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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.02.1905
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1905-02-02
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19050202018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1905020201
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1905020201
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1905
-
Monat
1905-02
- Tag 1905-02-02
-
Monat
1905-02
-
Jahr
1905
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DaS sind aber alle« Dinge, die bei solchen Vorkommnissen immer passieren werden, und das Militär trifft ihretwegen kein Vorwurf. Selbst in Kreisen der Demonstranten und unzufriedenen Arbeiter herrscht darüber Unzufriedenheit, daß „ein Vorwitziger" unter den Tumultuanten mit der Schießerei begonnen und dadurch das Militär zur bewaffneten Gegen wehr berauSgefordert habe. Als Merkwürdigkeit sei noch registriert, daß auch unter den hiesigen Arbeitern und Demonstranten, ähnlich wie viel fach im Innern Rußlands, der Wunsch laut wird, einige westeuropäische Mächte sollten einrücken und im Zarenreiche Gesetz und Ordnung Herstellen!! — Es ist das derselbe Wunsch, der bereits im Jahre 862 die alten Slawen Sendboten über- Meer zu den „Warjägern", daS ist den schwedischen RuS, schicken ließ, mit der Botschaft: «Groß ist unser Land und hat Ueberfluß an allem, aber es herrscht keine Ordnung darin; so kommt denn ihr, seid unsere Fürsten und herrscht über uns." Und sie kamen, Rurik, „sine huS und getruwen" (sein HauS und Getreuen), — woraus der russische Chronist drei Brüder gemacht hat: Rurik, SineuS und Truwor! — sie kamen und gaben dem Laude den Namen „Ruß" (Rußland). Riga, 17. (30.) Januar. Die Druckereien werden seit heute militärisch bewacht. Die Zeitungen sollten heute erscheinen, die Redaktionen beschlossen aber, bis morgen zu warten, um zu sehen, welchen Erfolg die für heute um 1 Uhr angekündigte Aufnahme der Arbeit in den Fabriken haben wird. Wie eS heißt, ist vom sozialistische» Komitee vorgestern an den Pforten der Fabriken eine Bekanntmachung an die Arbeiter angeheftet gewesen, in der eine Aufnahme der Arbeit gestattet wird, jedoch nur unter der Bedingung de- Achtstundentages. Die Rigaer Waggonfabrik hat sich mit ihren Arbeitern geeinigt, in dem sie die Arbeitszeit von 11>/, Sruuven auf 8 Stun den herabsetzte Am Sonnabend wurde der bei den Tumulten am Don nerstag erschossene russische Polytechniker Pawlow be erdigt. Ein nach Tausenden zählender Zug von Leidtragenden, ein weißer, rotgeftre ifter Sarg, Kränze mit großen roten Schleifen, die Damen mit roten Schleifen an der Brust. Vor dem Polytechnikum hielt der Zng, ein Polytechniker hielt von den Treppenstufen eine Rede. Auf dem Kirchhofe wurden mehrere Reden ge halten. Militär folgte dem Beerdigungszuge, zu Ruhe störungen kam eS nicht. Heute wurde die Iutesäckefabrik von Hertwig L Peitan in Bolderaa bei der Festung Dünamünde von eindringcnden Sozialisten zur Arbeitseinstellung gezwungen. Die allgemeine Stimmung in Riga ist abwartend, in mehreren Fabriken, die Militär zum Schutz erhalten haben, wird ge arbeitet. Man ist darauf gespannt, ob den am Abend heim kehrenden Arbeitern etwas passieren wird. Vie Wrir in stunlanä Ministerielle» pr-vif-rinn«. AuS