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WchMtt ßr Mslwjs ThmM. W«, Menlkha md die Umgegelidkil Imtsblatl für die Agl. Amtshauxtmannschaft Meißen, für das Agl. Amtsgericht und den ^tadtrath zu Wilsdruff, Donnerstag, den 7. Februar No. 17 189S Inserate werden Montags, Mittwochs mSk freitags bis spätestens Mittags s2 Uhr angenommen. Insertionspreis s0j)f. pro dreige spaltene Lorpuszeile. Erscheint wöchentlich dreimal u. zwar DienZt' tags, Donnerstag und Sonnabends. Bezugspreis Viertels, f Mk. 30 Pf., durch die Post bezogen s Mk.55pf. Einzelne Nummern sO Pf. Die Abwesenheitsvormundschaft über den Schuhmacher k'r-snL Hi«»üor aus Wilsdruff ist aufgehoben worden. Königl. Amtsgericht Wilsdruff, den 4 Februar 1895. sowie für das Agl. Forstrentamt zu Tharandt. Druck und Verlas! von Martin Berger in Firma L A. Berger in Wilsdruff. — Verantwortlich für die Redaktion H. A. Berger daselbst. Tagesgeschichte. Der Kais er bereitete am Montage dem Grafen Herbert Bismarck, der sich für sdie ihm an des Kaisers Geburtstag gewordene Beförderung zum Obersten bedankte, einen überaus gnädigen Empfang. Er erkundigte sich angelegentlich nach dem Befinden des Fürsten Bismarck und unterhielt sich eine Zeit lang mit dem Grafen übel-verschiedene private Angelegenheiten desselben. Angebliche Reise des deutschen Kaiserpaares nach Venedig. Dem „Berl. Lokalanz." wird aus Venedig telegraphirt, daß im Festkomitee der dortigen internationalen Kunstausstellung der Besuch der Ausstellung seitens des deutschen Kaiserpaares als sicher angesehen wird. Das Komitee beschloß daher, eines der geplanten großartigen historischen Feste bei dieser Gelegenheit zu veranstalten und zwar das Schauspiel der Krö nung der Dogareßa Morosini. Die Titelrolle wird die Gräfin Morosini selbst, die bekanntlich die schönste Frau Italiens ist, übernehmen. Der Besuch des Kaiserpaares wird insofern auch politische BedeutungMaben, als gleichzeitig daö italienische KönigSpaar nach Venedig kommt. Wie der „Nordd. Allg. Ztg." mitgetheilt wird, wird von dem Landwirthschaftsminister Fcciherrn o. Hammerstein-Loxten zur Zeit das Programm ausgearbeitet, welches den Berathungen des Slaatsraths über Maßnahmen zur Abhilfe der landwirth- schaftlichen Nothlage zu Grunde gelegt werden soll. Die gesetzliche Sonntagsruhe tritt für die Industrie nach dem Beschlusse des Bundesrathes vom 25. Januar zum I. April v. I. in Kraft. Von den vereinbarten Ausnahmebe stimmungen wird nur ein kleiner Prozentsatz der Arbeiter be troffen. Wie die „Post* hört, ist alle Aussicht vorhanden, im Wege der Vereinbarung zwischen den verbündeten Regierungen möglichst eine Gleichförmigkeit in den Aussührungsanweis"ngen zu erzielen. Zu der unaufhörlichen Agitation gegen die HantKlsver- träze sagt die „Leipziger Zeitung" zutreffend: „Wir waren durch unsere Schutzpolirik, die seiner Zeit ihren guten Grund hatte, allmählig dahin gekommen, daß wir, genau so, wie es jetzt Frankreich in Folge seiner Absperrungsmaßregeln geht, einen auswärtigen Markt nach dem anderen verloren. Dieser sicheren Verschlechterung vorzubeugcn, war das Hauptmotiv des Vertragsabschlusses; auf eine namhafte Erweiterung des Markles hat von den Weiterblickenden wohl schon damals Keiner ge hofft. In keinem Falle aber haben die Verträge, das hat Herr von Marschall kürzlich mit schlagenden Zahlen bewiesen, unseren Vertragsstaaten mehr genützt, wie uns. Der Preis, den Ruß land für seinen Roggen löst, ist seitdem von 45 auf 24 Kopeken gesunken, so daß die Ausfuhr russischen Roggens nach Deutsch land sichtlich zurückgegangen ist und kaum mehr lohnt: die Landwirthschaft in den Ländern, mit denen wir Tarifverträge abgeschlossen haben, befindet sich in noch traurigerer Lage, als die unserige; Nordamerika leidet an einer wirthschaftlichen Depression, die alle Stände trifft, und der Landwirthschaft Frankreichs geht es nicht anders. Diese Thatsachen sollten doch einmal berücksichtigt werden." In der „Staatsb.