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der ich mich ein paar Tage aufhielt, zog jede halbe Stunde eine Truppenabteilung durch. An den unzähligen Etappen marschieren ununterbrochen unabsehbare Truppenmassen an die Front. Wohin man auch kommt, überall wimmelt es von jungen, gesunden, kräftigen, wohlausgebildeten und gut- ausgerüsteten Soldaten, es ist eine Aölkerwandernng, wie sie die Welt nie geschaut hat Es ist der Zug der Germanen gegen Westen im Kampf für ihre Existenz und ihre Zukunft Ueberall in dem Etappengebiet siedet und pulsiert unaufhörlich, Tag und Nacht hindurch, das Leben. Diese Flutwelle germanischen Blutes ist ohne Ende, und man merkt keine Ermüdung. Wenn ein Mann auf seinem Posten fällt, nehmen zwei oder drei andere seinen Platz ein. Die deutschen Reihen werden von dem furchtbaren Artilleriefeuer des modernen Krieges nicht gelichtet; sie werden im Gegenteil dichter und dichter. Eine Mauer von Männern, Eisen und Feuer dringt langsam vorwärts auf dem Boden des unglücklichen Frankreich. Eine Reise, wie die meine, die mich von Berlin bis zu den Artilleriestellungen im Schrapnell- und Granatfeuer führt, bedeutet natürlich ein unerhörtes Crescendo. Aber die Ruhe und die Pflichterfüllung ist überall gleich. Von meirzer Beobachtungsstelle vor der Artillerie habe ich tele- phonisch mit einem Major im Schützengraben gesprochen, der sich einen knappen halben Kilometer von den äußersten französischen Stellungen befand. Er sprach nicht nur mit der gleichen Ruhe wie während eines Manövers, sondern auch mit Humor. Und doch hätte ihn jeden Augenblick eine Kugel treffen können. Der erste Etappenweg, den ich in einem Auto befuhr, erforderte vier Stunden. Er war voll von kilometerlangen Proviant- und Munitionskolonnen, ganzen Fluten von Pferden, Reitern und schweren Wagen Ich sprach dem Offizier, der mir folgte, mein Erstaunen darüber aus; der mir aber ruhig antwortete: „Wir Haven fünfzig Ktappenwege, ebenso voll von Leben und Material wie dieser!" Und doch merkt man in Deutschland keine Spur von der Anstrengung. In entgegengesetzter Richtung, von der Front nach Deutsch, land bewegt sich auch ein gewaltiger Strom — es sind die Verwundeten, die gepflegt werden sollen, und die man seinem Lande erhalten will, und es sind auch die Gesänge- neu. Ich habe gesehen, wie diese behandelt werden, habe auch mit Hunderten von Gefangenen gesprochen, und ohne Ausnahme heben sie mit Dankbarkeit die milde und humane Behandlung hervor, die sie genießen. Sie erhalten die gleiche kräftige Verpflegung, wie die deutschen Soldaten. Gerade heute habe ich ein Lager besucht, in dem französische Gefangene sich selbst ihre Kost zubereiten dürfen. Sie hatten gebeten, mehr Gemüse und weniger Fleisch in ihrer Suppe zu erhalten, und ihr Wunsch wurde ohne weiteres erfüllt. Nicht eine Klage habe ich von den Franzosen gehört. Sie waren alle vergnügt und entzückt. Diese humane Be- Handlung hat die große Verwunderung der französischen Soldaten heröorgerufen; sie hatten ganz Anderes erwartet. Unter Zweifel und mit Entrüstung habe ich in ausländischen Zeitungen gelesen, die französischen Gefangenen würden von den Deutschen hart behandelt. Mit meiner Ehre stehe ich dafür ein, daß solche Behauptungen lügenhaft sind. Ich habe von keinem einzigen deutschen Offizier etwas Schroffes über Frankreich gehört. Alle ohne Ausnahme hegen sie ehrliche Sympathie für dieses große und schöne Land. In den Schützengräben liegen deutsche und franzö sische Soldaten und töten einander mit Gewehren, Maschinen gewehren und Bajonetten. Aber hier, hinter der Feuerlinie, bieten die Deutschen ihren Feinden Zigaretten an und zeigen ihnen die ritterlichste Kameradschaft. Deutschland