Petersburg wird gemeldet, daß die Obliegen heiten des Minister- des Innern der Gehülfe deS Ministers, Duraowo, übernommen hat. Die Arbeiter beim Saren. Die Petersburger Telegraphen-Agentur meldet: Kaiser Nikolaus empfing heute nachmittag eine aus 34 Mitgliedern bestehende Abordnung der Arbeiter der Fabriken von Peters burg. Diese waren begleitet vom Finanzminister und dem Generalgouverneur Trepow. Die Arbeiter kamen auf der kaiserlichen Bahn in Zarskoje Sselo an; an dem Kaiserpavillon wurden sie von Wagen erwartet, die sie nach dem Alexandra- Palais brachten, wo die Arbeiter in eine» der Sale deS Palais eingelassen wurden. Um 3 Uhr nachmittags erschien der Kaiser, begleitet vom Großfürsten Georg Michailowitsch, dem Hofminister Baron Frederiks und dem Palastkommandanten Hesse. Die Arbeiter verneigten sich vor dem Kaiser, der sie ansprach: „Guten Tag, meine Kinder!" Die Arbeiter riefen: „Wir wünschen Eurer Majestät gute Gesundheit!" Darauf richtete der Kaiser folgende Ansprache an die Arbeiter: „Ich habe Euch berufen, damit Ihr meine Worte von mir selbst vernehmen und sie Euren Genossen mitteilen könnt. Die beklagenswerten Ereignisse mit den traurigen und unvermeidlichen Folgen der Unruhen sind eingetreten, weil Ihr Euch von Verrätern und Feinden unseres Vater lande» habt verführe» und täuschen lassen. Als sie Euch aufforderteu, eine Bittschrift über Eure Be dürfnisse an mich zu richten, haben sie Euch zur Revolte gegen mich und meine Regierung aufgewiegelt, in dem sie Euch zwangen. Eure ehrliche Arbeit in einem Zeit raum zu verlassen, in dem alle wahren Russen unaufhörlich arbeiten müssen, um unsere» hartnäckigen Feind zu besiegen. Ausstand und aufwieglerische Kundgebungen führen die Menge stets zu Ruhestörungen, die die Behörden immer ge zwungen haben und auch in der Zukunft zwingen werden, da- Militär zu verwenden, was unschuldige Opfer rum Ergebnis hat. Ich weiß, daß daS Leben der Arbeiter nicht leicht ist. Es müssen viele Dinge organisiert und verbessert werden, aber habt Geduld! Nun be- greift selbst, daß e» nötig ist, gerecht gegen di« Arbeitgeber zu sein «ad die Verhältnisse unserer Industrie zu berücksich tig«, aber mir Tu« Bedürfnisse iu Gestalt einer aufwiegle rischen Menge auseinander zu setzen, ist ein Verbrechen. In meiner Sorge für die Arbeiter werde ich Maßregeln er greifen, um alles mögliche zu tun, um deren Lage zu ver bessern und ihnen gesetzliche Wege zur Aeußerung ihrer Forderungen zu sichern. Ich glaube an die ehrlichen Gesinnungen der Arbeiter und an ihre Ergebenheit sür mich und ich verzeihe ihnen die Freveltat. Kehrt an Eure Arbeit zurück und erfüllt Eure Aufgabe mit Euren Genossen. Gott helfe Euch!" Vie Situation in jpeter»burg. Nach einer von gestern datierten Depesche herrschte wegen deS bevorstehenden Empfanges von 33 Arbeitern durch den Zaren eine sehr gehobene Stimmung, umsomehr, da auch verlautete, daß der Zar bereits die Zustimmung zur Ein berufung hervorragender Bürger aus allen Teilen Rußlands zum Zwecke der Meinungsäußerung über etwaige Reformen gegeben haben soll. Die Freilassung GorklS soll stündlich zu erwarten sein. Auf Befehl des Zaren sind bereits mehrere verhaftete Arbeiterführer in den letzten Tagen sreigelassen worden. Die Organisatoren der Arbeiterrevolten sind noch