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HO-M iß ß ß H ^4 sV Wchmblalt A RlÄrliff ThmM, Mn, Menlehn md die MMMde». Imtsblull für die Itgl. Amtshauptmannschaft Meißen, für das Agl. Amtsgericht und den Stadtrach zu Wilsdruff, 1898. Dienstag, den 17. Dezember No. 14». Inserate werben Montags, Mittwoch» und Freitags bis spätestens Mittag» s2 Uhr angenommen. )nsertionspreis sOpf. pro dreige spaltene (Lorpuszeile. Erscheint wöchentlich dreimal u. zwar Dirnt- tags, Donnerstag und Sonnabends. Bezugspreis viertelj. s Mk. 30 j)f., durch die Post bezogen s Mk. 55 Pf. Einzelne Nummern f0 Pf. sowie für das Rgl. Zorstrentamt zu Tharandt Druck und Verlag von Martin Berger >n Firma H A. Berger in WUSdruff. — Verantwortlich für die Redaktion H. A. Berger daselbst. Donnerstag, den^19. ds. Mts., Nachmittags tz Uhr, öffentliche Stadtgemeinderathssitzung. Wilsdruff, am 16. Dezember 1895. Der Stadtgemeinderath. Dicker, Brgmstr. Tagesgeschichte. Der Kaiser weilte am Sonntag in Kiel, wo er der Vereidigung der Marine-Rekruten beiwohnte. Am anderen Tage traf er auf der Rückreise nach Berlin, resp. Potsdam Vormittags in Altona ein, um die dortige Werft von Blohm und Voß zu besichtigen, auf welcher zur Zeit das Panzerschiff „König Wilhelm" einem Umbau unterzogen wird. Auf die an ihren beiden letzten Tagen recht bewegte Ge neraldebatte über den Etat folgte im Reichstage am Freitag und Sonnabend die erstmalige Lesung der Vorlage, betr. die Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbes, nach. Dieser gesetzgeberische Stoff sollte bekanntlich den Reichs tag bereits in der vorigen Session beschäftigen, aber der be treffende Entwurf gelangte nicht einmal zur ersten Lesung. In zwischen hat derselbe verschiedene Abänderungen erfahren, die ebenso viele Verbesserungen bedeuten, so daß die parlamentarischen Aussichten der umgearbeiteten Vorlage über den unlauteren Wettbewerb hiermit zweifellos recht günstige geworden sind, wie dies auch bereits ihre allgemeine Berathung zeigte. So sprachen sich in der FreitagSdiskussion fast sämmtliche Redner wohlwollend über die Grundtendenz des Entwurfes aus, nach dem er vom Staatssekretär Dr. von Bötticher begründet und kurz erläutert worden war. Doch erhoben sich gegen Einzel heiten der Vorlage von verschiedenen Seiten her Bedenken, sie galten namentlich dem § 9, der von der Bestrafung des Verrathes von Geschäftsgeheimnissen handelt. Im Speziellen wurde Ziffer 2 des genannten Paragraphen, welche den vorzeitigen Bruch einer für einen bestimmten Zeitraum zugesagten Verschwiegenheil unter Strafe stellen will, bemängelt. Fast sämmtliche Redner aus dem Hause stimmten darin überein, daß eine solche Be stimmung eine ungerechtfertigte Härte gegenüber den Geschäfts- angestelllen bedeute, was Staatssekretär Dr. von Bötticher allerdings nicht zugeben wollte. Im Uebrigen verlief die Freitogsdiskussion, an welcher sich außer dem genannten Regierungs- vrrtreter und dem Geh. Regierungsrath Haus die Abgeordneten Bassermann (nat.-lib.), Roeren (Centcum), v. Czarlinski (Pole), Singer (soz.