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Donnerstag, 4. Juni 1908 Der Goldfelsen. Von Ernst Glanville. — Deutsch von Georg Gutschke. 44i (Nachdruck verboten.) Eine atemlose Panse folgte, während welcher der „Zer störer" nach der von ihm geschlagenen Wunde schoß: plötzlich aber wurde er gegen die Seiten des Kreuzers geschleudert und sank, mit dem Stern zuerst, unter. In den Wirbel hinein tauchte der Kreuzer seine Wunde, sein Deck neigte sich langsam auf die Seite - mit mächtig klatschendem Geräusch schlugen die Masten in die See, dann kehrte derselbe dos Unterste nach oben. Noch einmal tauchte ein Schimmer leuchtenden Kupfers auf — die Wellen schlugen rauschend über ihnen zusammen und nichts als zischender Schanin zeigte die Stelle an, wo die beiden Gegner, fast eng umschlossen in tödlicher Umarmung, untergegangcn waren. (Der Goldfelsen 44. Nr. 7.) Vierzehntes Kapitel. 130 „Nehmt mich mit Euch.' Es gibt wohl kaum einen Anblick, der solch ein Gefühl des Schreckens nnd der äußersten Hilflosigkeit einflößen kann, oic der eines sinkenden Schiffes. Einen Moment über Wasser, menschlichen Könnens und Waltens, und im nachiten Augenblick in den Tiefen der See verschwindend, emc ^.otcnfalle für alle, die sich an Bord befinden. ^>e schreckliche Schnelle, mit welcher die Tragödie nach deni kurzen, wütenden Gefecht endete, hatte die Zuschauer aut der „Irene" fast betäubt gemacht. Totenblaß starrten sie in die wirbelnden Wasser, und wandten sie den Blick ab, um einander anzusehen, daun pflanzte sich vor ihren Augen die Vision der fallenden Masten auf, mit den Leuten, welche Hals über Kopf ins Wasser stürzten, um unter dem großen über sie hinwegrollenden Schiff begraben zu werden. Sie legten um und dampften langsam über die Wasser- wüste auf welcher die SLiffstrümmer umherschwammen und retteten ein halbes Dutzend brasilianischer Matrosen. Von Kapitän Pardoe oder einem seiner tapferen Leute war keine Spur zu finden: langsam bewegte sich die „Irene" zwischen den Trümmern hin und her, und vergeblich suchten die an Bord Befindlichen nach einer bekannten Gestalt. Dann steuerte Leutnant Webster dem Osten zu. Das Geschehnis war vorüber. Die „Irene", übel zuge- richtet wie sie war, durfte es nicht wagen, nochmals mit einem Kreuzer in Berührung zu kommen, und aus diesem Grunde nahm Webster, kranken Herzens und abgestumpft, den Rat Humes entgegen und entfernte sich von Brasilien. Miß Austrade wankte, sich in ihre Lage schickend, wie eine Geblendete nach der Kabine, die für sie hergerichtet wor den war, und setzte sich hier, totenblaß und schweigsam, nieder, während ihre dunklen Augen in unnatürlichem Feuer glühten und sich ruhelos von einem Gegenstand auf den anderen richteten. Nachmittags eilte sie fiebernd aufs Deck, rief nach ihrem Bruder und nach Kapitän Pardoe und würde sich über Bord gestürzt haben, wenn Hume sie nicht in dem Augenblick ergriffen Hütte, wo ihre Hände sich auf das Ge länder legten. Sich sträubend wurde sie wieder biunnter- geführt; abwechselnd hielten die beiden während der Nacht Wache bei der im wilden Fieber sich Hin- und Herwälzenden. Auch am nächsten Tage mußte Laura überwacht werden, und die Melancholie, die auf dem Schiffe herrschte, wurde durch die betrübten Mienen der Matrosen und ihre mißmutigen Bemerkungen nur noch vermehrt. „Sie wußten es", sagte einer zum andern, „kein Unter nehmen solcher Art wie dieses, von einer Frau gefühlt, wird von Erfolg begleitet." Das waren allerdings keine schonen Worte, ab.r der Aberglaube auf hoher See ist selbst durch den Damm nicht verdrängt worden. Mittags kam Webster auf Deck nnd fiel, überaugenrengt wie er war. über seine