kräftig tätig, um die Ar beiter an der Wiederaufnahme der Arbeit zu verhindern. Noch nie ist, wie das „B. T." meldet, Petersburg mit einer so großen Zahl von revolutionären Aufrufen über schwemmt worden, wie gegenwärtig. In diesen Aufrufen werden die Arbeiter vor der Wiederaufnahme der Arbeit gewarnt, da die Regierung und die Kapitalisten am schwersten unter einem Streik zu leiden hätten. Die Arbeiter werden aufgefordert, sich um jeden Preis mit Waffen zu versehen, da die Erfüllung ihrer Forde rungen nur nach blutigem Kampfe möglich sei. Der größte Teil cher Arbeiter bleibt jedoch indifferent. — Nach der „N. H. Z." bestätigt es sich, daß sofort nach dem Ein treffen der Nachricht von d-r Erschießung eines deutschen Reichsangehörigen namens Stein bei den Unruhen in Petersburg der dortige deutsche Bot schafter Schritte getan hat, um von den russischen Be hörden Aufklärung über die näheren Umstände dieses Vorfalls ru erkalten. Ein Bericht über de» Erfolg dieser Schritte ist bis jetzt nicht eingegauzea. In rNotkan. In der gestrigen Sitzung der MoSkauerDuma gaben 42 Stadtverordnete folgende Erklärung ab: Ueber die außerordentliche Sitzung der Duma am 27. Januar berichtete keine Moskauer Zeitung, weil den Blätter meldungen zufolge solche Berichte der Zensur deS Gouverneurs oder des StadtbauptmannS unterliegen. Es ist aber die weiteste Verbreitung der von der Duma beschlossenen Maßnahmen zum Schutze der städti schen Anstalten und des Leben- der Bürger erforder- lich, um der Duma den Vorwurf der Untätigkeit zu ersparen. Die Unterdrückung solcher Meldungen beraubt der Bevölkerung die Mögjichkeit einer Kontrolle über die Tätig keit der Duma und stört den Zusammenhang zwischen den Wählern und den Vertretern; außerdem berechtigt das Preß gesetz den Minister des Innern, den Blättern eine Besprechung wichtiger Staatsfragen zu untersagen. In Anbetracht solcher Erwägungen muß die Duma bei der Regierung beantragen, daß die Zensur der Zeitungsberichte über die Sitzungen der Duma unverzüglich aufgehoben und bei der angeord neten Revision der Preßgesetze Vorstehendes in Betracht ge zogen wird." Diese Erklärung gelaugt ia der nächsten Sitzung der Duma zur Beratung. In Warschau. Nach den gestrigen Berichten breitet sich der Ausstand sich auf alle Fabrikbezirke der Stadt aus. Die Güterrüge der Lublin bahn sind eingestellt worden. Gestern versuchten die Aus ständigen, die Eisenbahnbeamten in den Ausstand hineinzuziehen Die Läden und Kontor- sind nur zum Teil geöffnet, die Zeitungen, mit Aus nahme der „ÄarschawSky Dnewnit", sind nicht er schienen. Die Stimmung ist noch erregt. — Nach der Petersburger Telegraphen-Agentur kehrt die Ordnung wieder. Die Arbeiter beginnen die Arbeit wieder aufzunehmen. Die Person, die durch einen Säbelhieb im Gesicht leicht verwundet wurde, ist, wie jetzt vorgebracht wird, ein russischer Untertan, der als englischer Bizekonsul fungiert und sich unter der Volksmenge ohne ei» äußeres Abzeichen in seiner Stellung befand. ver s«tti5»-japanir»r Weg. In der gestrigen Vormittagtsitznng der HnUkeenneission verlasen Elli» und Schrantschenko ihre vorgestrigen Aus sagen. Dann wurde Leutnant Wallrond hervorgerufen, um Aussagen zu machen. Neckludoff erklärte, er würde sich nicht an dem Verhör beteiligen, weil seiner Ansicht nach