-dem.), Schmidt-Bingen (freis. Volkspartei), «.Langen (cons.) und Mcher-Halle (freis. Vereinigung) betbeiligten, außer ordentlich ruhig und ohne ein bemerkenswertheres Moment zu zeitigen. In der Sonnabendssitzung wurde dann die Vorlage über die Bekämpfung des unlauteren Wettwerbes an eine be sondere Commission verwiesen. Die seit dem 21. November in Berlin tagende Conferenz zur Revision des Handelsgesetzbuches stecht vor dem Ende ihrer Thätigkeit, am Montag oder Dienstag werden diese Berathungen voraussichtlich zum Abschluß gelangen. Ob die Beschlüsse der gedachten Conferenz auch den Reichstag noch in der laufenden Session in irgendwelcher Form beschäftigen werden, muß vor läufig dahingestellt bleiben. Fürst Bismarck soll sein Erscheinen bei der am 18. Januar im Berliner Residenzschlosse stattfindenden Festlichkeit zur Erinnerung an die Gründung des Reichs in Aussicht ge stellt haben, sofern sein Gesundheitszustand ihm erlaube, der kaiserlichen Einladung Folge zu leisten. Der dcutschliberale Abgeordnete Julius Lippert wurde zum Marschallstelloertreter von Böhmen ernannt. Diese Ernennung ist politisch bedeutsam, da setzt seit Jahrzehn ten zum ersten Male sich wieder ein Deutscher im Präsidium des böhmischen Landtages befindet. Die Frage der Neubesetzung des türkischen Bot schafterpostens in Berlin hat zu einem diplomatischen Con- flikt zwischen der deutschen Regierung und der Pforte geführt. Der Sultan hatte zunächst Tourchan Pascha zum Nachfolger Tewfik Paschas auf dem Berliner Botschafterposten bestimmt und hiervon üblicher Weise die deutsche Regierung verständigt, die auch sofort zustimmend antwortete. Inzwischen ist jedoch die Ernennung Tourchan Paschas zum türkischen Botschafterin London erfolgt und nun soll Zia Pascha, der türkische Bot schafter in Paris, Botschafter am Berliner Hofe werden. Die deutsche Regierung hat aber aus prinzipiellen Gründen Zia Pascha abgelehnt und hält daran fest, daß es bei der Ernenn ung Tourchan Paschas als Botschafters für Berlin verbleibe. Die Pforte wird nun doch wohl letzteren D plomaten nach Berlin lrnden müssen, wenn sie die deutsche Regierung nicht gerade vor den Kopf stoßen will. Eine bedeutsame Veränderung ist nun endlich in "den Wirren eingetreten, von denen das osmanische Reich befallen ist. Wie wir schon berichteten, hat der Sultan den Befeyl ge nehmigt, wonach es den Mächten gestattet sein soll, zum besseren Schutze ihrer Vertreter noch ein zweites Stalionsschiff nach Konstantinopel kommen zu lassen. Was diese Nachricht zu be sagen hat, ist schon aus den verschiedenen Stadien bekannt ge worden, welche die Angelegenheit zu durchlaufen hatte. Fast drei Wochen währte es, ehe Abdul Hamid zu der Uebcrzeugung gelangte, daß die Mächte in ihrer Forderung, die zuerst am lS. November von dem österreichisch-ungarischen Botschafter v. Calice an die Pforte gerichtet wurde, völlig einig seien. Noch immer hatte der Sultan geglaubt, die Mächte würden sich gerade in dieser Frage entzweien, die ja ganz rechtlich begründet war durch die mit der Türkei vereinbarten Verträge. Erst der sehr peremptorischen Frage des russischen Botschafters ist es, wie jetzt bekannt wird, gelungen, den Sultan zum Nachgeben zu bewegen. Alle Zweifel des Beherrschers der Gläubigen an dem einmüthigen Zusammenhalten der Mächte sind nun be hoben. Die Politik der Westmächte hat die stets schlau aus weichende und hinhaltende Politik der Pforte besiegt und die türkischen Minister werden nun ernstlich an die Arbeit gehen müssen, um auch die anderen Forderungen der Mächte, die sich auf die Beruhigung Kleinasiens und die Einführung der nothwendigen Reformen beziehen, zu befriedigen. Energischer als je werden jetzt die Vertreter Europas darauf drängen, daß nach Bewältigung des ersten Theiles ihrer Aufgabe auch der andere, eigentlich weit schwierigere seiner Lösung entgegen ge führt wird. Zwar sind schon von Konstantinopel aus an die Gouverneure der Provinzen mehrere Verfügungen ergangen, um den Greueln gegen die Armenier und gegen andere Christen ein