Messungen in Schlaf und wurde von Hume, der nachmittags nach einer längeren Wa^c nach oben kam, noch schlafend vorgefunden, „Habe ich geschlafen? Es liegt eine drückende Schwüle Aus Sachsen. Wilsdruff, den 3. Juni. Zur Beseitigung von Uebelständen im Ver- dingungswesen hatte der Rat zu Dresden den Stadt- verordneten eine Vorlage zugeyen lassen, wonach bei Arbeiten und Lieferungen für die Stadt zunächst bis zum 1. Mai 1909 vornehmlich bei Aufstellung der Verdingung«- ansMge und bei Prüfung der Angebote ein sachver ständiger Beirat aus den Kreisen der beteiligten Gewerbe treibenden herangezogen werden soll. Die Stadtver ordneten haben den in der Angelegenheit gefaßten Be schlüssen des Rates zugesttmmt, hierüber aber den Rat ersucht, die Tätigkeit der Sachverständigen auch auf die Prüfung der geleisteten Arbeiten und Lieferungen zu er strecken. Der Rat beschloß, dem Ersuchen der Stadt verordneten in seiner Allgemeinheit nicht stottzugeben, es vielmehr bei seinem Beschlusse, daß im letzteren Falle Sachverständige nach dem Ermessen des Rates zugezogen werden können, bewenden zu lasten, das Ersuchen der Stadtverordneten aber als Material bet der im nächsten Jahre vorzunehmenden Neubearbeitung der Vergebungs- destimmungen zu verwenden. Eine wundervoll gelungene Nachtfahrt unternahmen von Sonnabend zum Sonntag Mitglieder des Sächsischen Vereins für Luftschiffahrt mit ihrem Ballon „Dresden" von der Retcker Gasanstalt bei Dresden aus. Der Ballon stieg abends um 7 Uhr auf, bemannt mit drei Insassen, und schwebte im schönsten Abendsonnen schein, kaum mehr als 100 Meter hoch, direkt über die Stadt hinweg. Von den Straßen und Plätzen der Stadt aus war der Ballon zum Greifen nage und er schwebte so dicht direkt über dem Altmarkt und dem Theaterplatze, daß man von unten ganz deutlich die über den Rand der Gondel heraus winkenden und grüßenden Insassen er kennen konnte. Wie ein mächtiger gelber Vogel, dessen herrliche Färbung noch durch die Sonnenstrahlen erhöht wurde, so zog im langsamen Fluge der Ballon in der Richtung nach Nordwester: davon, verfolgt von den Augen Tausender, die gerade um diese Zeit in so großer Zahl die Straßen bevölkerten. Aber auch die Insassen der Gondel müssen überrascht von dem prächtigen Ausblick gewesen sein, der sich ihnen allenthalben bot. Wenn ihnen ein phoiographischer Apparat zur Verfügung gestanden hat, so können wir prächtige Bilder von Dresden erwarten. Die Nachtfahrt ging meist in der Nähe der Elbe entlang; ferne Gcwiltererfchetuungen waren oft zu beobachten. Doch berührte der Ballon selbst keine Gewitterbildung. Freilich wurde ec infolge der Gewitterwinde einige Male im Kreise getrieben. Ein herrlicher Sonnenaufgang lohnte die Luft schiffer in reichstem Maße für die verlorene Nachtruhe. Nach 18 stündiger glatter und an schönen Eindrücken reicher Fahrt landete man Sonntag mittag 1 Uhr glatt hinter Schorfheide in der Brandenburger Gegend. Vor der Strafkammer des Landgerichts Freiberg findet Donnerstag und Freitag die erste Hauptverhand lung gegen Grete Beier statt. Zur Verhandlung stehen zunächst Betrug, Abtreibung usw. Die Anklage wegen Mordes wird erst in der Schwurgerichtsperiode verhandelt werden. — Die Beier unterhielt zu gleicher Zeit, in der ste mit dem ermordeten Oberingenieur Preßler verlobt war, in Brand, ihrer Vaterstadt, wo ihr Vater als Bürgermeister amtierte, ein Liebesverhältnis mit dem 27 Jahre alten Kaufmann Merker, der in der dortigen Glashütte „Saxonia" angestellt war. Die Folgen dieses Verhältnisses waren, wie sich später herausstillte, zwei Fehlgeburten der Grete Beier, die durch verbrecherische Eingriffe herbeigeführt wurden und bis zur