hat nie etwas anderes verlangt, als mit seinen Nachbarn im Frieden zu leben. Frankreich wäre eine Zeit ruhiger Ent wicklung und Sicherheit entgegengegangen, wenn es nicht von gewissenlosen Abenteurern in die Katastrophe gejagt worden wäre, die jetzt einer drohenden Sturmwolke gleich über diesen Gefilden hängt, die man in der ganzen Welt liebt. Frankreich blutet und verblutet für seine Freunde vom Dreiverband. Aussichtslos scheint auch dieser Kampf für Deutschlands Gegner, wenn man es erlebt hat, wie leicht Deutschland eine einheimische Anleihe von fast fünf Milliarden Mark gezeichnet hat. Es ist meine Ueberzeugung, und ich habe von hervorragenden Deutschen sie bestätigt gefunden, daß dieselbe Summe jederzeit von neuem anfge- bracht werden könnte. Deutschland ist ungeheuer reich, Deutschland wird den Krieg nicht früher beenden, bevor es auf allen Fronten gesiegt hat." Aus Staät unä Lanä. Mitteilungen ans dem Leserkreise jur diese Rubrik nehmen wir jederzeit dankbar entgegen. aW-, — Abermals können wir von einer Aus- Zeichnung berichten, die dem Sohne eines hiesigen Bürgers zuteil wurde: Kurt Hörig, Sohn des Herrn Barbiermeister Hörig, Ge freiter im 2. Grenadier.Regiment Nr. 101, erhielt das Eiserne Krenz mit noch drei Kameraden seiner Kom pagnie. lieber die Einzelheiten hierüber mitzuteilen, be. halten wir uns für später vor. — Nach einer Verordnung des Kandeksministeriums in Wien im Einvernehmen mit dem Kriegsministerium vom 5. Oktobar unterliegen sämtliche von Oesterreich nach dem Auslande gehenden Postsendungen der militärischen Ueberprüfung. Die Sendungen treffen daher mit Ver zögerungen in Deutschland ein. — Sämtliche vor dem Aeinde erworöenen Hrden und Ehrenzeichen können Hinterbliebenen ohne besonderen Antrag als Andenken gelassen werden. So bestimmt eine soeben erlassene kaiserliche Kabinettsorder. — Die Großenhainer Zeitung schreib! folgendes: Die postalische Versorgung unserer beiden sächsische« Armee korps, deren Zentrale in Leipzig ist, hat vielfach zu heftigen Klagen Anlaß gegeben, so daß am Sonnabend die Kaiser, liche Oberpostdireltion Leipzig den Vertretern der Presse des Be- zirksGelegenheit zu gründlicher Information und Besichtigung des Betriebes an Ort und Stelle gab. Nach den erteilten Auskünften und gesehenen Tatsachen scheint allerdings die Reichspost an den Verzögerungen in der Bestellung nicht schuld zu sein, ja man kann nach den gewonnenen Eindrücken sogar von einem großen Entgegenkommen ihrerseits gegen über dem Publikum reden, das zu Tausenden schlecht ver packte Sendungen nach Möglichkeit repariert bekommt. Ver gleiche mit 1870, wo übrigens die Post anfangs ebenfalls allerlei Schwierigkeiten erst überwinden mußte, treffen nicht zu, denn diesmal führt Deutschland einen Krieg nach mehreren Fronten und die Feldpost hat es mit weit größeren Ansprüchen zu tun. Während sich innerhalb der Reichsgrenzen der Verkehr der Feldpost glatt abwickelt und vor allen Dingen schon aus räumlichen Rücksichten auch nicht eine richtig adressierte und genügend verpackte Sendung länger als 24 Stunden auf ihre Weiterbeförderung warten muß, sind in den feindlichen Ländern die Verkehrswege ungemein überlastet. In allen Fällen muß die Feldpost hinter die Munitons- und Proviantkolonnen, sowie die Verwundetentransporte zurücktreten, und auch während den Gefechten, die ja im modernen Kriege tage- und wochenlang dauern, ruht die Postaufgabe. Auf den belgischen Eisen bahnen, die infolge ihrer Bauart für das deutsche Eisenbahn material viel Schwierigkeiten bieten, ist das Vorwärlskommen der Post äußerst erschwert. Das raschere Hereinlommen der Post aus dem Felde findet seine Erklärung darin, daß der Rücktransport