Ende zu machen, auch ist die Mobilisirung der türkischen Truppen nicht ganz ohne Wirkung geblieben, aber ein bestimmtes Vertrauen zu der Wiederherstellung besserer Znstände ist noch nirgends bemerkbar, denn selbst in Konstantinopel gährt es unter seiner vielfach gemischten Bevölkerung derart, daß noch jeden Augenblick der Ausbruch neuer blutiger Exzesse befürchtet wird. Es geht unverkennbar auch durch die Türken ein starker Zug der Unzufriedenheit und des Mißtrauens mit der Herrschaft des Sultans, der am prägnantesten seinen Ausdruck in der bekannten Flucht des früheren Großveziers Said Pascha nach der englischen Gesandtschaft gefunden hat. Unter den höchsten Beamten der Pforte sind viele, die ebenso denken wie Said Pascha, der erst auf ganz bestimmte, seine Sicherheit verbürgende Zusagen sein Asyl verlassen hat, dabei aber auch auf sein Verlangen Garantien erhielt, daß er nicht mehr im Dienste der Pforte verwendet werde. Unter derartigen Umständen muß es dem Sultan sehr schwer fallen, neue Persönlichkeiten zu finden, von denen er mit Zuversicht erwarten kann, daß sic die schwierigen Arbeiten, die der Pforte harren, zu erledigen vermögen. In erster Linie gilt cs jetzt, der in Kleinasien drohenden Hungersnoth vorzubcugen. Wie wir schon berichteten, hat der armenische Patriarch in Konstantinopel dem italienischen Botschafter die Mittheilung gemacht, er schätze die Zahl der durch Niederbrennen oder Zerstören ihrer Wohnungen obdachlos gewordenen Glaubens- und Stammesgenoffen allein in den sechs nordöstlichen Vilajets der astatischen Türkei auf nahezu eine halbe Million. Zwar ist diese Ziffer ungemein über trieben, da die gesammte armenische Bevölkerung der betreffenden Bezirke sich nicht so hoch herausstellt, aber mehrere Hunterttausend Armenier sind sicher durch die aller Menschlichkeit baren Aus schreitungen und Grausamkeiten der Kurden dem größten Elende und dem Tode preisgcgeben. Der nahende Winter gestaltet sich in den armenischen Berglanden sehr streng und die in den Wäldern umherirrenden, der Nahrung entbehrenden Flüchtlinge müssen unrettbar zu Grunde gehen, denn der Pforte stehen gar keine Mittel zur Verfügung, um den Bedrängten Unter stützung zu gewähren. Vaterländisches. Wilsdruff. Das vergangenen Freitag im „Hotel Löwe" abgehaltene 1. Winter-Abonnement-Konzert unserer Stadtkapelle war sehr schwach besucht. Wenn man auch kein zu zahlreiches Publikum erwartete, so blieb doch dieser Besuch immer noch sehr hinter den Erwartungen zurück. Die Nähe des Weih nachtsfestes mag wohl unsere hiesigen Geschäftsleute etwas ent schuldigen, doch mancher Bürger, der beim Anhören de« aus gezeichneten Konzertes in bescheidener Weste fein Glas Bier trinken konnte, fehlte. Wäre Junghähnel mit seiner Truppe hier gewesen, so war selbst am Sonntag vor Weihnachten oder an einem Wochentage vorher der Saal voll besetzt. Gewiß mag auch der Einwurf gelten, daß Wilsdruffs Einwohner in den letzten Wochen etwas sehr unter Vergnügungen zu leiden hatten, so hätte man doch geglaubt, daß dies unseren Musik direktor in seinem ersten Winter-Abonnemcnt-Konzert nicht schädigen konnte; haben wir nicht alle Ursache, die Leistungen unserer Stadtkapelle durch fleißigen Besuch zu unterstützen? Die schönen Reden von einer guten Musik thunS freilich nicht allein. E« ist für einen Direktor bitter, wenn er studirt und gearbeitet hat, um seinen Mitbürgern etwas Gutes zu bieten und für seine Leistungen keine Hörer findet. Jeder Arbeiter strebt nach Anerkennung in seinem Berufe, oder sein Streben hört überhaupt