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No. 55. PAPIER-ZEITUNG. 1841 sozusagen von unten auf wieder anfangen; vor allen Dingen muss man als Fremder die Sprache vollständig beherrschen. Es besteht hier ausserdem soviel Mitbewerb für jegliche Art von Stellung in Papierfabriken, dass es sehr gewagt ist, auf’s Gerathe- wohl herzukommen, wie ich es gethan habe. Sprachkenntniss, Praxis, eiserner Fleiss und Nüchternheit helfen jedoch dem Strebsamen auch hier vorwärts, und obwohl ich mich noch nicht so recht heimisch fühle, hoffe ich doch, nach einem langem Aufenthalte mehr zufrieden zu sein. Die Bezahlung ist fast dreimal so hoch wie bei uns, obwohl das Leben nicht viel theurer kommt, und eine Familie hier fast so billig leben kann wie in Deutschland, wenn man die Steuern berücksichtigt. Der amerikanische Arbeiter ist jedoch gewöhnt, seinen Lohn ziemlich aufzubrauchen, besonders die Verheiratheten, deren Frauen viel mehr zum Luxus geneigt sind, als unsere deutschen Arbeiterfrauen. Die sehr niedrigen Preise für alle Arten Mittel-, Schreib-, Bücherdruck, Briefumschlag- und Karton-Papiere erheischen eine erhöhte Produktion, und man ist durchschnittlich gewöhnt, ein gut geleimtes Schreibpapier von beiliegender Art im Preise von 5 Cents das Pfund mit 80—100 Fuss Geschwindigkeit bei 80 bis 100 g auf das qm laufen zu lassen. Auf diese Weise erzeugen wir mit einer 84 Zoll breiten Maschine mit 2 Pressen und etwa 95 qm Cylinder-Trockenfläche 7—8000 kg Schreibpapier in 22 bis 24 Stunden. Wir verwenden hierzu bis zu 80 pCt. Natron-Zell stoff und 20 pCt. gemischt Leinen- und Baumwollhadern. Dabei ist der Zellstoff hergestellt aus einer Art Pappelholz, sehr weich und zum Theil kurzfaserig, sodass er uns Fremden zuerst als ge bleichter Holzschliff erscheint. Die Hadern werden schneeweiss gebleicht verwendet. Sie werden gemischt in einem 7000 kg haltenden Cylinder-Drehkocher mit lOpCt. Kalk und 1 pCt. Soda 12 Stunden lang unter 50 Pfd. Druck gekocht. Nach drei- bis vierstündigem Waschen, ohne viel vorgemahlen zu sein, werden die Hadern in einem Holländer von 1000 Pfund Inhalt gut warm gebleicht mit 10 pCt. Bleichkalk und 2 pCt. schwefelsaurer Thon erde. Nach kurzer, einstündiger Bleichdauer fängt man an aus zuwaschen, und setzt dies fort, bis alles Chlor entfernt ist, was durch einfache Geruchsprobe festgestellt wird. Nach der Wäsche mahlt man kräftiger, bis die Füllung zu Ganzzeug gemahlen ist, sodass alles zusammen etwa 8—10 Stunden beansprucht. Ab geleert in Trockenkasten, werden die Hadern als Ganzstoff bis zu 20 pCt. dem Zellstoff zugetheilt. In zwei Holländern werden die Hadern abwechselnd gebleicht und gemahlen. Ein Holländer dient zum Nachbleichen von Zellstoff und Ueberarbeiten von Ausschusspapier, da man den Kollergang trotz seiner grossen Anwendung in Deutschland nicht liebt. Mit zwei weitern Hol ländern zu 1000 Pfund Inhalt mischt und mahlt man den Ganz stoff, leimt und färbt, sodass alles in 21/2 Stunden geschehen ist. Zuletzt geht der Stoff durch eine Jordan-Mühle, welche noch kräftig zugreifen muss, um die gewünschte Menge auf die Maschine zu bringen. Ein Kalander von The Pusey & Jones Co. dient zum Glätten des Papiers, welches nicht vorher gefeuchtet wird, sondern zweimal bei hohem