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„Schlimmes," wiederholte Julie, „aber erlaube! Als ob es nichts Schlimmes wäre, eine junge Dame in dem Maße zu kompromitieren, wie/Dufes mit Fräulein Erichsen gethan hast!" „Das sehe ich in diesem Falle nicht ein," gab er kühl zurück. „Und sollten die Wieks oder Schimmelmanns oder Leithasens wirklich in meinen Huldigungen Fräulein Erichsen gegenüber etwas Kompromittierendes gesehen haben, so ist mir das höchst egal." „Egal!" riefen Julie und Albrecht wie aus einem Munde. „Das ist denn doch etwas stark," fügte der letztere hinzu. „Ereifert Euch nicht vorschnell; die boshaften Klatschereien fechten mich nicht an, aus dem einfachen Grunde, weil ich Fräulein Leonore Erichsen zu heiraten gedenke," bemerkte Eugen kaltblütig. Diese ebenso bündige als unerwartete Erklärung führte zunächst eine Pause allgemeiner Verblüfftheit herbei; Lilly hing starr an seinen Lippen — das wollte und konnte sie so schnell weder glauben noch fassen. Julie wußte nicht genau, was sie eigentlich gegen Leonore Erichsen einwenden sollte, aber die Verbindung war ihr aus mehreren heimlichen Gründen im höchsten Grade fatal, und sie begann die Abneigung gegen Rahel nun auch auf die Schwester zu übertragen. „Aber Eugen — Du wirst doch nicht im stände sein, die grenzenlose Thorheit zu begehen, ein ganz vermögens loses Mädchen zu heiraten — und als Zugabe der gräß liche Vater ..." „Pardon, Frau Schwägerin," unterbrach sie Baron Eugen ironisch, „das steckt den Ravens im Bluts, ver mögenslose junge Damen nicht gerade aus den höchsten Kreisen zu wählen. Wenn ich als der Jüngere auch mit einem verhältnismäßig geringeren Vermögensanteil ab gefunden werden mußte, so besitze ich doch übergenug, um die Kaution entbehren zu können, und außerdem läßt sich gegen meine Wahl nichts vorbringen; Leonore Erichsen ist die Tochter eines angesehenen Geistlichen und der Baronin Königsmark — die einer der ältesten dänischen Adels familien entstammte." ' „Darin hast Du ja recht," sagte Albrecht, der eben falls, wenn auch aus anderen Gründen, die Verbindung des Bruders mit Rahels Schwester ungern sah; sie that ihm leid, denn wie er Eugen kannte, würde eine Frau ihrer Art schwerlich jemals mit ihm glücklich werden; be laß er doch in verstärktem Maße die Charaktereigen schaften seines jähzornigen Vaters, dessen eheliches Leben sich für die verstorbene Mutter einst zu dem denkbar un glücklichsten gestaltet hatte. „Ich fürchte jedoch, Du wirst in dem alten Erichsen einem ganz energischen Widerstand begegnen; da scheint so etwas wie ein uralter Familien zwist vorzuliegen, den der Eisenkopf keineswegs über wunden hat." „Als ob das mich abhalten könnte, meinen Willen durch zusetzen," erwiderte Eugen geringschätzend und selbstbewußt. „Habe ich nur erst ihre Einwilligung, und die ist mir natürlich schon so gut wie sicher, da müßte es sonderbar zugehen — würden wir nicht auch mit dem Alten fertig. Ein prachtvolles Geschöpf, dieses Mädchen — wahrhaftig, Julie, ich muß Dir meinen Dank sagen, daß Du die Hand zu dieser famosen Bekanntschaft botest." Lilly schwieg zu dem allen, der anfängliche Uebermut war längst vergangen, sie hatte den ganzen Abend in zehrender Pein verbracht; es konnte ihr nicht entgehen, mit welcher Hochachtung er den Erichsen entgegenkam, wie zart seine Huldigungen gewesen, immer nur bemüht, sich selbst in das vorteilhafteste Licht zu stellen, während er für sie, Lilly, nie etwas anderes gehabt, als spöttische wegwerfende Bemerkungen, oder, befand er sich in guter Laune, eine dreiste Vertraulichkeit, die nur zu sehr bewies, wie tief sie in seiner Achtung stand. Voll schmerzlicher Klarheit war ihr das im Laufe des Abends zum Bewußtsein gekommen. Und sie, Närrin die sie war, hatte ihm nicht nur dergleichen herabsetzende Vertraulichkeiten