Verhaftung der Bürgermeisterstochter unbekannt geblieben stnd. Im Garten deS von der Beierschen Familie bewohnten Hauses wurden gerichtsseitig Nachgrabungen nach Beweisen des Verbrechens gegen das keimende Leben abgehalten, die auch nicht ohne Erfolg geblieben sein sollen. — In Freiberg lebte ein vermögender, alter Verwandter der Familie Beier, der Armenhausverwalter Kröner. Diesen pflegten Mutter und Tochter, und als er starb, entdeckte man ein von der Grete Beier gefälschtes Testament, was zur Verhaftung führte. Vorher hatte die Bürgermeisters- tochler sich ein dem alten Verwandten gehörendes Spar kassenbuch widerrechtlich angeeignet, das Geld, etwa 4000 Mark, abgehoben und mit dem Namen „Erna Vogt geb. Kröner' quittiert. Kröner hatte seine Habseligkeiten in einer eisernen Kassette, die sich bei seiner Schwester befand. Diese gab die Kassette an die Bürgermetsters- familie Beier zur Aufbewahrung weiter. Hier verschaffte sich nun die Grete Beier einen zweiten Schlüffe! zur Kassette und stahl dann das Sparkaffenbuch. Das ab gehobene Geld gab die Bürgermeisterstochter ihrem zweiten Bräutigam, dem inzwischen wegen Beihilfe zum Diebstahl mit einem Jahr Gefängnis bestraften Kaufmann Merker. Die Straftaten der Mörderin Grete Beier gelangten auf eine interessante Weise zur Kenntnis der Staatsanwaltschaft. Die Bürgermeisterstochter hatte raffi nierte Durchstechereien in die Wege geleitet, um sich aus dem Gefängnis heraus mit ihrer Mutter zu verständigen und die das Gericht gestattete, da durch die aufgehaltenen Kassiber mit einem Schlage Licht in die ganze Angelegen heit gebracht wurde. Unter anderem schrieb die Grete Beier auch einen Zettel an Merker, der, wie die anderen sehr zahlreichen Kassiber in eine Bluse eingenäht war, Merker solle sich vermummt bei einer unbequemen Zeugin einführen, diese durch Chloroform betäuben nnd dann umS Leben bringen. — Grete Beier bestreitet trotz er- drückender Beweise die ihr jetzt zur Last gelegten Straf taten. Sie wird in dem jetzt kommenden Verfahren als, auch in dem demnächsttgen Mordprozrß von Rechtsanwall Dr- Knoll-Dresden verteidigt werben. Bei Vornahme von Sprengarbeiten im Grünstein- bruche Wies«» bei Kamenz wurde das vierjährige Töchterchen des Fleischbeschauers Schäfer, das sich auf einer etwa 400 m vom Bruche entfernten Wiese aufhielt, so unglücklich von einem umherfliegenden Steine getroffen, daß es einen Schädelbruch erlitt uno einige Stunden darauf verstarb. Gegen dte Stimmen der Arbcitgebervertreter wurde vor etwa einem Monat in einer Generalversamm lung der Ortskrakenkasse in Limbach beschlossen, ein eigenes Verwaltungsgebäude zu errichten, da die jetzigen Lokalitäten unzureichend, zum Teil sogar gesundheiis- schädlich sein sollten. Ferner sollte der Vermieter an ¬ geblich nicht bereit sein, den Mietvertrag zu erneuern Schon in der Versammlung wurden von den Arbeitgebern die Gründe widerlegt, aber, da ste in der Minderheit waren, drangen sie nicht durch. Sie haben alsdann bet der Aufsichtsbehörde, dem Stadtcate, Beschwerde gegen den GeneralversammlungSbeschluß eingelegt und nunmehr ist den Beschwerdeführern der Bescheid zugegangen, daß die zur Begründung der Beschwerde vorgebrach.'en Ve- denken auch nach Ansicht des Stadtrates durchaus be- achtlich sind, die Gründe des Vorstandes zur Eriichtung eines eigenen VerwaltungSgebändes aber nicht ausreichend gerechtfertigt stnd. Die Ausführung der Generalversamm- lungS-BeschluffeS ist der Ortskrankenkasse untersagt; denn der Stadtrat hat nicht anzuerkennen vermocht, daß die Errichtung eines Verwaltungsgebäudes unumgängliches Bedürfnis für die Kasse sei. Schließlich ist auch in Be tracht