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7868 virsk»»iat!«. Dtschn. Vllch«°„d-I. Nichtamtlicher Teil. 148, 28. Juni 1S12 mir zurufen konnten: »Verbannen Sie die Märchen, als ob wir Geldgeschäfte machen wollten, als ob wir persönliche Vorteile hätten!» t'H Nein, sehr geehrter Herr Zimmer, wir erzählen uns im Buchhandel keine Märchen, wir sehen vielmehr die zahlreichen Hände, die da Geld einnehmen für verkaufte Bücher, die zum Teil gar nicht Artikel des deutschen Verlagsbuchhandels sind, sondern dem Verlage von Lehrervereinigungen usw. entstammen. Glauben Sie nun wirklich, daß der Buchhandel gar kein Recht besäße, sich gegen die nichtbuchhändlerischen Eindring linge zur Wehr zu setzen? Wie mir scheint, sind Sie ge neigt, dem Buchhandel einen großmütigen Verzicht zuzu muten, wenn die Volksbildung in Frage kommt! Du lieber Gott, da müßte ja der Buchhandel seine Türen über haupt schließen, denn welche Literatur diente nicht der Volksbildung! Falls Sie aber unter Volksbildung nur diejenigen Be strebungen verstehen, die daraus abzielen, den unteren Volks schichten durch Zuführung guter geistiger Nahrung zu dienen, so muß ich Sie darauf aufmerksam machen, daß der tat sächlich erfolgende Verkauf von Büchern durch Nicht buchhändler in Widerspruch steht zu meinem von Ihnen gebilligten Ausspruch: »Der Verlaus guter Bücher gehört einzig und allein dem Buchhandel». Ob wir uns also schließlich verständigen werden, er scheint mir doch zweifelhast, wenngleich ich es durchaus wünsche. Weil ich es aber wünsche, muß ich Ihnen die Erklärung abgeben, daß Ihre an mich gerichteten Auf forderungen, die ich natürlich nicht auf mich persönlich be ziehe, noch einiger Berichtigungen bedürfen. Sie sagen: »Bekämpfen Sie keine Volksbildungs oereine und keine Bücherhallenbewegung» —, ferner: »Sorgen Sie dafür, daß in den Kreisen der Buch händler der Wille zum Verstehen da ist». Daraus möchte ich Ihnen antworten: Der Buchhandel hat die Bücherhallenbewegung niemals bekämpft, er hat sie vielmehr unterstützt. Und weiter: Der Wille zum Verstehen ist aus unserer Seite immer vorhanden gewesen, und wenn diese Äußerung von Ihnen auf recht erhalten wird, so müßte ich Ihnen abermals zurufen: Sie kennen den Buchhandel und die Buchhändler nicht, ich könnte Ihnen aber außerdem den Vorwurf nicht ersparen, daß Sie ohne diese Kenntnis und ohne jede Beweisführung als öffentlicher Ankläger gegen einen geachteten Berufsstand aufgetreten sind. Sie sehen, sehr geehrter Herr, daß zwischen uns noch große Meinungsverschiedenheiten bestehen. Das haben Sie im Schlußsatz Ihres Offenen Briefes auch selbst angedeutet, daneben aber bemerkt, daß Sie sich bemüht hätten, das Grundsätzliche herauszuarbeiten. Sie müssen mir daher gestatten, daß auch ich etwas Grundsätz liches herauskehre, was kurz ausgedrückt lautet: Wir Buch händler wollen den Handel mit Büchern als eine mit unserm Berufe verbundene Aufgabe behalten und sind nicht gewillt, ihn ganz oder teilweise denjenigen zu überlassen» deren Beruf und bürgerliche Stellung kein Handelsrecht besitzt. Was diese in den Buchhandel eingedrungenen fremden Elemente an Aufgaben und Pflichten zu erfüllen haben, sei ihrem Gerechtigkeitsgefühl und Ge wissen überlassen. Gegen die Hebung der Volksbildung sträubt sich kein einziger guter deutscher Buchhändler» er er hebt auch keinen Widerspruch gegen berufene Personen, gleichviel welchem Berufe sie angehören, er wird auch deren aus das Volkswohl gerichtete edle Bestrebungen bereitwillig anerkennen und würdigen, er kann sich aber nicht einver standen erklären mit dem jetzt zu einer Epidemie ausge arteten Bücherhandel von Nichtbuchhändlern! 