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^ 275, 27. November 1916. Redaktioneller Teil. blikationen auf dem Gebiete der bildenden Kunst vertreibt, alle musikliterarischen Erscheinungen mit einer gewissen ehrfurchts vollen Scheu behandelt. Entspringt dies Verhalten einer sonst schätzenswerten Empfindung der Rücksicht, nämlich der Rücksicht auf das Musikalien-Sortiment, so glaube ich, in diesem Falle Rücksichtslosigkeit befürworten zu können, die Literatur wie der Kreis der Interessenten ist wenn auch begrenzt, so doch grotz genug, um eine Bearbeitung von beiden Seiten zu vertragen. Der Barsortiments-Katalog der Firma Breitkopf L Härtel, die als Verlag wie als Barsortimcut die musikliierarischen Publi kationen besonders Pflegt, dielet ein übersichtliches Spezial-Ver zeichnis aller wesentlichen musikliterarischen Erscheinungen. Neben rein wissenschaftlichen Werken ist gerade in den letzten Jahren eine Fülle von Biographien und Brief-Sammlungen er schienen, die bei richtiger Berücksichtigung im Weihnachtsgeschäft sich als lohnende Verkaufs-Objekte erweisen werden. Erfah rungsgemäß ist besonders bei Musikbllchern der Leser eines Wer kes oftmals auch Käufer weiterer, denselben Kreis behandelnder Bücher. So z. B. wird ein Kunde, der Beethoven von Paul Belker (Schuster L Loesfler), gelesen, nun auch gern zu Beet hovens Briefen oder Beethovens Persönlichkeit (Insel-Verlag) greifen. Mancher, der das überaus fesselnde Werk von Berthold Litzmann: Clara Schumann, Ein Künstlerleben (Breitkopf L Härtel) erworben, wird bei der grasten Rolle, die Joses Joachim und Brahms in dem Schumannschen Leben spielen, als Ergän zung den für Brahms' Werdegang so wichtigen Brahms-Joachim« Briefwechsel, die Joachim-Biographie von Andreas Moser lBrahms-Gesellschaft) und die Brahms-Biographie von M. Kaldeck (Brahms-Gesellschaft) zu besitzen wünschen. Der Leser des allzeit jungbleibenden, menschlich wie musikalisch gleich wert vollen: Die Familie Mendelssohn von S. Hensel (G. Reimer) wird mit Freuden in Sebastian Hensel, Ein Lebensbild aus Deutschlands Lehrjahren (G. Reimer) das fernere Schicksal verschiedener Mitglieder aus der Familie Mendelssohn auf überaus interessantem Zeithintergrund (der Verfasser schildert die Wandlung Berlins zur Groß- und Weltstadt) verfolgen. Die im Insel-Verlag erschienene Mozart-Biographie von Schurig bietet, neben dem Biographischen, in glänzenden Wieder gaben eine Fülle zum Teil unbekannter Bilder von Mozart und von den in seinem Leben eine Rolle spielenden Menschen. — In der umfangreichen Wagner-Literatur gibt es eine größere Anzahl von Schriften, voran die reizend ausgestattete Volks-Ausgabe: Richard Wagner an Mathilde Wesendonk, Tägebuchblätter und Briefe (Breitkops L Härtel), die zu den gangbareren Tagesar tikeln des Sortiments bereits gehört; aber auch hier fehlt es nicht an beachtenswerten, weniger bekannten Werken, die das Bild Wagners in einer bestimmten Richtung ergänzen, wie z. B.: Paul Moos, Richard Wagner als Aesthetiker (Schuster L Loeff- ler). Das Freiwerden der Lisztschen Kompositionen Januar 1917 verschafft seinen Werken schon jetzt erneutes und besonderes Interesse, das auch seinen Schriften, wie vor allem seinem Brief wechsel mit Wagner zugute kommen wird. Ist doch dieser Brief wechsel für den wundervollen Menschen Liszt das schönste Denk mal. Diese Betrachtungen möchten dazu beitragen, bei einem oder dem anderen freundlichen Leser (ich denke mir immer nur freund liche Leser) den musikliterarischen Werken im Weihnachtsgeschäft etwas mehr Beachtung als sonst zu verschaffen oder gar zu einer musikliterarischen Abteilung in dem strahlenden Schaufenster zu verhelfen. Können sie dies, so ist ihr Zweck erfüllt, — vollauf allerdings erst dann, wenn der Beachtung ein Strom von Be stellungen folgen würde! Gewiß wäre dieses für manchen Autor, manchen mutigen Verleger daheim oder im Felde eine unerwar tete und erfreuende Weihnachtsüberraschung. ?. 