auf. — Die Beifallsbezcugungen während de« Konzertes waren wohl die beste Recenston für das Gebotene. Das Publikum war entzückt über die Vorzüglichkeit der Dar bietungen. Es zeigte sich, daß unsere Stadtkapellc immer weiter vorwärts strebt, um uns eine immer noch edlere und bessere Musik zu schaffen. Welcher Nummer des Programms der Vorzug zu geben wäre, ist wirklich schwer zu sagen. Jede Dar bietung war in ihrer Weise vorzüglich. No. 9 „Erinnerung an die ruhmreichen Kriegsjahre 1870/71", große« patriotische« Tongemälde von Berni verdient besondere Erwähnung und An erkennung. Unsere jungen Musiker haben eifrig studirt und machen ihrem Direktor, wie sich selbst und unserer Stadt Eh«! Als Gast hatte Herr Direktor Römisch einen Oboe-Solist, Herrn Roitzsch, gewonnen. Uns hat sein Spiel vorzüglich gefallen. Der Ton ist edel, die Fertigkeit ist sehr gut. Wir hoffen ihn später wieder einmal hören zu können. — Da« kunstsinnige Publikum würde es für ferner als einen erfreulichen Fortschritt bezeichnen, wenn während des Vortrags der einzelnen Konzertnummern die Unterhaltung unterbliebe. — — Ueber die geplante Bahnl'nieWilsdruff« Aollhaus- Licberstein-Nossen heißt es in dem Königlichen Dekrete an den Landtag: Der von den Eisenbahnlinien Dresden- Freiberg, Freiberg-Nossen und Nossen-Meißen, sowie von der Elbstromstiecke Dresden-Meißen begrenzte, sich auf etwa 500 Quadratkilometer erstreckende LandeStheil, ist einer der größten in ganz Sachsen, welche, abgesehen von den beiden kurzen Bahn strecken Freiberg-Halsbrücke und Potschappel-Wilödruff, von Eisenbahnen noch nicht durchzogen werden, denn in Anbe tracht, daß derselbe — mit Ausnahme de« an seinem Westrande gelegenen Thales der Freiberger Mulde — ausschließlich länd liche Bevölkerung und ländliche Betriebe aufweist und daß seine Bodengestaltungen für den Eisenbahnbau ungünstig ist, hat zeither anderen der Eisenbahnverbindung dringender bedürfenden, oder ihrer Herstellung geringere Schwierigkeiten entgegenstellen den Gegenden de« Landes beim Ausbau des Bahnnctzes der Vorzug gegeben werden müssen. Nachdem aber die Lage der Landwirlhschaft überhaupt derartig ungünstig geworden ist, daß es im allgemeinen Interesse geboten erscheint, ihr nach Befinden der Umstände auch unter Aufwendung finanzieller Opfer thun- lichste Förderung zu theil werden zu lassen, erachtet e« die Staatsregierung nunmehr an der Zeit, auch das Eisenbahnbe- dürfniß der in Rede stehenden Gegend zu befriedigen. Für die Fortsetzung der Potschappel-Wilsdruffcr Linie in westlicher Richtung kommen zwei Anschlußstationen Deutschenbora und Nossen in Betracht. Die Linie Wilsdruff-Deutschenbora würde Ortschaften mit zusammen 2493 Einwohnern unmittelbar be rühren und außerdem Ortschaften mit zusammen 3240 Ein wohnern in ihren Verkehrsbereich ziehen, wogegen die Linie Wilsdruff-Zollhaus-Bieberstein-Nossen Orte mit zusammen 7322 Einwohnern berührt und außerdem einen Verkehrsbercich mit 4928 Einwobnern erhalten wird, so daß diese letztere Linie einer mehr als doppelt so großen BcvölkerungSzahl Eisenbahn verbindung bringt als eine Linie Wilsdruff-Deutschenbora. Hierbei aber spricht besonders zu Gunsten der ersteren Linie, daß sie bei Zollhaus - Bieberstein in das Muldenthal eintritt und von da an auf eine Länge von 6 Kilometern in demselben verbleibt, wobei zugleich ein ganz erheblicher Theil derjenigen Eisenbahnwünsche seine Erledigung findet, welche durch eine Eisenbahnlinie Halsbrücke Nossen befriedigt werden würden. Auch öffnet die Ausführung der Lmie Wilsdruff-Nossen inso-