8uum ouiguol Durch vorstehende Darlegung wollte ich nicht die Be hauptung aufstellen, daß die Tätigkeit des Buchhandels in allen Fällen genüge, um der Volksbildung in jeder Beziehung Rechnung zu tragen. Ich gebe Ihnen vielmehr zu, daß der Buchhandel im Hinblick auf unsere heutigen sozialen Ver hältnisse, sowie ferner aus der Erkenntnis, daß ein einzelner Berussstand überhaupt nicht ausreichen kann, um das ge samte Kulturleben eines Volkes ausschlaggebend zu be fruchten oder gar fortzuführen, tatkräftiger Helfer und Berater bedarf. Ich möchte sie Bundesgenossen und Freunde nennen, und ich würde mich herzlich freuen, wenn ich auch Sie als solchen ansehen könnte. Eine volle Verständigung würde dann gewiß möglich sein, und in dieser Hoffnung schließe ich in ausrichtiger Hochachtung Hamburg, 22. Juni 1912. Hermann Seippel. Der Leipziger Buch-, Musikalien und Kunst- Handel im Jahre 1911. (Aus dem Jahresbericht 1911 der Handelskammer zu Leipzig.) Buchhandel. Was zunächst den Verlagsbuchhandel anlangt, so ge staltete sich im wissenschaftlichen Verlage das Ge schäft im allgemeinen ruhig und regelmäßig. Der wissenschaft liche Verlag ist überhaupt stabil; seine Abnehmer, die Biblio theken und die Gelehrten, haben ein festes Einkommen und brauchen die Literatur als Handwerkszeug. Dazu kommt, daß die deutsche Literatur ständig in großem Umfange nach dem Aus lande ausgeführt wird. Auf dem Gebiete des Schulverlages machte sich die Massenproduktion, die durch die fortgesetzten Neue rungen in der Pädagogik hervorgerufen ist, wieder sehr fühlbar, indem sie den Wettbewerb unter den beteiligten Verlegern ver schärfte, doch konnte das Berichtsjahr als den vorhergegangenen gleichwertig bezeichnet werden; der Absatz von guten Büchern war im allgemeinen befriedigend. Der technische Buchverlag erwies sich nicht als lohnend, insbesondere waren umfang reichere, teurere Bücher in den Kreisen der Ingenieure und Fach leute schwer abzusetzen. — Der Umfang der Produktion ist in allen Zweigen des Verlagsgeschäftes im allgemeinen dauernd im Steigen begriffen. Die Zahl der wissenschaftlich arbeitenden Personen vermehrt sich ständig, und anderseits steigt die Auf nahmefähigkeit des Auslandes für deutsche wissenschaftliche Er zeugnisse. Zum Teil herrscht sogar Überproduktion, so daß die Verleger große Anstrengungen machen und Opfer bringen müssen, um mit der Konkurrenz Schritt halten zu können. Die äußere Beschaffenheit der Bücher wird von Jahr zu Jahr besser; man hat die Schäden erkannt, die der Gebrauch minderwertigen Papieres, die Drahtheftung und die minderwertigen Einbände verursachen. Auch verfeinert sich der Geschmack der Bücherkäufer irnmer mehr. Dagegen bewegen sich die Ladenpreise der Bücher im allgemeinen in absteigender Linie. Es werden in Deutsch land immer mehr billige Bücher produziert, ohne daß der Inhalt deshalb schlechter würde; das läßt sich aber natürlich nur durch hohe Auflagen ermöglichen. Daneben gibt es aber auch selbstver ständlich eine große Reihe teurer Erzeugnisse, wie Geschenkwerke. Luxusausgaben usw. Die Geld- und Kreditverhältnisse hielten sich in normalen Bahnen; die buchhändlerische Organisation gibt ihnen eine gute Grundlage und Kontrolle. Obwohl die Verhältnisse des Sortimentsbuchhandels im allgemeinen nicht gerade als günstig bezeichnet werden können, sind doch bei vor sichtiger Geschäftsführung die Verluste der Verleger nicht zahl reich und meist auch unerheblich. Die Ziele, die beansprucht wurden, waren ebenfalls regelmäßige, abgesehen von einigen Reisebuchhandlungen, die Wohl lange Ziele in Anspruch nehmen, sich aber auch nunmehr untereinander verständigen wollen zur Herbeiführung gesünderer Verhältnisse. Das Verhältnis der Verleger zu ihren Angestellten war gut; an Gehilfen ist kein Mangel; die allgemeine Teuerung hat vielfach zur Aufbesse rung der Gehälter geführt. Ende des Jahres drohte eine Diffe renz mit den Markthelfern auszubrechen; sie wurde aber für das