-Ztg." liest man: Der Reichstagsabge ordnete Dr. Böckel bar am Sonnabend seinen Austritt aus der deutsch-sozialen Reformpariei erklärt und begründet dieses Vorgehen mit folgendem an den Reichstagsabgeordneten Lieber mann v. Sonnenberg gerichteten Schreiben: „Da Sie den Reichstags«bgeordneten Ahlwardt aus der Fraktion ausgeschlossen und damit öffentlich vokumenlirt haben, daß Sie eine Einigkeit aller Antisemiten nicht mehr wünschen, so beehre ich mich, Ihnen mitzutheilen, daß ich hiermit meinen Austritt aus der Fraktion der deutschsozialen Reformpartei erkläre. Zu diesem Entschluß veranlaßt mich außerdem noch die freiheitswidrigc Haltung zur Umsturzvorlage. Da ich mit reaktionären Bestrebungen keine Gemeinschaft zu haben wünsche, so halte ich es für das beste, schon jetzt aus der Fraktion auszuscheiden. Indem ich Ihnen und den Herren von der Fraktion auf dem betretenen Wege den gebührenden Erfolg wünsche, verbleibe ergebenster Dr. Böckel." Wenn man der Sozialdemokratie oorhält, daß sie nach ihrem ganzen Wesen und ihrer ganzen Richtung auf die Hecsplitterung der Familie, auf die Zerstörung des heutigen Ehebegriffs hinarbeite, pflegt sie das kurzerhand in Abrede zu stellen", indem sie sagt: „Nicht wir greifen die Ehe an, nicht wir vernichten die Familie, sondern das thut einmal die moderne Wirthschaftsentwickelung und zum andern die Sittenlosigkeit der höheren Stände." So ganz unrecht hat sie mit diesem Einwand nicht. Daß unsere wirthschaftlichen Verhältnisse, daß der bis zur Friedlosigkeit gesteigerte Kampf um's Dasein außer ordentlich viel zur Lockerung des Familienzusammenhange« bei- getragen hat, kann Niemand leugnen. Wie selten darf und kann der Mann unter den heutigen, besonders den großstädtischen und industriellen Verhältnissen zu Hause sein! Kaum, daß er in der karg bemessenen Mittagspause die Gattin grüßt, kaum, daß er am späten Abend den schlummernden Kindern die Hand auf's Haupt legen kann! Wer das HauS wieder fest gründen und ausbauen, wer die Familie wieder befrieden und umfrieden will, der muß dem Weiterschreiter dieser wirthschaftlichen Ver hältnisse möglichst Hemmschuh anlegen. Auch was die Sozial demokratie über die Schändung des Heiligthums der Ehe durch die Sittenlosigkeit der höheren Stände sagt, ist, wenngleich oft übertrieben, doch leider Gottes vielfach wahr. — Aber, es ist Heuchelei von der Sozialdemokratie, wenn sie behauptet, daß sie die Ehe und die Familie nicht antasten wolle. Liebknecht hat, wie wir einem vortreff ichen Artikel der „Deutschen Tages zeitung" über „die Heiligkeit der Ehe" entnehmen, in einem Vortrage zu Dresden 1892 offen gesagt: „Was nun die Ein ehe anlangt, so ist dieselbe eine vcrbältnißmäßig junge Einrich tung, die sich mit jeder Gesellschajtssorm geändert hat. Wir fordern Gleichberechtigung in ollen Dingen, also auch für jedes Individuum der beiden Geschlechter die gleiche Möglichkeit, sich das Leben so zu gestalten, wie eö dies wünscht." Es ist klar, daß, wenn diese Forderung erfüllt wird, eine Ehe im deutschen, christlichen Sinne, eine Familie nach der Väter Art nicht mehr denkbar ist.