wesentlich weniger belastet ist. Ein weiteres hemmendes Moment ist die fortwährende Verschie bung größerer oder kleinerer Truppenabteilungen und -Ver bände, die zum Teil eine Umkartierung der Post von einem Kriegsschauplatz zum andern nötig macht. Der Gang der Feldpostbeförderung ist folgender: Alle Sendungen aus ganz Sachsen gehen zunächst nach Leipzig, wo sich eine der über das ganze Reich verteilten 18 Sammelstellen befindet. Hier erfolgt sofort die Sortierung in viermaliger Sichtung, wor aus für eben Stab, jede Kompagnie, Batterie, Eskadron oder sonstige kleine Abteilung geschlossene Säcke an die Leitstellen am Beginn der Etappenstraßen abgehen. Dort setzt nun die Arbeit der mobilen Feldpost ein, bei der für jede Armee ein Feldpostdirektor vorhanden ist. Die Feld post geht, allen möglichen Gefahren ausgesetzt, so schnell als möglich an die Truppen bis 30—40 Kilometer hinter der Schlachtlinie heran. Eine Postbestellung wie im Frieden findet im Felde nicht statt, die Postsäcke werden vielm hr von jedem Truppenteile selbst abgeholt. Hier scheint eine weitere Ursache für die beklagten Verzögerungen zu liegen. Die Aufenthaltsorte der rund 5000 einzelnen Truppenteile wird der Reichspostverwaltung in bestimmten Zwischenräumen von den Militärbehörden mitgeteilt. Das Große Haupt quartier, jedes Armeeoberkommando, jedes Armeekorps und jede Division hat eine mobile Feldpostanstalt. Diese Feld postanstalten geben früh nach Möglichkeit dem zuständigen Feldpostdirektor das abends zu erwartende Quartier der Truppe an. Die Kriegführung selbst macht jedoch die Richtigkeit dieser Angabe oft zunichte, und so irrt dann die Feldpost auf gut Glück auf der Suche nach ihren Truppen umher Dabei sind Postverluste durch feindliche Ueberfälle nicht ausgeschlossen. Natürlich haben deutsche Truppen auch Posten des Gegners abgefangen. Ein englischer und ein französischer Postsack auf dem Leipziger Postamt beweisen es. Im Osten mußte Post verbrannt werden, damit sie nicht in feindliche Hände fiel. Ferner wurde zu Anfang des Krieges aus militärischen Gründen die Post bis drei Wochen zurückgehalten. Was das heißt, mag man daraus ermessen, daß im Augenblick wöchentlich zirka 1000 Waggons, davon 80 aus Sachsen, ins Feld hinausgehen. Die Leipziger Sammelstelle bewältigt jetzt täglich rund 500000 Feldpost briefe und hat durch Einstellung von 500 Hilfskräften da zu 757 Mann zur Verfügung, was ebenso wie der Platz ausreichend ist. — Petroleum sparen! Die deutsch - amerikanische Petroleumgesellschaft hat ihren Abnehmern mitgeteilt, daß sie vorläufig nur noch die Hälfte der bisher bezogenen Menge Petroleum liefern kann. Es wird daher empfohlen, sparsam im Verbrauch von Petroleum zu sein. — Ilnchtige Bekanntschaft. Der „Bohemia" wird von einem Leser folgender Hindenburg-Vierzeiler gesandt: „Sind denn", ward Hindenburg gefragt, „Die Russenfeldherr'n tüchtig?" „Ich weiß nicht", hat der Held gesagt, „Ich kenne sie nur flüchtig!" — Soll die Geschäftswelt inserieren! Ueber dieses Thema veröffentlich das Fachblatt „Der Detaillift" in Düsseldorf, das in dieser Frage gewiß zuständig ist, in seiner Nr. 35 die nachstehenden Darlegungen: Soll die Geschäftswelt inserieren? Mancher Geschäftsmann denkt wohl jetzt, in Kriegszeiten sei es überflüssig, Anzeigen auf zugeben, einmal weil es Geld kostet, und man nicht wisse, wie man das bare Geld besser brauchen könne, falls der Kredit etwas beschränkt würde, zum andern aber, weil zu befürchten stehe, daß die Ankündigungen jetzt geringere Wirkung ausübten als in Friedenszeiten. Diese Schlüffe sind nur scheinbar richtig. Wie gefährlich sie für die ganze Volkswirtschaft sind, das vermag man sich erst dann auszudenken, wenn