mit Seilen und zwei stehenden Dampfma schinen betrieben, wovon die eine als Reserve diente und jede eine Krast von 120 Pferden hatte. Seit dem 1. Februar 1844 wird der ganze Betrieb dieser Bahnstrecke durch eine Locomotive, im allgemei nen nach dem Norris'schcn Prinzipe, von dem dorti gen Obermaschinisten erbaut, bewirkt, wobei diese Locomotive durchschnitllich pr. Tag 800 —1000 Tonnen oder 20,000 Centner Last und zwar in Abtheilungen von 2000 Centncrn pr. Train, die geneigte Ebene herauf befördert. Es werden jetzt noch zwei solcher Locomotiven von noch größeren! Cylinderdurchmesser für diesen Dienst erbaut, da man sich überzeugt hat, daß auf diese Weise eine be deutende Ersparniß an Zeit und Geld, gegenüber der Benutzung von stehenden Dampfmaschinen und imGanzcn eine größere Sicherheit erzielt wird. Tie Einsicht der Betriebsbücher hat mir dies auf daS vollständigste bestätigt. ES sind daher die beiden vorhandenen stehenden vortrefflichen und kostbaren Dampfmaschinen mit eilf Dampfkesseln und den soliden Gebäuden ganz außer Gebrauch gesetzt. In Amerika, wo das Bedürfniß der Eisenbahnen mehr als irgendwo gefühlt ward,und diese größten- theilS nur mit geringen Mitteln und unter den un günstigsten Terrainverhältnisscn ausgeführt wer den konnten, führte die Nothwendigkeit zur Annah me starker Steigungs- u. Krümmungsverhältnissc, um die Kosten für Erdbewegungen, Brücken und Viaducte möglichst zu verringern. Das treffliche Werk von Herrn v. Gerstner, herausgegeben vom Ingenieur Klein, enthält eine so genaue Beschrei bung aller Bahn- und Betriebsverhältnisse in Ame rika, daß ich micb hier nur auf das Beispiel einer, nach ihrer Wichtigkeit und Anlage vielleicht der be deutendsten Bahn, der Western Bahn, zwischen Boston und Albany, mit einer Totattänge von 200 Engl. Meilen, beziehen will. Dieselbe hat eine sehr starke Concurrcnz mit der zwischen beiden Orten be stehenden Schifffahrt auszuhalten, und kann daher nur durch die billigsten Frachtsätze bestehen und die Erwartungen der Unternehmer befriedigen. Das Terrain, über welches dieselbe zu führen war, ist sehr ungünstig, namentlich war eine Wasserscheide zu überschreiten, welche eine Bahnhöhe von 1457 Fuß über dem Niveau des Anfangs der Bahn in Boston herbeiführte. Lie oben erwähnte Grund bedingung der billigsten Frachtsätze war aber nur durch ein möglichst geringes Anlagekapital und ei nen billigen Betrieb zu erlangen. Zur Erzielung deS ersteren mußten ungewöhnlich starkeSteigungS- und Krümmungövcrhältnisse angenommen werden. Diese, verbunden mit der zweiten Bedingung des billigen Betriebs, machte die Verwendung sehr star ker und schwerer Locomotiven unerläßlich, um große Lasten mit geringem Aufwande an Zugkraft beför dern zu können. Die Verringerung der Reibung in allen Transportmitteln war ein weiteres, unzer trennlich hiermit verbundenes Bedingniß. Die stärksten StcigungSverhältnisse dieser Bahn sind nun folgende: 1in88 auf15,500Fußod.ca.3 Engl.M.Länge. 1in76 „ 7,000 ,, „ „ 1'/r „ „ „ 1in71 „29,700 „ „ „ 5'/. „ „ „ 1in66 „31, <00 „ „ „ 6 „ „ „ 1 in 63-/2 „ 2,900 „ „ „ '/, „ „ „ 1in63 „ 7,9rr0 „ „ „ l s) „ „ „ Der kleinste Radius ist 882 Fuß, der nächste 955, dann folgt 1042 Fuß w. Der Betrieb dieser Bahn ist sehr geregelt, ohne denselben aus diesen Steigun gen theilen oder sich einer Hülfsmaschine bedienen zu müssen; man fährt auf derselben nur langsamer. ES wurden i. 1.1843 60,000 Tonnen (1,200,000 Centner) Güter über die ganze Bahn oder 10 Mill. Tonnen (2000000 Ctr.) per Englische Meile und 200,000 Personen auf der Bahn befördert. Die Baukosten betragen für 156 