gestattet, sondern sich noch obendrein davon beglückt gefühlt, weil sie in einem Winkel ihres Herzens die thörichte Hoffnung nicht zu unterdrücken vermochte, er könnte doch noch eines Tages den Entschluß fassen, sie zu heiraten. Nun war das vorbei — mit rück sichtslosester Offenheit erklärte er in ihrer Gegenwart, eine andere erkoren zu haben. Wie bitter! Sie kämpfte tapfer mit den aufquellenden Thränen, als aber Julie und Albrecht sich zurückgezogen hatten, und Eugen, ehe er aufstand, sich noch bequem in dem Armsessel I dehnte, äußerte sie mit halb erstickter Stimme: „Sie sind ein schlechterMensch, Herr Baron v. Ravens." Eugen mochte wohl so etwas erwartet haben, denn j anstatt zu zürnen, sah er mit jenem Lächeln zu ihr auf, von dem er wußte, daß es für die Frauen ein hin- , reißendes war. „Aber warum denn, Lilly, was hat Ihre Meinung so plötzlich über mich geändert?" „Und das fragen Sie noch? O, so gewissenlos zu sein!" antwortete Lilly, unterbrächt aufschluchzend. „Ich habe meinen Ruf wohl nicht Ihretwegen preisgegeben — bin immer mit Ihnen gegangen — ich Dumme — seit drei Jahren haben wir in Berlin zusammen verkehrt, und nun — und nun . . . ." würgende Bitterkeit ließ ihre Stimme versagen. „Aber Lilly," äußerte er mit gut gespieltem Erstaunen, ! „das ist einfach kindisch — Sie kennen doch meine Grund- ! sätze und meine Stellung viel zu genau, um zu wissen, daß aus einer Heirat zwischen uns nichts werden konnte; das habe ich Ihnen auch verschiedene Male ganz offen ge sagt, so daß Sie auf meine Verlobung mit einer anderen gefaßt sein mußten." „Aber Sie konnten mir das heute ein bischen schonender beibringen — es thut so furchtbar weh, daß ich am liebsten sterben möchte — ich kann es nicht ertragen, es mit an zusehen. Eugen — mein Gott — es liegt soviel zwischen uns, so manche schöne Stunde — die andereist doch auch arm, nur schöner und gebildeter — stoße mich nicht ihret wegen von Dir — ich nehme mir das Leben!" Eugen v. Ravens richtete sich auf, seine Züge hatten einen harten Ausdruck angenommen und seine Stimme klang schneidend, als er entgegnete: „Ich will Ihnen etwas sagen, Fräulein Lilly, werden Sie um Gotteswillen nicht sentimental, das ist mir das gräßlichste. Wir haben uns mit einander amüsiert — sind gute Freunde gewesen und können, wenn Sie wollen, das auch bleiben — warum denn nicht. Nur immer hübsch verständig, auf keine verrückten Ideen kommen, das ist der einzige Weg, sich meine Freund schaft zu erhalten." „Nein," sagte Lilly zuckend in einem letzten Aufwallen ihres getretenen weiblichen Stolzes, „ich danke für Ihre Freundschaft, nachdem Sie mich so behandelt haben. Die Männer sind zu schlecht, zu schlecht, solche schreckliche Egoisten — kein einziger von ihnen taugt etwas!" „Nun," bemerkte Eugen sehr kühl, „es ist doch ganz allein Ihre Schuld. Aber das ist ja Unsinn, Lilly — Sie bekommen noch zehn andere — an Verehrern fehlt es ! Ihnen doch wahrhaftig nicht; also Waffenstillstand zwischen uns, oder vielmehr Versöhnung, das ist das beste; ja?" Er hatte das in scherzendem Tone gesprochen und streckte ihr die Hand entgegen ; Lilly zögerte, als sie dann jedoch seinem vielsagenden Blicke begegnete, war sie zu weiblich schwach, um das armselige Almosen einer sinn losen Freundschaft, das ihr der geliebte Mann hinwarf, j länger auszuschlagen — sie konnte nicht; so war das Band, das sie mit ihm verknüpfte, doch noch nicht ganz und rettungslos zerrissen. „Na," begann Julie, sobald sie sich in ihrem Schlaf zimmer befand, welches von dem des Gatten nur durch die offenstehende Thür getrennt war, „da habe ich was Nettes angerichtet, als ich die Erichsen's bei uns einführte! Der älteren gelingt es gleich am ersten Abend, Eugen den Kopf derartig zu verdrehen, daß er f an eine Heirat j denkt, und die jüngere, hm — die es trotz ihrer schein-