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Redaktioneller Teil. 275, 27. November 1916. Eine Deutsche Bücherei in Belgien. — Im »Belgischen Kurier« lesen wir: Am 23. Oktober ist im Gebäude der Bildungszentrale in Brüssel die »Deutsche Bücherei in Belgien« eröffnet worden. Diese neue deutsche Organisation entspricht einem in den Kreisen der Besatzungs truppen sowohl, als in denen der deutschen Kolonie häufig laut gewor denen Wunsch und wird wohl allseitig als ein neuer guter Freund aus der Heimat hier draußen auf dem vorgeschobenen Posten begrüßt werden. Wie schon der Name sagt, ist sie nicht nur für Brüssel, son dern für alle Besatzungstruppen und deutsche Zivilbehörden im Be reiche des General-Gouvernements gedacht. Der Bücherbestand dieser Bücherei umfaßt 6000 Bände. Die eine Hälfte fällt auf die schöngeistige, die andere auf die be lehrende Literatur. In der schöngeistigen Literatur sind die Klassiker ebenso wie die neuesten und allerneuesten Werke hervorragender Schriftsteller unserer Zeit besonders reich vertreten, und zwar nicht nur deutsche, sondern — wir »Barbaren« sind nun einmal so — auch Ausländer, Engländer, Franzosen usw. Ferner ist der flämischen Literatur ein ehrenvoller Platz eingeräumt worden, auch liegen Werke in stenographischer Schrift, Stolzc-Schrey und Gabelsberger, auf. Die belehrende Abteilung umfaßt Bücher der verschiedenen Wissenschaften und Techniken, wie z. B.: Mathematik, Naturwissenschaften und Technik, 11. Geographie, Länder- und Völkerkunde, Neisebeschrcibnn- gen, 0. Oieschichte, Kulturgeschichte, Kriegswissenschaften, v. Sprach wissenschaften, Literatur-, Kunst- und Musikgeschichte, IV Religion, Philosophie, Pädagogik, IV Rechts- und Staatswissenschaften, Volks wirtschaft und Sozialpolitik. Bei der Auswahl der Werke ist den verschiedenartigsten Ge schmacksrichtungen und Weltanschauungen Rechnung getragen worden, ivic überhaupt die gauze Einrichtung, die in den sachverständigen Hän den von Herrn Or. Jaeschke liegt, auf den allgemeinen Grundsätzen der modernen Bücher- und Lesehallen basiert. Eingehenden Auf schluß über den reichhaltigen Bücherbestand gibt ein Katalog, der sich augenblicklich noch in Druck befindet und in kürzester Frist erscheinen wird. Die Kosten der Einrichtung sind in erster Linie von dem Herrn General-Gouverneur und von dem Chef der Zivilverwaltung Exz. vr. v. Sandt bestritten worden. Außerdem ist eine Reihe wertvoller Zuwendungen aus der Heimat der Bücherei cingesandt worden, so z. B. von der Kriegsbücherei der Kgl. Bibliothek in Berlin, Stadtbücherei Elberfeld, ferner vom Hamburger Ausschuß für Kriegs büchereien, von der Gesellschaft für Volksbildung, Berlin, von der Kgl. Hausbibliothek, Berlin, vom Provinzialausschuß zur Verteilung von Lesestoff in Hannover und Bonn, von den Städt. Büchereien und Lese hallen in Düsseldorf und Hagen i. Wests., ferner von Herrn F. Schrey, Berlin, sowie einem großen Teil der deutschen Verleger. Um die Einrichtungsarbeitcn, die bibliothekarisch-technische Kenntnisse erfor derten, zu fördern, haben die Stadtbibliotheken in Dortmund und Essen, die öffentlichen Bücher- und Lesehallen in Düsseldorf und Hamburg Dameu nach Brüssel beurlaubt. Besonderer Wert wird auch darauf gelegt werden, die Leser individuell zu behandeln und ihnen mit Ratschlägen zur Seite zu stehen. Für die Verwaltung der Bücherei stehen zwei geschulte Bibliothekare und vier ehrenamtlich beschäftigte Damen zur Verfügung. Die Bücherei ist geöffnet an Wochentagen von 11 bis 1 Uhr vor mittags und von 5 bis 8 Uhr nachmittags, ferner Montags, Mittwochs und Sonnabends auch von 8 bis 9 Uhr abends. An Sonn- und Feier tagen bleibt die Bücherei geschlossen. — Die Bücher stehen allen in Belgien wohnenden Deutschen zur Verfügung. Angehörige der Bc- satzungstruppen und Zivilverwaltungen haben keinerlei Gebühren für die Entleihung der Bücher zu entrichten, während Deutsche, die nicht den Verwaltungen angehören, für jedes entliehene Buch eine Leih gebühr von 20 Pf. zu entrichten haben. Jeder Leser kann höchstens zwei Bücher auf einmal erhalten. Die Leihfrist beträgt drei Wochen. Bei der Eintragung in die Lescliste muß sich jeder durch den Paß oder das Soldbuch und dergleichen ausweisen können. Zur Förderung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs ist zugelassen worden, im inneren deutschen Verkehr die durch Postauftrag oder Post nachnahme eingezogenen Beträge mit Postanweisung auch auf das Konto des Absenders oder einer dritten Person bei einer Bank, Spar