0. Die unerwünschten Bücher. (Übersetzung aus »1^6 DcunpZ« sParis^ Nr. 20 202 vom 28. Oktober 1916.) Mau kündigt die demnächst bevorstehende Abhaltung eines du I-ivre an, ivo die 8oci4t6 Oes gens de 1etkre8, der Cercle de la Iddrairie und das Comite du I^ivre an der Hand eines ausgezeichneten Propagandacntwnrfs ihre Bemühungen vereinigen werden, um das Wiedcranfblühen literarischen Lebens und die Erweiterung des geistigen Einflusses unseres Landes zu fördern. Unter den vom Kongreß er nannten Berichterstattern sind zwei unserer namhaftesten Kollegen, die Herren Charles le Gosfie und Abbe Wetterle, ausdrücklich beauf tragt, der nachfolgend mitgeteilten Aufgabe ihre Aufmerksamkeit zu widmen: »zu untersuchen, durch welche Vermittelung pornographische Ver öffentlichungen in französischer Sprache, deren Herstellung oft außer halb Frankreichs erfolgt, im Auslande verbreitet werden«. Eine hochwichtige Frage, von der zum Teil der gute Nus unseres Landes abhängt, das von Deutschland so grausam verleumdet wird! Denn Deutschland ist cs, das in verrufenen Brutstätten des Lasters, neben seinen philologischen Seminaren und seinen Kriegswerkstätten, den größeren Teil der Gesamtheit dieser erschreckenden Veröffent lichungen hergestellt hat, worin man zum größten Vergnügen unserer Todfeinde ein plump entstelltes angebliches Bild vom Pariser Leben sehen soll. Es war ihm darum zu tun, uns durch planvoll fortgesetzte Verleumdungen in den Augen der ganzen Welt herabzusctzen und in Verruf zu bringen. Man kennt ja die Beharrlichkeit, deren die deutsche Methode in Vorbereitung von Nanb- und Vernichtungskriegen fähig ist. Unsere materiellen und moralischen Kräfte sollten mit allen Mitteln, über die die »Kultur« verfügt, ausgerottct werden. Eins dieser Mittel bestand darin, bewußt heimtückischer Weise uns die Verantwortung für eine ganze Bibliothek dieser gemeinen Bücher auf- znbürden. Diese unsauberen Schmöker waren in einer Sprache ab gefaßt, die allenfalls die Allerweltskundschaft der großen Bars für französisch halten konnte, die aber mit der Sprache Corneilles, Nacines oder Voltaires nichts gemein hatte. Man gab diese traurigen Albern heiten auch in deutscher Sprache heraus, angeblich aus dem Franzö sischen übersetzt, und empfahl sie dem Publikum jenseit des Rheins in gewissen Katalogen durch die auffällig angebrachte verlockende Be merkung: »sehr pikant«. Und das tugendsame Deutschland, dasselbe, das Hermann Sudermann in seinem berühmten Lustspiel »Sodoms Ende« gezeichnet hat, ergötzte sich an den besonders argen Stellen dieser Schandwerke, immer dabei sich entrüstend und zeternd iiber die Verderbtheit der perversen Welschen«. Der Beweis, daß es eine ganze deutsche Industrie gegeben hat, im Bunde mit abscheulicher Schurkerei und finsterer Bosheit, ist dadurch erbracht, daß das vom Kriegszustand veranlasse Verbot jeg lichen Handels mit dem Feinde diesem allzu lange geduldeten Schacher, unter dem der gute Nus unseres Volkes zu leiden hatte, sofort ein Ende gemacht hat. Seltsames Zusammentreffen: gewisse pornogra phische Blätter, von denen unter anderen eins schon durch seinen Titel eine fortgesetzte Beleidigung des französischen Heeres bedeutete, waren schon einige Tage vor dem Kriege ans den Zeitungskiosken verschwunden, als die allgemeine Flucht der Boches, die bei uns ihre großen und kleinen Geschäfte betrieben hatten, den Büchermarkt gesäubert und das Pariser Pflaster von gewissen Werkstätten, deren Erzeugnisse die wohlbekannte Marke »Hlade in Oermau^« hätten tragen können, frei gemacht hatte. Schon jetzt sollten erforderliche Maßnahmen getroffen werden, daß diese unerwünschten Bücher nach dem Kriege nicht etwa wicderkommen und nach Art der Stickgasc Pro fessor Ostwalds unsere reine Luft verpesten. Strenge Wacht sollte ge halten werden an den Grenzen und auch im inneren Lande, bei uns und unseren Verbündeten. Jagd sollte gemacht werden auf diese un gebetenen Gäste, die Lager sollten ausgeforscht werden, von wo diese verleumderische Propaganda sich etwa versorgen könnte; aus alle Pornographie, die Mitschuldige des Spionentums, sollte man ein wach sames Auge haben. Es ist eine Sache des öffentlichen Wohles, der sittlichen Gesundheitspflege. Wir freuen uns zu hören, daß der Oeuvres du luvrv sich vorgenommen hat, »von der Negierung tatkräftige Maßregeln zu fordern, um allen Veröffentlichungen, die die sittliche Entwickelung der französischen Fugend gefährden könnten, den Eintritt in Frankreich zu verbieten«. Kleine Mitteilungen. Hundert Volksbüchereien lind in den letzten Woche» an die in, ersten Kriegssahrc am schwersten getroffene» Ortschaften Ostpreußens abgcgangen. Die Bibliotheken hat der Berliner Goethe-Bund, unter stützt durch eine Reihe Bolksfrcunbe, den Gemeinden gewidmet. Jede der Büchereien enthält über 80 Bände, auserlesene Schütze unserer Lite ratur, naturwissenschaftliche Werke und erzählende Literatur. Der Kreis der Gemeinden, die Büchereien erhalten, wird »och erweitert, auch sollen besondere Wünsche der Gemeinden möglichst berücksichtigt werden. l-töl