Engl. Meilen bei ein facher Spur im Oberbau 7'/r Millionen Dollars oder ungefähr 214,000Dollars pr.DeutscheMeile. Auf allen Bahnen, wo ich Gelegenheit hatte die Betriebskosten genau kennen zu lernen, erlangte ich die erneuerte Ueberzeugung, daß die durch stärkere Steigungen vermehrten Betriebskosten höchst unbe deutend sind und in keinemVerhältniß mit dem an derweitig durch dieselben erlangtenVortheile stehen. DieseThatjachen führen zu demSchluß: daß die von mir seit meinem siebenjährigen Wirken als Eisen bahn-Ingenieur in Europa, namentlich in meinem Werke über Eisenbahnen (Wien 1840) ausgespro chenen und durch den Bau der Berlin-Frankfurt a. d. O. Bahn verwirklichten Grundsätze über die Zulässigkeit vonSteigungsverhältniffen von) in 100 und darunter, nicht allein aus den meisten Bahnen, wo sie vorkommen und mit geeigneten Locomotiven betrieben werden, vollkommen bestätigt, sondern daß die Steigungsverhältnisse sogar ans bedeutenden und wichtigen Bahnen bis zu 1 in 40 als praktis bewiesen worden sind: ohne daß damit dieVortheile einer horizontalen oder wenig davon abweichenden Linie mißkannt werden sollen. ES wird durch daS z Obengesagte nur der Beweis für die Nothwcndig- keit geliefert, beim Bau einer Bahn die Zinsen des - Anlagekapitals und die Betriebskosten mit dem zu i erwartenden Verkehr zu vergleichen. ES würden jetzt viele Bahnen, wenn man diesen Grundsatz bei deren Anlage beachtet hätte, einen größern Gewinn für die Actionaire abwerfen und die Action noch be deutend höher stehen als sie es schon sind. Im Zusammenhänge hiermit steht in Bezug auf die Wahl von Eisenbahnlinien, welche Hauptglieder eines großen Eisenbahnnetzes oder Verbindungs glieder einer langen Eisenbahnkette bilden, die Re gel, diese auch als solche zu behandeln und unabhän gig von den etwa zu beiden Seiten liegenden Inter essen zu etabliren. Der kürzeste Weg, besonders wenn er zugleich durch günstiges Terrain gerecht fertigt wird, ist dann gewiß vorzuziehen. Läßt man dieseGrundregel des kürzestenWeges für dieHaupt- bahncn unbeachtet, so werden Parallelbahuen un vermeidlich, da industrielle und voikrcicbeGegenden dieses Communicationsmittcl mit derZeitdoch wer den erhalten müssen. Außerdem ist das reisende und handeltreibcndcPublikum gezwungen,so lange diese Parallelbahnen noch nicht bestehen, auf den unnölhig verlängerten Hauptbahnen Zeit und Geld nutzlos zu verwenden. Es steht diese von mir bei mehreren Gelegenheiten öffentlich vertheidigte Behauptung in England und Amerika als unbe- zweifelt fest, da namentlich in ersterem Lande nach den in neuerer Zeit angestellten Untersuchungen 80 Millionen Pfd. St. für Parallelbahncn durch eine zweckmäßigere Anordnung der erbautenHaupl- linien hätten erspart werden können. Ich glaube, daß man hierauf in Deutschland bis jetzt zu wenig Aufmerksamkeit verwendet hat; geschähe dies fort während, so würden dieVorwürse sowenig ausblei ben als in England, wo man solche täglich hören kann. 3) Verminderung der Reibung. Hierin ist Amerika jedem andern Lände durch die sinnreichsten und zugleich einfachsten Erfindungen vorangeschritten, indem durch Anwendung eines patentirten Frictivnsmetalles und einer neuen Con- struction der Schienenbüchse, die für den Gebrauch von Oel eingerichtet ist, die Reibung bedeutend ver mindert, und wie sich daraus von selbst ergiebt, eine bedeutende Ersparniß im Betriebe erzielt worden ist. 4) Oberbau. In dieser Beziehung waren es besonders die Schienenstöße, die Befestigung und Unterstützung der Schienen, sowie die Fundamente, worauf ich meine größte Aufmerksamkeit verwandte, da außer