Schraubendrack und einer Geschwindigkeit von 600 Fuss in der Minute durch den Kalander von 8 Walzen (bei 42 Zoll Breite) geht. Die oberste Papierwalze ist von H. Füllner in Warmbrunn geliefert und bewährt sich recht zu friedenstellend. Zwei Querschneider eigner Konstruktion ohne Filz dienen zum Quer- und Schrägschnitt. Während des Quer schneidens finden die beim Bogenabnehmen beschäftigten Mädchen genügend Zeit, das Papier zu sortiren, sodass hiernach zwei Packer mit Hilfe einer Zählerin die 7—8000 kg täglich bewältigen, also zählen, in Riese binden, gegebenenfalls siegeln und, aller dings ohne Packpressen, packen oder in Kisten packen können. Da an der Papiermaschine nur der Führer und sein Gehilfe, an den zwei Querschneidern ein Gehilfe beschäftigt ist, so ist dies eine grosse Ersparniss an Leuten unserer deutschen Fabrikation gegenüber. Es wird schon dem Roller an der Maschine zur Pflicht gemacht, alles Ausschusspapier oder im Gewicht nicht richtige Papier auszuscheiden, also dies fehlerhafte Erzeugniss nicht dem Kalander oder Querschneider zu überliefern, sodass das Personal des letztem nicht mehr viel schlechte Bogen auszuschiessen hat. Im Ganzen genommen ist die Arbeitsleistung des Amerikaners grösser, als wir sie in Deutschland anzutreffen gewohnt sind, wozu aber der dreifache Lohn das Meiste beiträgt. Wir setzen gegenwärtig eine neue Natronzellstoff-Fabrik für 20 Tonnen tägliche Erzeugung in Betrieb, wodurch unsere Leistung beträchtlich erhöht wird. Neue Sandfilter in Behältern (wahrscheinlich die von uns beschriebenen Warren-Filter. D. Red.) sorgen für krystallhelles Wasser. Die Firma ist somit sehr konkurrenzfähig und mit die grösste im südlichen Theile von Nordamerika. Auch die neue Cellulosefabrik ist von der Maschinenfabrik The Pusey & Jones Co. in Wilmington, Del., errichtet. Nun habe ich einen allgemeinen Umriss meines Wirkungs kreises gegeben; ob ich zu Einzelheiten kommen kann, weiss ich noch nicht, stehe jedoch auf Anfragen gern zu Ihren Diensten. (Wir bitten um möglichst genaue Beschreibung aller Theile. D. Red.) Das allgemeine Interesse richtet sich jetzt auf die Weltausstellung, aber es ist Manchem von uns im Lande nicht gestattet, dieses Vergnügen zu geniessen, da es zuviel Zeit und Geld kostet. Wir rechnen für acht Tage Fahrt hin und zurück nebst Aufenthalt 300 M., nicht gerechnet den Ausfall an Lohn in der Stellung. Ich gebe jedoch die Hoffnung nicht auf, noch vor Schluss der Ausstellung hinzukommen. O—. Das gedruckte Rundschreiben, auf welches unser geschätzter Korrespondent seine Stelle erhielt, hat, mit Weglassung der Namen, folgenden Wortlaut: Columbus, Ohio, 1893. Dear Sir! As an experienced Paper Maker I seek steady employment in your establishment. I have had twenty-one years experience in some of the largest Mills in Germany, and during the last two years I have worked, as Superintendent, with the newest design of American Machine in Brazil. I can make Writing, Book, News, Parchment, Biotting, Wrapping and Hanging Papers, also Wood and Straw Pulp. I can furnish samples of the papers I have made also the best of references as to character and ability. I have mechanical and engineering ability and can set up and look after the repair of machinery. I can begin as