- Noch deutlicher sprach ein jüngerer Genosse sich in einem Leipziger sozialdemokratischen Blatte folgendermaßen aus: „Die heutige bürgerliche Ehe ist eine nothwendig Begleit erscheinung des Privateigenthumö, sie steht und fällt mit diesem. Sie wird im Zukunftsstaate verschwinden, und das Verhält- niß der beiden Geschlechter wird ein bloßer Privatoertrag werden." Hieraus folgt für jeden erkennbar und für keinen entstellbar, daß an Stelle der heutigen, getrauten Ehe ein Privatoertrag auf Zeit, auf Kündigung folgen muß. Näher hat die Art dieses Prioatvertraaes ein Dresdener sozialdemo kratisches Blatt auseinandergesetzt, indem es u. A. ausführte: Es wird keinem Menschen mehr einfallen, sich auf Lebenszeit zu binden, sondern nur auf solange, wie die beiderseitige Liebe reicht. Da die Kindererziehung eine Thätigkeit der Gesellschaft geworden ist, so können die Kinder natürlich die Ehe nicht mehr zusammenhalten. Die Menschen einer Produktionsgenoffenschaft werden sich als eine große Familie fühlen, die zusammen arbeitet und zusammen genießt; die bornirte Jdyllpocsie des eigenen Heims wird dadurch verschwinden." Die „bornirte Jdyllpocsie des eigenen Heims!" Das ist's, was wir mit aller Kraft erhallen wollen, das ist's, wogegen die Sozialdemokratie mit höllischem Hasse kämpft. Sie weiß, warum! So lange der Mann ein eigenes, trauliches Heim hat, und sei es noch so schlicht und klein, so lange ist er ge feit gegen die Verführungen der Vaterlandslosigkeit, gegen die Zukunftsträume einer wüsten Phantasie. Die „bornirte Idyll- Poesie", d. b. zu deutsch: das beschränkte, liebliche Kleinleben des eigenen Heims, ist dem Deutschen so an's Herz gewachsen, daß er es nicht preisgeben wird für das verpfefferte Linsenge richt, das ihm die große zukunftsstaatliche Kaserne bieten kann. Mag manchen Arbeiter heute die Verzweiflung dazu treiben, daß er die liebliche Traulichkeit des Familienlebens nicht mehr empfindet, mag manchen die Noth dahin bringen, daß er sich nicht mehr ihrer bewußt werden kann; im Grunde des Herzens schlummert doch die Sehnsucht nach oem eigenen Herde, nach dem eigenen Heim, nach dem Liebeszauber, den nur das Heim zu schaffen vermag. Wenn es gelingen könnte, jedem Einzelnen ein, wenn auch schlichtes und beschränktes Heim zu gründen, wenn es gelingen könnte, an Stelle der Heimflüchtigkeit wieder die Heimfreude lebendig zu machen, dann wäre die soziale Frage zum größten Theile gelöst. Das Familienleben birgt in sich eine gewaltige Kraft. Die größten Männer aller Zeiten haben aus ihm die nachhaltigste Wirkung gezogen; in ihm liegen, oft verhüllt, aber doch vorhanden, die letzten Wurzeln der Segensthaten, die die Welt entzückten. Das linde Wort des treuen Weibes hat eine wunderbare Macht, eine Macht des Segens über den Mann, und die fragenden, herzigen Kinder augen haben eine zauberhafte, haltende und hebende Kraft. Wer hat sie, diese wundersame Macht, diese haltende Kraft nicht schon empfunden, wenn er dem Verzagen nahe war? Wen hat nicht schon ein Blick in's Kinderauge wieder auf die rechte Bahn geführt? Wer hat nicht in der Tiefe solchen Kinderauges ein Stück des Himmels geschaut, der ihm verloren war? Es ist etwas Hohes, etwas Eigenthümliches, etwas Un aussprechliches um die Gewalt, um die Kraft des treuen, heim frohen Familienlebens. Wer es untergräbt, ist ein Todten gräber oes Volks. Soll unser Volk sich wieder fest gründen und aufbauen, so liegt hier der einzige, feste Grund. Bremen, 2. Februar. Der Untergang der „Elbe". „BLömann's telegraphisches Bureau" veröffentlicht folgendes Telegramm der Agenten des Norddeutschen Lloyd, Keller, Wallis L Co. aus London: „Unsere Meinung über die ver schiedenen Zeitungsberichte kann in folgenden Bericht des „Standard" von heute zusammengefaßt werden: Es wird be sonders die Thatsache hervorgehoben, daß von den Ueberlebenden nicht weniger als 15 Offiziere und Seeleute der „Elbe" waren, und daß sich unter den 5 geretteten Passagieren nur eine Frau und keine Kinder befanden. Die Aussagen von mehreren Ueberlebenden lasten darauf schließen, daß alle Frauen und Kinder gerettet worden sein würden, wenn Zeit gewesen wäre, die Steuerbord-Boote herabzulassen. Der Kapitän war der Meinung, daß hierzu noch Zeit genug vorhanden war, und in Folge seines Befehles begaben sich sämmtliche Frauen und Kinder nach der Steuerbordseite des Dampfers, während die, die sich besser selbst helfen konnten, zur Backbordseite eilten. In dem Augenblick, als die beiden Boote von der Backbord seite loskamen, stellte sich auf der Steuerbordseite heraus, daß die dort befindlichen Rettungsboote nicht mehr zu Wasser ge bracht weroen konnten, weil sich das Schiff in Folge der enormen Wassermassen, weiche sich in dasselbe ergossen, inzwischen sehr weit nach der Steuerbordseite geneigt hatte, was in immer stärkerem Maße zunahm. Man wandte sich nun den anderen Booten zu, aber der Dampfer begann bereits zu sinken, und es ist keinem Zweifel unterworfen, daß die Frauen und Kinder an der Steuerbordseite durch die Anordnung des Kapitäns zu sammengehalten wurden, weil dort die meiste Wahrscheinlichkeit zur Rettung war, wenn das Schiff sinken sollte. — Die Trauer in Bremen und Bremerhafen ist groß und eine allgemeine, denn von der untergegangenen Schiffsmannschaft gehörten die Meisten zu den Bewohnern von Bremerhaven und Bremen. Auf dem Telegraphenamt und in der Lesehalle der Börse sicht man weinende Frauen, Kinder und Greise, die um den Vater, Bruder, Sohn oder die nächsten Verwandten trauern. Sie kommen, um zu hören, ob nicht irgend eine Nachricht über das Schicksal der Schiffbrüchigen eingelaufen ist. Allgemein wird der Kapitän der „Elbe", Herr v. Goessel, bedauert, der, in ganz Bremen bekannt, als ein äußerst liebenswürdiger Mann geschildert wird. Er war noch nicht 50 Jahre alt und hinter läßt in Bremerhaven Frau und zwei Töchter. Im Hotel de l'Europe in Bremen logirte bis Montag der Kaufmann LouiS Thewet aus Wien. Er reiste am Montag nach Bremerhaven, um nach New-Jork mit der „Elbe" zu fahren, und versprach dem Hotelwirth, seine glückliche Ankunft in Amerika per Karte zu melden. Auch er gehört bekanntlich zu den Verunglückten. — Der Fabrikant Walther Richard Sch üll aus Düren, welcher bei dem Untergange des Dampfers „Elbe" seinen Tod ge funden hat, war bei der Kölnischen Unfallversicherungs-Aktien gesellschaft in Köln a. Rh. mit 100000 Mk. versichert. Die großen Schiffsunfälle der letzten beiden Jahrzehnte. Der schreckliche Untergang des Norddeutschen Lloyd-DampferS „Elbe" mft die Erinnerung an frühere ähnliche Katastrophen wach, die, wenn wir von dem Brande des Hamburger Dampfers „Austria" im Jahre 1858 absehen, innerhalb der letzten zwanzig Jahre die deutsche Seeschifffahrt betroffen haben. Am 7. Mai 1875 scheiterte der der Hamburg-Amerikanischen Packetschiff- fahrtgesellschaft gehörige „Schiller" auf den Scillyinseln an der Südwestspitze Englands, wobei 331 Menschen ihr Leben verloren. Am 6. Dezember 1875 scheiterte auf der Fahrt von Bremen nach New-Jork an der Küste von Kent das Schiff „Deutschland", wobei 70 Menschen umkamen. Am 31. Mai 1878 ward das Panzerschiff „Großer Kurfürst" von dem „König Wilhelm" unweit Dover in den Grund gebohrt, was einen Verlust von 275 Menschen herbeiführte. An Größe des Verlustes an Menschenleben übertraf alle vorerwähnten Unfälle der Untergang des Hamburger Dampfers „Cimbria", des