der Vorfall mit der „Kamtschatka" keinen Zusammen hang mit der Hullaffäre habe. Pickford befragte Wall rond über den von der „Kamtschatka" gesteuerten Kurs und die Depeschen, die von dem Admiralschiff übermittelt worden sind. Versicherung gegen Ariegrgefahr. Der „Köln. Ztg." wird aus London geschrieben: Da» Jammergeschrei, da» sich jüngst in den Kreisen des See versicherungs-Geschäftes erhob, die sich mit Vorliebe der Versicherung gegen Kriegsgefahr widmen, hat einen sach kundigen Mitarbeiter der „Times" veranlaßt, Ermittelungen darüber anzustellen, inwieweit dieser Teil de- Marktes durch die erhöhte Wachsamkeit der Japaner über den Verkehr mit Wladiwostok gefährdet sei. Nach den Erhebungen de» Gewährsmann«» der „Times" wäre da» Ver sicherungs-Geschäft gegen Kriegsgefahr im vergangenen Jahre bedeutend umfangreicher und da» Er gebnis günstiger gewesen, als man bisher angenommen hat. Nach Deckung sämtlicher Verluste durch Wegnahme waren stark drei Viertel der als Prämie» eingenommene» Gelder als Deckung sür weitere Ansprüche zur Verfügung. Seit Anfang de» neuen Jahre» sei dann wieder ein statt liche» Geschäft zu hohen, stellenweise sehr hohen Prämien abgeschlossen Word«. Wem» nun sämtliche geg« Kriegs gefahr versicherten Ladmkge», die h«»t« vv« Europa m»d von der pazifischen Lüft» Lmeota» »ach Vtadiwvstot mNer- wegS sind, abaefangea würden, wa» ja »ach den in zwischen eingelaufenen Depeschen im höchsten Grade unwahrscheinlich wäre, so würden diese Prämiengelder allerdings erschöpft werden, und die einzelnen Ver sicherungsfirmen hätten auch noch eine Zubuße auf- zubringen, die ^allerdings nicht allzu hoch sein würde. Die am stärksten Beteiligten würden alsdann 4000 bis 6000 Pf. St. für den einzelnen verlieren. Ia den meisten Fällen wäre jedoch die Einbuße sehr viel geringer. Unter diesen Um ständen wäre also daS Unglück selbst ia dem recht unwahr scheinlichen schlimmsten Falle ohne ernstere Folge» zu verschmerzen. DaS Schlimmste, was nach Ansicht deS Mitarbeiters der „Times", Wohl den kühnen Spieler» diese- Geschäfts widerfahren würde, wäre, daß sie, statt deS er warteten großen Gewinnes, entweder gar keiue» oder »ur eine» kleinen davontragen dürften. Line neue A»nfi»katk»«. AuS Tokio meldet ein Telegramm: Der österreichische Dampfer „Siam", mit Cardiff-Kohle» nach Wladiwostok bestimmt, ist gestern bei Hokkaido beschlagnahmt worden. Der Admiral Skr^dlew ist in Petersburg eingetroffen, wie bereit» der Draht gemeldet hat. Seine Abberufung au» Wladiwostok und seine Er nennung zum Mitglied deS Marinekouseil» ist als Abschluß seiner Karriere zu betrachten. De» großen Hoff nungen, die man auf ihn vor seiner Abreise nach dem fernen Osten setzte, hat er nicht entsprochen. Seine Ver stimmung wird übrigens leicht verständlich. Vorläufig, so äußerte sich Skryblow, wolle er durchaus schweigen, da jetzt der Zeitpunkt zum Rede» nicht sei. Jetzt sei vorläufig nicht die Zeit, um Vorwürfe gegen einzelne Persönlichkeiten und Institutionen zu erheben. Nach Schluß des Friedens werde sich vieles von selbst aufkläreu, dessen Aufklärung jetzt vermieden werden müßte. Mongolen ln Mulde«. In Muk den weile» »ach eiuer Petersburger Depesche deS „8. A." augenblicklich einige mongolische Fürste», die in geheimer Mission z»m Kaiser von China geh«. Ueber