sie verallgemeinert sind Wollte jeder Geschäftsmann so denken, so stünden innerhalb weniger Wochen Handel und Wandel innerhalb des Reiches beinahe gänzlich still und dies würde dann erst recht zur Folge haben, daß die Geschäftsleute, die heute noch aus den Kredit ihrer Bankverbindungen angewiesen sind, in dieser Hinsicht die schlechtesten Erfahrungen machen. Gerade jetzt muß alles getan werden, um die Kauflust der begreiflicher Weise etwas verschüchterten Oeffentlichkeit anzuregen. Die gesunde Entwicklung unserer Volkswirtschaft hat in diesen Tagen — unmittelbar nach der Mobilmachung — eine Feuerprobe bestanden, um die uns jeder der anderen kriegführenden Staaten, die mit Moratorien und anderen Hilfsmitteln arbeiten, nur aufrichtig beneiden kann. Es ist selbstver ständlich, daß in Kriegszeiten von einem wirtschaftlichen Aufschwung nicht die Rede sein kann: die Anzeigen werden natürlich nicht die Wirkung haben wie in Friedenszeiten, aber sie werden dafür sorgen, daß die Adern und Arterien der Volkswirtschaft wenigstens nicht austrocknen. Die Mehr heit des deutschen Volkes ist, wie auch die erfreulichen Er gebnisfe der Kriegssammlungen gezeigt haben, glücklicher weise noch so vermögend, daß sie auch jetzt noch in maß voller Weise kaufkräftig und kauflustig ist, wenn sie dazu angeregt wird. Und gerade die maßvollen Käufe wirken in solchen Zeiten belebend auf Handel und Wandel ein und sorgen für die Erhaltung der volkswirtschaftlichen Gesundheit. — Zweite Aortsetzung der Aetdpostbriefe an ei re« Soraer Einwohner: Hinter uns auf den Höhen war unsere schwere Artillerie aufgefahren, und nun sausten die Geschosse über uns hinweg, und von drüben herüber kamen Vie feindlichen Granaten auch über uns hinweg, um oben, noch hinter unserer Artillerie, einzuschlagen. Ganz deutlich konnte man die Granaten am Klange unterscheiden Die deutschen Granaten rauschen wie ein Wasserfall, die fran zösischen pfeifen mehr. Und so ging es nun durch die Lust, hin und her, immer ein Rauschen und Pfeifen und Hammer und Schwert. Roman von Guido Kreutzer. 6Z (Nachdruck verboten.) Ihr diabolisch-listigeS Gesicht amüsierte den Dragoner. „Nee, Kind, ich denk ja gar nicht daran: ausreißen tu ich nicht; da hast du mich mißverstanden. Bloß dich will ich weghaben, weil du uns bei der bevorstehenden Debatte stören würdest! Sei beruhigt — mir passiert schon nix. Und nun adjö, Herz; übermorgen live o'eloek Kaiserhof. Und sieh mal zu, was sich mit eurem jungen „Goethe" machen läßt!" Er schloß den Schlag und nannte dem Chauffeur die Adresse: „Haberlandstraße 34." Der Wagen glitschte davon. Der Adjutant der 5. Gardedragoner sah ihm zufrieden nach; wie zum Abschied winkte noch über dem zurückgeschlagenen Klappverdeck die flatternde blaue Pleureuse von Irenes breitkrämpigem Promenadenhut. Dann wandte er sich zurück; denn nach gerade müßte der Onkel Theophilus doch heran sein! * * * Fast wäre der Kommerzienrat Gerland mit seinem jungen Widersacher zusammengestoßen — so im Schub war er! Aber noch rechtzeitig bremste er und kam auf zwei Gchritt Distanz zum Stehen. Georg Bressensdorf griff an den Mützenschirm. „Tag, Herr Kommerzienrat! Hocherfreut, daß man auch mal wieder das Vergnügen hat, Sie zu sehen." „Gleichfalls!" replizierte der alte Herr kurz; seine Begeisterung hielt sich anscheinend in mäßigen Grenzen. „Haben Sie 'n Augenblick für mich Zeit?" „Ganze Stunden, wenn's gewünscht wird!" „Exzellent; dann wollen wir hier die Belleouestraße ein bißchen lang; spricht sich ruhiger. Und ich hab was mit Ihnen zu bereden." „Ich stehe zur Verfügung." Theophil Gerland jedoch schwieg verstockt, bis sie unter iA« blühenden Räumen dem Ralanddenkmal rukchritten. Da gab er