gezogen, daß die finanziellen Verhältnisse der Kasse noch vor wenigen Jahren so ungünstig waren, daß zu einer Erhöhung der Beiträge nnd zu einer Herabsetzung der Kasscnleistungen geschritten werden mutzte, und daß der mehr und mehr abflauende Geschäftsgang in der dortigen Industrie auf dte finanziellen Verhältnisse der Kaffe binnen kurzer Zeit sicher eine nachteilige Wirkung ausüben wird. Die Festlegung eines nicht unbe trächtlichen Teiles des Kassenvermögens in einem Verwaltungsgebäude erscheine zurzeit äußerst be denklich. Voraussichtlich wendet sich drr Vorstand der Ortskrankenkasse jetzt an die KreiSbauptmannschaft. Um vor einem drohenden Gewitter noch nach Hause zu gelangen, strengte sich eine Strumpffaktors-Frau in Thalheim so sehr beim Laufen an, daß ste kurz darauf einen Herzschlag erlitt, der den jähen Tod zur Folge hatte. In Niederplanitz wurde ein 2jähriges Mädchen beim Spielen von einem Lastkarren überfahren und war sofort tot. Der Stadtrat zu Aue hat beschlossen, auf die Dauer von zwei Jahren keine neue Schankkonzession irgendwelcher Art zu erteilen, da er zum mindesten auf diese Zeit das Bedürfnis zur Errichtung einer neuen Schankftätte nicht zu bejahen vermag. Die Umgegend von Zwönitz wurde vorgestern nach mittag von einem heftigen, aus Osten kommenden Ge witter mit schwerem Hagelschlag heimgesucht. An zablreichen Stellen schlug der Blitz ein; ein solcher äscherte in Zwönitz eine Scheune mit sämtlichem In halt ein. Am Sonntag wurde der Pfarrer Mühlmann in Rüsseina während der Beichtcede im Vorwittagsgottes« dienst plötzlich von einem Schlaganfall betroffen. Das Befinden des allgemein geachteten Pfarrers ist besorgnis ¬ erregend. Die Pferde eines Bierwagens der Hirschsteiner Brauerei gingen, als dieser in Merschwitz hielt, durch und rasten in vollem Galopp die Dorfstraße entlang, der Elbe zu und auf die Fähre. Pferde und Wagen, der mit Fässern und Bierflaschen noch ziemlich beladen war, fielen auf der anderen Seite ins Wasser. ES gelang zwar mit großer Mühe, die Pferde und den Wagen aus dem Wasser zu ziehen, aber die Ladung konnte nur zum in der Luft und ein merkwürdiger Druck auf meinen Augen lidern — wie befindet sie sich, Hume?" „Augenblicklich iit sie ruhig. Mir ist. als wenn es sÄo» einen Monat her wäre, seitdem die „Swift" unterging." „Erst gestern, Frank. Mein Gott, welch ein Unterschied. Die See ist nicht mehr dieselbe, noch der Himmel, noch dil Luft, die wir atmen, noch die Gesichter der Leute. „Was für eine alte Tonne dieses Schiff doch ist; haben Sie auch schon bemerkt, wie die Leute umberlungern? Ich fühle daß ich nicht frei Atem holen kann. Auch muß ich immer an Ihre Schwester denken: ihr Warten findet einen traurigen Abschluß." „ „O, arme Louiie", murmelte Webster, „Frank, rch wage es nicht, mit dieser Erzählung auf den Lippen heim zu gehen Ich kann es nicht, denn sie würde sagen, ich hätte mich selbst i» die Gefahr begeben sollen." „Und doch war sein Tod ein würdiger'. Hume aina auf nnd ab, wäbrend Webster trübe vor sich hinstaMe tragen können, nur das nicht - nur der Doktor, ohne Pflegerin, kanu^chlim r rauher Männer überlassen. Es kann schlimm werden, wenn sie ihren hilflosen Zustand einsiebt." daß sie sich erholt? - Wie ich sie so de- ot achtete dielen Nachmittag, wurden ihre Wangen durchn-ima, die Falte zwischen ihren Brauen glättete sich und sie zeigte ein ruhiges Gesicht, das kaum ein Atemzug bewegen machte. »Sorgen töten langsam, Frank. Auch sie w»d diese Schwächt überstehen. Denken Sie noch dE. wie e auf der Brücke stand und der Gefahr spottete, al- wir den Fluß himmtertanzien?" . ... „Aye! Uud wie ff- E- und ihr Köpfchen beugte weun der Gischt wr