de» Zweck der Reise beobachte» sie Stillschweigen. Ke» Arsroxatlin» Miherfolg. Nach einem Telegramm au» Tokio berichtet Oyama, daß auf dem Schauplatz der jüngste» Kämpfe seit dem 28. Januar 1200 zurückgelassene Leiche» von Russen ge funden worden seien. Eine Depesche von der japanischen Front besagt: KuropatkinS Offensivbewegung wurde not wendig, um den Druck seiner eigenen Flanke zu mildern. Da dieser Zweck nicht erreicht worden ist, hat sich seine eigene Stellung jetzt verschlimmert. ver SeneraMiM im stubnevier. Der Streik soll bekanntlich vor allem durch die in Aus sicht gestellte Novelle zum preußische» Berggesetz abgeschwächt werden. Der erste Entwurf diese- Gesetzes wird in allernächster Zeit den nach Berlin berufenen fünf preußischen Berghauptleuten zur Begutachtung vorgelegt werden. Aber auch bei größter Beschleunigung aller noch erforderlichen Verhandlungen wird es doch noch eines Zeit raums von reichlich vierzehn Tagen bedürfen, ehe die Novelle selbst den gesetzgeberischen Körperschaften zur Beratung zu gehen kann. Aus dem Streikgebiet selbst ist ein Aufruf der Siebenerkommissiou sowie eine gut verbürgte Nach richt über di« Stellung der Zechenbesitzer von Inter esse, worüber uns gemeldet wird: Düsseldorf, 1. Februar. (Etg. Drahtmldg.) Die Kom mission hat am letzte» Sonnabend der Ministerialkommission ausdrücklich erklärt: „Wenn die Zechenverwaltungen sich bindend verpflichten, keine Maßregelungen vorzunehmen, in den Lohn- und anderen Fragen bestimmt entgegenkommen, wird die Arbeit wieder ausgenommen, um so «her, wen« der Inhalt der angekündigten Berggesetz«ovell« den wesentlichen Arbeiterwünschrn entspricht. Wir ünd also stet- zum FrtedenSschluß geneigt, müssen aber die Garantie haben, daß den Kameraden keine neu« Drangsal« aufgebürdet werden. Die älteren Arbeiter, die al- Vertrauensleute der Verbände fungieren, stehen in Gefahr, gemaßregelt zu werden, wenn bedin gungslos die Arbeit ausgenommen wird. Daß wir diese Kameraden zu schützen baben, wird jeder rechtlich denkende Bürger zugeben. Nichts liegt un» ferner, al« frivol den Streik fortzusetzen. Werden uns die gewährten Garantien zugebilligt, dann hat der Streik schnell sein Ende gefunden. Wir verkennen nicht die Absicht der Negierung, den Bergarbeiterschutz zu fördern, ober wir müssen auch an die Berggesetz-Novelle von 1892 denken, die auch regierungsseitig manche arbeitersreundliche Bestimmung ent hielt, aber der Landtag hat damal» die Regierungs novelle total verschlechtert. Die Werksvertretrr im Landtage haben einen Bergarbeitertrutz zustande gebracht, wer bürgt uu» dafür, daß sich dasselbe Schauspiel nicht wiederholt. Werden der Siebener-Kommission die erbetenen Garantien gegeben, so wird der Streik beendet. Vorher aber können wir da« nicht, da wir nicht unsägliche- Elend gerade über die besten Kameraden hereinbrechen lassen dürfen. Am Schlüsse wendet sich daS Flug blatt an die Bürgerschaft mit der Bitte, die Sach« der Gerechtig keit zum Siege zu führen." Der Bergbauliche Verein teilt nn« dazu noch mit, daß er unter allen Umständen jetzt daraus besteht, daß die Regierungs kommission ihre Enquete weiter fortsetzt. Vorher sei überhaupt an rin Nachgebru de- Bergbaulichen Verein« nicht zu denke»; er hab« alle« Interesse daran, den Tatbestand klar gestellt zu sehen, verlangt eine bedingungslose Aufnahme der Arbeit und dann weitere Verhandlungen von der jetzt gewählten Kommission. Nach dem „ReichSanz." sind im Ruhrbezirk am 31. Januar in der Morgenschicht 52 386 gegen 51617 Bergleute am Tage vorher angrfahren. Der Ausstand bat auf die Zeche Rhrinpreußen de, Homburg i« Kreise Mör« üdergegriffen, obwohl die Verwaltung de» Forderung«» der Velegichaft i« wesentliche» »»gestimmt hat«. E» sind Heer a» »1. Januar O L.