seinem Zylinder einen Stubbs, daß er mehr in den Nacken rutschte und erkundigte sich unvermittelt: „Übrigens — wenn ich mich nicht ganz niederträchtig irre, dann sah ich meine Nichte eben in Ihrer Ge sellschaft?!" Da fährt sie hin und singt nicht mehr! . . . hätte der andere beinahe gesagt, aber verkniff sich solch unchriftliches Zitat diplomatisch. „Es ist so! Die Gnädige hat sich diesen Moment von mir verabschiedet." „Wo ist sie denn momentan?" „Auf dem Rückweg nach Hause." Unter den weißen buschigen Augenbrauen hervor traf ihn ein grimmiger Seitenblick. „Bißchen plötzlich ge gangen die ganze Abschiedszeremonie; finden Sie nicht auch?" „Auf meine Veranlassung, Herr Kommerzienrat. Ich hielt es für stimmungsvoller, wenn wir uns allein trafen!" „I, der Donner!!" . . . weiter fiel dem Finanzier im Moment nichts ein. , Dann aber reckte er seine kleine untersetzte Figur möglichst imponierend und ging ran wie Blücher. „Sagen Sie mal, Herr Baron, wissen Sie eigentlich, daß ich gestern abend mit Ihrem Kommandeur zusammen war?" „Der Herr Oberst hat mich heut mittag über dieses Rendezvous und die dabei von Ihnen geäußerten Wünsche informiert." „So, hat er? Und was taten Sie darauf?" „Ich hab zugehört, Herr Kommerzienrat!" „Hallo; das ist allerdings hervorragend: —Sie haben zugehört! Und sich fünf Stunden später wieder mit meiner Nichte getroffen!!" „Das hätte sowieso geschehen müssen; denn diese Ver abredung bestand schon seit einigen Tagen!" Schweigen; Gewitterstimmung. Sie waren stehen- geblieben: gerade vor dem nüchternen grauen Torbogen des Wilhelm-Gymnasiums. Der Dragoner langweilte sich; aber er hatte die tröstliche Gewißheit: — Jetzt sehen wir aus, wie die beiden Kerls auf den Plakaten der „Stettiner Sänger". . . ein langer Dünner und ein kurzer Dicker! Darüber mußte er lächeln. Und der alte Herr. dem diese ungebührliche Heiterkeit nicht entging, sah miß trauisch an dem hageren knochigen Gesellen hoch. Ent weder wollte ihn der zum besten haben oder er war von geradezu vierdimensionaler Naivität! Man setzte sich beiderseits wieder in Bewegung. Vor ihnen reckte sich der gepanzerte Noland im sonnendunstigen Frühherbsttag. „Nu mal Farbe bekennen, Herr Baron; denn dies Rumlämmern mit Worten und Redensarten kann ich für'n Tod nicht ausstehen: — was denken Sie sich eigentlich so?" „In welcher Hinsicht denn, Herr Kommerzienrat?" „Herrgott — in Hinsicht auf meine Nichte natürlich!" Der Oberleutnant von Bressensdorf besaß Selbst beherrschung und lieb sich von keiner Situation unter kriegen. Deshalb lachte er auch jetzt nicht, sondern ver setzte todernst: „Alles Gute und Schöne für gegenwärtige und spätere Zeiten!" „So; kann ich mir vorstellen. Nee, ich meine — was soll denn daraus werden? Wir wollen uns doch nichts vormachen und wie die Katze um den heißen Brei herum gehen. Wir sind doch erwachsene Männer! Also bitte, wenn Sie so freundlich sein wollen: — wie ist denn nun Ihre Marschtabelle?!" „Sehr einfach, Herr Kommerzienrat: — ich trete morgen mittag zwischen zwölf und halb zwei in Helm, Schärpe und Tanzsporen bei Ihnen an und bitte Sie um die Hand Fraulein Irene von StareynSl" „Und wenn ich „nein!" sage?" „Dann geh ich wieder und warte bis Sie „ja!" sagen!" „Erlauben Sie mal — so einfach liegen di« Ver hältnisse wohl doch nicht!" „Ganz gewiß, Herr Kommerzienrat. Nach den neueste« Forschungen find Komplikationen kaum mehr zu be furchten." - -So!" .. . Theophil Gerland war mit seiner Weis heit wieder mal zu Ende. Dieser „junge Schnösel" hatte eine verdammte Art von Höflichkeit, gegen die man nicht aufkommen konnte. Dabei ärgerte man sich bestenfalls öte Schwindsucht an den Hals und erreichte doch nichts. - (Fortsetzung folgt.)