Superintendent, foreman or assistant. I am thirty-eight years of age, have a wife and three children and can speak English. I would be pleased to correspond with you or call upon you. Respectfully, 1342 Ave. In Uebersetzung: Geehrter Herr! Als erfahrener Papiermacher suche ich dauernde Anstellung in Ihrer Fabrik. Ich habe 21 Jahre Erfahrung in einigen der grössten deutschen Fabriken und arbeitete die beiden letzten Jahre als Leiter einer Fabrik in Brasilien mit einer amerikanischen Papiermaschine neuster Art. Ich kann Schreib-, Bücher-, Zeitungs-, Pergament-, Lösch-, Pack- und Tapetenpapiere sowie Holz- und Strohstoff herstellen. Ich bin bereit, Proben der von mir hergestellten Papiere und Zeugnisse über Charakter und Leistungen zu liefern. Ich habe mechanische und technische Fähigkeit, kann Maschinen aufstellen, ausbessern und als Leiter, Werkführer oder Gehilfe ein treten. Ich bin 38 Jahre alt, habe Frau und 3 Kinder und spreche englisch. Ich würde gerne mit Ihnen in Briefwechsel treten, oder Sie besuchen. O. — Papierbestellung von 300 kg. Die seit einiger Zeit in der Papier-Zeitung erscheinenden Artikel unter obiger Aufschrift sind von Seiten der Papierfabrikanten in einer so ungehörigen Weise abgefasst, dass ich mir erlauben muss, auch mal den Standpunkt der Papierhändler zum Ausdruck zu bringen. Zunächst er wähne ich, dass ich in dem allgemeinen Brauch, Papiere in Mengen von 3—500 kg zu bestellen, durchaus keine so sehr grossen Schwierigkeiten zu finden vermag. Sind es doch gerade die Papierfabriken selbst, welche auf Ertheilung solcher Aufträge durch ihre Reisenden hinzu wirken suchen, und man sollte annehmen, Niemand würde um einen Auftrag sich bemühen, der ihm selber unangenehm ist. Seit länger als 10 Jahren im Papierfach thätig, habe ich gar manches Mal Anfertigungen von 3—500 kg bestellt, ohne auch nur irgendwo Schwierigkeiten gefunden zu haben. Selbst die grössten Dürener Fabrikanten haben bereitwilligst 300 kg Briefpapier besonders angefertigt. Seit einigen Jahren erlaubte mir die grössere Ausdehnung meines Geschäfts, meist auch Bestellungen von 1000—2000 kg aufzu geben, und doch kommt es noch jetzt vor, dass ich mitunter 300—400 kg in Extra-Sorte haben muss. Ich will nun selbst den in der Papier-Zeitung besonders berührten Fall annehmen. Wie ist darin eine »Unverschämtheit« zu erblicken, wenn der Händler um Lieferung wie Probe (aus früherem, anderweitem Bezug stammend) ersucht, resp. Angebot erbittet? Passt dem Fabri kanten die Anfertigung nicht, so kann er ja einfach »Nein« sagen. Den Ausdruck des Herrn Carl Eichhorn von »unverschämten Forderungen« will ich hiermit nur energisch zurückweisen. Der Kopf der Papier-Zeitung sagt von sich: »Fachblatt für Papier- und Schreib waaren-Handel und -Fabrikation«, und da sollte ich meinen, dass die Papier-Zeitung sich den Leserkreis in der Händlerwelt durch eingehendere Erforschung der Interessen desselben erhalten müsse. Sind doch die Anzeigen der Fabriken gerade stets an die Händler gerichtet. Seit einiger Zeit aber habe ich bemerkt, dass in der Papier-Zeitung stets nur der Fabrikanten-Standpunkt hervorgehoben wird. Y. * * * Wer die Papierfabrikation kennt, wird Herrn Eichhorn darin recht geben, dass er gegen die Bestellungen kleiner Mengen