— R r>.— 5- Bezugs-Preis f» der Hauptexpedition oder deren Au«gab»< pellen abgrholt: vierteljährlich 3.—, bei zweimaliger täglicher Zustellung in« Hau» ^l 3.75. Durch die Post bezogen für Deutsch land u. Oesterreich vierteljährlich 4.50, sür die übrigen Länder laut Zritunq-prei-liste. Diese Nummer kostet auf allen Bahnhöfe» und III I( l bei den Zeitungs-Verkäufern i * Re-aktion und Expedition: 153 Fernsprecher L22 Johanni«gasse 8. Haupt-Ftltale Dre-den: Marienstraßr 34 (Fernsprecher Amt 1 Nr. 171SX Haupt-Filiale Verlin: LarlDuuckrr,Herzgl.Baqr.Hofbuchbaudlg^ LützowNraße lO (Fernsprecher Amt Vl Nr. 4603). Morgen-Ausgabe. Amtsblatt des Hömgl. Land- und des Honigs. Amtsgerichtes Leipzig, des Nates und des Votizeiamtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen-Preis die 6 gespaltene Petitzeile 25 Familien- rmd Stellen-Anzeigen 20 Finanzielle Anzeigen, Geschästsanzeigeu unter Text ober an besonderer Stelle nach Tarif. Die «gespaltene Reklamezeile 75^. Rnnahmeschluß für A«,et,eu: Abend-Ausgabe: vormittag« 10 Uhr. Morgru-AuSgabe: nachmittag« 4 Uhr. Anzeigen sind stet« a» die Expedition zu richte». Extra-Beilage» (nur mit der Morges- Ausgabe) nach besonderer Vereinbarung. Die Expedition Ist wochentags ununterbrochen geöffnet vo» früh 8 bi« abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polt in Leipzig (Inh. vr. R. L W. Kltukhardt). Nr. 59. Donnerstag den 2. Februar 1905. SS. Jahrgang. Vas Wcbügste vom Lage. * König Friedrich August wird die Internatio ¬ nale Kochkunst» und Fachausstellung für das Gast- wirtSgewerbe zu Leipzig persönlich eröffnen. (S.Leipz. Angel.) * Der Rat der Stadt Leipzig übertrug den Erben deS verstorbenen Direktors St arge mann bis auf weitere- die Leitung der Stadttheater. (S. Leipz. Angel.) * In der gestrigen Stadtvtrordnetensitzung wurde der Errichtung eine- neuen Meßplatzes vor dem Frank furter Tor zugestimmt und der Betrag von 400 000 dafür bewilligt. (S. Sitzungsbericht.) * Im Reichstage brachte Reichskanzler Graf Bülow gestern persönlich die Handelsverträge ein. (S. Bericht.) * DaS preußische Abgeordnetenhaus tritt heute i» die zweite Lesung der Kanalvorlage ein. * Der bekannte Maler Oswald Achenbach ist in Düsseldorf an einer Lungeueutzündung gestorben. (S. Feuill.) * Als Nachfolger TiSzaS wurde durch diesen selbst Graf Julius And rassy demKaiser benannt; auchKossuth empfiehlt sich. (S. Ausland.) * Im italienischen Kriegshafen Spezia wurde gestern der Generalstreik verkündet. (S. Ausland.) * Der Zar hat 33 von Trepow ausgesuchte Arbeiter empfangen, die Ereignisse beklagt, Verzeihung für die „Frevel tat" unv Reformen versprochen. (S. den Artikel.) Vie Hukstanlkbemglmg in clen rnrrirchen Vrtreeprovinren. (Bou unserem Korrespondeuteu.) Riga, 16. (29.) Januar. Unsere Gegend bewahrt auch in der jetzt alle Industrie gebiete