kasse oder sonstigen Geldanstalt zu überweiseu. Der Absender hat einen derartigen Wunsch bei einem Postauftrag am Fuße der Auftrags karte, bei einer Nachnahmesendung unmittelbar unter der Angabe des Nachnahmebctrags, bei einem Nachnahmepaket auch auf der Paket karte, durch einen Vermerk auszudrücken wie: Betrag an (Bezeichnung der Bank) in (Bestimmungsort) für Konto des in (Genaue Bezeichnung des Kontoinhabers). Dementsprechend hat die Anschrift auf der Postanweisung bei spielsweise zu lauten: An die Deutsche Bank (für Konto des Kaufmanns Otto Kranich in Lehrte) in Hannover. Auf dem Postanweisungsabschnitt ist für die Bank usw. auzugeben, für wessen Rechnung die Gutschrift zu erfolgen hat, z. B.: Gutschrift für Kaufmann Otto Kranich in Lehrte oder: Gutschrift auf Konto Kaufmann Otto Kranich in Lehrte für Karl Prinz in Meinersen. Eröffnung der Universität Preßburg. — Die neue Elisabeth-Uni versität in Preßburg ist am 21. November feierlich eröffnet worden. Erzherzog Albrecht hielt die Eröffnungsrede, in der er erklärte, daß mit der neuen Universität die Kultur der ungarischen Nation gefördert werde, die mit edelster Selbstaufopferung für König und Vaterland kämpfe und blute. Eine an Körper und Seele gesunde Jugend werde für die mächtigen Aufgaben einer des gegenwärtigen ruhmreichen Kampfes der Nation würdigen Zukunft heranreifen. Der Kricgs- minister Freiherr von Krobatin übergab das bisher im Besitz der Militärverwaltung befindliche Gebäude und sagte: Trotz aller Be schwernisse öurchglüht uns alle warme Begeisterung nnd festigt uns in der Überzeugung, daß wir durch deu Schutz des Allmächtigen in un serem gerechten und uns aufgedrungenen Krieg die Palme des Sieges erringen werden. Die Beschlagnahme amerikanischer Bücherkäufe durch England. — Dem »Berliner Tageblatt« wird unterm 17. November aus Haag ge meldet: Die »Daily Mail« enthält den Protest eines der größten ameri kanischen Verleger, Putnam, sowie zweier weiterer Vertreter der amerikanischen Verleger gegen die unnötige Beschlagnahme und Zensur der Druckschriften, die für sie nach Amerika gehen. Danach werden sogar die Bücher, die aus England kommen, auch wenn sie die Adresse bekannter amerikanischer Firmen tragen, mit großen Kosten und einem Zeitverlust von mindestens acht Tagen genau geprüft. Ferner liegen 150 Säcke für amerikanische Verleger bestimmter deutscher Bücher aus Leipzig in England, die aus holländischen Schiffen genom men wurden und über deren Schicksal nichts zu erfahren ist. Der Vizepräsident des amerikanischen Verlegervereins schreibt: »Die Maß regeln der Negierung sind wirkungslos und unklug bis zum Äußersten, und die öffentliche Meinung Amerikas ist geradezu empört über die Beschlagnahme der Seepost«. Man wird sich wohl noch erinnern, mit welchem Eifer sich Herr Putnam, gestützt auf seiuc Erfahrungen im amerikanischen Bür gerkriege, gegen die deutsche Kriegsführung wie gegen Deutschland über haupt gewandt hat (Bbl. Nr. 139 u. 184). Vielleicht dämmert ihm jetzt, nachdem er am eigenen Leibe die Segnungen des Geistes englischer Kricgsführung erfährt, die Erkenntnis, daß er seiner Sympathie für Old England früher einen allzu freundlichen Ausdruck gegeben hat. Eine ärztliche Gesellschaft für Mcchanotherapie hat sich gebildet, die den wissenschaftlichen Ausbau der Mcchanotherapie, Heilgymnastik und Orthopädie sowohl auf dem Gebiete der chirurgischen Orthopädie wie der inneren Medizin fördern will. Die erste Versammlung der Gesellschaft, deren Vorsitzender Geh. Sanitätsrat Prof. vr. Schütz, Berlin, ist, soll in der Weihnachtswoche 1916 in Oberhof stattfinden. PersonalnaHrlchteu. Kriegsauszeichnung. — Mit der Noten Kreuz-Medaille 3. Klasse wurde, wie wir erst jetzt erfahren, Herr Hermann Marcus in Genf, früherer Mitinhaber der Fa. M. L H. Marcus, Verlagsbuch handlung in Breslau, im Juni d. I. ausgezeichnet. Ernst Gaupp f. — Der Inhaber des Lehrstuhls der normalen Ana tomie an der Universität Breslau, Prof. Or. Ernst Gaupp, ist im Alter von 66 Jahren einem Herzleiden erlegen. Er gab Duvals »Grundriß der Anatomie für Künstler« sowie die Abhandlung Eckers über die Ana tomie des Frosches heraus und lieferte für Hertwigs Handbuch der Ent wicklungslehre die »Entwicklung des Kopfskcletts«. Viktor Julius Loebc -f. — In Putbus ist der Geheime Studienrat Professor vr. püil. Viktor Julius Loebe im 77. Lebensjahre gestorben. In zahlreichen Schriften und Aufsätzen beschäftigte er sich namentlich mit der Geschichte von Pommern, Rügen und Putbus. 1452^