durchziehenden Bewegung ihren eigenen Charakter, und da» Schwergewicht ihrer Kultur wirkt auf die Formen de» Aufstandes und die Mittel zu seiner Bekämpfung be stimmend ei». Es sind eigenartige Zustande. So z. B. hatte der Gouverneur den Druckereien militärischen Schutz zugesagt. Als aber am Donnerstag um 1 Uhr mittags die etwa 600 Per sonen zählende Menge der Demonstranten auf dem Domplatz vor die dort in nächster Nachbarschaft liegenden vier deutschen Druckereien rückte, in diese eindrang und die Setzer und Drucker zur Niederlegung der Arbeit zwang, war trotz telephonischer Benachrichtigung der Gouvernements-Regierung auch nicht eine Bajonettspitze zu sehen. Und gerade der Platz vor der alten Domkirche kann mit Leichtigkeit durch eine einzige Kompagnie Soldaten abgesperrt und geschützt werden. Erst gegen 3 Uhr, also nach 2 Stunden, rückte Militär an, — natürlich zu spät, denn der Domplatz lag im tiefsten Friede» da. Charakteristisch ist auch, daß die im Schlosse befindliche Typo graphie derGouvernementS-Regierung bereit- Don nerstag morgen al» erste von allen Druckereien freiwillig und auf Verfüge» der Negierung die Arbeit eingestellt hatte! Man wollte sich nicht der Schmach aussetzen, von den Demonstranten gewaltsam zur Betriebseinstellung ge- zwunge« zu werde», und sah sich andererseits nicht in der Lage — trotz der zur Verfügung stehende» Garnison vo» 6000 Mann! — die Gouverne ments-Typographie durch Militär zu schützen! Ein wenig blamable, aber eigenartig! . . . Und woher diese Unentschlossenheit? Die Idealisten be haupten, das böse Gewissen, daS alle Gewalt-Regierungen kennzeichne, sei durch die Vorgänge in Petersburg auch bei den hiesigen Regierungsmännern erwacht und habe seine lähmende Gewalt au-geübt. Die Realisten denken freilich ander-. Wie ich aus bester Quelle weiß, glaubt man de» in Riga stationierten Militär» nicht ganz sicher zu sein. Ei» Infanterie - Regiment soll erklärt haben, eS werde einem Befehl, auf die Demonstranten zu feuern, nicht Folge leisten. Jedoch da« sind Gerüchte. Jeden falls war auch bei dem Zusammenstoß um 6 Uhr nach mittags nicht ein Infanterieregiment in Aktion, sondern da» Unteroffizier-Lehrbataillonl — Diesem haben nun die Demonstranten blutige Rache geschworen. Ihre Führer haben eine genaue Beschreibung der Uniform verbreitet und zur Ermordung jede», der diese Uniform trägt, aufgefordert. E» muß indeß gesagt werden, daß der erste Schuß von den Demonstranten abgegeben wurde, und zwar auf einen berittenen Schutzmann, sowie daß da» Militär hier im Gegensatz zu Petersburg durchaus „zivilisiert" vorging. Nur jeder fünfte Mann hatte Befehl, auf die Menge zu schießen, die übrige Mannschaft schoß über die Köpfe weg. Freilich wurde auch hierdurch manche» Unheil angerichtet. So wurde ein Direktor einer russischen Sparbank auf >/« Kilometer Entfernung im Wage» der elektrischen Bahn durch eine Kugel in den Kopf getroffen und getötet. Ein an dem Krawall unbeteiligter Realschüler erhielt einen Schuß durch die Leber und starb am folgenden Tage an der Verwundung. Zwei auf dem Nachhausewege befindliche Nein« Mädchen wurden verwundet, einem friedlichen Passanten wurde auf der Pontonbrücke durch eün ab geirrt« Kugel «tu Ohr abgeschossen u. deral. m.
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